„Ochsen“
Lange bevor sich Christobal Colon (Columbus genannt) auf den Weg machte, um 1492 die Indianer in Amerika zu entdecken, saß man schon in Oberkochen im „Ochsen“, um auf dem Grund des Bierkrugs die Lebenswahrheiten zu finden. Die erste Erwähnung eines ellwängischen, sprich katholischen, Lehens finden wir 1436. Und damit war der „Ochsen“ nach dem „Hirsch“ und vor dem „Lamm“ das zweitälteste Gasthaus in Oberkochen gewesen.
Was geschah 1436 sonst so? Die Hussitenkriege wurden beendet und Sigismund wird König von Böhmen. Vlad II. Dracul aus Transsylvanien beseitigt seinen Halbbruder und wird Prinz der Walachai. Khai Bua Ban, Herrscher des thailändischen Königreichs Lan Xang, wird auf Geheiß seiner Tante Keo Phim Fa ermordet, die darauf ihren Halbbruder Kham Koert auf den Thron bringt. Mord und Totschlag, wohin man schaut. Conrad Heyden, Stadtschreiber in Schwäbisch Hall, verfasst den Klagspiegel als ältestes deutschsprachiges Rechtsbuch zum römischen Recht. In Rom herrscht Papst Eugen IV und an der Nordseeküste tobt die Allerheiligenflut und fordert viele Menschenleben.
1608 ist ein Eintrag zu finden, dass sich Melchior Scheerer (Pauer zu Oberkochen) eine Schlägerei mit Melchior Feyel, (Wirt zu Oberkochen „Ochsen“), lieferte und deswegen bestraft wurde.
Aus weiteren Urkunden, auf die sich Franz Balle in seinen Heimatblättern bezieht, geht hervor, dass dem Ochsenwirt Kaspar Betzler im Jahr 1694 ein Wirtschaftsschild verliehen wird. Derselbe Kaspar Betzler vergrößerte 4 Jahre später den „Ochsen“. Später war Leonhard Schönherr als Wirt des „Roten Ochsen“ geschrieben, dessen Tochter 1703 den eingewanderten Joannes Schmid „Tyrolensy“ (geb. 1665 im Distrikt Kitzbühl) geheiratet hatte.
Knapp 50 Jahre nach der Erweiterung muss der „Ochsen“ abgebrannt sein, denn 1747 erhält der Ochsenwirt Paulus Stark die Genehmigung, seine abgebrannte Wirtschaft woanders wieder zu errichten. Aus dieser Urkunde geht hervor, dass der „Ochsen“ sich bis zu diesem Jahr an anderer Stelle befunden haben muss. Wo, ist bis heute nicht einwandfrei belegt. Er soll sich im Haus eines Hans Kolb am Katzenbach befunden haben.
Allerdings kann andererseits davon ausgegangen werden, dass die 1747 neu errichtete Wirtschaft an der Stelle des heutigen „Ochsen“ gestanden hat, wo zuvor ein Lehensgut einer Anna Baderin genannt ist. Im Jahr 1830 ff fand die erste staatliche Vermessung in Württemberg statt. In diesem Jahr sind gleich drei Ochsenwirte namhaft zu machen, — genau genommen sogar vier. Zunächst gibt es im „Allgemeinen Amts- und Intelligenzblatt“ eine Zeitungsnotiz vom 26.6.1830, aus der hervorgeht, dass der Ochsenwirt Johann Pfisterer den „Ochsen“ mit allem Drum-und-Dran verkauft:
Da sind zunächst einmähdige (7 Tagewerk*) und zweimähdige Wiesen (4 Tagewerk), Äcker mit 50 Jauchert*, ein Krautgarten in zwei Teilen und „eine besonders stehende große Scheuer mit Stallungen“ nebst Haus, auf dem „Dreiviertel einer Gemeindegerechtigkeit“ ruhen.
*) 1 Tagewerk umfasste 47,3 Quadratmeter, 1 Jauchert der Herrschaft Heidenheim 56 Ar.
Dann waren da noch drei Pferde, ein sechsjähriger brauner Wallach, eine fünfjährige schwarze Stute und ein junges Hengstfohlen, ferner sechs Stück Rindvieh und an landwirtschaftlichen Geräten ein Pflug, ein Paar Eggen und ein Leiterwagen. Tiere und Inventar wurden gegen Barzahlung an den Meistbietenden abgegeben. Für die Gebäude hatte sich Wirt Pfisterer eine besondere Bezahlungsweise ausgedacht, das wohl finanzschwächeren Interessenten entgegenkommen sollte. Ein Drittel des Kaufpreises war auf Martini 1830 (11. November) zu entrichten, ein weiteres Drittel verzinslich auf Martini 1831 zu bezahlen, das letzte Drittel konnte dann „in 9 verzinslichen Jahreszielen bis Martini 1840“ abgestottert werden.
Im Urkataster von 1830 ist dann im Gebäude „Ochsen“, Kirchgasse 65, ein Matthäus Schmid als Ochsenwirt geführt, der mit Frau und 8 Kinder von Adelmannsfelden zugezogen ist. An anderer Stelle wird berichtet, dass er den „Ochsen“ am 15. Februar 1833 gekauft habe.
Als Oberkochen noch kein Rathaus besaß (bis 1835) brauchte man ein Sitzungszimmer und das mietete man entweder im „Ochsen“ oder im „Hirsch“, z.B. gegen Abgabe eines halben Klafters Holz, an.
Am 30. Januar 1835 gab es den neuen Ochsenwirt Caspar Wiedmann (Schmid hatte wieder verkauft) wohnhaft im Gebäude Langgass 128, linker Hand am Ortsende Richtung Königsbronn. Im gleichen Gebäude ist auch ein Friedrich Braun als Mitbesitzer genannt.
1844 gab es noch strenge Regeln der Sonntagsheiligung und der Ochsenwirt Braun musste vor dem Kirchenconvent erscheinen, von dem er wegen Verstoß gegen die Sonntagsregeln und wegen Unbotmäßigkeit zu je 1 Gulden 30 Kreuzer gebüßt wurde. Er hatte sonntags sogar während des Nachmittagsgottesdienstes auf dem Feld gearbeitet und abends Früchte und Öhmd (zweiter Schnitt einer Mähwiese) heimgeführt, obwohl dasselbe ihm auf ihre Anfrage um Erlaubnis ausdrücklich untersagt worden war. Trotzdem wurde er 1852 als Geschworener berufen.
Der Name Friedrich Braun taucht dann wieder in der ältesten Abbildung des „Ochsen“ auf, einer Zeichnung von Wilhelm Friedrich Dürr, der von 1850 bis 1870 evangelischer Pfarrer in Oberkochen tätig war. Der Text auf dem Wirtshausschild ist hervorragend zu lesen und lautet: Gasthaus und Bierbrauerei zum „Goldenen Ochsen“ von Friedrich Braun. Noch besser ist die Widmung zu lesen: Frau Marie Barb. Steeger, geb. Braun, zum Hochzeit-Tage am 21. Juni 1859 dargebracht von W.F.D.Pf. in Oberkochen. Der Pfarrer muss den „Ochsen“, gegenüber seinem Amts- und Wohnsitz gelegen, wo die Zeichnung wohl auch gefertigt wurde, schon geschätzt haben, — oder auch das Wirtstöchterle, — oder beides, — bei einem so liebevoll gearbeiteten Hochzeitsgeschenk. Das Bild wurde 2023 auf Ebay versteigert und brachte dem Besitzer wohl rund 500 Euro ein.

Der „Goldene Ochsen“ von Pfarrer Dürr (Archiv Müller)
Es ist unmöglich, hier alle Ochsenwirte aufzuzählen, — aber immerhin soll erwähnt werden, dass vor 100 Jahren, am 6.3.1891, in einer Anzeige im „Kocherboten“ die Ehefrau des Ochsenwirts Köpf infolge Wegzugs in ihrer Behausung gegen Barbezahlung ihre „sämtlich entbehrliche Fahrnis“ verkauft („Liebhaber werden eingeladen“, — eine recht aparte Formulierung im Zusammenhang mit dem Hinweis auf „ihre Behausung“ und „Barbezahlung“).
Bei den Rathausakten gibt es eine Urkunde, nach welcher am 6.4.1893 Maria Louise Köpf, ledig, geb. am 2.8.1872, Tochter des J.G. Koepf, gewesener Ochsenwirt, hier, vorbringt, dass ihr Onkel Matthias Trick, Heidenheim, wünscht, dass sie als Stellvertreterin im Wirtschaftsgewerbe, hier, aufgestellt werde.
1893 oder 1894 wird Ludwig Trick, geb. am 20.6.1872, Peterzell, der neue Ochsenwirt. Ihm wird von der Gemeinde „gutes Prädikat“ bescheinigt. Ein knappes Jahr danach, am 23.9.1895, brennt der „Ochsen“ zum zweiten Mal ab. Das Gasthaus mit Scheuer und Brauerei wurde zur Mittagszeit, während der Besitzer auf dem Markt in Aalen war, ein Raub der Flammen. Durch das heftige Feuer wurden auch drei gegenüberliegende Gebäude teils stark beschädigt: Das Gasthaus „Zum Hirsch“, das katholische Schwesternhaus und die katholische Kirche. Nachdem der Brand gelöscht war, kam es beim Einreißen des stehengebliebenen Giebels des Gasthauses zum unkontrollierten Einsturz der Hauswand und der Hafner Michael Gold (Vater von 7 Kindern) und der Taglöhner Joseph Trittler (Vater von 5 Kindern) wurden erschlagen.
Beschreibung des damaligen Feuers:
„Viele Oberkochener waren nach Aalen zum Jahrmarkt gefahren, andere arbeiteten im Wald oder auf dem Feld, da ertönte mittags gegen 2 Uhr zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit Feuerlärm. Vom Personenzug aus, der in Oberkochen 4 Minuten nach 2 Uhr in Richtung Heidenheim abfahren sollte, bemerkte Werkmeister Friz aus Aalen eine ungewöhnliche Rauchentwicklung in Oberkochen. Er stieg aus, ließ seinen Zug allein abfahren, eilte zur Ortsmitte und fand einige völlig hilf- und ratlose Personen vor der Scheuer von Ochsenwirt Trick, die schon lichterloh brannte. Friz versuchte nun die Brandbekämpfung zu organisieren, aber die Flammen sprangen rasch auf das Gasthaus »Ochsen« über und griffen auch das Anwesen der Witwe von Schmied Maier an.
Bald hatte sich die Oberkochener Feuerwehr formiert, und Verstärkung brachten die Löschzüge aus Königsbronn, Unterkochen, Zang und Ochsenberg. Die Aalener Wehr kam mit einem Extrazug per Eisenbahn, der so schnell fuhr, dass zwischen Unterkochen und Oberkochen eine Kuh, die auf den Schienen stand, sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte und überfahren wurde.
Obwohl also viele Feuerwehrleute den Brand bekämpften — die Aalener hatten z.B. 1 Spritze, 1 Schlauchwagen mit Zubehör und 40 Mann, davon 12 Steiger entsandt -, griff das Feuer weiter um sich. Das Haus vom Gärtner Mahler begann zu brennen und auch die Brauerei des Ochsenwirt. Und es griff ebenfalls auf die andere Straßenseite über. Der »Hirsch« fing Feuer, die Nebengebäude brannten ebenfalls. »Nur unter großen Anstrengungen gelang es, das katholische Schulhaus (später Altes Schwesternhaus und heute Edith-Stein-Haus) und die beiden Kirchen vor dem Feuer zu bewahren“.
Ludwig Trick reichte bereits einen Monat später, am 28.10.1895, die neuen Baupläne zur Genehmigung ein. Sie wurden am 10.4.1896 genehmigt. Der neue „Ochsen“ wird in Backstein ausgeführt — vor der Jahrhundertwende in Oberkochen kein Einzelfall. In Oberkochen gibt es somit noch 3 Backsteinhäuser. Neben dem „Ochsen“, dem nach ungewisser Zeit wieder eine Zukunft bevorsteht, die alte Volksschule „Fuchsbau“ und das Haus des Alt-Bürgermeisters Frank, in dem heute Thomas „Bedeller“ Gentner mit seiner Frau wohnt.
Vor dem Brand war der „Ochsen“ Schauplatz einer besonderen Wette. Der Bahnwärter Josef oder Anton Holz (da liegen beide Namensnennungen vor) ging mit dem Ochsenwirt Trick und dem Förster Weber folgende Wette ein: „Er wollte in 75 Minuten vom „Ochsen“ auf den acht Kilometer entfernten Tauchenweiler und wieder zurücklaufen“. Die Wette galt — 60 Liter Bier waren zu gewinnen oder zu verlieren. Holz legte die Strecke über „Berghäusle“ und „Randweg“ zurück, stärkte sich noch kurz im Tauchenweiler und saß nach 73 Minuten wohlbehalten wieder im „Ochsen“. Förster Weber hatte auf dem Tauchenweiler kontrolliert, ob Holz dort richtig ankam und die Bedingungen der Wette erfüllte. Zum Erstaunen seiner Partner war die Wette gewonnen und sie mussten bezahlen. Die beachtenswerte Leistung wurde im Kreis der Kameraden des hiesigen Militärvereins gebührend gefeiert.
Am 5. Januar 1929 erhielt Herr Jakob Kirchdörfer, Landwirt in Oberkochen, die Wirtschaftserlaubnis im „Roten Ochsen“, der nunmehr die Gebäudenummer Kirchstraße 87 hat und später in Aalener Straße 1 umbenannt wurde. Am 1. November 1929 wurde das Richtfest des neuen Turmes auf dem Volkmarsberg gefeiert und Samstag, den 2. November im „Ochsen“ nochmals eine zünftige Feier abgehalten.
Die Tochter Kirchdörfers, Frau Anna Edinger, führte den „Ochsen“, ab dem 1.12.1955 weiter. 1969 wurde die Gaststätte um ein Nebenzimmer erweitert. Sie war nicht nur wegen ihrer tiefen Bassstimme bekannt und unverwechselbar, auch ihr soziales Engagement in der Flüchtlingszeit nach dem II. Weltkrieg war sehr groß. Und die Aalener Straße 1 war seinerzeit zusammen mit dem Turmweg 24 die häufigste Meldeadresse für Menschen, die hier einen neuen Anfang suchten.

1966 Innenansicht der Gaststätte (Archiv Müller)
Am 21. Juni 1972 erhielt Herr Karl Jakob Edinger (1945−2012) die Erlaubnisurkunde zur Bewirtschaftung der Gaststätte, die in den Urkunden auch hier als „Roter Ochsen“ geführt wird, und übernahm so den großelterlichen und elterlichen Betrieb.

Gasthaus „Ochsen“ (Archiv Müller)
Was lief so alles im „Ochsen“? Am 1. Oktober 1882 gab es ein großes Fest – eine Fahnenweihe des Sängerbundes. Das Fest verlief damals nach bewährtem Schema: Böllerschießen, Tagwache, Festzug, Festnachmittag, Festessen und Festball im „Ochsen“.
Am 21. Juni 1913 gab es in Tübingen ein großes Sängerfest mit vielen Chören, dem Besuch der königlichen Hoheiten und einem Festzug mit 13.000 Sängern. Nachdem unser Chor mit einem 2. Preis ausgezeichnet wurde, war die Freude groß. Der Empfang in der Heimat war großartig. Mit Musik und Böllerschüssen am Bahnhof freundlich begrüßt, entbot Herr Gemeindepfleger Balle im Namen der bürgerlichen Kollegien den herzlichsten Glückwunsch. Im feierlichen Zug, an dem sämtliche hiesigen Vereine mit ihren Fahnen teilnahmen, ging es unter dem Beifall des Publikums in das prächtig dekorierte, von innen und außen im reinsten Lichtermeer erstrahlende, Vereinslokal „Zum Ochsen“. Auch der lokale Organisations-Ausschuss tagte hier des Öfteren.

16. Jan. 1980 – Der örtliche Orga-Ausschuss tagt – H.J. Kresse löst Robert Wolff ab (Archiv Rathaus)
Für viele war der „Ochsen“ eine Art Heimat geworden. Die Thüringer gingen hier gerne ein und aus, zumal es häufig Rostbratwürste und Thüringer Klöße gab, die Ernst Ackermann in der Küche auf die Teller zauberte. Der FCO betrachtete es als sein Stammlokal. Die SPD-Ortsgruppe hatte hier im Nebenzimmer viele Veranstaltungen.
Anton „Done“ Gutheiß (der hier auch heiratete) hat mir einst erzählt, dass es sogar eine „Bank im Ochsen“ gab. Horst Pohle aus der Brunnenhaldestraße 2 betrieb eine sogenannte „Pump-Kasse“. Wer klamm war, konnte sich bei ihm Geld pumpen (leihen) und es später wieder zurückgeben.

Rechnung zur Hochzeit des „Done“ Gutheiß (Archiv Müller)

in den 50ern – Der „Ochsen“ zu Kirchdörfers Zeiten mit dem Müller-Wipperfürth’schen LKW neben dem Haus (Archiv Müller)
Vor dem „Ochsen“ stand in den 50er Jahren oft ein Fahrzeug der Kleiderfabrik „Müller-Wipperfürth“. Für den Vertrieb eröffnete Müller bald seine ersten eigenen Geschäfte. Sein Geschäftsprinzip lautete: „Von der Fabrik direkt zum Kunden“. 1951 war er bereits Besitzer von 50 Ladenlokalen, meist in bester Innenstadtlage. 1952 nahm er mit Zustimmung der Stadt und Genehmigung der Regierung den Namen „Müller-Wipperfürth“ an. Anders als seine Konkurrenten betrieb er das bis dahin handwerklich betriebene Schneidergeschäft nach den von Henry Ford entwickelten Produktionsprinzipien. Seine Zuschneidemaschinen waren schon früh im Stande, doppelt so viele Stoffbahnen zuzuschneiden wie die seiner Konkurrenten. Bereits Anfang der 1950er Jahre konnte er in einem Arbeitsgang 300 übereinanderliegende Stoffbahnen zuschneiden. Ende der 1950er Jahre wurden täglich 5000 Hosen, 3600 Sakkos und 1200 Mäntel produziert, so dass er einer der erfolgreichsten Textilunternehmer in Deutschland war. Später wurde er auch ob seiner Geschäftsgebaren auch „Ben-Wipp“ genannt. Er kam mit dem Finanzamt in Konflikt, bekam logistische Probleme, verlegte seinen Firmensitz ins Ausland. Natürlich flog er auch sein eigenes Flugzeug und baute eigene Flughäfen, wenn diese am Firmensitz nicht vorhanden waren. Bekannt für seine riskanten Flugmanöver stürzte er 1964 ab und überlebte als Einziger. Die finanziellen Probleme nahmen immer mehr zu und so ließ ihn die Polizei in ein Haftkrankenhaus verlegen. Auch Anteilsverkäufe, Umfirmierungen und neue Kredite konnten sein einstmals großes Imperium nicht retten. 1982 schloss der letzte Laden und er starb im Alter von 75 Jahren 1986 in Bad Gastein.
Später sah man auch ab und zu ein Auto mit der Dienstleistung der Bettenfederreinigung.
Desweiter befand sich die Gemeindewaage vor dem „Ochsen“ (Giebelseite Katzenbachstraße) bevor diese im „Kies“ neu errichtet wurde – ungefähr da wo heute der „Kies-Brunnen“ steht.
1993 eröffnete das griechische Lokal „Mykonos“. 1996 hielt die Partei „Die Republikaner“ eine Wahlkampfveranstaltung zur Landtagswahl ab. 1997 eröffnete die Familie Varsamis das „Poseidon“. Zuletzt wurde das „Poseidon“ von Joannis Patsiomitros geführt, bevor der „Ochsen“ seine Pforten schloss und seither auf bessere Zeiten wartet.
Wolfgang Hörndl und Thomas Vilgis schrieben einst bei der „Anna“ nach ein paar Bierchen eine Ausarbeitung in Englisch, die prompt mit einer glatten „1“ bewertet wurde. Das hätte man früher vielleicht öfters nützen sollen, um seine Schulzeit erfolgreich zu gestalten.
Luitgard aus Poggibonsi hat, wie so oft, auch noch einige Erinnerungen parat: Als noch recht kleines Mädchen, in den Jahren nach dem Krieg, war ich viel unterwegs im Dorf, teils mit Botengängen, teils einfach auf der Suche nach einer Vergnügung. Die Milchsammelstelle, unten am Kocher, war noch nicht geöffnet, aber da von meiner Mutter noch Bauernland da war, hatte der Ochsenwirt einen Acker mit der Auflage, uns jede Woche einen Liter Milch zu geben. Es war meine Aufgabe, diese Milch im Ochsen abzuholen. Oft stand ich lange in der Küche neben der Tür mit meiner Riesen-Maggi-Flasche, bis jemand Zeit hatte, diese mit Milch zu füllen. Dabei beobachtete ich den Betrieb in der großen Küche, wie der Ochsenwirt vom Feld kam, seinen Stiefelzieher unter dem Küchenschrank hervorsuchte, wie die alte Ochsenwirtin ihre Füße (Beine) verband und wie die Anna am Herd stand, kochte und mit einem Löffel abschmeckte. Die Gäste saßen in der Wirtsstube und warteten auf das Essen, das ihnen Herr Ackermann servieren sollte. Er ging hin und her zwischen Küche und seinen Gästen, immer eine große weiße Serviette über dem abgewinkelten Arm. Nahm er das *** Teller von Anna in Empfang, dann wedelte er mit dem Tuch darüber und sagte: „Scheiß – Fliiiechen, den ganzen Tag sitzen sie beim Nachbarn auf der Miste, aber kaum ist das Essen da, da kommen sie schon reinjeflooochen…“ Irgendwann bekam ich dann auch meine Milch, die ich zufrieden heimtrug. Aber interessant war es dort immer. Neben dem „Ochsen“ wurden Pferde und Kühe beschlagen, allerdings nicht mehr am Abend, aber da konnte ich mich hinstellen und zusehen.
*** Der Billie hat das bewusst so stehen lassen. Es heißt schließlich schwäbisch korrekt „das Teller“ und „der Butter“ – gäll da gucksch.
Und jetzt kommt etwas, das viele vielleicht schon vergessen haben – ein Mordversuch im „Ochsen“, über den mein Schulfreund, ein ehemalige Oberkochener EAG-Schüler, Hartmut „Kratzschie“ Wätzel (früher Kratzsch) und heutiger Richter i.R. aus Augsburg als Augenzeuge berichtet. Eine nahezu unglaubliche Geschichte:
„Bei einem unserer letzten, von Billie organisierten, Schulzeit-Treffen nahm ich mir die Zeit für einen ausgiebigen Erinnerungsbummel durch Oberkochen. Dabei kam ich auch an unserer früheren Schülerstammkneipe vorbei – dem „Ochsen“. Dort gab es preiswertes Bier und wir konnten im allgemeinen Lärmpegel ungestört rauchen, quatschen und einen ordentlichen Skat dreschen. Nun hing dort ein Schild „Poseidon“. Das gesamte Bauensemble machte einen traurigen heruntergekommenen Eindruck, aber Billie versicherte mir, das bessere Zeiten bevorstünden – die Stadt hat das Gebäude erworben.
Obwohl die Sache schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurück liegt, musste ich wieder an ein Drama denken, dessen unfreiwillige Zeugen wir als Schüler wurden. Als kurz hintereinander mehrere Schüsse durch das benachbarte Treppenhaus hallten, wurde es im Gastraum schlagartig still. Alle starrten gebannt zur Treppenhaustür, als diese plötzlich aufflog und ein vielleicht 20jähriger Bursche hereintaumelte. Stöhnend sank er zu Boden, wo er laut jammernd liegenblieb. Nach dem ersten Schreck eilten wir ihm zur Hilfe, halfen ihm auf, konnten aber zunächst keinen Grund für seine offenkundigen Schmerzen feststellen. Nachdem ihn jedoch jemand von seinem schwarzen Pullover befreit hatte, zeigten sich in seinem Oberkörper drei oder vier stark blutende Einschusslöcher. Unterdessen hatten ein paar Mutige vorsichtig die Tür zum Treppenhaus geöffnet. Unmittelbar darauf rannten sie jedoch in den Schankraum zurück und verbarrikadierten die Tür mit einem Stuhl. Aufgeregt erklärten sie, dass der mutmaßliche Täter soeben die Treppe herunterkam und sie mit einer Waffe bedrohte. Anna, die äußerst robuste und gewöhnlich um keinen derben Spruch verlegene Wirtin, stand starr, wie angewurzelt, hinter der Theke und hyperventilierte heftig. Auch unter den Gästen herrschte nun große Aufregung. Während jemand per Notruf einen Krankenwagen anforderte, kümmerten wir uns um den stöhnenden und kaum noch ansprechbaren Verletzten und versuchten ihn etwas zu beruhigen. Der unbekannte Täter ließ sich indes nicht mehr blicken. Und wir hatten auch nicht gerade das Bedürfnis auf eine Konfrontation mit dem bewaffneten Täter. Nach einer gefühlten Ewigkeit trafen die Sanitäter ein und transportierten den Verletzten nach einer Erstversorgung ins Krankenhaus. Auch zwei Polizeibeamte ließen sich blicken, verschwanden aber gleich wieder, ohne uns näher zum Tathergang zu befragen. Wie wir später erfuhren, war der Grund dafür, dass der Täter mit seinem Auto unbemerkt dem Krankenwagen folgte und vor der Notaufnahme den Schwerverletzten beim Ausladen mit den Worten „Du Schwein“ mehrmals mit einer Kleinkaliberwaffe in den Kopf schoss und nunmehr lebensgefährlich verletzte. Das Opfer überlebte zwar, trug aber bleibende gesundheitliche Schäden davon. Der Täter wurde noch vor dem Krankenhaus gestellt und ließ sich widerstandslos festnehmen. Nach und nach wurde die Vorgeschichte bekannt, die zu diesem Eifersuchtsdrama führte. Dem Vernehmen nach hatte das Opfer ein Verhältnis mit der Freundin des Täters und hatte sich wohl mit ihr zu einem Schäferstündchen im „Ochsen“ einquartiert. Der Täter erfuhr wohl davon und erwischte die beiden in flagranti und schoss auf den Nebenbuhler. Meiner Erinnerung nach wurde der Täter im nachfolgenden Strafgerichtsprozess vom Landgericht Ellwangen zu einer mehrjährigen Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Möglicherweise bekam er mildernde Umstände, schließlich handelte es sich um ein echtes „crime passionell“ – Verbrechen aus Leidenschaft, das Leiden schafft. An das Jahr erinnere ich mich nicht mehr – es mag sich Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre zugetragen haben.“ Billie konnte nicht weiters recherchieren, da die SchwäPo weiterhin keinen Zugang ins Archiv ermöglicht.
Reinhold Bahmann erinnert, dass das die Heimat der Fußballer war, meist am Freitagabend mit der Spielerversammlung. Annas Markenzeichen war ihre rauchige Stimme und ihr Sohn Jakob war für seine hervorragenden Steaks bekannt. Hier fand auch am 30. Mai 1973 die Gründungsversammlung der Narrenzunft statt.
Dr Huga-Paule erinnert sich abschließend: Im „Ochsen“ trafen sich (vor der späteren „Fässle“-Zeit) die Handballer und wir Kumpels. Etwa zu Annas (Wirtin) 50. Geburtstag schenkten wir ihr 50 rote Rosen, ich brachte die letzte – kann mich noch gut an die gerührte Anna in Tränen aufgelöst erinnern
Weiter geht’s im Sommer.
Es grüßt (vermutlich nie mehr) aus dem Nebenzimmer des „Ochsen“ der „Billie vom Sonnenberg“