Vorge­schich­te. Die begin­nen­de Indus­tria­li­sie­rung in Europa ging einher mit dem Ausbau der Verkehrs­we­ge. Die Eisen­bahn spiel­te dabei eine wichti­ge Rolle. Bereits 1825 baute der Brite George Stephen­son die erste Dampf­lok für die Beför­de­rung von Gütern und Menschen. Die erste Eisen­bahn in Deutsch­land fuhr 1835 zwischen Nürnberg und Fürth. Auch im damali­gen König­reich Württem­berg machte man sich Gedan­ken darüber, eine Verkehrs­in­fra­struk­tur aufzu­bau­en. Dabei ging es zunächst darum, Rohstof­fe und Güter schnel­ler und billi­ger zu trans­por­tie­ren. 1834 kam eine könig­li­che Kommis­si­on zu dem Ergeb­nis, dass » … eine Eisen­bahn dasje­ni­ge Kommu­ni­ka­ti­ons­mit­tel höherer Ordnung ist, auf welches im Inter­es­se der Verbin­dung des Neckars mit der Donau und dem Boden­see zunächst Bedacht zu nehmen sein dürfte.« Die Richtung der Verkehrs­bah­nen, so der Vorschlag der Kommis­si­on, solle durch die Täler der Rems, des Kochers, der Brenz und von da an der Donau aufwärts nach Ulm verlau­fen. Weiter solle sie von der Donau durch die Täler der Riss und der Schus­sen nach Fried­richs­ha­fen gelei­tet werden. In Württem­berg, wie fast überall in Europa, nahmen von diesem Zeitpunkt an die Eisen­bah­nen das gesam­te Inter­es­se und die ganze Leistungs­fä­hig­keit des Landes in Anspruch. Bis zur Mitte des 19. Jahrhun­derts waren die wichtigs­ten Eisen­bahn­li­ni­en und ‑verbin­dun­gen des damali­gen Königs­reichs herge­stellt. Am 29. Juni 1850 konnte die gesam­te Strecke Heilbronn-Stutt­gart-Filstal-Alb-Ulm-Fried­richs­ha­fen durch­gän­gig befah­ren werden. Nun machte man sich daran, weite­re Eisen­bahn­li­ni­en zu schaf­fen. Dabei stand auch das gewer­be­rei­che obere Kocher- und Brenz­tal im Fokus, vor allem wegen der zahlrei­chen Hütten­wer­ke und eisen­ver­ar­bei­ten­den Betrie­be in Abtsgmünd, Wasser­al­fin­gen, Unter­ko­chen, Königs­bronn und Heidenheim.

Als die Eisen­bahn kam. Am 21. Febru­ar 1861 schlos­sen die beiden König­rei­che Bayern und Württem­berg einen Vertrag, wonach sich die württem­ber­gi­sche Seite verpflich­te­te, 12 Jahre lang keine Eisen­bahn­ver­bin­dung nach Ulm herzu­stel­len, die die Filstal­bahn und die Remsbahn mit der Stadt bzw. der Brenz­tal­bahn verbin­den könnte. Am 25. Juli 1861 war Aalen durch die Remsbahn ans württem­ber­gi­sche Eisen­bahn­netz angeschlos­sen worden, dann wurde die Strecke bis ins bayeri­sche Nördlin­gen verlän­gert. Dies hatte aller­dings das Verlan­gen Bayerns zur Folge, den Bau der »Südbahn« von Aalen nach Ulm bis zum 2. Oktober 1875 auf Eis zu legen, um der bayeri­schen Verbin­dung zum Boden­see keine Konkur­renz zu machen (Immer diese Bayern mit ihren Extra­würs­ten, war wohl damals schon so). Dennoch nahm Württem­berg alsbald den Bau des Teilstücks zwischen Aalen und Heiden­heim in Angriff (recht so). 1862 wurde dann mit dem Bau der Eisen­bahn­stre­cke Heiden­heim — Aalen begon­nen. In diesem Zusam­men­hang wurde auch Oberko­chen an das Eisen­bahn­netz angeschlos­sen. Bereits im Juli 1863 wurde die Strecke abgesteckt und schon ein Jahr später, nämlich am 13. Septem­ber 1864, wurde sie feier­lich eröff­net.
Der Name »Oberko­chen« taucht erstmals am 27. März 1863 auf. Im Zusam­men­hang mit der Eisen­bahn in der Zeitung erschien durch die Ausschrei­bung »Verak­kor­die­rung von Eisen­bahn­bau­ar­bei­ten für die Teilstre­cke Aalen – Oberko­chen«. Die Länge des Teilstücks wurde mit 15.200 Fuß (= 4,25 km) angege­ben und der Kosten­vor­anschlag wies für Erdar­bei­ten, Brücken, Durch­läs­se, Straßen, Fluss- und Uferbau­ten den Gesamt­be­trag von 93 000 Gulden aus (nach der Währungs­um­stel­lung von 1870 knapp 160.000 Mark). Am 17. Mai 1863 schrieb die Eisen­bahn­ver­wal­tung die Arbei­ten für »Hochbau­ten auf der Stati­on Oberko­chen« aus. Vorge­se­hen waren »ein Verwal­tungs­ge­bäu­de, Neben­ge­bäu­de mit Holzle­ge, Wasch­haus und Abtritt, Güter­schup­pen, Trottoirs (Bahnstei­ge) und Dohlen«.
Im Juli 1863 begann der Bau der Eisen­bahn in Oberko­chen mit dem Abste­chen der Trasse durch staat­li­che Landver­mes­ser. Anschlie­ßend kaufte das könig­li­che Cameral­amt (Finanz­be­hör­de) die Grund­stü­cke zu einem guten Preis auf. Viele Felder und Wiesen mussten dem Fortschritt weichen. Auch der sagen­um­wo­be­ne Engelstein *** wurde durch eine spekta­ku­lä­re Spreng­ak­ti­on (angeord­net vom Schul­tes Wingert und ausge­führt vom Maurer­meis­ter Wingert) aus dem Weg geräumt.
*** Neben der Wiesen-Kapel­le stand bis zum Jahre 1863 ein runder, schöner Felsblock. Er hatte eine Höhe von etwa vier Metern. In der Nacht vor dem Alexis-Tag (17. Juli) sei dort einst ein Engel erschie­nen, in weißem Gewand, die Hände segnend über das Kocher­tal ausge­brei­tet und umstrahlt von einem lichten Schein. Die Bauern deute­ten diese Erschei­nung als Vorzei­chen für eine geseg­ne­te, reiche Ernte. Der Felsblock soll auf diese Begeben­heit hin den Namen Engelstein erhal­ten haben. An diesem Tage kam noch bis in die jüngs­te Zeit eine kleine­re Schar von Wallfah­rern aus Affal­ter­wang auf dem Härts­feld zum »Geißel­hei­land« in der Wiesen­ka­pel­le. Am 4. Juli (Ulrichs­tag), früher hier Ratzen­fei­er­tag genannt, erschie­nen Gläubi­ge von Waldhau­sen in der Kapel­le. Der Flurna­men rechts von der Halde hinauf heißt heute noch Engelstein.

Der alte Bahnhof Oberko­chen – wie die Zeit vergan­gen ist (Archiv Müller)

Eine weite­re Ausschrei­bung erfolg­te am 31. Dezem­ber 1863 für »Beifuhr von Schwel­len, Schie­nen und Schie­nen­be­fes­ti­gungs­mit­tel« für die Statio­nen der Strecke Unter­ko­chen, Oberko­chen, Königs­bronn, wobei es sich um Liefe­rung von insge­samt 400 Zentnern Weichen und Kreuzun­gen, 13.800 eichene und 4.500 forchene Schwel­len« handel­te. Die letzte Ausschrei­bung der König­li­chen Eisen­bahn­di­rek­ti­on galt am 16. Juni 1864 der »Liefe­rung von Möbeln« für die Bahnhö­fe Unter­ko­chen, Oberko­chen, Königs­bronn, Schnait­heim, Heiden­heim. Bemer­kens­wert dabei ist, dass auf Oberko­chen mit 218 Golden der gerings­te Betrag entfiel, während z. B. für Königs­bronn mit 430 Gulden nahezu das Doppel­te veran­schlagt war, was wahrschein­lich damit zusam­men­hing, dass Königs­bronn als Sitz eines »König­li­chen Hütten­werks« einen größe­ren Stellen­wert als Oberko­chen besaß. Damit waren im besten Sinn des Wortes die Weichen gestellt: Oberko­chen konnte in abseh­ba­rer Zeit das »Dampf­ross« zwar nicht in seinen Mauern, aber doch am Rande des Orts empfan­gen. Ob der die lokalen Vorbe­rei­tun­gen für diesen Empfang schweigt sich leider das Aalener »Amts und Intel­li­genz Blatt« aus. 1872 began­nen dann die Planun­gen zum Weiter­bau der Brenz­tal­bahn bis Ulm. Am 25. Juli 1875 wurde der Abschnitt Heiden­heim — Nieders­tot­zin­gen eröff­net, am 15. Novem­ber 1875 der Abschnitt nach Lange­nau. Die letzte Strecke nach Ulm wurde am 5. Januar 1876 freigegeben.

Ein Bahnhof, ein Schup­pen, eine Bahnhof­stra­ße, zwei Kirchen und a bissle Oberko­chen (Archiv Müller)

Was änder­te sich dadurch für Oberko­chen ab 1864? Die Postkut­schen­ver­bin­dung zwischen Aalen und Heiden­heim endete und damit war das eine Zeiten­wen­de im Trans­port­ge­wer­be für Waren und Menschen. Für die wirtschaft­li­che Entwick­lung war dieses Jahr einschnei­dend. Die Holzaus­fuhr wurde verein­facht. Das geschla­ge­ne Holz musste jetzt nur noch aus den umlie­gen­den Wäldern mit von Kühen gezoge­nen Wagen bis zum Bahnhof gebracht werden. Vor dem Güter­schup­pen befand sich ein riesi­ges Holzla­ger, das bis zum heuti­gen Firmen­ge­län­de von Günther + Schramm reich­te. Auch das starke Hafner­ge­wer­be hatte nun optima­le Trans­port­mög­lich­kei­ten, um ihre Waren abzuset­zen. Sie konnten auf die Zwischen­händ­ler verzich­ten, die ihre Waren auf Ochsen- und Pferde­kar­ren trans­por­tier­ten. Auch die aufkom­men­de Indus­tria­li­sie­rung nutzte die neuen Möglich­kei­ten, welche die Eisen­bahn bot. Alle Firmen, die nach 1864 in Oberko­chen gegrün­det oder ansäs­sig wurden, hätten diese Entschei­dung ohne Bahnhof wohl nicht getroffen.

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Strecken­ver­lauf Aalen – Ulm mit Halte­sta­tio­nen (Wikipe­dia)

Uwe Sieden­top, der allwis­sen­de Autor zum Thema Brenz­bahn, schrieb in seinem Buch: „Die Brenz­tal­bahn ist keine beson­de­re Eisen­bahn­ver­bin­dung und von keiner größe­ren Bedeu­tung. Sie überwin­det keine hohen Berge und verbin­det auch keine großen Verkehrs­ge­bie­te. Sie hat ledig­lich einen Tunnel, ein paar Brücken über die Brenz, ist für zwei Gelei­se ausge­legt, hat aber nur eines, und feiert am 15. Septem­ber 2014 ihren 150. Geburts­tag. Ihre Geburt war lang, ganze 28 Jahre hat sie gedau­ert, und sie wurde nicht an einem Stück in die Welt gesetzt; 1864 von Aalen nach Heiden­heim und erst zwölf Jahre später nach Ulm. Sie trat auch nicht durch beson­de­re Leistun­gen ins Rampen­licht, sie tat nur treu ihre Diens­te und ist eine Selbst­ver­ständ­lich­keit in unserem Leben gewor­den.«
Späte­re und zukünf­ti­ge Zeiten. Im Laufe ihrer wechsel­vol­len Geschich­te erleb­te die Brenz­tal­bahn Höhen und Tiefen. In den 1980er Jahren wurde sogar in Erwägung gezogen, den Perso­nen­ver­kehr zwischen Heiden­heim und Ulm komplett einzu­stel­len. Die Bahn ist zwar noch nicht attrak­tiv (da gibt es Nachhol­be­darf und die DB und ihr Haupt­an­teils­eig­ner könnten sich im Ausland infor­mie­ren, wie „Bahn heute geht“), aber der Bedarf nach einem deutlich besse­ren Brenz­bahn ist nicht zu überse­hen. Nicht zuletzt durch die Entwick­lung des Zeiss-Konzerns. Von einer Elektri­fi­zie­rung will ich noch gar nicht reden, aber der zweiglei­si­ge Ausbau, ein Halbstun­den-Takt und ein Halt beim SMT, das sind schon zwingen­den Notwen­dig­kei­ten. Ob ich das mit meinen 72 Lenzen noch alles erleben werde? Da habe ich meine Zweifel.
Inter­es­sen­ge­mein­schaft Brenz­tal­bahn. Eine Inter­es­sen­ge­mein­schaft Brenz­bahn hat die Aufga­be die Strecke zu erhal­ten und zu fördern. Die Mitglie­der der IG Brenz­bahn sind alle Regio­nal­ver­bän­de, Landkrei­se, Kommu­nen und Kammern an der Strecke. Der Vorsit­zen­de der Inter­es­sen­ge­mein­schaft war bis 2019 Landrat Thomas Reinhardt, und die Geschäfts­stel­le ist beim Regio­nal­ver­band Ostwürt­tem­berg angesie­delt. Die Brenz­bahn verbin­det die Städte Ulm und Aalen, ist 72,5 Kilome­ter lang und trägt ihren Namen, weil sie auf 27 Kilome­ter Länge dem Fluss Brenz folgt.
Die Statio­nen Lange­nau, Nieders­tot­zin­gen, Giengen, Sontheim, Herbrech­tin­gen, Heiden­heim oder Oberko­chen liegen direkt an der Strecke – das bringt eine gute Auslas­tung. Von 2003 bis 2007 wurden für 75 Millio­nen Euro Bahnstei­ge und Bahnüber­gän­ge saniert, die Strecke für Neige­tech­nik­zü­ge fit gemacht. Seither benut­zen täglich 4.000 bis 6.000 Passa­gie­re die Züge, nach Bahnpa­ra­me­tern liegt die Auslas­tung auf der Skala von null bis 100 gleich­mä­ßig zwischen 50 und 75 – ein guter Wert.
Ich habe die „KI“ nach bishe­ri­gen Verbes­se­run­gen befragt. Die Antwort war ernüch­ternd, wie so vieles zum Thema BAHN: „Die letzte offizi­el­le Ankün­di­gung, die ich finden konnte, stammt vom 12. Dezem­ber 2021. Ab dem Fahrplan­wech­sel am 12. Dezem­ber 2021 wird es einige Verbes­se­run­gen auf der Brenz­bahn geben. Es werden fünf zusätz­li­che Trieb­zü­ge einge­setzt, und bei stark ausge­las­te­ten Verbin­dun­gen können Doppel­gar­ni­tu­ren verkeh­ren.“
Es gibt einige Neuig­kei­ten zur Brenz­bahn. Laut einem Bericht von brenzbahn.de haben Bahnin­ge­nieu­re den Ausbau­plä­nen für die Brenz­bahn im Jahr 2021 einem sogenann­ten Stress­test unter­zo­gen, um zu prüfen, ob der Fahrplan auch dann stabil gefah­ren werden kann, wenn es Verzö­ge­run­gen gibt, wie den Einstieg von großen Menschen­men­gen oder Langsam­fahr­pha­sen. Das Ergeb­nis der Berech­nun­gen: Die bishe­ri­gen Ausbau­plä­ne reichen nicht aus. Es muss nachge­bes­sert werden. Statt der ursprüng­li­chen acht bis neun Kilome­ter Zweiglei­sig­keit bei Sontheim und Lange­nau und fünf Kilome­ter im Bereich Oberko­chen sollten es jetzt im Ideal­fall insge­samt 24 Kilome­ter werden, auf denen die Brenz­bahn zweiglei­sig ausge­baut wird.
Bei der neuen Deutsch­land-Geschwin­dig­keit und der Beibe­hal­tung der „Schwar­zen Null“ wird es wohl so rasch nichts Neues zu berich­ten geben. Und ob die Verkehrs­mi­nis­ter „from the Länd“ und „from the Bund“ sich für die Ostalb inter­es­sie­ren, steht auf einem anderen Blatt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

In Kürze folgt der zweite Teil.

Es grüßt gedank­lich aus dem alten Warte­saal, der im Winter, beim Kirch­schwän­zen, schön wärmte.

Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

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