Sein Lebens­lauf. Gustav Heinrich Bosch wurde am 12. Novem­ber 1914 in Rechberg­hau­sen, Kreis Göppin­gen, geboren. Er war Sohn des Kaufmanns Gustav Bosch, der vor der Geburt seines Sohnes, am 30. Septem­ber 1914 in Frank­reich gefal­len ist. Nach der Schul­zeit (mittle­re Reife) wählte Gustav Bosch den Gemein­de­dienst und schloss die Ausbil­dung im württem­ber­gi­schen gehobe­nen Verwal­tungs­dienst mit sehr guter Note ab. Im Novem­ber 1938 wurde er einge­zo­gen, machte den Frank­reich- und den Balkan­feld­zug mit, war dann im Osten, geriet Ende April 1945 schwer verletzt in russi­sche Gefan­gen­schaft, aus der er im August 1945 wegen Arbeits­un­fä­hig­keit entlas­sen wurde.
Da stand er nun, fast 31-Jährig, zweimal verwun­det und sieben Jahre Solda­ten­zeit hinter sich. Was macht so einer? Er startet das Leben neu Ende 1945 in seiner Heimat­ge­mein­de auf dem Bürger­meis­ter­amt und ab Sommer 1946 zog es ihn ins Innen­mi­nis­te­ri­um nach Stuttgart.

Hochzeits­bild Gustav und Helene (Archiv Müller)

Am 18. April 1942 hat er seine Frau Helene geb. Kunkel gehei­ra­tet, die auch aus Rechberg­hau­sen stammt. Im Febru­ar 1941 war er in den Landes­dienst getre­ten und im April 1943 Beamter auf Lebens­zeit gewor­den.
In Oberko­chen musste ein Bürger­meis­ter gewählt werden – der erste freige­wähl­te nach den 1.000 schwarz/braunen Jahren und der kurzen US-bestimm­ten Nachkriegs­zeit. Rudolf Eber hatte die Gemein­de nach dem Zusam­men­bruch 1945 in die neue demokra­ti­sche Zeit geführt. Die Wahl am 1. Febru­ar 1948 machte Bosch, vielleicht entge­gen den Erwar­tun­gen, zum Sieger. Er erhielt 4 Stimmen mehr als Rudolf Eber. Das war die spannends­te Bürger­meis­ter­wahl in unserer Stadt, damals noch ein Dorf mit Ambitio­nen. So ist das in einer Demokra­tie – jede Stimme zählt, auch wenn das heute manche Zeitge­nos­sen anders sehen.
Seine 30jährige Amtszeit (vom 5. März 1948 bis 4. März 1978) wurde geprägt von einem nicht enden wollen­den Aufschwung, der Oberko­chen 1968 zur Stadt katapul­tier­te, obwohl die notwen­di­ge Einwoh­ner­zahl von 10.000 EW nicht erreicht war, aber was solls – man träum­te gar von 15.000 EW – wo immer die ihren Platz haben sollten.
Bereits am 31. Dezem­ber 1979 erlag er nach länge­rer Krank­heit seinem schwe­ren Leiden, das er, in klarer Erkennt­nis, dass keine Heilung möglich, mit bewuss­ter Tapfer­keit ertrug. Gustav Bosch war Träger des Bundes­ver­dienst­kreu­zes 1. Klasse, des EK 1, des Verwun­de­ten­ab­zei­chens und der Marti­nus-Medail­le der Diöze­se Rotten­burg-Stutt­gart in Silber sowie Ehren­bür­ger seiner Stadt Oberko­chen. Seine Witwe Helene überleb­te ihn um fast 32 Jahre und starb knapp 90-jährig am 22. Mai 2011.
Alt-Landrat Dr. Huber skizzier­te die damali­ge Situa­ti­on im Jahr 1948: „Begon­nen hat die Geschich­te des Bürger­meis­ters (BM) Gustav Bosch mit einer Wahl, bei der er ums Haar unter­le­gen wäre. Der Gegen­kan­di­dat war Rudolf Eber, der Vorgän­ger im Amt, hatte nur 4 (!) Stimmen weniger erhal­ten. Und dessen Schwie­ger­va­ter war Mitglied des Gemein­de­rats und stell­ver­tre­ten­der BM. Zur Überra­schung vieler Oberko­che­ner und anderer Augen­zeu­gen geschah keine Konfron­ta­ti­on, sondern eine sich in aller Stille vollzie­hen­de Friedens­stif­tung, die beiden Seiten zur Ehre gereicht und der Gemein­de zum Segen wurde. Von dem Gewähl­ten verlang­te sie Verzicht auf Sieger­po­se, Anerken­nung der Leistung des Vorgän­gers, Einge­hen und Zugehen auf den enttäusch­ten stell­ver­tre­ten­den BM Josef Schmid. Wenige Jahre später erhielt dieser auf Veran­las­sung von BM Bosch hohe Auszeich­nun­gen und als im weite­ren Verlauf Rudolf Eber Gemein­de­rat und stell­ver­tre­ten­der BM wurde, sah man die beiden Männer in bestem Einver­neh­men und Vertrau­ens­ver­hält­nis. Bei der Verab­schie­dung von BM Bosch oblag Rudolf Eber die Überrei­chung der Urkun­de über die Verlei­hung des Ehren­bür­ger­rechts; es geschah mit einer glänzen­den Lauda­tio. An der Bahre von BM Bosch hat Rudolf Eber, immer noch stell­ver­tre­ten­der BM, nicht nur den Nachruf des Gemein­de­rats gespro­chen, sondern auch mit tränen­er­stick­ter Stimme von dem guten Freund Abschied genom­men.“ Geleb­ter Oberko­che­ner Frieden eben.

Der Bürger­meis­ter unter­schreibt bestimmt etwas ganz Wichti­ges (Archiv Müller)

Auch Pfarrer Snoeren war von ihm angetan:Herr Bosch hat viel mit sich ringen und kämpfen müssen. So kommt es eben nicht von ungefähr und es war keine Spiele­rei, wenn BM Bosch zu jenem italie­ni­schen Philo­so­phen, enthu­si­as­ti­schem Chris­ten und utopi­schen Sozia­lis­ten, La Pira (1904 bis 1977), große Sympa­thie hegte, obwohl dieser Mann zum BM von Florenz gewählt, die Stadt in kurzer Zeit an den Rand des finan­zi­el­len Ruins steuer­te. Was die beiden verband, war das Verlan­gen, unbeschränkt helfen zu können, wo immer jemand Hilfe benötigte…..solche Menschen leiden unter dem Zwang allzu oft Nein sagen zu müssen…..Immer wieder hat Gustav Bosch den Wunsch geäußert dem unglück­li­che Kolle­gen La Pira einmal persön­lich begeg­nen zu können.“

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Bürger­meis­ter Gustav Bosch in Würde mit obliga­to­ri­scher Amtsket­te (Archiv Rathaus)

Soweit die nüchter­nen Daten und Fakten. Aber er war weit mehr als das. Und so schau­en wir uns mal an, was ich über ihn so alles gefun­den habe:

 “Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das setzte er auch durch”, sagt ein ehema­li­ger Stadt­rat. Er war ein Takti­ker, ein kommu­na­ler Fuchs aus dem Effeff und nach den Gemein­de­rats­sit­zun­gen soll es in lusti­ger Runde mitun­ter auch feucht­fröh­lich zugegan­gen sein.
 Der Gemein­de kamen seine vielfäl­ti­gen Verbin­dun­gen nach Stutt­gart mehr als zugute.
 Sein direk­ter Nachfol­ger Harald Gentsch beschei­nig­te ihm: “Gustav Bosch hat mit Wissen und Können entschei­dend zum Wachsen und Gedei­hen der Stadt beigetragen”
 und Gentschs Amtsnach­fol­ger Peter Traub fügte hinzu: “Die Stadt­er­he­bung hat Oberko­chen einen beson­de­ren Stellen­wert in der Region gegeben und Gustav Bosch war seiner­zeit die Perso­ni­fi­zie­rung des Aufschwungs.”
 Er wurde am 18. Oktober 1953 und am 5. Dezem­ber 1965 jeweils mit beein­dru­cken­der Stimmen­zahl wiedergewählt.
 Die „Schwä­po“ bezeich­ne­te ihn einst als „Eiser­nen Gustav“, aber ich denke mal, dass er im Grunde so nicht war.
 Gustav Bosch war jene Person, die mit Weitsicht und Integra­ti­ons­kraft agier­te. 1962 lag man im Land an der Spitze der Wachs­tums­ge­mein­den. In den beiden Jahrzehn­ten nach dem Krieg hatte sich die Bevöl­ke­rungs­zahl vervierfacht.
 Bei Boschs Verab­schie­dung im Febru­ar 1978 sagte Rudolf Eber: “Gustav Boschs unermüd­li­ches Wirken und sein stets vom Gemein­wohl bestimm­tes Handeln waren richtungs­wei­send für Oberkochen.”
 Gustav Bosch und sein „Kind“ – das Amtsblatt, dessen erste Ausga­be mit dem Titel „Bürger und Gemein­de“ am 6. März 1953 erschien. Die herge­brach­ten Formen des Ausschel­lens durch die Amtsbüt­tel und des Anschlags am Rathaus befrie­dig­ten nicht mehr. Nur was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Der letzte Büttel, ausge­stat­tet mit blauer Uniform und Schel­le, war Josef Wingert. Nach den Vorstel­lun­gen des Bürger­meis­ters sollte dieses Gemein­de­blatt (weit über den Abdruck von amtli­chen Bekannt­ma­chun­gen hinaus) der »vollkom­me­nen Unter­rich­tung der Bürger eines demokra­ti­schen Gemein­we­sens« dienen. Ich denke, dass ihm die heuti­ge Versi­on auch gefal­len würde.
 Ein Gemein­de­rats­er­leb­nis von Volkmar Schrenk oder „als sich die Eishei­li­gen in Oberko­chen zeigten“: Es geschah einst an einem lauen Spätsom­mer­abend — zumin­dest in den Augen des Bürger­meis­ters — etwas noch nie Dagewe­se­nes. Anstel­le des obliga­ten Vierte­les bestell­te ich mir eine große Porti­on Eis und saß alsbald wie ein Fremd­kör­per im Kreis der Vierte­les­schlot­zer. Dies focht mich aber wenig an, zumal ich meinte festzu­stel­len, dass sich einige verstoh­le­ne Blicke beina­he begehr­lich auf meinen Eisbe­cher richte­ten. Nach etwa zehn Minuten ernst­haf­ten Beden­kens fasste Reinhold Liebmann (CDU) sich ein Herz und bestell­te auch einen Eisbe­cher; dem schloss sich spontan Josef Marscha­lek (SPD) an. So saßen wir als frakti­ons­über­grei­fen­de Eis-Esser-Gruppe am Tisch und Bürger­meis­ter Bosch war es vorbe­hal­ten festzu­stel­len: „Heute haben wir drei Eishei­li­ge unter uns“. Und als bei einer der nächs­ten Nachsit­zun­gen sich auch Frau Dr. Borst zur Runde der Eislieb­ha­ber gesell­te, war es wieder­um der Bürger­meis­ter, der die Situa­ti­on erfass­te und feststell­te: „Nun hat sich zu den Eishei­li­gen noch die Kalte Sophie gesellt“.
 Ein Bonmot von ihm laute­te: „Zu wenig verlan­gen ist Faulheit“.
 In frühe­ren Zeiten sollen die Räte bis weit über Mitter­nacht hinaus „verhockt“ sein, und erst, als der Bürger­meis­ter mit Julius Metzger griechisch zu parlie­ren begann und man im Morgen­grau­en im druck­fri­schen Exemplar der Zeitung gelesen hatte, was Robert Wolff über die Sitzung berich­te­te, machte man sich auf den Heimweg. Die Herren hatten halt noch Kondition.
 Kein Verständ­nis hatte er, als ein bekann­ter Gemein­de­rat seinen Urlaub zuhau­se verbrach­te und urlaubs­be­dingt nicht zur Sitzung erschien. Da wurde er ganz schön grimmig und stell­te den Rat in den Senkel, denn Abwesen­heit von der Sitzung war nur erlaubt, wenn man auch verreist war.
 Auch sah oder hörte man den Bürger­meis­ter zusam­men mit den übrig geblie­be­nen Nacht­schwär­mern, von der „Grube“ oder vom „Café Weidl“ kommend, auf dem frühmor­gend­li­chen Nachhau­se­weg beim „Storchen­bäck“ die ersten Brezeln holen.
 Bei unserer Erstür­mung des hiesi­gen Gymna­si­ums und dem Aufstel­len einer Piraten­flag­ge zum 1. Mai nahm er den polizei­li­chen und schuli­schen Nachbe­ar­bei­tun­gen die juris­ti­sche Schär­fe, indem er dafür sorgte, dass unsere verschwo­re­ne Truppe nicht wegen Landfrie­dens­bruch „drankam“. Er bewer­te­te das als Lausbu­ben­streich und sorgte dafür, dass die Bestra­fung sich im Rahmen hielt und als „sozia­le Diens­te“ im Rahmen der Stadt­er­he­bung abgear­bei­tet werden konnte. Auch hier ein Mann mit Weitblick und Einschät­zungs­ver­mö­gen nach dem Motto „Lass‘ mr doch dui Kirch‘ im Dorf“.
 Ludwig Burghard erinnert sich: „In meinen Jugend­jah­ren, haben wir dann die gewölb­ten Keller­räu­me unter dem „Fuchs­bau“ aus ihrer tristen Vergan­gen­heit geret­tet und diese zum zünfti­gen Party­kel­ler umgemo­delt, für welche sie eigent­lich wie geschaf­fen waren. Wir haben dort tolle Partys und Feste gefei­ert, mit nicht selten an die 30 Perso­nen, was natür­lich auch dem Bürger­meis­ter zugetra­gen wurde (Ein Schul­tes hat immer seine Infor­man­ten). Nach kurzem Verbot und einer einge­hend feuch­ten Verhand­lung mit dem Schul­tes am Stamm­tisch im „Pflug“, wurde von Bosch wieder grünes Licht gegeben: „Buaba feirat, so lang ihr wellat!!!“. Julius Metzger, der damals unseren Schul­tes beglei­te­te, protes­tier­te jedoch energisch: „Nein, das geht nicht, das ist ein Sünden­pfuhl!!“ Worauf Gustav Bosch laut antwor­te­te: „Julius, halt dei Gosch !!“ Und so war es nicht verwun­der­lich, dass sich der liebe Gustav einmal zur späten Stunde bei uns im Keller zu einem Absacker­vier­te­le einfand.
 Wenn er etwas zu diktie­ren hatte begann er stets mit den Worten: „Schreibat Se….“
 Wenn er sich um seine Reden kümmer­te, ging er ins „Reden­zim­mer“, um sich auf der dort befind­li­chen Couch, in horizon­ta­ler Lage um seine Reden zu kümmern – beson­ders nach sitzungs­in­ten­si­ven Nächten. Er war halt immer im Einsatz.
 Heimat­ge­schich­te und Geschich­ten waren sein Ding – lange vor dem Heimat­ver­ein. Er wollte, dass Heimat­kund­li­ches im Amtsblatt seinen Platz hatte. Seien es Franz Balles „Blätter zu einem Heimat­büch­lein“ oder Berich­te, die seiner eigenen Feder entstammten.
 Den Alten Herren vom 1. FCO war er wohlge­son­nen und dem Fußball wohl auch. Und so veran­stal­te­ten die Männer um Anton „Done“ Gutheiß anläss­lich ihres 25jährigen Jubilä­ums 1984 das 1. Gustav-Bosch-Gedächtnis-Turnier.

Selten wurde eine Wieder­wahl eines Bürger­meis­ters von so großen Sympa­thie­be­zeu­gun­gen beglei­tet wie 1953 in Oberkochen:

 Im Vorfeld der Bürger­meis­ter­wahl sprachen sich neben den Heimat­ver­trie­be­nen, dem TVO sowie der Gemein­schaft der „Weingar­ten- und Diöze­san­sied­lung“ auch die politi­schen Partei­en CDU und SPD öffent­lich für eine Wieder­wahl Gustav Boschs aus und appel­lier­ten an die Bürger­schaft, ihm die Stimme zu geben. Der damali­ge SPD-Ortsvor­sit­zen­de Josef Marscha­lek forder­te z.B. in einem öffent­li­chen Aufruf, der am 9. Oktober 1953 in „Bürger und Gemein­de“ erschien, „alle Menschen guten Willens“ auf, am 18. Oktober ihre Stimme für Gustav Bosch abzuge­ben. Er verwies dabei auf die Leistun­gen des Bürger­meis­ters in den voran­ge­gan­ge­nen sechs Jahren und nannte hierbei vor allem die Ansied­lung des Weltun­ter­neh­mens Zeiss, das damals noch unter „Zeiss Opton firmier­te“, die Schaf­fung von Bauplät­zen und Wohnraum (die Einwoh­ner­zahl Oberko­chens stieg 1953 auf über 5000), den Neubau der Dreißen­tal­schu­le und der Dreißen­tal­hal­le (letzte­re diente nicht nur als Schul­sport­hal­le, sondern auch als Veran­stal­tungs­hal­le und damit als Ersatz für das sog. Martha-Leitz-Haus), den Neubau des Kinder­gar­tens Wiesen­weg (der 2014, also 62 Jahre später, dem neuen und größe­ren Kinder­haus Wiesen­weg weichen wird), die Errich­tung des Stadi­ons in der Kreuz­müh­le (das später den Namen „Carl Zeiss-Stadi­on“ erhielt) sowie den Ausbau der Straßen, der Wasser­ver­sor­gung, der Strom­ver­sor­gung und der Kanali­sa­ti­on.
 Josef Marscha­lek nannte auch eine weite­re große Leistung Gustav Boschs, die aus heuti­ger Sicht eher unspek­ta­ku­lär erscheint, aber damals als wichti­ge und vordring­li­che Aufga­be angese­hen wurde, nämlich die Besei­ti­gung der Dungle­gen, also der „Misthau­fen“, in der Aalener und Heiden­hei­mer Straße. Noch heute erzäh­len die Menschen, die damals als Vertrie­be­ne, Flücht­lin­ge oder Arbeits­su­chen­de nach Oberko­chen kamen, dass ihr erster Eindruck von den vielen Dungle­gen geprägt wurde, die es beina­he vor jedem Haus in der Haupt­stra­ße gab. Oberko­chen war damals eben noch stark landwirt­schaft­lich geprägt und befand sich Anfang der 1950er Jahre in einem Wandlungs­pro­zess hin zu einer Indus­trie­stadt. Das Thema mag heute oberfläch­lich betrach­tet als lächer­lich erschei­nen. Damals war es das aus vieler­lei Gründen nicht. Tatsäch­lich hatte es weitrei­chen­de Folgen und einen durch­aus ernsten Hinter­grund. Die Besei­ti­gung der Misthau­fen war so wichtig und nahm damals einen derart breiten Raum in der Kommu­nal­po­li­tik und den politi­schen Diskus­sio­nen in Oberko­chen ein, dass ihnen ein eigener Beitrag in unserer Serie anläss­lich des Rückblicks auf 60 Jahre Amtsblatt­ge­schich­te gewid­met werden sollte – so der Plan – es konnte aber bis heute noch nicht umgesetzt werden. Ich bin aber guter Hoffnung, dass das noch etwas wird – spätes­tens 2026/2027.

Die Wahl wurde von Erich Günther poetisch gebüh­rend nachbe­ar­bei­tet. Diese nachfol­gen­den Verse bringen die Wertschät­zung und den Respekt zum Ausdruck, die Gustav Bosch während seines ganzen Berufs­le­bens in Oberko­chen entge­gen­ge­bracht wurden. Er war eine außer­ge­wöhn­li­che Persön­lich­keit, die Oberko­chen aus der schwe­ren Nachkriegs­zeit geführt und den Wandel vom Dorf zum Unter­neh­mens­stand­ort maßge­bend gestal­tet hatte:

Um neune rum, da füllt sich schnell
der „Hirsch“ sowohl als wie die „Schell“.
Von andern Stellen woiß i’s net,
denn früh schon ging ich froh zu Bett.

Na Karle, was saischt jetzt zur Wahl?
Moint Fritz, dui war für uns koi Qual.
Ganz wohl war’s onserm Schul­tes et,
er häb‘ sich manch­mal dreht im Bett.

I‘ hann’s et g’seha, denk mr’s bloß
und jetzt isch er den Druck scho los.
Ja hätt’scht denn denkt, daß s’anders ging?
I‘ g’wiß net, klar war mir des Ding!

Der Karle aber sait dann drauf
„Jetzt paß amol gehörig auf:
Was tät der Misch­te­ne wegsprecha,
dia könntet s’Gnickle ihm scho brecha!

Und guckscht dui Strauß a, dui modern,
gar viele hennt des gar net gern,
denn d’Plätz vorm Haus, Narr dia send flöta,
und kriagt hennt se bloß a paar Kröta.

Wo send no Äcker, wo no Wiesa?
Bloß Bauplätz‘ tun Di heint no grüaßa.
Was moinscht, was des dia Baura freit,
und des no vor der Amts-Wahl-Zeit!

Selbst wenn scho dia von de Verei‘
sich denkt hennt, er sott’s wieder sei,
so geiht’s doch andre no viel mehr,
dia sicher schwan­ket hin und her.“

Doch anders kam’s, sait jetzt der Frieder
und setzt zu dene zwoi sich nieder.
Vernünf­tig sind halt älle gwea,
dia ihm ihr Kreuz­le heut hennt gea.

Denn sia send’s los und er, er hat’s,
doch er isch richtig auf dem Platz!
Koin bessra wüßt i‘ als den Ma,
drom stoßet auf sei Wohl jetzt a!

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Gerne in gesel­li­ger Runde beim Small­talk mit den Herren und Damen von Zeiss – er konnte mit Allen (Archiv Müller)

Und abschlie­ßend lassen wir den Alt-Bürger­meis­ter selbst zu Wort kommen, denn schrei­ben konnte er schon auch gut und poetisch hatte er es auch drauf. Weite­re 25 Gedich­te von ihm sind in einem Gedenk­büch­lein aus dem Jahr 1987 veröf­fent­licht worden:

„Meine Damen und Herren“
Von Bürger­meis­ter Gustav Bosch (ungefähr von 1961)
Meine Damen und Herren im fröhli­chen Kreise
zur Halbzeit der schönen Besich­ti­gungs­rei­se,
die nach langem Zaudern der hohe Rat
aus den besten Gründen beschlos­sen hat,
seine kommu­na­le Bildung zu mehren,
durch fremde Erfah­run­gen sich zu beleh­ren,
zu neuen Einsich­ten sich zu bekeh­ren
und die Spesen mit Nutzen zu verzeh­ren.
Rathäu­ser, Bauhö­fe, Bäder und Hallen
Haben uns mehr oder minder gefal­len.
In den nächs­ten Jahren sind es die Brocken,
die wir beraten, die wir behocken.
Meine Damen! Sie wissen, was ich damit meine:
Eintracht und Weisheit liegen im Weine
und bei fröhli­cher Erhit­zung;
bei gelös­ten wahren Zungen
ist schon manches wohl gelun­gen,
was man vorher nicht bezwun­gen.
Doch bevor die Becher klingen
Und den Umtrunk wir begin­nen,
richten Herz und frohen Sinn
wir gen Oberko­chen hin:
Daß die Kirch‘ im Dorfe bleibt,
daß der Sport uns nicht zerreibt,
daß der Wolff uns nicht zerschreibt,
daß der Feil sich bald beweibt.
Daß an Sappers Dünger­hau­fen
sicher wir vorüber­lau­fen,
daß an Schwar­zens Wochen­markt
unsere Steuer­kraft erstarkt,
daß der Gubi und der Chef
sich nicht noch ein Wirts­haus pachten,
um beim Wein zu übernach­ten.
Daß der Hauber uns nicht normt,
nicht der Günther uniformt,
daß der Hagmann mild regiert,
und der Fuchs nicht kontrol­liert,
nicht der Schmid analy­siert,
nicht der Weber uns skontiert
und der Kümmel dann kassiert.
Daß mit seiner Aufsichts­pflicht
Schrenk besteht beim Weltge­richt.
Daß vom linken untern Eck
der Kolle­ge Marscha­lek
uns mit Fragen nicht erschlägt,
nicht der Fröhlich uns vergräbt,
eh der Kolb erstrit­ten hat
die sozia­le Gräber­stadt,
und weil wir uns schlecht rentie­ren,
Krok und Wick nicht liqui­die­ren.
Daß auch niemals sich ereig­net
daß der Metzger uns enteig­net.
Daß bei Lied und Scherz und Weine
uns noch lang die Sonne schei­ne.
Darauf trinkt zum guten Schluß
Euer Servus Publikus.

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Das Grab von Gustav und Helene auf dem hiesi­gen Städti­schen Fried­hof (Archiv Müller)

Schluss­wort. Er war schlicht und einfach ein Mann, eine Persön­lich­keit, ein Bürger­meis­ter, wie es heute so gut wie keine mehr gibt. Warum sage ich das? Weil er eine humanis­ti­sche Bildung und Haltung hatte, die inzwi­schen, bei den meisten Führungs­kräf­ten ausge­stor­ben ist. Wie sagte Pfarrer Snoeren einst: „Auf dem Rathaus in Oberko­chen regier­te ein Philo­soph. Es war stets ein Genuss und Gewinn, seine gehalt­vol­len Anspra­chen zu hören.“ Und wem der BM ein Büchlein schenk­te, konnte sicher sein, dass es etwas Beson­ders war, nichts aus den Bestsel­ler­lis­ten der Buchge­schäf­te und der Beschenk­te stell­te sich nicht selten die Frage: „Was will er mir damit sagen?“
Ein großer Mann ist nicht mehr unter uns / magnus homo non est nobis­cum /
Ένας μεγάλος άνθρωπος δεν είναι πλέον μεταξύ μας
Übrigens, die KI von ChatGPT kennt ihn überhaupt nicht. Ich denke aber, dass ihm das auch egal wäre. Es kommt darauf an, die Richti­gen zu kennen, mit allen zu können und mit ihnen zu schwätzen.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller vom Sonnenberg

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