„Ochsen“
Lange bevor sich Chris­to­bal Colon (Colum­bus genannt) auf den Weg machte, um 1492 die India­ner in Ameri­ka zu entde­cken, saß man schon in Oberko­chen im „Ochsen“, um auf dem Grund des Bierkrugs die Lebens­wahr­hei­ten zu finden. Die erste Erwäh­nung eines ellwän­gi­schen, sprich katho­li­schen, Lehens finden wir 1436. Und damit war der „Ochsen“ nach dem „Hirsch“ und vor dem „Lamm“ das zweit­äl­tes­te Gasthaus in Oberko­chen gewesen.
Was geschah 1436 sonst so? Die Hussi­ten­krie­ge wurden beendet und Sigis­mund wird König von Böhmen. Vlad II. Dracul aus Trans­syl­va­ni­en besei­tigt seinen Halbbru­der und wird Prinz der Walachai. Khai Bua Ban, Herrscher des thailän­di­schen König­reichs Lan Xang, wird auf Geheiß seiner Tante Keo Phim Fa ermor­det, die darauf ihren Halbbru­der Kham Koert auf den Thron bringt. Mord und Totschlag, wohin man schaut. Conrad Heyden, Stadt­schrei­ber in Schwä­bisch Hall, verfasst den Klagspie­gel als ältes­tes deutsch­spra­chi­ges Rechts­buch zum römischen Recht. In Rom herrscht Papst Eugen IV und an der Nordsee­küs­te tobt die Aller­hei­li­gen­flut und fordert viele Menschen­le­ben.
1608 ist ein Eintrag zu finden, dass sich Melchi­or Schee­rer (Pauer zu Oberko­chen) eine Schlä­ge­rei mit Melchi­or Feyel, (Wirt zu Oberko­chen „Ochsen“), liefer­te und deswe­gen bestraft wurde.
Aus weite­ren Urkun­den, auf die sich Franz Balle in seinen Heimat­blät­tern bezieht, geht hervor, dass dem Ochsen­wirt Kaspar Betzler im Jahr 1694 ein Wirtschafts­schild verlie­hen wird. Dersel­be Kaspar Betzler vergrö­ßer­te 4 Jahre später den „Ochsen“. Später war Leonhard Schön­herr als Wirt des „Roten Ochsen“ geschrie­ben, dessen Tochter 1703 den einge­wan­der­ten Joannes Schmid „Tyrolen­sy“ (geb. 1665 im Distrikt Kitzbühl) gehei­ra­tet hatte.
Knapp 50 Jahre nach der Erwei­te­rung muss der „Ochsen“ abgebrannt sein, denn 1747 erhält der Ochsen­wirt Paulus Stark die Geneh­mi­gung, seine abgebrann­te Wirtschaft woanders wieder zu errich­ten. Aus dieser Urkun­de geht hervor, dass der „Ochsen“ sich bis zu diesem Jahr an anderer Stelle befun­den haben muss. Wo, ist bis heute nicht einwand­frei belegt. Er soll sich im Haus eines Hans Kolb am Katzen­bach befun­den haben.
Aller­dings kann anderer­seits davon ausge­gan­gen werden, dass die 1747 neu errich­te­te Wirtschaft an der Stelle des heuti­gen „Ochsen“ gestan­den hat, wo zuvor ein Lehens­gut einer Anna Baderin genannt ist. Im Jahr 1830 ff fand die erste staat­li­che Vermes­sung in Württem­berg statt. In diesem Jahr sind gleich drei Ochsen­wir­te namhaft zu machen, — genau genom­men sogar vier. Zunächst gibt es im „Allge­mei­nen Amts- und Intel­li­genz­blatt“ eine Zeitungs­no­tiz vom 26.6.1830, aus der hervor­geht, dass der Ochsen­wirt Johann Pfisterer den „Ochsen“ mit allem Drum-und-Dran verkauft:
Da sind zunächst einmäh­di­ge (7 Tagewerk*) und zweimäh­di­ge Wiesen (4 Tagewerk), Äcker mit 50 Jauchert*, ein Kraut­gar­ten in zwei Teilen und „eine beson­ders stehen­de große Scheu­er mit Stallun­gen“ nebst Haus, auf dem „Dreivier­tel einer Gemein­de­ge­rech­tig­keit“ ruhen.
*) 1 Tagewerk umfass­te 47,3 Quadrat­me­ter, 1 Jauchert der Herrschaft Heiden­heim 56 Ar.
Dann waren da noch drei Pferde, ein sechs­jäh­ri­ger brauner Wallach, eine fünfjäh­ri­ge schwar­ze Stute und ein junges Hengst­foh­len, ferner sechs Stück Rindvieh und an landwirt­schaft­li­chen Geräten ein Pflug, ein Paar Eggen und ein Leiter­wa­gen. Tiere und Inven­tar wurden gegen Barzah­lung an den Meist­bie­ten­den abgege­ben. Für die Gebäu­de hatte sich Wirt Pfisterer eine beson­de­re Bezah­lungs­wei­se ausge­dacht, das wohl finanz­schwä­che­ren Inter­es­sen­ten entge­gen­kom­men sollte. Ein Drittel des Kaufprei­ses war auf Marti­ni 1830 (11. Novem­ber) zu entrich­ten, ein weite­res Drittel verzins­lich auf Marti­ni 1831 zu bezah­len, das letzte Drittel konnte dann „in 9 verzins­li­chen Jahres­zie­len bis Marti­ni 1840“ abgestot­tert werden.
Im Urkatas­ter von 1830 ist dann im Gebäu­de „Ochsen“, Kirch­gas­se 65, ein Matthä­us Schmid als Ochsen­wirt geführt, der mit Frau und 8 Kinder von Adelmanns­fel­den zugezo­gen ist. An anderer Stelle wird berich­tet, dass er den „Ochsen“ am 15. Febru­ar 1833 gekauft habe.
Als Oberko­chen noch kein Rathaus besaß (bis 1835) brauch­te man ein Sitzungs­zim­mer und das miete­te man entwe­der im „Ochsen“ oder im „Hirsch“, z.B. gegen Abgabe eines halben Klafters Holz, an.
Am 30. Januar 1835 gab es den neuen Ochsen­wirt Caspar Wiedmann (Schmid hatte wieder verkauft) wohnhaft im Gebäu­de Langgass 128, linker Hand am Ortsen­de Richtung Königs­bronn. Im gleichen Gebäu­de ist auch ein Fried­rich Braun als Mitbe­sit­zer genannt.
1844 gab es noch stren­ge Regeln der Sonntags­hei­li­gung und der Ochsen­wirt Braun musste vor dem Kirchen­con­vent erschei­nen, von dem er wegen Verstoß gegen die Sonntags­re­geln und wegen Unbot­mä­ßig­keit zu je 1 Gulden 30 Kreuzer gebüßt wurde. Er hatte sonntags sogar während des Nachmit­tags­got­tes­diens­tes auf dem Feld gearbei­tet und abends Früch­te und Öhmd (zweiter Schnitt einer Mähwie­se) heimge­führt, obwohl dassel­be ihm auf ihre Anfra­ge um Erlaub­nis ausdrück­lich unter­sagt worden war. Trotz­dem wurde er 1852 als Geschwo­re­ner berufen.
Der Name Fried­rich Braun taucht dann wieder in der ältes­ten Abbil­dung des „Ochsen“ auf, einer Zeich­nung von Wilhelm Fried­rich Dürr, der von 1850 bis 1870 evange­li­scher Pfarrer in Oberko­chen tätig war. Der Text auf dem Wirts­haus­schild ist hervor­ra­gend zu lesen und lautet: Gasthaus und Bierbraue­rei zum „Golde­nen Ochsen“ von Fried­rich Braun. Noch besser ist die Widmung zu lesen: Frau Marie Barb. Steeger, geb. Braun, zum Hochzeit-Tage am 21. Juni 1859 darge­bracht von W.F.D.Pf. in Oberko­chen. Der Pfarrer muss den „Ochsen“, gegen­über seinem Amts- und Wohnsitz gelegen, wo die Zeich­nung wohl auch gefer­tigt wurde, schon geschätzt haben, — oder auch das Wirts­töch­ter­le, — oder beides, — bei einem so liebe­voll gearbei­te­ten Hochzeits­ge­schenk. Das Bild wurde 2023 auf Ebay verstei­gert und brach­te dem Besit­zer wohl rund 500 Euro ein.

Der „Golde­ne Ochsen“ von Pfarrer Dürr (Archiv Müller)

Es ist unmög­lich, hier alle Ochsen­wir­te aufzu­zäh­len, — aber immer­hin soll erwähnt werden, dass vor 100 Jahren, am 6.3.1891, in einer Anzei­ge im „Kocher­bo­ten“ die Ehefrau des Ochsen­wirts Köpf infol­ge Wegzugs in ihrer Behau­sung gegen Barbe­zah­lung ihre „sämtlich entbehr­li­che Fahrnis“ verkauft („Liebha­ber werden einge­la­den“, — eine recht aparte Formu­lie­rung im Zusam­men­hang mit dem Hinweis auf „ihre Behau­sung“ und „Barbe­zah­lung“).
Bei den Rathaus­ak­ten gibt es eine Urkun­de, nach welcher am 6.4.1893 Maria Louise Köpf, ledig, geb. am 2.8.1872, Tochter des J.G. Koepf, gewese­ner Ochsen­wirt, hier, vorbringt, dass ihr Onkel Matthi­as Trick, Heiden­heim, wünscht, dass sie als Stell­ver­tre­te­rin im Wirtschafts­ge­wer­be, hier, aufge­stellt werde.
1893 oder 1894 wird Ludwig Trick, geb. am 20.6.1872, Peter­zell, der neue Ochsen­wirt. Ihm wird von der Gemein­de „gutes Prädi­kat“ beschei­nigt. Ein knappes Jahr danach, am 23.9.1895, brennt der „Ochsen“ zum zweiten Mal ab. Das Gasthaus mit Scheu­er und Braue­rei wurde zur Mittags­zeit, während der Besit­zer auf dem Markt in Aalen war, ein Raub der Flammen. Durch das hefti­ge Feuer wurden auch drei gegen­über­lie­gen­de Gebäu­de teils stark beschä­digt: Das Gasthaus „Zum Hirsch“, das katho­li­sche Schwes­tern­haus und die katho­li­sche Kirche. Nachdem der Brand gelöscht war, kam es beim Einrei­ßen des stehen­ge­blie­be­nen Giebels des Gasthau­ses zum unkon­trol­lier­ten Einsturz der Hauswand und der Hafner Micha­el Gold (Vater von 7 Kindern) und der Taglöh­ner Joseph Tritt­ler (Vater von 5 Kindern) wurden erschla­gen.
Beschrei­bung des damali­gen Feuers:
„Viele Oberko­che­ner waren nach Aalen zum Jahrmarkt gefah­ren, andere arbei­te­ten im Wald oder auf dem Feld, da ertön­te mittags gegen 2 Uhr zum dritten Mal inner­halb kurzer Zeit Feuer­lärm. Vom Perso­nen­zug aus, der in Oberko­chen 4 Minuten nach 2 Uhr in Richtung Heiden­heim abfah­ren sollte, bemerk­te Werkmeis­ter Friz aus Aalen eine ungewöhn­li­che Rauch­ent­wick­lung in Oberko­chen. Er stieg aus, ließ seinen Zug allein abfah­ren, eilte zur Ortsmit­te und fand einige völlig hilf- und ratlo­se Perso­nen vor der Scheu­er von Ochsen­wirt Trick, die schon lichter­loh brann­te. Friz versuch­te nun die Brand­be­kämp­fung zu organi­sie­ren, aber die Flammen spran­gen rasch auf das Gasthaus »Ochsen« über und griffen auch das Anwesen der Witwe von Schmied Maier an.
Bald hatte sich die Oberko­che­ner Feuer­wehr formiert, und Verstär­kung brach­ten die Lösch­zü­ge aus Königs­bronn, Unter­ko­chen, Zang und Ochsen­berg. Die Aalener Wehr kam mit einem Extra­zug per Eisen­bahn, der so schnell fuhr, dass zwischen Unter­ko­chen und Oberko­chen eine Kuh, die auf den Schie­nen stand, sich nicht mehr recht­zei­tig in Sicher­heit bringen konnte und überfah­ren wurde.
Obwohl also viele Feuer­wehr­leu­te den Brand bekämpf­ten — die Aalener hatten z.B. 1 Sprit­ze, 1 Schlauch­wa­gen mit Zubehör und 40 Mann, davon 12 Steiger entsandt -, griff das Feuer weiter um sich. Das Haus vom Gärtner Mahler begann zu brennen und auch die Braue­rei des Ochsen­wirt. Und es griff ebenfalls auf die andere Straßen­sei­te über. Der »Hirsch« fing Feuer, die Neben­ge­bäu­de brann­ten ebenfalls. »Nur unter großen Anstren­gun­gen gelang es, das katho­li­sche Schul­haus (später Altes Schwes­tern­haus und heute Edith-Stein-Haus) und die beiden Kirchen vor dem Feuer zu bewah­ren“.
Ludwig Trick reich­te bereits einen Monat später, am 28.10.1895, die neuen Bauplä­ne zur Geneh­mi­gung ein. Sie wurden am 10.4.1896 geneh­migt. Der neue „Ochsen“ wird in Backstein ausge­führt — vor der Jahrhun­dert­wen­de in Oberko­chen kein Einzel­fall. In Oberko­chen gibt es somit noch 3 Backstein­häu­ser. Neben dem „Ochsen“, dem nach ungewis­ser Zeit wieder eine Zukunft bevor­steht, die alte Volks­schu­le „Fuchs­bau“ und das Haus des Alt-Bürger­meis­ters Frank, in dem heute Thomas „Bedell­er“ Gentner mit seiner Frau wohnt.
Vor dem Brand war der „Ochsen“ Schau­platz einer beson­de­ren Wette. Der Bahnwär­ter Josef oder Anton Holz (da liegen beide Namens­nen­nun­gen vor) ging mit dem Ochsen­wirt Trick und dem Förster Weber folgen­de Wette ein: „Er wollte in 75 Minuten vom „Ochsen“ auf den acht Kilome­ter entfern­ten Tauchen­wei­ler und wieder zurück­lau­fen“. Die Wette galt — 60 Liter Bier waren zu gewin­nen oder zu verlie­ren. Holz legte die Strecke über „Berghäus­le“ und „Randweg“ zurück, stärk­te sich noch kurz im Tauchen­wei­ler und saß nach 73 Minuten wohlbe­hal­ten wieder im „Ochsen“. Förster Weber hatte auf dem Tauchen­wei­ler kontrol­liert, ob Holz dort richtig ankam und die Bedin­gun­gen der Wette erfüll­te. Zum Erstau­nen seiner Partner war die Wette gewon­nen und sie mussten bezah­len. Die beach­tens­wer­te Leistung wurde im Kreis der Kamera­den des hiesi­gen Militär­ver­eins gebüh­rend gefei­ert.
Am 5. Januar 1929 erhielt Herr Jakob Kirch­dör­fer, Landwirt in Oberko­chen, die Wirtschafts­er­laub­nis im „Roten Ochsen“, der nunmehr die Gebäu­de­num­mer Kirch­stra­ße 87 hat und später in Aalener Straße 1 umbenannt wurde. Am 1. Novem­ber 1929 wurde das Richt­fest des neuen Turmes auf dem Volkmars­berg gefei­ert und Samstag, den 2. Novem­ber im „Ochsen“ nochmals eine zünfti­ge Feier abgehal­ten.
Die Tochter Kirch­dör­fers, Frau Anna Edinger, führte den „Ochsen“, ab dem 1.12.1955 weiter. 1969 wurde die Gaststät­te um ein Neben­zim­mer erwei­tert. Sie war nicht nur wegen ihrer tiefen Bassstim­me bekannt und unver­wech­sel­bar, auch ihr sozia­les Engage­ment in der Flücht­lings­zeit nach dem II. Weltkrieg war sehr groß. Und die Aalener Straße 1 war seiner­zeit zusam­men mit dem Turmweg 24 die häufigs­te Melde­adres­se für Menschen, die hier einen neuen Anfang suchten.

1966 Innen­an­sicht der Gaststät­te (Archiv Müller)

Am 21. Juni 1972 erhielt Herr Karl Jakob Edinger (1945−2012) die Erlaub­nis­ur­kun­de zur Bewirt­schaf­tung der Gaststät­te, die in den Urkun­den auch hier als „Roter Ochsen“ geführt wird, und übernahm so den großel­ter­li­chen und elter­li­chen Betrieb.

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Gasthaus „Ochsen“ (Archiv Müller)

Was lief so alles im „Ochsen“? Am 1. Oktober 1882 gab es ein großes Fest – eine Fahnen­wei­he des Sänger­bun­des. Das Fest verlief damals nach bewähr­tem Schema: Böller­schie­ßen, Tagwa­che, Festzug, Festnach­mit­tag, Festessen und Festball im „Ochsen“.
Am 21. Juni 1913 gab es in Tübin­gen ein großes Sänger­fest mit vielen Chören, dem Besuch der könig­li­chen Hohei­ten und einem Festzug mit 13.000 Sängern. Nachdem unser Chor mit einem 2. Preis ausge­zeich­net wurde, war die Freude groß. Der Empfang in der Heimat war großar­tig. Mit Musik und Böller­schüs­sen am Bahnhof freund­lich begrüßt, entbot Herr Gemein­de­pfle­ger Balle im Namen der bürger­li­chen Kolle­gi­en den herzlichs­ten Glück­wunsch. Im feier­li­chen Zug, an dem sämtli­che hiesi­gen Verei­ne mit ihren Fahnen teilnah­men, ging es unter dem Beifall des Publi­kums in das präch­tig dekorier­te, von innen und außen im reins­ten Lichter­meer erstrah­len­de, Vereins­lo­kal „Zum Ochsen“. Auch der lokale Organi­sa­ti­ons-Ausschuss tagte hier des Öfteren.

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16. Jan. 1980 – Der örtli­che Orga-Ausschuss tagt – H.J. Kresse löst Robert Wolff ab (Archiv Rathaus)

Für viele war der „Ochsen“ eine Art Heimat gewor­den. Die Thürin­ger gingen hier gerne ein und aus, zumal es häufig Rostbrat­würs­te und Thürin­ger Klöße gab, die Ernst Acker­mann in der Küche auf die Teller zauber­te. Der FCO betrach­te­te es als sein Stamm­lo­kal. Die SPD-Ortsgrup­pe hatte hier im Neben­zim­mer viele Veran­stal­tun­gen.
Anton „Done“ Gutheiß (der hier auch heira­te­te) hat mir einst erzählt, dass es sogar eine „Bank im Ochsen“ gab. Horst Pohle aus der Brunnen­hal­de­stra­ße 2 betrieb eine sogenann­te „Pump-Kasse“. Wer klamm war, konnte sich bei ihm Geld pumpen (leihen) und es später wieder zurückgeben.

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Rechnung zur Hochzeit des „Done“ Gutheiß (Archiv Müller)

In einem Abstell­raum des „Ochsen“ nahm eine Start-Up Firma ihren Anfang. Der Raum war spärlich möbliert mit Tisch, Ofen und Schraub­stock, wird zur Keimzel­le der Firma Gummi-Pfütze. Hier begin­nen im März des Jahres 1953 Willi und Rosl Pfütze mit der Herstel­lung von Dichtungs­rin­gen für Molke­rei­ar­ma­tu­ren. Zwei Jahre blieben sie an diesem Ort, bevor sie über die Katzen­bach­stra­ße und Sperber­stra­ße letzt­end­lich im Indus­trie­ge­biet „Schwörz“ lande­ten, wo die Firma heute noch ansäs­sig ist.
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in den 50ern – Der „Ochsen“ zu Kirch­dör­fers Zeiten mit dem Müller-Wipperfürth’schen LKW neben dem Haus (Archiv Müller)

Vor dem „Ochsen“ stand in den 50er Jahren oft ein Fahrzeug der Kleider­fa­brik „Müller-Wipper­fürth“. Für den Vertrieb eröff­ne­te Müller bald seine ersten eigenen Geschäf­te. Sein Geschäfts­prin­zip laute­te: „Von der Fabrik direkt zum Kunden“. 1951 war er bereits Besit­zer von 50 Laden­lo­ka­len, meist in bester Innen­stadt­la­ge. 1952 nahm er mit Zustim­mung der Stadt und Geneh­mi­gung der Regie­rung den Namen „Müller-Wipper­fürth“ an. Anders als seine Konkur­ren­ten betrieb er das bis dahin handwerk­lich betrie­be­ne Schnei­der­ge­schäft nach den von Henry Ford entwi­ckel­ten Produk­ti­ons­prin­zi­pi­en. Seine Zuschnei­de­ma­schi­nen waren schon früh im Stande, doppelt so viele Stoff­bah­nen zuzuschnei­den wie die seiner Konkur­ren­ten. Bereits Anfang der 1950er Jahre konnte er in einem Arbeits­gang 300 überein­an­der­lie­gen­de Stoff­bah­nen zuschnei­den. Ende der 1950er Jahre wurden täglich 5000 Hosen, 3600 Sakkos und 1200 Mäntel produ­ziert, so dass er einer der erfolg­reichs­ten Textil­un­ter­neh­mer in Deutsch­land war. Später wurde er auch ob seiner Geschäfts­ge­ba­ren auch „Ben-Wipp“ genannt. Er kam mit dem Finanz­amt in Konflikt, bekam logis­ti­sche Proble­me, verleg­te seinen Firmen­sitz ins Ausland. Natür­lich flog er auch sein eigenes Flugzeug und baute eigene Flughä­fen, wenn diese am Firmen­sitz nicht vorhan­den waren. Bekannt für seine riskan­ten Flugma­nö­ver stürz­te er 1964 ab und überleb­te als Einzi­ger. Die finan­zi­el­len Proble­me nahmen immer mehr zu und so ließ ihn die Polizei in ein Haftkran­ken­haus verle­gen. Auch Anteils­ver­käu­fe, Umfir­mie­run­gen und neue Kredi­te konnten sein einst­mals großes Imperi­um nicht retten. 1982 schloss der letzte Laden und er starb im Alter von 75 Jahren 1986 in Bad Gastein.
Später sah man auch ab und zu ein Auto mit der Dienst­leis­tung der Betten­fe­der­rei­ni­gung.
Deswei­ter befand sich die Gemein­de­waa­ge vor dem „Ochsen“ (Giebel­sei­te Katzen­bach­stra­ße) bevor diese im „Kies“ neu errich­tet wurde – ungefähr da wo heute der „Kies-Brunnen“ steht.
1993 eröff­ne­te das griechi­sche Lokal „Mykonos“. 1996 hielt die Partei „Die Republi­ka­ner“ eine Wahlkampf­ver­an­stal­tung zur Landtags­wahl ab. 1997 eröff­ne­te die Familie Varsa­mis das „Posei­don“. Zuletzt wurde das „Posei­don“ von Joannis Patsio­mi­t­ros geführt, bevor der „Ochsen“ seine Pforten schloss und seither auf besse­re Zeiten wartet.
Wolfgang Hörndl und Thomas Vilgis schrie­ben einst bei der „Anna“ nach ein paar Bierchen eine Ausar­bei­tung in Englisch, die prompt mit einer glatten „1“ bewer­tet wurde. Das hätte man früher vielleicht öfters nützen sollen, um seine Schul­zeit erfolg­reich zu gestal­ten.
Luitgard aus Poggi­bon­si hat, wie so oft, auch noch einige Erinne­run­gen parat: Als noch recht kleines Mädchen, in den Jahren nach dem Krieg, war ich viel unter­wegs im Dorf, teils mit Boten­gän­gen, teils einfach auf der Suche nach einer Vergnü­gung. Die Milch­sam­mel­stel­le, unten am Kocher, war noch nicht geöff­net, aber da von meiner Mutter noch Bauern­land da war, hatte der Ochsen­wirt einen Acker mit der Aufla­ge, uns jede Woche einen Liter Milch zu geben. Es war meine Aufga­be, diese Milch im Ochsen abzuho­len. Oft stand ich lange in der Küche neben der Tür mit meiner Riesen-Maggi-Flasche, bis jemand Zeit hatte, diese mit Milch zu füllen. Dabei beobach­te­te ich den Betrieb in der großen Küche, wie der Ochsen­wirt vom Feld kam, seinen Stiefel­zie­her unter dem Küchen­schrank hervor­such­te, wie die alte Ochsen­wir­tin ihre Füße (Beine) verband und wie die Anna am Herd stand, kochte und mit einem Löffel abschmeck­te. Die Gäste saßen in der Wirts­stu­be und warte­ten auf das Essen, das ihnen Herr Acker­mann servie­ren sollte. Er ging hin und her zwischen Küche und seinen Gästen, immer eine große weiße Servi­et­te über dem abgewin­kel­ten Arm. Nahm er das *** Teller von Anna in Empfang, dann wedel­te er mit dem Tuch darüber und sagte: „Scheiß – Fliiie­chen, den ganzen Tag sitzen sie beim Nachbarn auf der Miste, aber kaum ist das Essen da, da kommen sie schon reinje­f­looo­chen…“ Irgend­wann bekam ich dann auch meine Milch, die ich zufrie­den heimtrug. Aber inter­es­sant war es dort immer. Neben dem „Ochsen“ wurden Pferde und Kühe beschla­gen, aller­dings nicht mehr am Abend, aber da konnte ich mich hinstel­len und zusehen.
*** Der Billie hat das bewusst so stehen lassen. Es heißt schließ­lich schwä­bisch korrekt „das Teller“ und „der Butter“ – gäll da gucksch.
Und jetzt kommt etwas, das viele vielleicht schon verges­sen haben – ein Mordver­such im „Ochsen“, über den mein Schul­freund, ein ehema­li­ge Oberko­che­ner EAG-Schüler, Hartmut „Kratz­schie“ Wätzel (früher Kratzsch) und heuti­ger Richter i.R. aus Augsburg als Augen­zeu­ge berich­tet. Eine nahezu unglaub­li­che Geschich­te:
„Bei einem unserer letzten, von Billie organi­sier­ten, Schul­zeit-Treffen nahm ich mir die Zeit für einen ausgie­bi­gen Erinne­rungs­bum­mel durch Oberko­chen. Dabei kam ich auch an unserer frühe­ren Schüler­stamm­knei­pe vorbei – dem „Ochsen“. Dort gab es preis­wer­tes Bier und wir konnten im allge­mei­nen Lärmpe­gel ungestört rauchen, quatschen und einen ordent­li­chen Skat dreschen. Nun hing dort ein Schild „Posei­don“. Das gesam­te Bauensem­ble machte einen trauri­gen herun­ter­ge­kom­me­nen Eindruck, aber Billie versi­cher­te mir, das besse­re Zeiten bevor­stün­den – die Stadt hat das Gebäu­de erwor­ben.
Obwohl die Sache schon mehr als ein halbes Jahrhun­dert zurück liegt, musste ich wieder an ein Drama denken, dessen unfrei­wil­li­ge Zeugen wir als Schüler wurden. Als kurz hinter­ein­an­der mehre­re Schüs­se durch das benach­bar­te Treppen­haus hallten, wurde es im Gastraum schlag­ar­tig still. Alle starr­ten gebannt zur Treppen­haus­tür, als diese plötz­lich aufflog und ein vielleicht 20jähriger Bursche herein­tau­mel­te. Stöhnend sank er zu Boden, wo er laut jammernd liegen­blieb. Nach dem ersten Schreck eilten wir ihm zur Hilfe, halfen ihm auf, konnten aber zunächst keinen Grund für seine offen­kun­di­gen Schmer­zen feststel­len. Nachdem ihn jedoch jemand von seinem schwar­zen Pullover befreit hatte, zeigten sich in seinem Oberkör­per drei oder vier stark bluten­de Einschuss­lö­cher. Unter­des­sen hatten ein paar Mutige vorsich­tig die Tür zum Treppen­haus geöff­net. Unmit­tel­bar darauf rannten sie jedoch in den Schank­raum zurück und verbar­ri­ka­dier­ten die Tür mit einem Stuhl. Aufge­regt erklär­ten sie, dass der mutmaß­li­che Täter soeben die Treppe herun­ter­kam und sie mit einer Waffe bedroh­te. Anna, die äußerst robus­te und gewöhn­lich um keinen derben Spruch verle­ge­ne Wirtin, stand starr, wie angewur­zelt, hinter der Theke und hyper­ven­ti­lier­te heftig. Auch unter den Gästen herrsch­te nun große Aufre­gung. Während jemand per Notruf einen Kranken­wa­gen anfor­der­te, kümmer­ten wir uns um den stöhnen­den und kaum noch ansprech­ba­ren Verletz­ten und versuch­ten ihn etwas zu beruhi­gen. Der unbekann­te Täter ließ sich indes nicht mehr blicken. Und wir hatten auch nicht gerade das Bedürf­nis auf eine Konfron­ta­ti­on mit dem bewaff­ne­ten Täter. Nach einer gefühl­ten Ewigkeit trafen die Sanitä­ter ein und trans­por­tier­ten den Verletz­ten nach einer Erstver­sor­gung ins Kranken­haus. Auch zwei Polizei­be­am­te ließen sich blicken, verschwan­den aber gleich wieder, ohne uns näher zum Tather­gang zu befra­gen. Wie wir später erfuh­ren, war der Grund dafür, dass der Täter mit seinem Auto unbemerkt dem Kranken­wa­gen folgte und vor der Notauf­nah­me den Schwer­ver­letz­ten beim Ausla­den mit den Worten „Du Schwein“ mehrmals mit einer Klein­ka­li­ber­waf­fe in den Kopf schoss und nunmehr lebens­ge­fähr­lich verletz­te. Das Opfer überleb­te zwar, trug aber bleiben­de gesund­heit­li­che Schäden davon. Der Täter wurde noch vor dem Kranken­haus gestellt und ließ sich wider­stands­los festneh­men. Nach und nach wurde die Vorge­schich­te bekannt, die zu diesem Eifer­suchts­dra­ma führte. Dem Verneh­men nach hatte das Opfer ein Verhält­nis mit der Freun­din des Täters und hatte sich wohl mit ihr zu einem Schäfer­stünd­chen im „Ochsen“ einquar­tiert. Der Täter erfuhr wohl davon und erwisch­te die beiden in flagran­ti und schoss auf den Neben­buh­ler. Meiner Erinne­rung nach wurde der Täter im nachfol­gen­den Straf­ge­richts­pro­zess vom Landge­richt Ellwan­gen zu einer mehrjäh­ri­gen Freiheits- oder Jugend­stra­fe verur­teilt. Mögli­cher­wei­se bekam er mildern­de Umstän­de, schließ­lich handel­te es sich um ein echtes „crime passio­nell“ – Verbre­chen aus Leiden­schaft, das Leiden schafft. An das Jahr erinne­re ich mich nicht mehr – es mag sich Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre zugetra­gen haben.“ Billie konnte nicht weiters recher­chie­ren, da die Schwä­Po weiter­hin keinen Zugang ins Archiv ermög­licht.
Reinhold Bahmann erinnert, dass das die Heimat der Fußbal­ler war, meist am Freitag­abend mit der Spieler­ver­samm­lung. Annas Marken­zei­chen war ihre rauchi­ge Stimme und ihr Sohn Jakob war für seine hervor­ra­gen­den Steaks bekannt. Hier fand auch am 30. Mai 1973 die Gründungs­ver­samm­lung der Narren­zunft statt.
Dr Huga-Paule erinnert sich abschlie­ßend: Im „Ochsen“ trafen sich (vor der späte­ren „Fässle“-Zeit) die Handbal­ler und wir Kumpels. Etwa zu Annas (Wirtin) 50. Geburts­tag schenk­ten wir ihr 50 rote Rosen, ich brach­te die letzte – kann mich noch gut an die gerühr­te Anna in Tränen aufge­löst erinnern

Weiter geht’s im Sommer.

Es grüßt (vermut­lich nie mehr) aus dem Neben­zim­mer des „Ochsen“ der „Billie vom Sonnenberg“

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