Der Bahnhof Oberko­chen. Der Bau des Bahnhof­ge­bäu­des in Oberko­chen ist eng mit der Brenz­tal­bahn verbun­den. Es wurde ebenfalls 1863 / 1864 erbaut. Archi­tekt war der bekann­te Eisen­bahn­in­ge­nieur Georg von Morlok, der alle Bahnhö­fe auf der Brenz­bahn­stre­cke zwischen Aalen und Ulm baute.

Wie der Bahnhof mit seinem Vorplatz einst aussah (Archiv Müller)

Einschub:Georg Morlok, ab 1869 von Morlok, (* 20. Januar 1815 in Dätzin­gen; † 17. April 1896 in Stutt­gart) war ein deutscher Archi­tekt und Eisen­bahn­in­ge­nieur, der als württem­ber­gi­scher Baube­am­ter wirkte. Morlok baute viele Bahnstre­cken und Bahnhö­fe in Württem­berg. Er errich­te­te Fabrik­ge­bäu­de und Arbei­ter­wohn­häu­ser in Aalen, Geislin­gen und Kuchen, erbau­te die Arbei­ter­sied­lung Postdörf­le und die Alte Markt­hal­le in Stutt­gart und einige katho­li­sche Kirchen in Württem­berg. 1858 wurde er zum Baurat ernannt mit einem Jahres­ge­halt von 1500 Gulden. Als Baurat wurde er automa­tisch Mitglied der Eisen­bahn­kom­mis­si­on. Er plante und leite­te nun zahlrei­che Eisen­bahn­pro­jek­te. 1868 wurde er zum Oberbau­rat beför­dert. Auf Grund seiner Verdiens­te wurde er 1869 mit dem Ritter­kreuz I. Klasse des Ordens der Württem­ber­gi­schen Krone ausge­zeich­net, womit die Erhebung in den persön­li­chen Adels­stand verbun­den war. Von 1882 bis 1886 war er Mitglied der General­di­rek­ti­on der Staats­ei­sen­bah­nen.1886 wurde Morlok im Alter von 71 Jahren mit dem Titel Baudi­rek­tor in den Ruhestand versetzt. 1890 verfass­te er eine grund­le­gen­de Geschich­te der Württem­ber­gi­schen Staatseisenbahnen.“

Georg von Morloks Grab auf dem Pragfried­hof Stutt­gart (Wikipe­dia Xocolatl)

Als die Bahn nach Oberko­chen kam von Prof. Dr. Christ­hard Schrenk. Das König­reich Württem­berg sah den ersten Eisen­bahn­zug im Jahr 1845, von Cannstatt nach Ludwigs­burg fahren. Anfang Mai 1858 debat­tier­te die württem­ber­gi­sche Stände­ver­samm­lung über den weite­ren Aufbau des Eisen­bahn­sys­tems im Lande, das zu diesem Zeitpunkt im Wesent­li­chen aus der Strecke „Heilbronn — Stutt­gart — Ulm – Fried­richs­ha­fen“ bestand. Aus allen Teilen des Landes waren Bittschrei­ben einge­trof­fen. Darin legten die jewei­li­gen Städte und Gemein­den klar, warum der gewünsch­te eigene Eisen­bahn­an­schluss von höchs­ter Priori­tät sei, jeden­falls wesent­lich wichti­ger als alle anderen denkba­ren Linien. In der entspre­chen­den »Unter­tä­ni­gen Bitte Heiden­heim um alsbal­di­ge Erbau­ung einer Eisen­bahn von Aalen hierher (Heiden­heim) vom 21. Mai 1858« heißt es: »Nur haben wir zu unserem Bedau­ern daraus (aus der könig­li­chen Vorla­ge) ersehen, daß der Bau der Linie von Aalen an die Ostbahn (Ulm) und spezi­ell hierher nach Heiden­heim, einer späte­ren Finan­zie­rungs­pe­ri­ode vorbe­hal­ten bleiben solle, ohne uns eine Ursache hiezu denken, oder diese Bestim­mung erklä­ren zu können. Denn daß die Gewerbs­t­hä­tig­keit des Kocher- und Brenz­ta­les eine weit gewich­ti­ge­re und ansehn­li­che­re ist, als die der anderen in der nächs­ten Zeit zum Bau vorge­se­he­nen Eisen­bahn­li­ni­en, davon hat sich die hohe Kammer wohl zu Genüge überzeugt. (. . ) Wenn es uns darum schmerz­lich berührt, die Priori­tät des Baues (auch dieser Bahn in der könig­li­chen Vorla­ge zu vermis­sen, so wird man keine Kirch­tur­min­ter­es­sen darin erbli­cken, wenn wir auf diese Motive und Thatsa­chen gestützt, uns die gehor­sa­me Bitte an die hochan­sehn­li­che Kammer erlau­ben, ausspre­chen zu wollen, daß (die) könig­li­che Regie­rung dem frühe­ren Beschlus­se gemäß den Bau einer Bahn von Aalen hierher vorzug­wei­se auch in nächs­te Zeit in Vollzug bringen möge.«
Im Anschluss an diese Passa­ge strich die Stadt in der Einga­be ihre wirtschaft­li­che Kraft und ihr daraus resul­tie­ren­des Inter­es­se — ja Recht — an einer Eisen­bahn­ver­bin­dung heraus. Am 17. Novem­ber 1858 wurde der Bau der neuen Strecke von Aalen über Heiden­heim nach Ulm zwar grund­sätz­lich beschlos­sen, Finanz­mit­tel stell­te der König aber nicht bereit. Zur sofor­ti­gen Ausfüh­rung gelang­ten dagegen die Linien „Heilbronn — Schwä­bisch Hall, Reutlin­gen — Tübin­gen – Rotten­burg“ und „Cannstatt — Gmünd — Aalen – Wasser­al­fin­gen“. Der erste Zug fuhr 1861 in Aalen ein.
Für die Verzö­ge­rung des Baus der Strecke von Aalen nach Ulm war hohe Politik zwischen den König­rei­chen Württem­berg und Bayern verant­wort­lich. Dabei ging es um zwei verschie­de­ne Problem­kom­ple­xe:
Erstens um die von Württem­berg gewünsch­te Anbin­dung der Linie Stutt­gart — Aalen in Richtung Nördlin­gen an das Bayeri­sche Schie­nen­netz und zweitens um eine schon bestehen­de Eisen­bahn­ver­bin­dung von Nordbay­ern an den Boden­see.
Diese Strecke führte über Nördlin­gen, Augsburg und Kempten nach Lindau. Im Vergleich dazu wäre der Weg von Nördlin­gen über württem­ber­gi­sches Gebiet, nämlich über Aalen und Ulm nach Fried­richs­ha­fen, 45 Kilome­ter kürzer gewesen. Die Bayern fürch­te­ten also, dass bei der Existenz einer direk­ten Verbin­dung von Nördlin­gen über Aalen nach Ulm der gesam­te Verkehr vom Norden ihres Landes in Richtung Boden­see auf württem­ber­gi­sches Gebiet auswei­chen würde. Deshalb ließ Bayern zwar die Strecke „Aalen – Nördlin­gen“ per Staats­ver­trag zu, blockier­te aber gleich­zei­tig den Bau der Linie „Heiden­heim – Ulm“. Damit war die Verbin­dung „Aalen – Heiden­heim“ zu einer Sackgas­se und deshalb aus gesamt­würt­tem­ber­gi­scher Sicht zweit­ran­gig gewor­den.
Am 21. Febru­ar 1861 kam es zu einem Staats­ver­trag über die Anbin­dung der Strecke Stutt­gart — Aalen bei Nördlin­gen an das bayeri­sche Eisen­bahn­netz. Bei den entspre­chen­den Verhand­lun­gen mussten viele Detail­pro­ble­me gelöst werden. Zuerst stell­te sich die Frage der Grenz­sta­ti­on: Als allei­ni­ger Wechsel­punkt wurde Nördlin­gen bestimmt. Damit ergab sich das Problem, dass die Württem­ber­ger ein kleines Stück unkon­trol­liert durch Bayern führen, weil Nördlin­gen nicht direkt an der Grenze liegt. Zum Ausgleich mussten die Württem­ber­ger für den Unter­halt dieses Strecken­ab­schnitts aufkom­men, während Bayern die Landes­ho­heit, die Justiz- und die Polizei­ge­walt darüber behielt. Der Staats­ver­trag vom Febru­ar 1861 enthielt jene Klausel, die den Weiter­bau der Eisen­bahn­li­nie von Heiden­heim nach Ulm für zwölf Jahre verzö­ger­te: »Die Württem­ber­gi­sche Regie­rung verpflich­tet sich, inner­halb eines Zeitrau­mes von zwölf Jahren vom Tage der Eröff­nung der Cannstatt-Nördlin­ger Eisen­bahn an keine Schie­nen­ver­bin­dung zwischen dieser Bahnli­nie und der Cannstatt-Ulmer Eisen­bahn herzu­stel­len oder herstel­len zu lassen, durch welche die Württem­ber­gi­sche Bahnli­nie von Nördlin­gen bis Fried­richs­ha­fen kürzer würde, als die Bayeri­sche Linie von Nördlin­gen bis Lindau.«
Heiden­heim setzte jedoch seine Bemühun­gen fort, und so konnte die Stadt ein Jahr später einen wichti­gen Teilerfolg verbu­chen. Im Febru­ar 1862 wurde ein weite­res Eisen­bahn­ge­setz verab­schie­det, das wenigs­tens den Bau der Strecke von Aalen nach Heiden­heim auf Staats­kos­ten befahl. Das könig­li­che Eisen­bahn­bau­amt legte darauf­hin 1863 den gewünsch­ten Verlauf der Eisen­bahn zwischen Aalen und Heiden­heim fest und zeich­ne­te ihn in einen Katas­ter­plan ein.
Der Oberko­che­ner Gemein­de­rat stimm­te im August 1863 diesen Planun­gen zu. In diesem Gremi­um saßen damals u. a. Träger der Namen Wingert, Gold, Weber, Sapper, Joos usw. Paral­lel dazu wurden die Grund­stücks­ver­hand­lun­gen geführt. Die bezahl­ten Preise lagen recht hoch. Bei den Verkäu­fen tauchen auch wieder zahlrei­che bekann­te Oberko­che­ner Namen auf, wie z.B. Feil, Grupp, Gutknecht, Uhl, Wingert, Gold, Balle und Sapper.
Bereits im Mai 1863 wurden per Zeitungs­an­zei­ge in der »Schwä­bi­schen Kronik« die Bauar­bei­ten für die neuen Bahnho­fe an der Strecke verge­ben. Im Verlauf des Eisen­bahn­baus kam es in Oberko­chen zu zwei spekta­ku­lä­ren Aktio­nen. Zum einen musste der sagen­um­wo­be­ne Engelstein gesprengt werden (s.o.). Zum anderen fiel dem Vorha­ben ein Haus im Ortskern zum Opfer. Da der neue Bahnhof außer­halb des damali­gen Dorfes lag, musste er durch eine neue Straße an den Ort angebun­den werden. Die »Bahnhof­stra­ße« wurde auf dem kürzes­ten Weg, also im rechten Winkel, auf die damali­ge Langgas­se (Heiden­hei­mer Straße) zugeführt. An der geplan­ten Einmün­dung stand das Haus der Witwe Vikto­ria Staud und des Krämers und Gassen­wirts Franz Staud. Die könig­li­che Eisen­bahn­kom­mis­si­on erwarb am 30. Oktober 1863 dieses Anwesen. Familie Staud durfte das Materi­al aus dem Abbruch ihres alten Hauses für den Bau eines neuen verwen­den. So entstand in den Jahren 1864/65 ein Gebäu­de­kom­plex aus Haus, Scheu­er und Stall, in dem später die »Bahnhofs­re­stau­ra­ti­on« einge­rich­tet wurde.
Die techni­sche Leitung des Eisen­bahn­baus oblag Georg Morlok, einem vielsei­ti­gen Archi­tek­ten, Baumeis­ter u. Eisen­bahn­kon­struk­teur, der von 1815 bis 1896 lebte. Er baute 1854 das Wasser­al­fin­ger Hütten­werk aus, errich­te­te katho­li­sche Kirchen, z. B. in Aalen, Lauch­heim und Dalkin­gen, leite­te den Umbau des Stutt­gar­ter und des Ulmer Bahnhofs, baute die alte Stutt­gar­ter Markt­hal­le und konstru­ier­te 1874 bis 1876 die erste deutsche Zahnrad­bahn, die das Hütten­werk in Wasser­al­fin­gen mit den Erzla­ger­stät­ten Braunen­berg verband. Bereits 1871 zog er als Herren­ber­ges Abgeord­ne­ter in den Württem­ber­gi­schen Landtag ein. Bei der Ausfüh­rung dieser Aufga­be des Eisen­bahn­baus von Aalen nach Heiden­heim standen Morlok viele Arbeits­kräf­te zur Seite. Man kann von einer vierstel­li­gen Zahl ausge­hen. Oft handel­te es sich hierbei um italie­ni­sche Gastar­bei­ter, die im Umgang mit Steinen beson­ders geübt waren. Bei so vielen Menschen tauch­ten immer wieder diszi­pli­na­ri­sche Proble­me auf. Um diese in den Griff zu bekom­men, erließ das Eisen­bahn­bau­amt »Verhal­tungs-Regeln«, die auf allen Baustel­len der Eisen­bahn in Württem­berg galten. Jeder, der dort Arbeit suchte, musste diese Regeln anerken­nen und sich danach richten. Sie legten die Form der Bezah­lung, die Höhe der Strafen bei Übertre­tun­gen und die tägli­che Beschäf­ti­gungs­dau­er fest. Gearbei­tet wurde vom Josephs­tag bis Michae­lis (19. März bis 29. Septem­ber) täglich elfein­halb Stunden, von Michae­lis bis Gallus (29. Septem­ber bis 16. Oktober) von Sonnen­auf­gang bis Sonnen­un­ter­gang mit andert­halb Stunden Pausen und den Rest des Jahres ebenfalls von morgens bis abends, aber nur mit insge­samt einer Stunde Unter­bre­chung. Die tägli­che Arbeits­zeit orien­tier­te sich also an den jahres­zeit­li­chen Schwan­kun­gen der Tages­län­ge. Die »Verhal­tungs-Regeln« befass­ten sich aber nicht mit den Pflich­ten der Arbei­ter, sondern auch mit sozia­len Härte­fäl­len. Als wichti­ge Einrich­tung zum Schutz bzw. zur Versi­che­rung der Arbei­ter wurde eine »gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zungs- oder Kranken­kas­se« geschaf­fen. In dieser Kasse entrich­te­ten die Arbei­ter einen Kreuzer von jedem verdien­ten Gulden, also ein Sechzigs­tel ihres Lohnes. Im Krank­heits­fall standen ihnen dann in begrenz­tem finan­zi­el­len und zeitli­chen Rahmen Zahlun­gen an. Aus solchen Wurzeln entwi­ckel­te sich später die allge­mei­ne Kranken­ver­si­che­rung. Auch der Trans­fer des verdien­ten Lohnes der Arbei­ter zu ihren Famili­en nach Hause wurde organi­siert. Hierin liegt eine der Grund­la­gen des heuti­gen Sparkas­sen­we­sens. Nach etwa einjäh­ri­ger Bauzeit kam es im 12. Septem­ber 1864 zur festli­chen Eröff­nungs­fahrt auf der neuen Eisen­bahn­li­nie. Die »Schwä­bi­sche Kronik« berich­te­te am 14. und 15. Septem­ber 1864 ausführ­lich über dieses große Ereig­nis. Der Schwer­punkt der Feier­lich­kei­ten lag in Heiden­heim. In der mit Kränzen und Fahnen geschmück­ten Stadt kündig­ten schon in aller Frühe Kanonen- und Böller­schüs­se das bevor­ste­hen­de Ereig­nis an. Bereits um 5.30 Uhr fuhr eine erste geschmück­te Lokomo­ti­ve mit verzier­ten Wagen von Heiden­heim nach Aalen, um die Festteil­neh­mer von Nördlin­gen, Bopfin­gen, Ellwan­gen, Wasser­al­fin­gen usw. abzuho­len. Als der Zug um 10.00 Uhr wieder in Heiden­heim eintraf, wurden die Ankom­men­den auf dem Bahnhof mit Musik empfan­gen, durch die Mitglie­der des Festko­mi­tees begrüßt und die Stadt gelei­tet. Um 11 Uhr verließ der eigent­li­che Eröff­nungs­zug mit den Gästen von Aalen, Gmünd, Schorn­dorf, Kirch­heim u.T., Waiblin­gen, Cannstatt, Stutt­gart usw. den geschmück­ten Aalener Bahnhof. Nach der Vorbei­fahrt an dem ebenfalls schön verzier­ten Eisen­werk Erlau wurde er in Unter­ko­chen mit Böller­schüs­sen empfan­gen. Zahlrei­che Einwoh­ner hatten sich am Bahnhof versam­melt. Fabri­kant Ebbing­haus überrasch­te die Fahrgäs­te mit Rhein­wein, während in Oberko­chen Festjung­frau­en Blumen­sträu­ße und Erfri­schun­gen darbo­ten. In Königs­bronn warte­ten die geord­ne­ten Reihen etwa 200 Bergknap­pen, Vetera­nen des Schüt­zen­ver­eins u. Festjung­frau­en, während in Schnait­heim die Schul­ju­gend durch Gesang hervor­trat. Außer­dem war ein Triumph­bo­gen mit passen­der Inschrift errich­tet worden. Um 12 Uhr traf der Eröff­nungs­zug in Heiden­heim ein und wurde dort mit donnern­den Kanonen- und Böller­sal­ven begrüßt. Unter­des­sen hatte sich ein Festzug formiert. Die Schul­ju­gend mit ihren Lehrern stand an der Spitze, gefolgt vom Turnver­ein, der Jugend­wehr, dem Sänger­klub und von Festjung­frau­en, die mit den Farben der Stadt Heiden­heim geschmückt waren. Beamte, das Festko­mi­tee und die Gäste setzten den Zug fort, den die Schüt­zen­ge­sell­schaft und eine Abtei­lung der Feuer­wehr abschloss. Leider dämpf­te starker Nieder­schlag die Stimmung. So beweg­ten sich zahllo­se Regen­schir­me durch die Innen­stadt zu den Gasthäu­sern Ochsen, Traube und Schwa­nen. Um 17 Uhr formier­te sich der Festzug erneut und marschier­te — trotz Regen — auf das Schloss und durch die untere Vorstadt wieder in Richtung Bahnhof. Von dort verließ der Zug um 18.30 Uhr mit den auswär­ti­gen Besuchern unter lauten Hochru­fen der Bevöl­ke­rung Heiden­heims die Stadt, für welche damit das Eisen­bahn­zeit­al­ter angebro­chen war. Der regel­mä­ßi­ge Verkehr auf der neuen Strecke begann am 15. Septem­ber 1864. Gleich­zei­tig bedeu­te­te dies das stille Ende der Postkut­schen­ver­bin­dung zwischen Aalen und Heiden­heim. Zwölf Jahre später gab es in Heiden­heim erneut Grund zum Feiern: Am 25. Juni 1875 wurde die Strecke Heiden­heim — Nieders­tot­zin­gen, am 15. Novem­ber 1875 Nieders­tot­zin­gen — Lange­nau und am 5. Januar 1876 „Lange­nau – Ulm“ in Betrieb genom­men. Schon bald nach der Eröff­nung im Jahre 1864 entfal­te­te sich auf der neuen Strecke zwischen Aalen und Heiden­heim ein reger Verkehr.
Als Beispiel dafür sei der Stunden­pass einer Reise von Bietig­heim über Heilbronn, Crails­heim und Aalen nach Heiden­heim ausge­wer­tet. Diese Fahrt begann in Bietig­heim am 25. Febru­ar 1868 um 12.36 Uhr und endete in Heiden­heim um 22.09 Uhr. In Oberko­chen hatte der Zug von 21.37 Uhr bis 21.38 Uhr Aufent­halt. Es wurden unter­wegs fünf verschie­de­ne Lokomo­ti­ven vorge­spannt, von denen mit der »Kirch­berg«, der »Zaber«., der »Calw« und der »Glatt« vier aus den Werks­hal­len der Maschi­nen­fa­brik Esslin­gen stamm­ten. Die mittle­re Bespann­län­ge betrug also nur 35 Kilome­ter pro Lokomo­ti­ve. Von Hall bis Crails­heim zog die »Calw«, bei deren Betrieb sich einige Proble­me ergaben. Zugmeis­ter Ludwig notier­te im Stundenpaß darüber: Hall, halberwegs Sulzdorf, hat der Führer zweimal angehal­ten, um wieder frisch Dampf zu machen; er erklär­te mir, er bekom­me mit dieser Maschi­ne eben keinen Dampf; in Sulzdorf den Führer gefragt, ob er glaube, dass er die Fahrzeit jetzt einhal­ten könne, erwider­te er ja; ich ließ die Verspä­tung nach Crails­heim anzei­gen; zwischen Sulzdorf und Altdorf musste ebenfalls wieder angehal­ten werden, um wieder Dampf zu machen; somit hat der Zug von Hall nach Crails­heim eine Verspä­tung von einer Stunde und 14 Minuten erhal­ten.
Für die wirtschaft­li­che Entwick­lung Oberko­chens war der Anschluss des Ortes an das Eisen­bahn­netz von größter Bedeu­tung. Neben der in dieser Zeit aufkom­men­den Bohrer­ma­cher­indus­trie profi­tier­ten beson­ders die Oberko­che­ner Hafner von den neu erschlos­se­nen Trans­port­mög­lich­kei­ten. Die Hafner konnten nun ihre Produk­te direkt versen­den. Zuvor waren sie ausschließ­lich auf die Zwischen­händ­ler angewie­sen, welche mit Pferde- und Ochsen­kar­ren die Tonerzeug­nis­se abhol­ten. Der Bahntrans­port war billi­ger, bruch­si­che­rer und schnel­ler. Außer­dem konnte er in größe­ren Mengen erfol­gen. Um das Versen­den der Töpfer­wa­ren per Eisen­bahn zu verein­fa­chen, wurden die sogenann­ten »Haras­sen­kis­ten« entwi­ckelt. Aber nicht nur auf wirtschaft­li­chem Gebiet, sondern auch in vielen anderen Berei­chen kam der Eisen­bahn eine große Bedeu­tung zu; so konnte etwa mit ihrer Hilfe in Württem­berg die Versor­gungs­lü­cke bei Getrei­de geschlos­sen werden. Es ist deshalb kein Zufall, dass die letzte große Hungers­not in Württem­berg — abgese­hen von Kriegs­zei­ten — vor 1848 geherrscht hat. Auch für militä­ri­sche Zwecke leiste­te die Eisen­bahn gute Diens­te: Mit ihrer Hilfe war es möglich gewor­den, den Nachschub besser zu organi­sie­ren oder Truppen leich­ter zu verschie­ben, um auf diese Weise militä­ri­sche Präsenz zu zeigen. Die Eisen­bahn wurde auch zum Vorrei­ter einer Zeitver­ein­heit­li­chung in den verschie­de­nen deutschen Ländern.
Ein größe­rer Sprung in der Geschich­te führt nun direkt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Noch 1946 lag das Bahntrans­port­we­sen fast gänzlich darnie­der. Vom Oktober bis zum Dezem­ber wurden in Oberko­chen 6.100 Fahrkar­ten verkauft, im Jahre 1950 hatte sich die Zahl bereits über 80.000 erhöht, 1960 erreich­te sie mit fast 162.000 einen Höchst­stand. Nach diesem Spitzen­wert sank sie wieder konti­nu­ier­lich ab — und damit wohl auch die Zahl der Fahrgäs­te. 1970 betrug die Anzahl der verkauf­ten Fahrkar­ten ca. 131.000, 1980 nur noch 77.000, 1985 war sie auf 54.000 abgefal­len.
Ein wesent­li­cher Grund für diese Entwick­lung dürfte die Konkur­renz des Autos sein, die gerade auch im Nahver­kehr die Bundes­bahn unter starken Konkur­renz­druck setzte. Ende 1989 verkehr­ten in Oberko­chen an den Werkta­gen jeweils 39 Perso­nen­zü­ge, die am Ort auch alle halten. Dazu kamen noch fünf Güter­zü­ge. Heute, im Jahr 2024, halten 40 Züge des Regel­fahr­plans werktags in Oberko­chen.
Der von Morlok erbau­te Oberko­che­ner Bahnhof wurde im Laufe der Jahre mit einem größe­ren Warte­saal in nordöst­li­cher Richtung und einem Fahrdienst­lei­ter­raum in südwest­li­cher Richtung erwei­tert. Fast 110 Jahre lang war das Bahnhof­ge­bäu­de eine Visiten­kar­te, die den Bahnrei­sen­den, die nach Oberko­chen kamen, einen positi­ven Eindruck vermit­tel­te. Im Jahre 1972 wurde jedoch das archi­tek­to­nisch wertvol­le Gebäu­de aus dem Denkmal­schutz entlas­sen und mit hässli­chen Eternit­plat­ten verklei­det, um die Kosten für einen neuen Außen­putz zu sparen. Damit die Wandver­klei­dung passte, wurden leider auch Rundbo­gen­fens­ter begra­digt und die Sandstein­brüs­tun­gen zwischen dem Erdge­schoss und dem Oberge­schoss abgeschla­gen. 2004 wurde schließ­lich die Fahrkar­ten­aus­ga­be im Bahnhof Oberko­chen geschlos­sen. Durch den Einbau moder­ner Stell­werk­tech­nik hatte er keine Funkti­on mehr. Das Gebäu­de war somit für die Bahn entbehr­lich gewor­den und dämmer­te ungenutzt vor sich hin. Bemühun­gen der Stadt Oberko­chen, den Bahnhof umzunut­zen, schlu­gen zunächst fehl. Dies lag vor allem an den kompli­zier­ten und langwie­ri­gen Verhand­lun­gen mit der Bahn. Gemein­sam mit dem priva­ten Inves­tor Franz Rank aus Oberko­chen gelang es dann aber der Stadt im Novem­ber 2007, das Gebäu­de zu erwer­ben, um es wenige Minuten später an den Inves­tor weiter zu veräu­ßern. Dieses kompli­zier­te Proze­de­re war notwen­dig, weil die Bahn bestimm­te vertrag­li­che Kondi­tio­nen nur der Kommu­ne einräu­men konnte, nicht jedoch Privat­per­so­nen. Wie auch immer; der Verkauf an Franz Rank war ein Glücks­fall. 2008 begann er mit dem aufwän­di­gen und umfang­rei­chen Umbau des Bahnhof­ge­bäu­des, das jetzt wieder ein Schmuck­stück in Oberko­chen darstellt. Nachdem es zunächst als Café und Bistro genutzt wurde, beher­bergt es derzeit das asiati­sche Restau­rant „Mama Lê“, das gerne und gut frequen­tiert wird.

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Der Eingang nach der Renovie­rung (Archiv Müller)

Es grüßt gedank­lich aus einer Fahrt mit der Dampflok.

Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

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