Sein Lebenslauf. Gustav Heinrich Bosch wurde am 12. November 1914 in Rechberghausen, Kreis Göppingen, geboren. Er war Sohn des Kaufmanns Gustav Bosch, der vor der Geburt seines Sohnes, am 30. September 1914 in Frankreich gefallen ist. Nach der Schulzeit (mittlere Reife) wählte Gustav Bosch den Gemeindedienst und schloss die Ausbildung im württembergischen gehobenen Verwaltungsdienst mit sehr guter Note ab. Im November 1938 wurde er eingezogen, machte den Frankreich- und den Balkanfeldzug mit, war dann im Osten, geriet Ende April 1945 schwer verletzt in russische Gefangenschaft, aus der er im August 1945 wegen Arbeitsunfähigkeit entlassen wurde.
Da stand er nun, fast 31-Jährig, zweimal verwundet und sieben Jahre Soldatenzeit hinter sich. Was macht so einer? Er startet das Leben neu Ende 1945 in seiner Heimatgemeinde auf dem Bürgermeisteramt und ab Sommer 1946 zog es ihn ins Innenministerium nach Stuttgart.

Hochzeitsbild Gustav und Helene (Archiv Müller)
Am 18. April 1942 hat er seine Frau Helene geb. Kunkel geheiratet, die auch aus Rechberghausen stammt. Im Februar 1941 war er in den Landesdienst getreten und im April 1943 Beamter auf Lebenszeit geworden.
In Oberkochen musste ein Bürgermeister gewählt werden – der erste freigewählte nach den 1.000 schwarz/braunen Jahren und der kurzen US-bestimmten Nachkriegszeit. Rudolf Eber hatte die Gemeinde nach dem Zusammenbruch 1945 in die neue demokratische Zeit geführt. Die Wahl am 1. Februar 1948 machte Bosch, vielleicht entgegen den Erwartungen, zum Sieger. Er erhielt 4 Stimmen mehr als Rudolf Eber. Das war die spannendste Bürgermeisterwahl in unserer Stadt, damals noch ein Dorf mit Ambitionen. So ist das in einer Demokratie – jede Stimme zählt, auch wenn das heute manche Zeitgenossen anders sehen.
Seine 30jährige Amtszeit (vom 5. März 1948 bis 4. März 1978) wurde geprägt von einem nicht enden wollenden Aufschwung, der Oberkochen 1968 zur Stadt katapultierte, obwohl die notwendige Einwohnerzahl von 10.000 EW nicht erreicht war, aber was solls – man träumte gar von 15.000 EW – wo immer die ihren Platz haben sollten.
Bereits am 31. Dezember 1979 erlag er nach längerer Krankheit seinem schweren Leiden, das er, in klarer Erkenntnis, dass keine Heilung möglich, mit bewusster Tapferkeit ertrug. Gustav Bosch war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, des EK 1, des Verwundetenabzeichens und der Martinus-Medaille der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Silber sowie Ehrenbürger seiner Stadt Oberkochen. Seine Witwe Helene überlebte ihn um fast 32 Jahre und starb knapp 90-jährig am 22. Mai 2011.
Alt-Landrat Dr. Huber skizzierte die damalige Situation im Jahr 1948: „Begonnen hat die Geschichte des Bürgermeisters (BM) Gustav Bosch mit einer Wahl, bei der er ums Haar unterlegen wäre. Der Gegenkandidat war Rudolf Eber, der Vorgänger im Amt, hatte nur 4 (!) Stimmen weniger erhalten. Und dessen Schwiegervater war Mitglied des Gemeinderats und stellvertretender BM. Zur Überraschung vieler Oberkochener und anderer Augenzeugen geschah keine Konfrontation, sondern eine sich in aller Stille vollziehende Friedensstiftung, die beiden Seiten zur Ehre gereicht und der Gemeinde zum Segen wurde. Von dem Gewählten verlangte sie Verzicht auf Siegerpose, Anerkennung der Leistung des Vorgängers, Eingehen und Zugehen auf den enttäuschten stellvertretenden BM Josef Schmid. Wenige Jahre später erhielt dieser auf Veranlassung von BM Bosch hohe Auszeichnungen und als im weiteren Verlauf Rudolf Eber Gemeinderat und stellvertretender BM wurde, sah man die beiden Männer in bestem Einvernehmen und Vertrauensverhältnis. Bei der Verabschiedung von BM Bosch oblag Rudolf Eber die Überreichung der Urkunde über die Verleihung des Ehrenbürgerrechts; es geschah mit einer glänzenden Laudatio. An der Bahre von BM Bosch hat Rudolf Eber, immer noch stellvertretender BM, nicht nur den Nachruf des Gemeinderats gesprochen, sondern auch mit tränenerstickter Stimme von dem guten Freund Abschied genommen.“ Gelebter Oberkochener Frieden eben.

Der Bürgermeister unterschreibt bestimmt etwas ganz Wichtiges (Archiv Müller)
Auch Pfarrer Snoeren war von ihm angetan: „Herr Bosch hat viel mit sich ringen und kämpfen müssen. So kommt es eben nicht von ungefähr und es war keine Spielerei, wenn BM Bosch zu jenem italienischen Philosophen, enthusiastischem Christen und utopischen Sozialisten, La Pira (1904 bis 1977), große Sympathie hegte, obwohl dieser Mann zum BM von Florenz gewählt, die Stadt in kurzer Zeit an den Rand des finanziellen Ruins steuerte. Was die beiden verband, war das Verlangen, unbeschränkt helfen zu können, wo immer jemand Hilfe benötigte…..solche Menschen leiden unter dem Zwang allzu oft Nein sagen zu müssen…..Immer wieder hat Gustav Bosch den Wunsch geäußert dem unglückliche Kollegen La Pira einmal persönlich begegnen zu können.“

Bürgermeister Gustav Bosch in Würde mit obligatorischer Amtskette (Archiv Rathaus)
Soweit die nüchternen Daten und Fakten. Aber er war weit mehr als das. Und so schauen wir uns mal an, was ich über ihn so alles gefunden habe:
“Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das setzte er auch durch”, sagt ein ehemaliger Stadtrat. Er war ein Taktiker, ein kommunaler Fuchs aus dem Effeff und nach den Gemeinderatssitzungen soll es in lustiger Runde mitunter auch feuchtfröhlich zugegangen sein.
Der Gemeinde kamen seine vielfältigen Verbindungen nach Stuttgart mehr als zugute.
Sein direkter Nachfolger Harald Gentsch bescheinigte ihm: “Gustav Bosch hat mit Wissen und Können entscheidend zum Wachsen und Gedeihen der Stadt beigetragen”
und Gentschs Amtsnachfolger Peter Traub fügte hinzu: “Die Stadterhebung hat Oberkochen einen besonderen Stellenwert in der Region gegeben und Gustav Bosch war seinerzeit die Personifizierung des Aufschwungs.”
Er wurde am 18. Oktober 1953 und am 5. Dezember 1965 jeweils mit beeindruckender Stimmenzahl wiedergewählt.
Die „Schwäpo“ bezeichnete ihn einst als „Eisernen Gustav“, aber ich denke mal, dass er im Grunde so nicht war.
Gustav Bosch war jene Person, die mit Weitsicht und Integrationskraft agierte. 1962 lag man im Land an der Spitze der Wachstumsgemeinden. In den beiden Jahrzehnten nach dem Krieg hatte sich die Bevölkerungszahl vervierfacht.
Bei Boschs Verabschiedung im Februar 1978 sagte Rudolf Eber: “Gustav Boschs unermüdliches Wirken und sein stets vom Gemeinwohl bestimmtes Handeln waren richtungsweisend für Oberkochen.”
Gustav Bosch und sein „Kind“ – das Amtsblatt, dessen erste Ausgabe mit dem Titel „Bürger und Gemeinde“ am 6. März 1953 erschien. Die hergebrachten Formen des Ausschellens durch die Amtsbüttel und des Anschlags am Rathaus befriedigten nicht mehr. Nur was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Der letzte Büttel, ausgestattet mit blauer Uniform und Schelle, war Josef Wingert. Nach den Vorstellungen des Bürgermeisters sollte dieses Gemeindeblatt (weit über den Abdruck von amtlichen Bekanntmachungen hinaus) der »vollkommenen Unterrichtung der Bürger eines demokratischen Gemeinwesens« dienen. Ich denke, dass ihm die heutige Version auch gefallen würde.
Ein Gemeinderatserlebnis von Volkmar Schrenk oder „als sich die Eisheiligen in Oberkochen zeigten“: Es geschah einst an einem lauen Spätsommerabend — zumindest in den Augen des Bürgermeisters — etwas noch nie Dagewesenes. Anstelle des obligaten Vierteles bestellte ich mir eine große Portion Eis und saß alsbald wie ein Fremdkörper im Kreis der Viertelesschlotzer. Dies focht mich aber wenig an, zumal ich meinte festzustellen, dass sich einige verstohlene Blicke beinahe begehrlich auf meinen Eisbecher richteten. Nach etwa zehn Minuten ernsthaften Bedenkens fasste Reinhold Liebmann (CDU) sich ein Herz und bestellte auch einen Eisbecher; dem schloss sich spontan Josef Marschalek (SPD) an. So saßen wir als fraktionsübergreifende Eis-Esser-Gruppe am Tisch und Bürgermeister Bosch war es vorbehalten festzustellen: „Heute haben wir drei Eisheilige unter uns“. Und als bei einer der nächsten Nachsitzungen sich auch Frau Dr. Borst zur Runde der Eisliebhaber gesellte, war es wiederum der Bürgermeister, der die Situation erfasste und feststellte: „Nun hat sich zu den Eisheiligen noch die Kalte Sophie gesellt“.
Ein Bonmot von ihm lautete: „Zu wenig verlangen ist Faulheit“.
In früheren Zeiten sollen die Räte bis weit über Mitternacht hinaus „verhockt“ sein, und erst, als der Bürgermeister mit Julius Metzger griechisch zu parlieren begann und man im Morgengrauen im druckfrischen Exemplar der Zeitung gelesen hatte, was Robert Wolff über die Sitzung berichtete, machte man sich auf den Heimweg. Die Herren hatten halt noch Kondition.
Kein Verständnis hatte er, als ein bekannter Gemeinderat seinen Urlaub zuhause verbrachte und urlaubsbedingt nicht zur Sitzung erschien. Da wurde er ganz schön grimmig und stellte den Rat in den Senkel, denn Abwesenheit von der Sitzung war nur erlaubt, wenn man auch verreist war.
Auch sah oder hörte man den Bürgermeister zusammen mit den übrig gebliebenen Nachtschwärmern, von der „Grube“ oder vom „Café Weidl“ kommend, auf dem frühmorgendlichen Nachhauseweg beim „Storchenbäck“ die ersten Brezeln holen.
Bei unserer Erstürmung des hiesigen Gymnasiums und dem Aufstellen einer Piratenflagge zum 1. Mai nahm er den polizeilichen und schulischen Nachbearbeitungen die juristische Schärfe, indem er dafür sorgte, dass unsere verschworene Truppe nicht wegen Landfriedensbruch „drankam“. Er bewertete das als Lausbubenstreich und sorgte dafür, dass die Bestrafung sich im Rahmen hielt und als „soziale Dienste“ im Rahmen der Stadterhebung abgearbeitet werden konnte. Auch hier ein Mann mit Weitblick und Einschätzungsvermögen nach dem Motto „Lass‘ mr doch dui Kirch‘ im Dorf“.
Ludwig Burghard erinnert sich: „In meinen Jugendjahren, haben wir dann die gewölbten Kellerräume unter dem „Fuchsbau“ aus ihrer tristen Vergangenheit gerettet und diese zum zünftigen Partykeller umgemodelt, für welche sie eigentlich wie geschaffen waren. Wir haben dort tolle Partys und Feste gefeiert, mit nicht selten an die 30 Personen, was natürlich auch dem Bürgermeister zugetragen wurde (Ein Schultes hat immer seine Informanten). Nach kurzem Verbot und einer eingehend feuchten Verhandlung mit dem Schultes am Stammtisch im „Pflug“, wurde von Bosch wieder grünes Licht gegeben: „Buaba feirat, so lang ihr wellat!!!“. Julius Metzger, der damals unseren Schultes begleitete, protestierte jedoch energisch: „Nein, das geht nicht, das ist ein Sündenpfuhl!!“ Worauf Gustav Bosch laut antwortete: „Julius, halt dei Gosch !!“ Und so war es nicht verwunderlich, dass sich der liebe Gustav einmal zur späten Stunde bei uns im Keller zu einem Absackerviertele einfand.
Wenn er etwas zu diktieren hatte begann er stets mit den Worten: „Schreibat Se….“
Wenn er sich um seine Reden kümmerte, ging er ins „Redenzimmer“, um sich auf der dort befindlichen Couch, in horizontaler Lage um seine Reden zu kümmern – besonders nach sitzungsintensiven Nächten. Er war halt immer im Einsatz.
Heimatgeschichte und Geschichten waren sein Ding – lange vor dem Heimatverein. Er wollte, dass Heimatkundliches im Amtsblatt seinen Platz hatte. Seien es Franz Balles „Blätter zu einem Heimatbüchlein“ oder Berichte, die seiner eigenen Feder entstammten.
Den Alten Herren vom 1. FCO war er wohlgesonnen und dem Fußball wohl auch. Und so veranstalteten die Männer um Anton „Done“ Gutheiß anlässlich ihres 25jährigen Jubiläums 1984 das 1. Gustav-Bosch-Gedächtnis-Turnier.
Selten wurde eine Wiederwahl eines Bürgermeisters von so großen Sympathiebezeugungen begleitet wie 1953 in Oberkochen:
Im Vorfeld der Bürgermeisterwahl sprachen sich neben den Heimatvertriebenen, dem TVO sowie der Gemeinschaft der „Weingarten- und Diözesansiedlung“ auch die politischen Parteien CDU und SPD öffentlich für eine Wiederwahl Gustav Boschs aus und appellierten an die Bürgerschaft, ihm die Stimme zu geben. Der damalige SPD-Ortsvorsitzende Josef Marschalek forderte z.B. in einem öffentlichen Aufruf, der am 9. Oktober 1953 in „Bürger und Gemeinde“ erschien, „alle Menschen guten Willens“ auf, am 18. Oktober ihre Stimme für Gustav Bosch abzugeben. Er verwies dabei auf die Leistungen des Bürgermeisters in den vorangegangenen sechs Jahren und nannte hierbei vor allem die Ansiedlung des Weltunternehmens Zeiss, das damals noch unter „Zeiss Opton firmierte“, die Schaffung von Bauplätzen und Wohnraum (die Einwohnerzahl Oberkochens stieg 1953 auf über 5000), den Neubau der Dreißentalschule und der Dreißentalhalle (letztere diente nicht nur als Schulsporthalle, sondern auch als Veranstaltungshalle und damit als Ersatz für das sog. Martha-Leitz-Haus), den Neubau des Kindergartens Wiesenweg (der 2014, also 62 Jahre später, dem neuen und größeren Kinderhaus Wiesenweg weichen wird), die Errichtung des Stadions in der Kreuzmühle (das später den Namen „Carl Zeiss-Stadion“ erhielt) sowie den Ausbau der Straßen, der Wasserversorgung, der Stromversorgung und der Kanalisation.
Josef Marschalek nannte auch eine weitere große Leistung Gustav Boschs, die aus heutiger Sicht eher unspektakulär erscheint, aber damals als wichtige und vordringliche Aufgabe angesehen wurde, nämlich die Beseitigung der Dunglegen, also der „Misthaufen“, in der Aalener und Heidenheimer Straße. Noch heute erzählen die Menschen, die damals als Vertriebene, Flüchtlinge oder Arbeitssuchende nach Oberkochen kamen, dass ihr erster Eindruck von den vielen Dunglegen geprägt wurde, die es beinahe vor jedem Haus in der Hauptstraße gab. Oberkochen war damals eben noch stark landwirtschaftlich geprägt und befand sich Anfang der 1950er Jahre in einem Wandlungsprozess hin zu einer Industriestadt. Das Thema mag heute oberflächlich betrachtet als lächerlich erscheinen. Damals war es das aus vielerlei Gründen nicht. Tatsächlich hatte es weitreichende Folgen und einen durchaus ernsten Hintergrund. Die Beseitigung der Misthaufen war so wichtig und nahm damals einen derart breiten Raum in der Kommunalpolitik und den politischen Diskussionen in Oberkochen ein, dass ihnen ein eigener Beitrag in unserer Serie anlässlich des Rückblicks auf 60 Jahre Amtsblattgeschichte gewidmet werden sollte – so der Plan – es konnte aber bis heute noch nicht umgesetzt werden. Ich bin aber guter Hoffnung, dass das noch etwas wird – spätestens 2026/2027.
Die Wahl wurde von Erich Günther poetisch gebührend nachbearbeitet. Diese nachfolgenden Verse bringen die Wertschätzung und den Respekt zum Ausdruck, die Gustav Bosch während seines ganzen Berufslebens in Oberkochen entgegengebracht wurden. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die Oberkochen aus der schweren Nachkriegszeit geführt und den Wandel vom Dorf zum Unternehmensstandort maßgebend gestaltet hatte:
Um neune rum, da füllt sich schnell
der „Hirsch“ sowohl als wie die „Schell“.
Von andern Stellen woiß i’s net,
denn früh schon ging ich froh zu Bett.
Na Karle, was saischt jetzt zur Wahl?
Moint Fritz, dui war für uns koi Qual.
Ganz wohl war’s onserm Schultes et,
er häb‘ sich manchmal dreht im Bett.
I‘ hann’s et g’seha, denk mr’s bloß
und jetzt isch er den Druck scho los.
Ja hätt’scht denn denkt, daß s’anders ging?
I‘ g’wiß net, klar war mir des Ding!
Der Karle aber sait dann drauf
„Jetzt paß amol gehörig auf:
Was tät der Mischtene wegsprecha,
dia könntet s’Gnickle ihm scho brecha!
Und guckscht dui Strauß a, dui modern,
gar viele hennt des gar net gern,
denn d’Plätz vorm Haus, Narr dia send flöta,
und kriagt hennt se bloß a paar Kröta.
Wo send no Äcker, wo no Wiesa?
Bloß Bauplätz‘ tun Di heint no grüaßa.
Was moinscht, was des dia Baura freit,
und des no vor der Amts-Wahl-Zeit!
Selbst wenn scho dia von de Verei‘
sich denkt hennt, er sott’s wieder sei,
so geiht’s doch andre no viel mehr,
dia sicher schwanket hin und her.“
Doch anders kam’s, sait jetzt der Frieder
und setzt zu dene zwoi sich nieder.
Vernünftig sind halt älle gwea,
dia ihm ihr Kreuzle heut hennt gea.
Denn sia send’s los und er, er hat’s,
doch er isch richtig auf dem Platz!
Koin bessra wüßt i‘ als den Ma,
drom stoßet auf sei Wohl jetzt a!

Gerne in geselliger Runde beim Smalltalk mit den Herren und Damen von Zeiss – er konnte mit Allen (Archiv Müller)
Und abschließend lassen wir den Alt-Bürgermeister selbst zu Wort kommen, denn schreiben konnte er schon auch gut und poetisch hatte er es auch drauf. Weitere 25 Gedichte von ihm sind in einem Gedenkbüchlein aus dem Jahr 1987 veröffentlicht worden:
„Meine Damen und Herren“
Von Bürgermeister Gustav Bosch (ungefähr von 1961)
Meine Damen und Herren im fröhlichen Kreise
zur Halbzeit der schönen Besichtigungsreise,
die nach langem Zaudern der hohe Rat
aus den besten Gründen beschlossen hat,
seine kommunale Bildung zu mehren,
durch fremde Erfahrungen sich zu belehren,
zu neuen Einsichten sich zu bekehren
und die Spesen mit Nutzen zu verzehren.
Rathäuser, Bauhöfe, Bäder und Hallen
Haben uns mehr oder minder gefallen.
In den nächsten Jahren sind es die Brocken,
die wir beraten, die wir behocken.
Meine Damen! Sie wissen, was ich damit meine:
Eintracht und Weisheit liegen im Weine
und bei fröhlicher Erhitzung;
bei gelösten wahren Zungen
ist schon manches wohl gelungen,
was man vorher nicht bezwungen.
Doch bevor die Becher klingen
Und den Umtrunk wir beginnen,
richten Herz und frohen Sinn
wir gen Oberkochen hin:
Daß die Kirch‘ im Dorfe bleibt,
daß der Sport uns nicht zerreibt,
daß der Wolff uns nicht zerschreibt,
daß der Feil sich bald beweibt.
Daß an Sappers Düngerhaufen
sicher wir vorüberlaufen,
daß an Schwarzens Wochenmarkt
unsere Steuerkraft erstarkt,
daß der Gubi und der Chef
sich nicht noch ein Wirtshaus pachten,
um beim Wein zu übernachten.
Daß der Hauber uns nicht normt,
nicht der Günther uniformt,
daß der Hagmann mild regiert,
und der Fuchs nicht kontrolliert,
nicht der Schmid analysiert,
nicht der Weber uns skontiert
und der Kümmel dann kassiert.
Daß mit seiner Aufsichtspflicht
Schrenk besteht beim Weltgericht.
Daß vom linken untern Eck
der Kollege Marschalek
uns mit Fragen nicht erschlägt,
nicht der Fröhlich uns vergräbt,
eh der Kolb erstritten hat
die soziale Gräberstadt,
und weil wir uns schlecht rentieren,
Krok und Wick nicht liquidieren.
Daß auch niemals sich ereignet
daß der Metzger uns enteignet.
Daß bei Lied und Scherz und Weine
uns noch lang die Sonne scheine.
Darauf trinkt zum guten Schluß
Euer Servus Publikus.

Das Grab von Gustav und Helene auf dem hiesigen Städtischen Friedhof (Archiv Müller)
Schlusswort. Er war schlicht und einfach ein Mann, eine Persönlichkeit, ein Bürgermeister, wie es heute so gut wie keine mehr gibt. Warum sage ich das? Weil er eine humanistische Bildung und Haltung hatte, die inzwischen, bei den meisten Führungskräften ausgestorben ist. Wie sagte Pfarrer Snoeren einst: „Auf dem Rathaus in Oberkochen regierte ein Philosoph. Es war stets ein Genuss und Gewinn, seine gehaltvollen Ansprachen zu hören.“ Und wem der BM ein Büchlein schenkte, konnte sicher sein, dass es etwas Besonders war, nichts aus den Bestsellerlisten der Buchgeschäfte und der Beschenkte stellte sich nicht selten die Frage: „Was will er mir damit sagen?“
Ein großer Mann ist nicht mehr unter uns / magnus homo non est nobiscum /
Ένας μεγάλος άνθρωπος δεν είναι πλέον μεταξύ μας
Übrigens, die KI von ChatGPT kennt ihn überhaupt nicht. Ich denke aber, dass ihm das auch egal wäre. Es kommt darauf an, die Richtigen zu kennen, mit allen zu können und mit ihnen zu schwätzen.
Wilfried „Billie Wichai“ Müller vom Sonnenberg