Anmer­kung. Die Genera­ti­on unserer Eltern verlässt uns nach und nach und wir werden dann die „neuen“ Alten. Da die Chris­ti­ne eine Schul­freun­din von mir ist, habe ich sie einfach mal gefragt, ob sie nicht „Materi­al“ für mich hat, um anläss­lich des 100ten Geburts­ta­ges ihres Vaters einen Bericht über sein Leben zu schrei­ben. Dann habe ich noch fleißig recher­chiert. Leider konnten nicht alle Quellen „angezapft“ werden, aber mit den vorlie­gen Daten, Texten und Fotos, ist es doch gelun­gen einen inter­es­san­ten Bericht zu erstellen.

Sein Leben begann am 20. Dezem­ber 1922 in Liegnitz / Schle­si­en (heute Legni­ca in Polen), wo er bis zum 12ten Lebens­jahr seine Kindheit verbrach­te. Getauft wurde er auf den Namen Wolfgang Fried­rich Julius. Ab 1934 war Breslau sein Zuhau­se (heute Wroclaw in Polen) und dort besuch­te er das humanis­ti­sche Gymna­si­um. Das Abitur legte er während des Krieges ab, um danach, wie all die Jahrgän­ge, in den Krieg zu ziehen. Zuerst ging es auf die Kriegs­schu­le, ja – so etwas gab es damals – eine Fachschu­le für den Krieg. 3 ½ Jahre Wehrdienst in Deutsch­land und an der Ostfront bei der Luftwaf­fe, gefolgt von 3 ½ Jahren in sowje­ti­scher Kriegsgefangenschaft.

Das neue Leben begann am 6. Novem­ber 1948 im Alter von knapp 26 Jahren. Er wurde aus der Gefan­gen­schaft entlas­sen (da hat er noch Glück gehabt, wenn man bedenkt, wie lange die Russen deutsche Solda­ten gefan­gen hielten) und fand sich zuerst im Flücht­lings­la­ger Fried­land wieder. Das Grenz­durch­gangs­la­ger Fried­land liegt in der nieder­säch­si­schen Gemein­de Fried­land im Landkreis Göttin­gen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden darin vertrie­be­ne Deutsche aus den ehemals deutschen Ostge­bie­ten und dem Sudeten­land zeitwei­lig unter­ge­bracht . Das Grenz­durch­gangs­la­ger wurde von der briti­schen Besat­zungs­macht auf dem Gelän­de der nach Fried­land ausge­la­ger­ten landwirt­schaft­li­chen Versuchs­an­stalt der Univer­si­tät Göttin­gen errich­tet und am 20. Septem­ber 1945 in Betrieb genom­men. Gegen­wär­tig ist das GDL Fried­land ein Stand­ort der Landes­auf­nah­me­be­hör­de Nieder­sach­sen (LAB NI). Es wird auch Tor zur Freiheit genannt. Da Göttin­gen in der Nähe lag, war es wohl nahelie­gend dort den Neustart zu vollzie­hen. Es folgte eine 1½-jähri­ge Ausbil­dung mit dem Namen „Moder­ne Wirtschafts­wer­bung“ (ohne ein bestimm­tes Fachge­biet). Rückbli­ckend lässt sich sagen, dass diese Entschei­dung sein Leben wirklich stark geprägt hat.

Sein Arbeits­le­ben begann 1949/50 bei der Fa. Winkel in Göttin­gen, bei der er von 1952 bis zu seinem Ausschei­den der verant­wort­li­che Werbe­lei­ter war. Auf der Website von Carl Zeiss finden wir zu Göttin­gen einige inter­es­san­te Details: Der Ort wurde 953 erstmals erwähnt, und bekam um 1150 das Stadt­recht verlie­hen. 1734 erfolgt die Gründung der Georg-August-Univer­si­tät – benannt nach ihrem Gründer König Georg II. von England. Göttin­gen ist auch die Stadt, in der Rudolf Winkel 1857 seine präzi­si­ons­me­cha­ni­sche Arbeit für das Kasse­ler Unter­neh­men Breit­haupt und für die Univer­si­tät von Göttin­gen aufnahm. Dieses Jahr markiert den Beginn von Carl Zeiss in Göttin­gen, der untrenn­bar mit der Geschich­te der Familie Winkel verknüpft ist. Die Werkstatt florier­te und schon bald wurde eine Expan­si­on notwen­dig: Ende des 19. Jahrhun­derts zog sie in den „Düste­ren Eichen­weg“ und wurde von Winkels ältes­tem Sohn Carl übernom­men. 1907 führte dieser die Serien­pro­duk­ti­on ein und erwei­ter­te das Produkt­spek­trum erheb­lich. Vier Jahre später wandel­te Carl Zeiss als größter Anteils­eig­ner den Betrieb in eine GmbH um. 1957 – ein Jahrhun­dert nachdem die ersten Geräte Winkels Werkstatt verlie­ßen – wurde die R. Winkel GmbH Bestand­teil der Carl-Zeiss-Stiftung. Heute ist Göttin­gen Entwick­lungs- und Produk­ti­ons­stand­ort der Carl Zeiss Micro­sco­py GmbH mit den Geschäfts­be­rei­chen BioSci­en­ces, Indus­tri­al und der Produk­ti­on. Das Unter­neh­men entwi­ckelt und vertreibt Elektro­nen­mi­kro­sko­pe, aufrech­te und inver­se Mikro­sko­pe, Stereo­mi­kro­sko­pe und Komplett­lö­sun­gen für die biome­di­zi­ni­sche Forschung, das Gesund­heits­we­sen und die Indus­trie. Zu den bedeu­tends­ten Zielgrup­pen zählen heute Automo­bil- und Metall­pro­du­zen­ten, ebenso wie die Chemie‑, Mikro­elek­tro­nik- und Solar­in­dus­trie und die damit verbun­de­nen Forschungseinrichtungen.

Familie. Am 08. Juni 1951 heira­te­ten Wolfgang Porzig und Edith Schul­te (von Beruf Kranken­gym­nas­tin) standes­amt­lich, kirch­lich am 30. August 1951 in Göttin­gen. Die Wohnung lag an der „Pfalz-Grona-Breite“ (Straßen­na­men gibt’s…). 1952 kam Chris­ti­ne zur Welt und Ursula 1955. Die jüngs­te Tochter Michae­la wurde später 1963 in Oberko­chen geboren. Wolfgang und Edith war es vergönnt 2001 die Golde­ne Hochzeit und 2011 die Diaman­te­ne Hochzeit feiern zu dürfen.

1963 Portrait­auf­nah­me von Herrn Porzig — Mitar­bei­ter des Werkes Oberko­chen (Archiv Carl Zeiss)

Umzug nach Oberko­chen. Im Jahr 1956 (Quelle Familie) bzw. 1957 (Quelle Zeiss) wurde er im Rahmen der Zentra­li­sie­rung zu Carl Zeiss nach Oberko­chen versetzt, wo er ab 1959 als „Werbe­lei­ter BDW“ tätig war. (BDW = Bund Deutscher Werbe­be­ra­ter und Werbe­lei­ter, heute Deutscher Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­band). In einer Mitar­bei­ter-Infor­ma­ti­on, den ich freund­li­cher­wei­se vom Carl-Zeiss-Archiv in Jena bekom­men habe, steht 1959 folgen­der Text:

„Herr Wolfgang Porzig (36) der ehema­li­ge Werbe­lei­ter der Werbe­ab­tei­lung der Fa. R. Winkel GmbH in Göttin­gen, zuletzt Bearbei­ter unserer Mikro­skop-Werbung, hat die interi­mis­ti­sche Leitung der Werbe­ab­tei­lung übernom­men. Der bishe­ri­ge Werbe­lei­ter, Herr Wilhelm Bertz, ist aus unserer Firma ausgeschieden.“

Die Familie wohnte anfangs im Schub­art­weg 18. Als Michae­la auf die Welt kam zog die Familie in die Lenzhal­de 28.
Die Tätig­kei­ten während der Zeit bei Carl Zeiss waren vielfäl­tig, vieles war ihm auf die Haut geschnei­dert und hat ihm sicht­bar Freude bereitet:

  • Schrift­lei­tung für die ZEISS-INFORMATIONEN
  • Organi­sa­tor der ersten mikro­pho­to­gra­phi­schen Kurse
  • Hochschul­vor­trä­ge zu Themen der Werbung
  • Umset­zung verschie­de­ner Buchpro­jek­te, Jubilä­ums­schrif­ten oder Veröf­fent­li­chun­gen für Zeiss, die Stadt oder den Neres­hei­mer Arbeits­kreis, in denen er sich überwie­gend als Schrift­lei­ter (verant­wort­lich für die Texte) einbrachte 
    • Das Große Projekt (Buch)
    • Ehrfurcht vor dem Leben (Buch)
      hier arbei­te­te er eng mit Albert Schwei­zer zusammen
    • Oberko­chen im Ostalb­kreis – Tradi­ti­on Natur Indus­trie (Buch)
    • 100 Jahre R. Winkel Göttin­gen (Buch)
    • Pro Neres­heim
      (Schrif­ten­rei­he des Vereins zur Erhal­tung der Abtei­kir­che Neres­heim e.V.)
    • 125 Jahre Sänger­bund Oberko­chen (Jubilä­ums­schrift)
      *** Hierzu eine kleine Anmer­kung. Diese Festschrift hebt sich deutlich von vielen anderen ab und man erkennt eindeu­tig die Handschrift von WP. Er hielt dazu auch einen Vortrag in einer Vorstands­sit­zung und überwie­gend wurden seine Ideen angenom­men und umgesetzt.
  • Geschäfts­füh­ren­de Leitung des Kulturrings
  • Leiter des Optischen Museums (1971 bis 1975)
  • Mitglied des Ausschus­ses für Erwachsenenbildung
  • Geschäfts­füh­ren­de Leitung des Kulturrings

Wolfgang Porzig mit James Last im Rahmen einer Veran­stal­tung des Carl Zeiss Kultur­rings (Archiv Müller)

Kultur bei Carl Zeiss und in Oberko­chen war damals ohne ihn nicht vorstell­bar. Nachfol­gend eine kleine Liste einer illus­tren Künst­ler­schar, die er nach Oberko­chen holte:

  • Hazy Oster­wald
  • Horst Jankow­ski
  • James Last
  • Orches­ter Erwin Lehn
  • Maurice André
  • Johann-Strauß-Ensem­ble
  • Ungari­sches Zigeu­ner Orchester
  • Stutt­gar­ter Philharmoniker
  • Peter Horton
  • Inge Brück
  • Wyn und Andrea
  • Marek und Vacek
  • Peter Vogel und Gertraud Jesserer
  • Sowie Hans Rosenthal
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Dirigent Wolfgang Porzig – dezent aber elektri­siert (Archiv Müller)

Der Chorlei­ter des “Katho­li­schen Kirchen­chors St. Peter und Paul“, der sich heute „ars cantus Chor von St. Peter und Paul“ nennt. In diesem Zusam­men­hang sei erwähnt, dass der „Kath. Kirchen­chor der ältes­te Verein in Oberko­chen ist – er besteht seit 1827. Sei’s drum – es geht hier um den Dirigen­ten Porzig. Aber auch eine gute Gelegen­heit, die Dirigen­ten seit der Gründung aufzu­lis­ten, wobei anzumer­ken ist, dass die ganze Geschich­te sehr lehrerlas­tig war:
Balluf / Veith / Rugga­ber und Sauter / Moras­si / Gutmann / Schnei­der / Heckmann / Schirm­er / Mayer / Ulsamer / Rink / Selzle / Hoffmann / Mayer / Umbrecht / Zweig / Porzig / Weigold / Porzig / Heller gelegent­lich / Gentner / Carl-Eissner / Hägele / Hug / interim Haas / Hug
Nach der beruf­li­chen Verän­de­rung des Lehrers Zweig, übernahm WP die Leitung. Porzig ging die Aufga­be mit Élan an. Es wurde manches neu und anderes wieder einstu­diert. Zudem beschritt er mit dem Chor neue Wege wie Jazz-Messen, Gospel und Spiri­tu­als. Im Herbst 1965 gründe­te er das Männer­quar­tett, dass sich neben der Kirchen­mu­sik auch der weltli­chen Musik zuwand­te und einen hohen Bekannt­heits­grad erlang. Die ersten Übungs­aben­de fanden in der Dreißen­tal­schu­le statt. Unver­ges­sen als „Donko­sa­ken“ oder die Auftrit­te mit „Seemanns- und Silcher-Liedern“. Nun besteht ein Quartett in der Regel aus 4 Perso­nen, aber hier standen mitun­ter 12 Männer auf der Bühne. Die Gruppe war reise­lus­tig und nach ihrem Durch­bruch bei der Revue von 1966 gaben sie auch außer­halb von Oberko­chen ihr Bestes. Mitwir­ken­de in dieser Truppe waren: 1. Tenor: Bruno Balle, Edmund Seitz, Heinz Sievers / 2. Tenor: Alfons Bihlmai­er, Wolfgang Gentner, Franz Weber, Kilian Wunder­le, Herbert Betzler / 1. Bass: Otto Dörrich, Engel­bert Grupp, Josef Kienin­ger / 2. Bass: Wilhelm Hug, Adolf Wunder­le, Josef Wunderle.

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Das Männer­quar­tett verklei­de­te sich wohl immer gerne passend zur Musik (Archiv Müller)

Für den gesam­ten Chor wurden jährli­che Ausflü­ge organi­siert sowie Bezie­hun­gen zu befreun­de­ten Chören u.a. in Ulm Unter­ko­chen und Fachsen­feld gepflegt. Die verschie­de­nen Primi­zen wurden feier­lich beglei­tet. Die tradi­tio­nel­le Cäcili­en-Feier, der Faschings­abend und das Sommer­fest waren fester Bestand­teil im Jahres­ver­lauf. Bei all diesem Tun wuchs der Chor im Jahr 1974 auf 82 aktive Sänge­rIn­nen.
Höhepunk­te der Porzig-Ära war 1966 die Revue „Um die Welt“ zu Gunsten des neu erbau­ten Rupert-Mayer-Hauses (über die Revue wird mitun­ter heute noch gespro­chen) und 1974 die 4tägige Flugrei­se nach Rom mit der obliga­to­ri­schen Papst­au­di­enz bei Papst Paul VI.
Auf die Revue „Rund um die Welt“ muss ich geson­dert einge­hen, weil das seiner­zeit wirklich ein Höhepunkt im kultu­rel­len Leben in Oberko­chen war. Aufgrund der hohen Nachfra­ge wurden Wochen­en­de 15., 16. Januar 1966 zwei Auffüh­run­gen gegeben. Die Erlöse in Höhe von 2.266 DM waren für den Bau des Rupert-Mayer-Hauses bestimmt. Und das 3stündige Programm war für Besucher und Sänger sicher ein Erleb­nis und für die Darstel­ler ein riesi­ges Pensum an Vorbe­rei­tung.
1. Maske in Blau
2. Der Bänkel­sän­ger von Oberko­chen
3. An der Wolga und am Don
4. Zwei ®echte Schwoa­be
5. Schönes Land Tirol
6. Vor dem Vorhang zu singen
7. Italie­ni­sche Nächte
8. O mein Papa
9. Let Kiss
10. O Pepita
11. My Fair Lady
12. Il Silen­zio
Mitwir­ken­de und Gestal­ter für diese beiden Abende waren:
Das Zeiss-Orches­ter / die Kapel­le Croca­de­ro / Claus Häuss­ler und Chris­tel Marscha­lek (Bühnen­bil­der) / Josef Gangl und Karl Tritt­ler (Technik) / Anton Holz und Dieter Fröhlich (Beleuch­tung) / Peter Kolonitz­ki (Tonan­la­ge) / Sepp Zeitler – wer sonst (Solo-Trompe­te) / Ballett der Chorsän­ge­rin­nen mit der Choreo­gra­fie von Marthel Schnei­der-Pilling / eine Schram­mel­mu­sik / der gemisch­te Chor / Solis­ten / Männer­quar­tett / und alles unter der Gesamt­lei­tung von Wolfgang Porzig.

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Der Huga-Paule in seinem Element – Mit dem kath. Kirchen­chor im neuen Bürger­saal; v.l.n.r.: Werner Reichen­bach, Paul Hug, Anton Holz, Gerhard Bahmann (Archiv Hug)

Auch der Huga-Paul hat daran Erinnerungen:

„Meine Mutter Zita hat damals kräftig im Alt mitge­sun­gen und ich musste auch recht früh im Tenor mittun (vielleicht ist meine Stimme deshalb nicht so fundiert gefes­tigt gewor­den). Ich erinne­re mich auch an diese genia­le Revue in der Dreißen­tal­hal­le – war zum Mitsin­gen noch zu jung, durfte aber helfen, einen Strah­ler zu bedie­nen.
Eine gewal­ti­ge Attrak­ti­on im Kirchen­ge­sang waren die, Ende der 60er Jahre entstan­de­nen, Jazzmes­sen in Dixie-Beset­zung — meist Gerhard Bahmann (Orgel, Klavier), Anton Holz (Kontra­bass), Werner Reichen­bach, später Stefan Stumpf (Schlag­zeug), Robert Wahl (Trompe­te), Kurt Goldmann (Posau­ne), ich (Gitar­re, Banjo), später Erich Hacker (Klari­net­te, Saxophon). Da wir Jungs uns damals (Ende 60er, Anfang 70er Jahre) keinen Verstär­ker leisten konnten, organi­sier­te Wolfgang Porzig für uns die Verstär­ker­an­la­ge über seine Firma Carl Zeiss. An den autofrei­en Sonnta­gen 1973 spiel­ten wir bei Gottes­diens­ten in Ulm, Biber­ach, auf einem Schloss…, wohin uns jünge­re Oberko­che­ner Ladies mit ihren Autos fuhren. Den Verstär­ker duften wir jahre­lang auch zum Musik­ma­chen auf Hochzei­ten, Tanzver­an­stal­tun­gen usw. verwen­den. Im Grunde war dies auch die Grund­la­ge für die späte­re „PH-Big Band“ zu Studentenzeiten.“

Von Maria Gentner lesen wir ein paar Erinne­run­gen an die Zeit mit WP:

„Am 22. Novem­ber wird der Namens­tag der Hl. Cäcilia gefei­ert. Jedes Jahr gedach­ten wir der Patro­nin der Kirchen­mu­sik. Ein Gottes­dienst ging meistens einer weltli­chen Feier voraus. An einige Feiern erinnern wir uns beson­ders gerne. Im Jahr 1957 bot sich der Toten­sonn­tag dazu an, in der Dreißen­tal-Turnhal­le eine musika­li­sche Feier­stun­de zu gestal­ten. Im Programm ragte beson­ders das Laien­spiel „Freund Hein und die Mutter“ heraus. Unser Organist Herr Heller und seine Frau Mathil­de hatten damals zur Dekora­ti­on ein Trans­pa­rent der Hl. Cäcilia angefer­tigt. 1958. Im Anschluss an das Essen im „Rössle“ (es gab Rehbra­ten mit Spätz­le) wurde den Gemein­de­mit­glie­dern im Gasthaus „Hirsch“ ein frohes, ja zum Teil sehr heite­res Programm geboten. Die geist­li­che Abend­mu­sik am 22. Novem­ber 1959 zeigte einen Ausschnitt von Palestri­na bis Bruck­ner. Durch eine Gesamt­auf­nah­me des Chores wird dieser Tag immer in Erinne­rung bleiben. 1960. Viele frohe Stunden konnte man bei dem Wettstreit der einzel­nen Stimm­grup­pen erleben. Die Presse berich­tet darüber: Alles in allem, eine mit stürmi­schem Beifall aufge­nom­me­ne Gemein­schafts­leis­tung, sprit­zig, humor­ge­la­den und ideen­reich. 1962 konnten wir bei der Gemein­de­fei­er viele Jubila­re ehren, die jahre­lang der Kirchen­mu­sik in True gedient haben: Angela Abele, Lina Hägele, Zita Hug, Annie Posmik, There­sia Schus­ter, Klara Wunder­le, Wilhelm Hug, Alban Schaupp, Karl Schaupp (20 Jahre) / Thekla Oppold, Josef Bezler, Heinrich Grupp, Albert Holz, Heinrich Sievers, Josef Wingert (30 und 40 Jahre / Anton Gold, Franz Grupp, Hans Neuhäu­ser, Anton Schell­mann (50 Jahre). 1963 wurde alle Sänge­rIn­nen zu einem inter­nen Beisam­men­sein ins alte Schwes­tern­haus einge­la­den. Unser Dirigent (WP) führte Licht­bil­der vom sonni­gen Süden vor. Zwischen­durch gab es lecke­re Happen und ein gutes Vierte­le. Im Jahr 1964 trafen wir uns mit unseren Angehö­ri­gen im Jugend­wohn­heim. Bei froher Unter­hal­tung, einem Licht­bil­der­vor­trag über Neres­heim und einem Quiz, verging die Zeit sehr schnell. Ihren ersten Auftritt hatte die Kirchenchor—Band 1966 im Café Weidl. Von diesem Zeitpunkt an war uns klar, dass wir uns um die instru­men­ta­le Beset­zung keine Gedan­ken mehr zu machen brauch­ten. Eine Feier ganz beson­de­rer Art hatten wir im Jahr 1967 im neu erstell­ten Rupert-Mayer-Haus. Ein Vortrag über ‘Entwick­lung und Bedeu­tung des Jazz‘, mit anschlie­ßen­dem Tanz, von einer hervor­ra­gen­den Band beglei­tet, hat auch die ältere Genera­ti­on aufge­schlos­se­ner dieser Musik gegen­über werden lassen. Auf sehr festli­che Weise wurde die Cäcili­en-Feier 1968 durch­ge­führt. Wir trafen uns zum Abend­essen, das von dezen­ter Tisch­mu­sik umrahmt wurde, im Rupert-Mayer-Haus. Zwischen verschie­de­nen Chören wurden folgen­de Sänge­rIn­nen für ihre langjäh­ri­ge Mitglied­schaft geehrt: Thekla König und Zita Hug (30 Jahre) / Maria Wingert, Luzia Hug, Maria Gentner, Martha Nagel, Marian­ne Zick, Irmgard Froschau­er, Edmund Seitz, Josef Balle (20 Jahre). Die einma­li­gen Tage der Stadt­er­he­bung konnten alle noch einmal an diesem Abend in einem Dokumen­tar­film miter­le­ben. Durch die Neu-Einstu­die­rung der Nikolai-Messe von Haydn. Die wir zum Festgot­tes­dienst aufführ­ten, hatten auch wir nicht unwesent­lich dazu beigetra­gen, die Feier­lich­kei­ten der Stadt­er­he­bung zu berei­chern. Das Männer-Quartett beende­te den schönen Abend mit einigen Volksliedern.“

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Und wieder ein grandio­ser Auftritt im Bürger­saal – ich meine WPs Tochter Chris­ti­ne zu erken­nen (Archiv Müller)

Nachfol­gend eine Liste der mit ihm einstu­dier­ten Messen in der Zeit 1956 – 1969 und 1971 – 1975:

  • Messe in G‑Dur von Franz Schubert
  • Eine deutsche Messe von Eberhard Bonitz
  • Missa secun­da von Hans Leo Hassler
  • Messe in F‑Dur von Anton Bruckner
  • Josefs­mes­se von Alfred Berghorn
  • Missa Domine non sum dignus von Lemacher
  • Missa Brevis in F von W. A. Mozart
  • Mainzer Dom-Messe von Heinrich Rohr
  • I. Duisbur­ger (Jazz) Messe von Peter Janssens
  • St. Nicolai-Messe von Josef Haydn
  • Turmblä­ser-Messe von Frido­lin Limbacher
  • Messe in C von Eberlin
  • Sowie die Kanon-Messe
  • Und die Pfarr­kirch­ner Messe

Abschied von Oberko­chen. Die lokalen Zeitun­gen ließen das nicht unerwähnt. Bürger­meis­ter, lokale VIPs und die Presse sangen Loblie­der auf ihn und wiesen darauf hin, dass man sein Wirken als selbst­ver­ständ­lich sah, aber man seine wirkli­che Bedeu­tung erst begrei­fen werde, wenn er nicht mehr da sein wird. Es gab eine Verab­schie­dung im Rupert-Mayer-Haus, bei der die Herren Bosch, Eber und Dörrich auf sein Wirken eingin­gen und seinen Weggang bedau­er­ten. Zur Verab­schie­dung von WP zog der Chor nochmals alle Regis­ter mit einem tollen Konzert im Bürger­saal und der Gospo­din-Messe (in russi­scher Sprache) in der kath. Kirche. Nachfol­ger wurde der damals 18jährige Wolfgang Gentner.
Der große Schritt nach Asien führte ihn 1975 nach Tokyo mit der Wohnadres­se Minami Senzo­ku. Er schrieb aus Tokyo folgen­den Text an BM Gustav Bosch:
„…auch wenn hier der Typ des Massen­men­schen in dieser unheim­li­chen Masse Menschen gezüch­tet wird – wir werden uns bemühen Indivi­dua­lis­ten zu bleiben.“ Und der Bürger­meis­ter Bosch schrieb zu seinem Abschied: „Wir rufen ihm nach, wenn er in den nächs­ten Tagen auf den Flügeln der Morgen­rö­te entschwebt – Auf Wieder­se­hen.“ Es wird 1981 werden, bis er zurück­keh­ren wird. Die Familie folgte ihm im Sommer 1975. Michae­la und Ursula gingen in Tokyo bis zum Abitur in die deutsche Schule. Ursula studier­te ab 1976 in Deutsch­land. Chris­ti­ne studier­te 1975 noch in Freiburg und besuch­te ihre Familie in Tokyo ein Jahr später nach ihrem Examen.
Er blieb in dieser rastlo­sen Stadt bis 1981, wechsel­te im Alter von 59 Jahren in die Rente (wie man so sagte) und kehrte nach Oberko­chen in die Lenzhal­de zurück. Nach so einem arbeits­rei­chen Leben kann man nicht einfach in den „Ruhestand“ gehen und so ging er erst einmal „auf Reisen“ wie z.B. auf die Kanari­schen Inseln, nach USA und auf die Insel Hawaii.
Außer­halb seiner Firma war er noch im Werbe-Aktions­kreis „Pro Neres­heim“ tätig. 1966 musste die Abtei­kir­che Neres­heim, Baltha­sar Neumanns letzter, großer Sakral­bau, wegen akuter Einsturz­ge­fahr baupo­li­zei­lich geschlos­sen werden. Im „Verein zur Erhal­tung der Abtei­kir­che Neres­heim e.V.“ fanden damals Freun­de und Helfer zusam­men, um die Mönche auf dem Ulrichs­berg bei der Wieder­her­stel­lung ihres kultur- und kunst­ge­schicht­lich bedeu­ten­den Erbes zu unter­stüt­zen. Das Symbol sind die schüt­zen­den Hände. Die Losung heißt „pro Neres­heim“
Er hielt Vorträ­ge zu unter­schied­li­chen Themen, beson­ders über seine zahlrei­chen Reisen, spiel­te Bratsche und Gitar­re und schrieb Artikel für Zeitun­gen und Zeitschrif­ten.
Die Zeit im freiheit­li­chen Ruhestand. Im Jahr 1983 zog er mit seiner Frau nach Passau in den Drossel­weg. In Tokyo war das Leben für ihn sehr stres­sig gewesen. Danach wollte er einen Ausgleich und sich zwischen Phasen der Ruhe, auch gerne in der Natur und in Thermal­bä­dern erholen und sich mit Kultur, Natur, Kunst und Musik beschäf­ti­gen und das im Wechsel zwischen Stadt und Land. All diese Möglich­kei­ten, getra­gen von der Freiheit der Entschei­dun­gen, konnte er in Passau verwirk­li­chen. Als Wolfgang und Edith einmal in Passau gleich­zei­tig krank wurden, entstand der Wunsch, in die Nähe einer seiner Töchter zu ziehen. Nach familiä­rer Abspra­che ging es 2001 nach Rastatt in die Badstra­ße und 2011 am gleichen Ort in die Herren­stra­ße. Chris­ti­ne, die in Muggen­sturm wohnt, ist somit immer in der Nähe ihrer Eltern gewesen. Den beiden Porzigs war es vergönnt 2001 die Golde­ne Hochzeit und 2011 die Diaman­te­ne Hochzeit im Kreise der Familie feiern zu dürfen.
Die Passau­er Zeit. In den Presse­mit­tei­lun­gen dieser Zeit finden wir Berich­te über Licht­bil­der­vor­trä­ge über ferne Gegen­den und Länder wie z.B. über die Südsee, die er seiner­zeit von Japan aus bereis­te. Auch über Gran Canaria wusste er Inter­es­san­tes zu berich­ten. 1987 hielt er auch einen beach­te­ten Vortrag über „Christ­li­che Kirchen – weltweit“ und natür­lich auch über „Sitten und Brauch­tum in Japan“. Für ihn galt ganz beson­ders das Motto „Wer viel reist, sieht viel und kann darüber berich­ten“. Und da es ihm gegeben war, seine Erleb­nis­se über Mensch und Kultur humor­voll, in gekonn­ter Sprache zu vermit­teln, hat er sicher viel Freude bei diesen Aktivi­tä­ten verspürt.
Die Familie und der 13te Oktober. In manchen Famili­en gibt es ein beson­de­res Datum, das sich durch die Zeiten verfol­gen lässt. Bei den Porzigs ist das der 13.10. Seine Schwes­ter Hilde­gard wurde am 13.10.1925 geboren, Wolfgangs Mutter Hilde­gard starb am 13.10.1989 und er selbst starb am 13.10.2012 kurz vor seinem 90ten Geburts­tag in Rastatt.
Die Porzigs – das sind oder waren

    • Vater Oskar geb. 1891 gest. 1981
    • Mutter Hilde­gard geb. 1894 gest. 1989
    • Wolfgang Porzig geb. 1922 gest. 2012
    • Ehefrau Edith geb. 1929 gest. 2015
    • Schwes­ter Hilde­gard geb. 1925 gest. 1988
    • Tochter Chris­ti­ne „Tine“ geb. 1952
    • Tochter Ursula „Ursel“ geb. 1955
    • Tochter Michae­la „Michi“ geb. 1963

Sowie vier Enkel namens Ellen und Jan sowie Dominik und Nadine. Abschlie­ßend kann man über ihn sagen, dass er alles, was er angepackt hat, mit unbeschreib­li­cher Begeis­te­rung und vollem Einsatz gemacht hat. Mit seiner Dynamik hat er viele andere dabei mit angesteckt. Bei ihm kam immer die Mensch­lich­keit zuerst, er hat sich um Leute geküm­mert, denen es nicht gut ging und war immer bemüht, zu integrie­ren und nicht zu separie­ren. Seine unbestrit­te­ne Liebe galt der Chormu­sik – überall wo er lebte und arbei­te­te, leite­te er einen Chor oder ein Orches­ter – so war es in Lütgen­ro­de bei Göttin­gen mit dem Gesang­ver­ein Concor­dia und dem Göttin­ger Amateur-Tango-Orches­ter, in Oberko­chen den katho­li­schen Kirchen­chor, in Tokyo den Chor der Ökume­ni­schen Kanto­rei Tokyo Yokoha­ma. In Passau leite­te er keinen offizi­el­len Chor, organi­sier­te aber musika­li­sche Beiträ­ge bei priva­ten Veran­stal­tun­gen. Und selbst im „Brunnen­haus“ in Rastatt (Betreu­tes Wohnheim) leite­te er einen Singkreis.

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1968 Weihnachts­fei­er Dr. Kühn Rathaus Oberko­chen Frau Kunert und Morita­ten­sän­ger Porzig (Archiv Carl Zeiss)

Wenn es heutzu­ta­ge mehr solcher Persön­lich­kei­ten gäbe, hätten wir weniger Proble­me in den Verei­nen. Diese „Macher“ von damals haben nicht gefragt „Was soll ich denn noch alles machen?“ Sie machten einfach und waren dabei glück­lich und die Frauen hielten ihnen den Rücken frei (wie es immer so schön und vielsa­gend hieß). Abschlie­ßend lässt sich sagen, dass Wolfgang Fried­rich Julius Porzig – kurz WP genannt – ein spannen­des, erfüll­tes und von der Kultur getra­ge­nes Leben gelebt hat.
Mein Dank gilt den Töchtern von WP, und hier beson­ders der Tine, die entschei­dend dazu beigetra­gen haben, dass ich diesen Bericht schrei­ben konnte.
Anhang. In diesem Bericht wurde auf den ältes­ten Verein in Oberko­chen hinge­wie­sen. Damit bietet sich die Gelegen­heit einen Blick auf die anderen alten Verei­ne zu werfen (Rückrech­nung ab 2023):
ÄLTER ALS 150 JAHRE (ab 2023 — 1873)
1827 ars cantus! (former known as Kath. Kirchen­chor)
1839 Chor Vision (former known as Sänger­bund)
1866 Realge­nos­sen­schaft
ÄLTER ALS 125 JAHRE (ab 2023 — 1898)
1873 Solda­ten­ka­me­rad­schaft
1894 Schwä­bi­scher Albver­ein Ortsgrup­pe
ÄLTER ALS 100 JAHRE (ab 2023 — 1923)
1903 TVO jetzt TSV (1986 Fusion mit dem 1. FCO))
1906 Katho­li­scher Kranken­pfle­ge­ver­ein
ÄLTER ALS 75 JAHRE (ab 2022 — 1948)
1927 Musik­ver­ein
1929 Freiwil­li­ge Feuer­wehr
1938 Verein für Homöo­pa­thie und Natur­heil­wei­se Oberko­chen
1946 CDU Ortsver­ein
1946 VdK Oberko­chen
1947 SPD Ortsver­ein
1947 AWO Arbei­ter­wohl­fahrt
1947 Verein der Garten­freun­de
ÄLTER ALS 50 JAHRE (ab 2023 — 1973)
1953 Boxclub
1953 Natur­freun­de (hervor­ge­gan­gen aus dem Wollen­loch­club 1949, wieder­ge­grün­det 1967)
1955 Deutscher Alpen­ver­ein Sekti­on Jena / ab 1972 Sekti­on Oberko­chen
1955 Schüt­zen­gil­de
1956 FCO (fusio­nier­te 1986 mit dem TVO zum TSVO)
1960 SVO Schwimm­ver­ein
1964 SKO Sport­ke­gel­klub (hervor­ge­gan­gen aus der „Glück­li­chen 13)
1968 Tennis­club
1972 MGC Minia­tur­golf­club
1973 Narren­zunft

Autor: Wilfried „Billie Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

1. Maske in Blau
2. Der Bänkel­sän­ger von Oberko­chen
3. An der Wolga und am Don
4. Zwei ®echte Schwoa­be
5. Schönes Land Tirol
6. Vor dem Vorhang zu singen
7. Italie­ni­sche Nächte
8. O mein Papa
9. Let Kiss
10. O Pepita
11. My Fair Lady
12. Il Silenzio

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