Auf vielfa­chen Wunsch drucken wir heute die Geschich­te vom Bilzhan­nes ab. Sie befin­det sich bereits in der Mager’schen Sammlung, taucht dann in dem Buch »Die Ostalb erzählt« auf, das 1952 erschie­nen ist, und wurde zuletzt im Heimat­buch der Stadt Oberko­chen auf den Seiten 437/438 in von Dr. Christ­hard Schrenk überar­bei­te­ter Form abgedruckt.

Die Geschich­te des Bilzhan­nes hat durch die Freile­gung des Grund­ris­ses seiner Wohnstät­te, des sogenann­ten Bilzhau­ses, eine Renais­sance erlebt. Da wir in den folgen­den 3 heimat­kund­li­chen Berich­ten über die neues­ten Erkennt­nis­se über die Bilz erzäh­len werden, halten wir die Meinung vieler BuG-Leser für richtig, daß zunächst die Geschich­te veröf­fent­licht werden solle, wie sie uns überlie­fert ist.

Hier also die Geschich­te vom Bilzhan­nes
Vor über hundert Jahren lebte auf der Bilz, dem Fichten- und Laubwald südwest­lich des Volkmars­ber­ges, ein gefürch­te­ter Waldhü­ter, Bilzhan­nes genannt. Er war ein Origi­nal von einem Waldmen­schen. Strup­pi­ges Haar und rötli­cher Bart umrahm­ten das Gesicht. Dunkle, feuri­ge Augen sprüh­ten wie Blitze daraus hervor. Als echter Sohn der Natur bewohn­te er ein Stein­haus, von dem jetzt noch die Grund­mau­ern zu sehen sind. Auf der Bilz war damals eine fünf bis sechs Morgen große Fläche, mit Gestrüpp durch­setzt und von gewal­ti­gen Buchen umgeben. Diese Lichtung diente auch als Viehwei­de. Das Haus stand bis Ende der vierzi­ger Jahre des letzten Jahrhun­derts. Im Auftrag des Forst­amts hatte der Bilzhan­nes den Wald und das Wild zu beauf­sich­ti­gen. Mit den Wilder­er­n­soll er auf gutem Fuß gestan­den sein und manche Rehe und Hasen seien ihm vor die Türe gelegt worden.

Bilzhan­nes kannte keine Furcht; als vorzüg­li­cher Schüt­ze und Weidmann war er weit bekannt. In den Ort herein kam er ziemlich selten, meist nur im Winter, um Brot und Brannt­wein zu holen. Mit rauhem grünem Kittel angetan und dickem Knoten­stock in der Hand, fürch­te­ten die Kinder den unheim­li­chen Mann. Die Mutter schüch­ter­te sie ein mit den Worten: »Der Bilzhan­nes kommt und nimmt dich mit!« Seine Einkehr war bei Küfer und Schnaps­bren­ner Johann Schie­bet in der Feigen­gas­se. (1865 brann­te das Haus ab). Der Heimweg ging übers Birkel und übers Brünne­le, wo er öfters Rast hielt. Er war ein trink­fes­ter Mann, erreich­te aber ein hohes Alter.

Im Winter des Jahres 1910/11 kamen König Fried­rich I. und Herzog Paul von Württem­berg zu einer größe­ren Treib­jagd auf den Albuch. Fried­rich I. war bekannt­lich ein mutiger und entschlos­se­ner Mann, aber auch von hartem, unbeug­sa­men Willen. Herzog Paul wohnte damals in Bartho­lo­mä und hielt sich oft in der Stein­hüt­ten­höh­le im Wental auf.

Die Jagd zog sich vom Volkmars­berg über die Bilz, den Wollen­berg, Zang, Wental bis nach Stein­heim hin. Bilzhan­nes war hier in seinem Element und hatte dem König einige präch­ti­ge Hirsche und Keiler vor die Büchse getrie­ben. Auch durch Wildbret­füh­ren und Beischaf­fen der Jagdwa­gen hatte er sich die Gunst des Landes­her­ren und dessen Lob erwor­ben. Die von Bilzhan­nes geführ­ten Treiber sollen damals acht Täge nicht mehr heimge­kom­men sein. Der König nächtig­te in seinem Jagdwa­gen und sei auch einige­mal in das Bilzhaus gekom­men, wo der alte Ofen des Mannes schreck­lich rauch­te. Als es ganz unerträg­lich wurde, rief der König: »Aber Hannes, du hast einen lumpi­gen Ofen, da hält es der Teufel nicht aus!«, nahm einen Baumast und warf damit den Ofen über den Haufen. Bilzhan­nes lösch­te die Glut und sah betrübt auf die Trümmer seines Wärme­spen­ders. Seiner Not ohne den besten Freund in seiner Winter­ein­sam­keit gab er bered­ten Ausdruck. Der König beschwich­tig­te ihn und reich­te ihm mehre­re Silber­ta­ler. Als Bilzhan­nes dann von einem könig­li­chen Leibjä­ger erfuhr, daß das Tiefen­tal herauf bereits ein Wagen im Anzug sei von Königs­bronn mit einem neuen Ofen, äußer­te er Freude und Dank. Einige Jahre später erhielt er von König Fried­rich auch Begna­di­gung in einer Straf­tat gegen einen Förster. Diesen hatte er tätlich angegrif­fen, weil er sich von ihm bedrückt glaubte.

Oberkochen

Einsam wie er lebte, soll er auch auf der Bilz gestor­ben sein. Alle Jäger und Holzma­cher der Umgebung erwie­sen ihm die letzte Ehre und gaben ihm ein Waldreis in sein Grab. Auf dem alten Fried­hof in Oberko­chen fand er seine Ruhe.

Alte Leute erzähl­ten, daß man ihnen als Kinder beim Beeren­sam­meln oft zurief: Macht, daß ihr sammelt und heimkommt, sonst erscheint der Bilzhannes!

In stürmi­schen Nächten soll heute noch auf der Bilz sein Geist erschei­nen und die rauhe Stimme hörbar sein.

* * *

PS: Bei der Illus­tra­ti­on handelt es sich um die Origi­nal­il­lus­tra­ti­on aus dem Buch »Die Ostalb erzählt«.

Dies ist die Sage vom Bilzhannes.

Erstaun­lich daran ist, daß sie genau­ge­nom­men gar nicht alt ist, — keine 200 Jahre sind seither vergan­gen, — und dennoch ist der Bilzhan­nes zu einer Gestalt gewor­den, die man schon fast im Bereich der Sagen ansie­delt. Nun gibt es aller­dings in dieser Überlie­fe­rung eine exakte Jahres­an­ga­be: Winter 1810/11. Perso­nen sind genannt, — der württem­ber­gi­sche König und Herzog Paul. Ortsna­men sind genannt. Die Geschich­te müßte eigent­lich auf ihren tatsäch­li­chen Hinter­grund unter­sucht werden können. Das ist sie auch.

Im Jahr 1904 ist unter dem Titel »Heiden­heim nebst Hellen­stein« ein Werk von Karl Kaspar Meck erschie­nen (1978 neu aufge­legt), in welchem sich auch eine länge­re Abhand­lung über »Forst und Jagd« befin­det. Dieses Buch, im Besitz von Herrn FDir. Schurr, gibt Auskunft über die in der Bilzhan­nes-Sage erwähn­te »Königs­jagd« im Novem­ber 1810.

Herr OF Eberhard hat uns den Text vermittelt.

Zunächst ist dort der Ablauf einer herzog­li­chen Treib­jagd beschrie­ben, die im Jahre 1769 statt­ge­fun­den hat, dann wird auf die Jagden von 1808 und die folgen­den Jahre einge­gan­gen. Dort heißt es:

Durch von Wagner, Jagdwe­sen, erfah­ren wir Näheres über den Gang einer solchen Treib­jagd: »Im August 1769 waren dem Herzog für den großen Waldkom­plex zu beiden Seiten des Kochers und der Brenz 22 jagdba­re und 45 nicht jagdba­re Hirsche als vorhan­den gemel­det worden. Dies bestimm­te Herzog Karl, daselbst ein Brunst­ja­gen abzuhal­ten. Der Befehl dazu erging an den Oberst­jä­ger­meis­ter, mit dem Bemer­ken, der Herzog werde am 29. August von Grafeneck aus zum Hühner­schie­ßen nach Solitü­de kommen und von dort aus am 4. oder 5. Septem­ber sich zum Abschie­ßen nach Heiden­heim begeben. Der Oberst­jä­ger­meis­ter verfüg­te sich sofort dahin und legte von hier aus am 12. August dem Herzog nachste­hen­den Entwurf über die Einrich­tung des Jagens vor:

16. August. Ankunft der Hofjä­ge­rei zu Heiden­heim, 17. Rasttag; 18. 19. Vorsu­chen in den Huten Oberko­chen und Aufhau­sen, Unruhig­ma­chen der Hirsche und Einspren­gen dersel­ben in die Hölzer, so zum Jagen auser­se­hen sind; 20. (Sonntag) Rasttag; 21., 22. Anfang des Treibens wie am 18. und 19.; 23. Einrich­ten des Jagens, d.h. Umstel­len des zusam­men­ge­trie­be­nen Wilds mit Zeug. Der Trans­port des Zeugs beginnt am 16. und währt 4 ‑5 Tage. An Jagens­mann­schaf­ten sollen täglich rund 1000 Mann verwen­det werden. Vom ersten Einstel­len am 23. bis zum Abjagen am 4. oder 5. Septem­ber sollen das Verklei­nern des Jagens bis zur Kammer, das Abson­dern der Hirsche vom Wild und die Arbei­ten am Lauf vorge­nom­men werden. Der Herzog fand diesen Entwurf etwas gedehnt, gab aber seine Einwil­li­gung und kam am 14. Septem­ber zum Abjagen. Die Mannschaf­ten, welche an 20 Arbeits­ta­gen zur Verwen­dung kamen, stell­ten sich auf 21.240 Mann und 73 berit­te­ne Postil­lons zu Boten­diens­ten, somit täglich rund 1000 Mann, nicht inbegrif­fen die zum Zeugtrans­port nötigen Mannschaf­ten und Zugtie­re. Zum Verfeu­ern des Jagens wurden vom 22. August an für 5532 Feuer 2766 Klafter Holz verbraucht.«

1808/09: Wegen des vielen Wilds — die Hirsche fraßen manch­mal die Aehren, ganzer Aecker ab — werden die Feldhü­ter mit Pisto­len verse­hen, um »blind« schie­ßen zu können.

1809/10: Für das Abbren­nen einiger bei der Königl. Jagd geschos­se­ner und hieher geschick­ter Schwei­ne 2 fl. 48 kr. Die herrschaft­li­chen Jagdhun­de werden im Schaf­haus untergebracht.

1810/11: Vor Ankunft Sr. Majes­tät zur Königs­jagd im Novem­ber 1810 werden die Straßen und Wege durch 30 Handfro­ner in 15 Tagen in Stand gesetzt. Auch 1811 und 1812 könig­li­che Jagd hier. 6 Wildschwei­ne zu brennen 3 fl. 36 kr. Vom 30. Septem­ber bis 10. Oktober 1811 für 204 könig­li­che Jagdhun­de das Wasser aufs Schloß geführt. 17 fl. 30 kr. Daneben Feldhut­kos­ten 225 fl. 40 kr. Man erzählt hier noch, daß unter dem gestren­gen und daher gefürch­te­ten König Fried­rich täglich morgens Sammlung in der oberen Vorstadt war und sich hier S. Majes­tät einige neuge­ba­cke­ne Brezeln schme­cken ließ. Den Schul­kin­dern vom »Tal« mußte man der vielen Wildschwei­ne wegen zum Schutz einen Knecht mitge­ben; man wird es entschul­di­gen müssen, daß die Talbe­woh­ner sich für diese Mühe bezahlt machten, indem sie hie und da ein Stück heimlich abmurksten.

1812/13 für 44 Faß Wasser für die herrschaft­li­chen Hunde auf das Schloß á 30 kr. = 22 fl. Der Preis des der Bürger­schaft zugewie­se­nen Wildbreis war schon 1778/79 für das Pfund rot auf 3 kr. und für das schwar­ze auf 4 kr. erhöht worden.

Soweit das Zitat aus dem erwähn­ten Meck’schen Buch.

Für uns von einiger Bedeu­tung ist der Vermerk über die Feldhü­ter und die Feldhutkosten.

In unserem nächs­ten Bericht 81 werden wir den Nachweis erbrin­gen, daß es auch auf Oberko­che­ner Gemar­kung Feldhü­ter, Flurschüt­zen und Waldstrei­fer gegeben hat, die mit Namen und exakten Lebens­da­ten bekannt sind.

Wer war nun der Bilzhannes?

Dietrich Bantel

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