Der Bahnhof Oberkochen. Der Bau des Bahnhofgebäudes in Oberkochen ist eng mit der Brenztalbahn verbunden. Es wurde ebenfalls 1863 / 1864 erbaut. Architekt war der bekannte Eisenbahningenieur Georg von Morlok, der alle Bahnhöfe auf der Brenzbahnstrecke zwischen Aalen und Ulm baute.

Wie der Bahnhof mit seinem Vorplatz einst aussah (Archiv Müller)
Einschub: „Georg Morlok, ab 1869 von Morlok, (* 20. Januar 1815 in Dätzingen; † 17. April 1896 in Stuttgart) war ein deutscher Architekt und Eisenbahningenieur, der als württembergischer Baubeamter wirkte. Morlok baute viele Bahnstrecken und Bahnhöfe in Württemberg. Er errichtete Fabrikgebäude und Arbeiterwohnhäuser in Aalen, Geislingen und Kuchen, erbaute die Arbeitersiedlung Postdörfle und die Alte Markthalle in Stuttgart und einige katholische Kirchen in Württemberg. 1858 wurde er zum Baurat ernannt mit einem Jahresgehalt von 1500 Gulden. Als Baurat wurde er automatisch Mitglied der Eisenbahnkommission. Er plante und leitete nun zahlreiche Eisenbahnprojekte. 1868 wurde er zum Oberbaurat befördert. Auf Grund seiner Verdienste wurde er 1869 mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Ordens der Württembergischen Krone ausgezeichnet, womit die Erhebung in den persönlichen Adelsstand verbunden war. Von 1882 bis 1886 war er Mitglied der Generaldirektion der Staatseisenbahnen.1886 wurde Morlok im Alter von 71 Jahren mit dem Titel Baudirektor in den Ruhestand versetzt. 1890 verfasste er eine grundlegende Geschichte der Württembergischen Staatseisenbahnen.“

Georg von Morloks Grab auf dem Pragfriedhof Stuttgart (Wikipedia Xocolatl)
Als die Bahn nach Oberkochen kam von Prof. Dr. Christhard Schrenk. Das Königreich Württemberg sah den ersten Eisenbahnzug im Jahr 1845, von Cannstatt nach Ludwigsburg fahren. Anfang Mai 1858 debattierte die württembergische Ständeversammlung über den weiteren Aufbau des Eisenbahnsystems im Lande, das zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen aus der Strecke „Heilbronn — Stuttgart — Ulm – Friedrichshafen“ bestand. Aus allen Teilen des Landes waren Bittschreiben eingetroffen. Darin legten die jeweiligen Städte und Gemeinden klar, warum der gewünschte eigene Eisenbahnanschluss von höchster Priorität sei, jedenfalls wesentlich wichtiger als alle anderen denkbaren Linien. In der entsprechenden »Untertänigen Bitte Heidenheim um alsbaldige Erbauung einer Eisenbahn von Aalen hierher (Heidenheim) vom 21. Mai 1858« heißt es: »Nur haben wir zu unserem Bedauern daraus (aus der königlichen Vorlage) ersehen, daß der Bau der Linie von Aalen an die Ostbahn (Ulm) und speziell hierher nach Heidenheim, einer späteren Finanzierungsperiode vorbehalten bleiben solle, ohne uns eine Ursache hiezu denken, oder diese Bestimmung erklären zu können. Denn daß die Gewerbsthätigkeit des Kocher- und Brenztales eine weit gewichtigere und ansehnlichere ist, als die der anderen in der nächsten Zeit zum Bau vorgesehenen Eisenbahnlinien, davon hat sich die hohe Kammer wohl zu Genüge überzeugt. (. . ) Wenn es uns darum schmerzlich berührt, die Priorität des Baues (auch dieser Bahn in der königlichen Vorlage zu vermissen, so wird man keine Kirchturminteressen darin erblicken, wenn wir auf diese Motive und Thatsachen gestützt, uns die gehorsame Bitte an die hochansehnliche Kammer erlauben, aussprechen zu wollen, daß (die) königliche Regierung dem früheren Beschlusse gemäß den Bau einer Bahn von Aalen hierher vorzugweise auch in nächste Zeit in Vollzug bringen möge.«
Im Anschluss an diese Passage strich die Stadt in der Eingabe ihre wirtschaftliche Kraft und ihr daraus resultierendes Interesse — ja Recht — an einer Eisenbahnverbindung heraus. Am 17. November 1858 wurde der Bau der neuen Strecke von Aalen über Heidenheim nach Ulm zwar grundsätzlich beschlossen, Finanzmittel stellte der König aber nicht bereit. Zur sofortigen Ausführung gelangten dagegen die Linien „Heilbronn — Schwäbisch Hall, Reutlingen — Tübingen – Rottenburg“ und „Cannstatt — Gmünd — Aalen – Wasseralfingen“. Der erste Zug fuhr 1861 in Aalen ein.
Für die Verzögerung des Baus der Strecke von Aalen nach Ulm war hohe Politik zwischen den Königreichen Württemberg und Bayern verantwortlich. Dabei ging es um zwei verschiedene Problemkomplexe:
Erstens um die von Württemberg gewünschte Anbindung der Linie Stuttgart — Aalen in Richtung Nördlingen an das Bayerische Schienennetz und zweitens um eine schon bestehende Eisenbahnverbindung von Nordbayern an den Bodensee.
Diese Strecke führte über Nördlingen, Augsburg und Kempten nach Lindau. Im Vergleich dazu wäre der Weg von Nördlingen über württembergisches Gebiet, nämlich über Aalen und Ulm nach Friedrichshafen, 45 Kilometer kürzer gewesen. Die Bayern fürchteten also, dass bei der Existenz einer direkten Verbindung von Nördlingen über Aalen nach Ulm der gesamte Verkehr vom Norden ihres Landes in Richtung Bodensee auf württembergisches Gebiet ausweichen würde. Deshalb ließ Bayern zwar die Strecke „Aalen – Nördlingen“ per Staatsvertrag zu, blockierte aber gleichzeitig den Bau der Linie „Heidenheim – Ulm“. Damit war die Verbindung „Aalen – Heidenheim“ zu einer Sackgasse und deshalb aus gesamtwürttembergischer Sicht zweitrangig geworden.
Am 21. Februar 1861 kam es zu einem Staatsvertrag über die Anbindung der Strecke Stuttgart — Aalen bei Nördlingen an das bayerische Eisenbahnnetz. Bei den entsprechenden Verhandlungen mussten viele Detailprobleme gelöst werden. Zuerst stellte sich die Frage der Grenzstation: Als alleiniger Wechselpunkt wurde Nördlingen bestimmt. Damit ergab sich das Problem, dass die Württemberger ein kleines Stück unkontrolliert durch Bayern führen, weil Nördlingen nicht direkt an der Grenze liegt. Zum Ausgleich mussten die Württemberger für den Unterhalt dieses Streckenabschnitts aufkommen, während Bayern die Landeshoheit, die Justiz- und die Polizeigewalt darüber behielt. Der Staatsvertrag vom Februar 1861 enthielt jene Klausel, die den Weiterbau der Eisenbahnlinie von Heidenheim nach Ulm für zwölf Jahre verzögerte: »Die Württembergische Regierung verpflichtet sich, innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Jahren vom Tage der Eröffnung der Cannstatt-Nördlinger Eisenbahn an keine Schienenverbindung zwischen dieser Bahnlinie und der Cannstatt-Ulmer Eisenbahn herzustellen oder herstellen zu lassen, durch welche die Württembergische Bahnlinie von Nördlingen bis Friedrichshafen kürzer würde, als die Bayerische Linie von Nördlingen bis Lindau.«
Heidenheim setzte jedoch seine Bemühungen fort, und so konnte die Stadt ein Jahr später einen wichtigen Teilerfolg verbuchen. Im Februar 1862 wurde ein weiteres Eisenbahngesetz verabschiedet, das wenigstens den Bau der Strecke von Aalen nach Heidenheim auf Staatskosten befahl. Das königliche Eisenbahnbauamt legte daraufhin 1863 den gewünschten Verlauf der Eisenbahn zwischen Aalen und Heidenheim fest und zeichnete ihn in einen Katasterplan ein.
Der Oberkochener Gemeinderat stimmte im August 1863 diesen Planungen zu. In diesem Gremium saßen damals u. a. Träger der Namen Wingert, Gold, Weber, Sapper, Joos usw. Parallel dazu wurden die Grundstücksverhandlungen geführt. Die bezahlten Preise lagen recht hoch. Bei den Verkäufen tauchen auch wieder zahlreiche bekannte Oberkochener Namen auf, wie z.B. Feil, Grupp, Gutknecht, Uhl, Wingert, Gold, Balle und Sapper.
Bereits im Mai 1863 wurden per Zeitungsanzeige in der »Schwäbischen Kronik« die Bauarbeiten für die neuen Bahnhofe an der Strecke vergeben. Im Verlauf des Eisenbahnbaus kam es in Oberkochen zu zwei spektakulären Aktionen. Zum einen musste der sagenumwobene Engelstein gesprengt werden (s.o.). Zum anderen fiel dem Vorhaben ein Haus im Ortskern zum Opfer. Da der neue Bahnhof außerhalb des damaligen Dorfes lag, musste er durch eine neue Straße an den Ort angebunden werden. Die »Bahnhofstraße« wurde auf dem kürzesten Weg, also im rechten Winkel, auf die damalige Langgasse (Heidenheimer Straße) zugeführt. An der geplanten Einmündung stand das Haus der Witwe Viktoria Staud und des Krämers und Gassenwirts Franz Staud. Die königliche Eisenbahnkommission erwarb am 30. Oktober 1863 dieses Anwesen. Familie Staud durfte das Material aus dem Abbruch ihres alten Hauses für den Bau eines neuen verwenden. So entstand in den Jahren 1864/65 ein Gebäudekomplex aus Haus, Scheuer und Stall, in dem später die »Bahnhofsrestauration« eingerichtet wurde.
Die technische Leitung des Eisenbahnbaus oblag Georg Morlok, einem vielseitigen Architekten, Baumeister u. Eisenbahnkonstrukteur, der von 1815 bis 1896 lebte. Er baute 1854 das Wasseralfinger Hüttenwerk aus, errichtete katholische Kirchen, z. B. in Aalen, Lauchheim und Dalkingen, leitete den Umbau des Stuttgarter und des Ulmer Bahnhofs, baute die alte Stuttgarter Markthalle und konstruierte 1874 bis 1876 die erste deutsche Zahnradbahn, die das Hüttenwerk in Wasseralfingen mit den Erzlagerstätten Braunenberg verband. Bereits 1871 zog er als Herrenberges Abgeordneter in den Württembergischen Landtag ein. Bei der Ausführung dieser Aufgabe des Eisenbahnbaus von Aalen nach Heidenheim standen Morlok viele Arbeitskräfte zur Seite. Man kann von einer vierstelligen Zahl ausgehen. Oft handelte es sich hierbei um italienische Gastarbeiter, die im Umgang mit Steinen besonders geübt waren. Bei so vielen Menschen tauchten immer wieder disziplinarische Probleme auf. Um diese in den Griff zu bekommen, erließ das Eisenbahnbauamt »Verhaltungs-Regeln«, die auf allen Baustellen der Eisenbahn in Württemberg galten. Jeder, der dort Arbeit suchte, musste diese Regeln anerkennen und sich danach richten. Sie legten die Form der Bezahlung, die Höhe der Strafen bei Übertretungen und die tägliche Beschäftigungsdauer fest. Gearbeitet wurde vom Josephstag bis Michaelis (19. März bis 29. September) täglich elfeinhalb Stunden, von Michaelis bis Gallus (29. September bis 16. Oktober) von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit anderthalb Stunden Pausen und den Rest des Jahres ebenfalls von morgens bis abends, aber nur mit insgesamt einer Stunde Unterbrechung. Die tägliche Arbeitszeit orientierte sich also an den jahreszeitlichen Schwankungen der Tageslänge. Die »Verhaltungs-Regeln« befassten sich aber nicht mit den Pflichten der Arbeiter, sondern auch mit sozialen Härtefällen. Als wichtige Einrichtung zum Schutz bzw. zur Versicherung der Arbeiter wurde eine »gegenseitige Unterstützungs- oder Krankenkasse« geschaffen. In dieser Kasse entrichteten die Arbeiter einen Kreuzer von jedem verdienten Gulden, also ein Sechzigstel ihres Lohnes. Im Krankheitsfall standen ihnen dann in begrenztem finanziellen und zeitlichen Rahmen Zahlungen an. Aus solchen Wurzeln entwickelte sich später die allgemeine Krankenversicherung. Auch der Transfer des verdienten Lohnes der Arbeiter zu ihren Familien nach Hause wurde organisiert. Hierin liegt eine der Grundlagen des heutigen Sparkassenwesens. Nach etwa einjähriger Bauzeit kam es im 12. September 1864 zur festlichen Eröffnungsfahrt auf der neuen Eisenbahnlinie. Die »Schwäbische Kronik« berichtete am 14. und 15. September 1864 ausführlich über dieses große Ereignis. Der Schwerpunkt der Feierlichkeiten lag in Heidenheim. In der mit Kränzen und Fahnen geschmückten Stadt kündigten schon in aller Frühe Kanonen- und Böllerschüsse das bevorstehende Ereignis an. Bereits um 5.30 Uhr fuhr eine erste geschmückte Lokomotive mit verzierten Wagen von Heidenheim nach Aalen, um die Festteilnehmer von Nördlingen, Bopfingen, Ellwangen, Wasseralfingen usw. abzuholen. Als der Zug um 10.00 Uhr wieder in Heidenheim eintraf, wurden die Ankommenden auf dem Bahnhof mit Musik empfangen, durch die Mitglieder des Festkomitees begrüßt und die Stadt geleitet. Um 11 Uhr verließ der eigentliche Eröffnungszug mit den Gästen von Aalen, Gmünd, Schorndorf, Kirchheim u.T., Waiblingen, Cannstatt, Stuttgart usw. den geschmückten Aalener Bahnhof. Nach der Vorbeifahrt an dem ebenfalls schön verzierten Eisenwerk Erlau wurde er in Unterkochen mit Böllerschüssen empfangen. Zahlreiche Einwohner hatten sich am Bahnhof versammelt. Fabrikant Ebbinghaus überraschte die Fahrgäste mit Rheinwein, während in Oberkochen Festjungfrauen Blumensträuße und Erfrischungen darboten. In Königsbronn warteten die geordneten Reihen etwa 200 Bergknappen, Veteranen des Schützenvereins u. Festjungfrauen, während in Schnaitheim die Schuljugend durch Gesang hervortrat. Außerdem war ein Triumphbogen mit passender Inschrift errichtet worden. Um 12 Uhr traf der Eröffnungszug in Heidenheim ein und wurde dort mit donnernden Kanonen- und Böllersalven begrüßt. Unterdessen hatte sich ein Festzug formiert. Die Schuljugend mit ihren Lehrern stand an der Spitze, gefolgt vom Turnverein, der Jugendwehr, dem Sängerklub und von Festjungfrauen, die mit den Farben der Stadt Heidenheim geschmückt waren. Beamte, das Festkomitee und die Gäste setzten den Zug fort, den die Schützengesellschaft und eine Abteilung der Feuerwehr abschloss. Leider dämpfte starker Niederschlag die Stimmung. So bewegten sich zahllose Regenschirme durch die Innenstadt zu den Gasthäusern Ochsen, Traube und Schwanen. Um 17 Uhr formierte sich der Festzug erneut und marschierte — trotz Regen — auf das Schloss und durch die untere Vorstadt wieder in Richtung Bahnhof. Von dort verließ der Zug um 18.30 Uhr mit den auswärtigen Besuchern unter lauten Hochrufen der Bevölkerung Heidenheims die Stadt, für welche damit das Eisenbahnzeitalter angebrochen war. Der regelmäßige Verkehr auf der neuen Strecke begann am 15. September 1864. Gleichzeitig bedeutete dies das stille Ende der Postkutschenverbindung zwischen Aalen und Heidenheim. Zwölf Jahre später gab es in Heidenheim erneut Grund zum Feiern: Am 25. Juni 1875 wurde die Strecke Heidenheim — Niederstotzingen, am 15. November 1875 Niederstotzingen — Langenau und am 5. Januar 1876 „Langenau – Ulm“ in Betrieb genommen. Schon bald nach der Eröffnung im Jahre 1864 entfaltete sich auf der neuen Strecke zwischen Aalen und Heidenheim ein reger Verkehr.
Als Beispiel dafür sei der Stundenpass einer Reise von Bietigheim über Heilbronn, Crailsheim und Aalen nach Heidenheim ausgewertet. Diese Fahrt begann in Bietigheim am 25. Februar 1868 um 12.36 Uhr und endete in Heidenheim um 22.09 Uhr. In Oberkochen hatte der Zug von 21.37 Uhr bis 21.38 Uhr Aufenthalt. Es wurden unterwegs fünf verschiedene Lokomotiven vorgespannt, von denen mit der »Kirchberg«, der »Zaber«., der »Calw« und der »Glatt« vier aus den Werkshallen der Maschinenfabrik Esslingen stammten. Die mittlere Bespannlänge betrug also nur 35 Kilometer pro Lokomotive. Von Hall bis Crailsheim zog die »Calw«, bei deren Betrieb sich einige Probleme ergaben. Zugmeister Ludwig notierte im Stundenpaß darüber: Hall, halberwegs Sulzdorf, hat der Führer zweimal angehalten, um wieder frisch Dampf zu machen; er erklärte mir, er bekomme mit dieser Maschine eben keinen Dampf; in Sulzdorf den Führer gefragt, ob er glaube, dass er die Fahrzeit jetzt einhalten könne, erwiderte er ja; ich ließ die Verspätung nach Crailsheim anzeigen; zwischen Sulzdorf und Altdorf musste ebenfalls wieder angehalten werden, um wieder Dampf zu machen; somit hat der Zug von Hall nach Crailsheim eine Verspätung von einer Stunde und 14 Minuten erhalten.
Für die wirtschaftliche Entwicklung Oberkochens war der Anschluss des Ortes an das Eisenbahnnetz von größter Bedeutung. Neben der in dieser Zeit aufkommenden Bohrermacherindustrie profitierten besonders die Oberkochener Hafner von den neu erschlossenen Transportmöglichkeiten. Die Hafner konnten nun ihre Produkte direkt versenden. Zuvor waren sie ausschließlich auf die Zwischenhändler angewiesen, welche mit Pferde- und Ochsenkarren die Tonerzeugnisse abholten. Der Bahntransport war billiger, bruchsicherer und schneller. Außerdem konnte er in größeren Mengen erfolgen. Um das Versenden der Töpferwaren per Eisenbahn zu vereinfachen, wurden die sogenannten »Harassenkisten« entwickelt. Aber nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern auch in vielen anderen Bereichen kam der Eisenbahn eine große Bedeutung zu; so konnte etwa mit ihrer Hilfe in Württemberg die Versorgungslücke bei Getreide geschlossen werden. Es ist deshalb kein Zufall, dass die letzte große Hungersnot in Württemberg — abgesehen von Kriegszeiten — vor 1848 geherrscht hat. Auch für militärische Zwecke leistete die Eisenbahn gute Dienste: Mit ihrer Hilfe war es möglich geworden, den Nachschub besser zu organisieren oder Truppen leichter zu verschieben, um auf diese Weise militärische Präsenz zu zeigen. Die Eisenbahn wurde auch zum Vorreiter einer Zeitvereinheitlichung in den verschiedenen deutschen Ländern.
Ein größerer Sprung in der Geschichte führt nun direkt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Noch 1946 lag das Bahntransportwesen fast gänzlich darnieder. Vom Oktober bis zum Dezember wurden in Oberkochen 6.100 Fahrkarten verkauft, im Jahre 1950 hatte sich die Zahl bereits über 80.000 erhöht, 1960 erreichte sie mit fast 162.000 einen Höchststand. Nach diesem Spitzenwert sank sie wieder kontinuierlich ab — und damit wohl auch die Zahl der Fahrgäste. 1970 betrug die Anzahl der verkauften Fahrkarten ca. 131.000, 1980 nur noch 77.000, 1985 war sie auf 54.000 abgefallen.
Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung dürfte die Konkurrenz des Autos sein, die gerade auch im Nahverkehr die Bundesbahn unter starken Konkurrenzdruck setzte. Ende 1989 verkehrten in Oberkochen an den Werktagen jeweils 39 Personenzüge, die am Ort auch alle halten. Dazu kamen noch fünf Güterzüge. Heute, im Jahr 2024, halten 40 Züge des Regelfahrplans werktags in Oberkochen.
Der von Morlok erbaute Oberkochener Bahnhof wurde im Laufe der Jahre mit einem größeren Wartesaal in nordöstlicher Richtung und einem Fahrdienstleiterraum in südwestlicher Richtung erweitert. Fast 110 Jahre lang war das Bahnhofgebäude eine Visitenkarte, die den Bahnreisenden, die nach Oberkochen kamen, einen positiven Eindruck vermittelte. Im Jahre 1972 wurde jedoch das architektonisch wertvolle Gebäude aus dem Denkmalschutz entlassen und mit hässlichen Eternitplatten verkleidet, um die Kosten für einen neuen Außenputz zu sparen. Damit die Wandverkleidung passte, wurden leider auch Rundbogenfenster begradigt und die Sandsteinbrüstungen zwischen dem Erdgeschoss und dem Obergeschoss abgeschlagen. 2004 wurde schließlich die Fahrkartenausgabe im Bahnhof Oberkochen geschlossen. Durch den Einbau moderner Stellwerktechnik hatte er keine Funktion mehr. Das Gebäude war somit für die Bahn entbehrlich geworden und dämmerte ungenutzt vor sich hin. Bemühungen der Stadt Oberkochen, den Bahnhof umzunutzen, schlugen zunächst fehl. Dies lag vor allem an den komplizierten und langwierigen Verhandlungen mit der Bahn. Gemeinsam mit dem privaten Investor Franz Rank aus Oberkochen gelang es dann aber der Stadt im November 2007, das Gebäude zu erwerben, um es wenige Minuten später an den Investor weiter zu veräußern. Dieses komplizierte Prozedere war notwendig, weil die Bahn bestimmte vertragliche Konditionen nur der Kommune einräumen konnte, nicht jedoch Privatpersonen. Wie auch immer; der Verkauf an Franz Rank war ein Glücksfall. 2008 begann er mit dem aufwändigen und umfangreichen Umbau des Bahnhofgebäudes, das jetzt wieder ein Schmuckstück in Oberkochen darstellt. Nachdem es zunächst als Café und Bistro genutzt wurde, beherbergt es derzeit das asiatische Restaurant „Mama Lê“, das gerne und gut frequentiert wird.

Der Eingang nach der Renovierung (Archiv Müller)
Es grüßt gedanklich aus einer Fahrt mit der Dampflok.
Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg