Anmerkung. Die Generation unserer Eltern verlässt uns nach und nach und wir werden dann die „neuen“ Alten. Da die Christine eine Schulfreundin von mir ist, habe ich sie einfach mal gefragt, ob sie nicht „Material“ für mich hat, um anlässlich des 100ten Geburtstages ihres Vaters einen Bericht über sein Leben zu schreiben. Dann habe ich noch fleißig recherchiert. Leider konnten nicht alle Quellen „angezapft“ werden, aber mit den vorliegen Daten, Texten und Fotos, ist es doch gelungen einen interessanten Bericht zu erstellen.
Sein Leben begann am 20. Dezember 1922 in Liegnitz / Schlesien (heute Legnica in Polen), wo er bis zum 12ten Lebensjahr seine Kindheit verbrachte. Getauft wurde er auf den Namen Wolfgang Friedrich Julius. Ab 1934 war Breslau sein Zuhause (heute Wroclaw in Polen) und dort besuchte er das humanistische Gymnasium. Das Abitur legte er während des Krieges ab, um danach, wie all die Jahrgänge, in den Krieg zu ziehen. Zuerst ging es auf die Kriegsschule, ja – so etwas gab es damals – eine Fachschule für den Krieg. 3 ½ Jahre Wehrdienst in Deutschland und an der Ostfront bei der Luftwaffe, gefolgt von 3 ½ Jahren in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.
Das neue Leben begann am 6. November 1948 im Alter von knapp 26 Jahren. Er wurde aus der Gefangenschaft entlassen (da hat er noch Glück gehabt, wenn man bedenkt, wie lange die Russen deutsche Soldaten gefangen hielten) und fand sich zuerst im Flüchtlingslager Friedland wieder. Das Grenzdurchgangslager Friedland liegt in der niedersächsischen Gemeinde Friedland im Landkreis Göttingen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden darin vertriebene Deutsche aus den ehemals deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland zeitweilig untergebracht . Das Grenzdurchgangslager wurde von der britischen Besatzungsmacht auf dem Gelände der nach Friedland ausgelagerten landwirtschaftlichen Versuchsanstalt der Universität Göttingen errichtet und am 20. September 1945 in Betrieb genommen. Gegenwärtig ist das GDL Friedland ein Standort der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI). Es wird auch Tor zur Freiheit genannt. Da Göttingen in der Nähe lag, war es wohl naheliegend dort den Neustart zu vollziehen. Es folgte eine 1½-jährige Ausbildung mit dem Namen „Moderne Wirtschaftswerbung“ (ohne ein bestimmtes Fachgebiet). Rückblickend lässt sich sagen, dass diese Entscheidung sein Leben wirklich stark geprägt hat.
Sein Arbeitsleben begann 1949/50 bei der Fa. Winkel in Göttingen, bei der er von 1952 bis zu seinem Ausscheiden der verantwortliche Werbeleiter war. Auf der Website von Carl Zeiss finden wir zu Göttingen einige interessante Details: Der Ort wurde 953 erstmals erwähnt, und bekam um 1150 das Stadtrecht verliehen. 1734 erfolgt die Gründung der Georg-August-Universität – benannt nach ihrem Gründer König Georg II. von England. Göttingen ist auch die Stadt, in der Rudolf Winkel 1857 seine präzisionsmechanische Arbeit für das Kasseler Unternehmen Breithaupt und für die Universität von Göttingen aufnahm. Dieses Jahr markiert den Beginn von Carl Zeiss in Göttingen, der untrennbar mit der Geschichte der Familie Winkel verknüpft ist. Die Werkstatt florierte und schon bald wurde eine Expansion notwendig: Ende des 19. Jahrhunderts zog sie in den „Düsteren Eichenweg“ und wurde von Winkels ältestem Sohn Carl übernommen. 1907 führte dieser die Serienproduktion ein und erweiterte das Produktspektrum erheblich. Vier Jahre später wandelte Carl Zeiss als größter Anteilseigner den Betrieb in eine GmbH um. 1957 – ein Jahrhundert nachdem die ersten Geräte Winkels Werkstatt verließen – wurde die R. Winkel GmbH Bestandteil der Carl-Zeiss-Stiftung. Heute ist Göttingen Entwicklungs- und Produktionsstandort der Carl Zeiss Microscopy GmbH mit den Geschäftsbereichen BioSciences, Industrial und der Produktion. Das Unternehmen entwickelt und vertreibt Elektronenmikroskope, aufrechte und inverse Mikroskope, Stereomikroskope und Komplettlösungen für die biomedizinische Forschung, das Gesundheitswesen und die Industrie. Zu den bedeutendsten Zielgruppen zählen heute Automobil- und Metallproduzenten, ebenso wie die Chemie‑, Mikroelektronik- und Solarindustrie und die damit verbundenen Forschungseinrichtungen.
Familie. Am 08. Juni 1951 heirateten Wolfgang Porzig und Edith Schulte (von Beruf Krankengymnastin) standesamtlich, kirchlich am 30. August 1951 in Göttingen. Die Wohnung lag an der „Pfalz-Grona-Breite“ (Straßennamen gibt’s…). 1952 kam Christine zur Welt und Ursula 1955. Die jüngste Tochter Michaela wurde später 1963 in Oberkochen geboren. Wolfgang und Edith war es vergönnt 2001 die Goldene Hochzeit und 2011 die Diamantene Hochzeit feiern zu dürfen.

1963 Portraitaufnahme von Herrn Porzig — Mitarbeiter des Werkes Oberkochen (Archiv Carl Zeiss)
Umzug nach Oberkochen. Im Jahr 1956 (Quelle Familie) bzw. 1957 (Quelle Zeiss) wurde er im Rahmen der Zentralisierung zu Carl Zeiss nach Oberkochen versetzt, wo er ab 1959 als „Werbeleiter BDW“ tätig war. (BDW = Bund Deutscher Werbeberater und Werbeleiter, heute Deutscher Kommunikationsverband). In einer Mitarbeiter-Information, den ich freundlicherweise vom Carl-Zeiss-Archiv in Jena bekommen habe, steht 1959 folgender Text:
„Herr Wolfgang Porzig (36) der ehemalige Werbeleiter der Werbeabteilung der Fa. R. Winkel GmbH in Göttingen, zuletzt Bearbeiter unserer Mikroskop-Werbung, hat die interimistische Leitung der Werbeabteilung übernommen. Der bisherige Werbeleiter, Herr Wilhelm Bertz, ist aus unserer Firma ausgeschieden.“
Die Familie wohnte anfangs im Schubartweg 18. Als Michaela auf die Welt kam zog die Familie in die Lenzhalde 28.
Die Tätigkeiten während der Zeit bei Carl Zeiss waren vielfältig, vieles war ihm auf die Haut geschneidert und hat ihm sichtbar Freude bereitet:
- Schriftleitung für die ZEISS-INFORMATIONEN
- Organisator der ersten mikrophotographischen Kurse
- Hochschulvorträge zu Themen der Werbung
- Umsetzung verschiedener Buchprojekte, Jubiläumsschriften oder Veröffentlichungen für Zeiss, die Stadt oder den Neresheimer Arbeitskreis, in denen er sich überwiegend als Schriftleiter (verantwortlich für die Texte) einbrachte
- Das Große Projekt (Buch)
- Ehrfurcht vor dem Leben (Buch)
hier arbeitete er eng mit Albert Schweizer zusammen - Oberkochen im Ostalbkreis – Tradition Natur Industrie (Buch)
- 100 Jahre R. Winkel Göttingen (Buch)
- Pro Neresheim
(Schriftenreihe des Vereins zur Erhaltung der Abteikirche Neresheim e.V.) - 125 Jahre Sängerbund Oberkochen (Jubiläumsschrift)
*** Hierzu eine kleine Anmerkung. Diese Festschrift hebt sich deutlich von vielen anderen ab und man erkennt eindeutig die Handschrift von WP. Er hielt dazu auch einen Vortrag in einer Vorstandssitzung und überwiegend wurden seine Ideen angenommen und umgesetzt.
- Geschäftsführende Leitung des Kulturrings
- Leiter des Optischen Museums (1971 bis 1975)
- Mitglied des Ausschusses für Erwachsenenbildung
- Geschäftsführende Leitung des Kulturrings

Wolfgang Porzig mit James Last im Rahmen einer Veranstaltung des Carl Zeiss Kulturrings (Archiv Müller)
Kultur bei Carl Zeiss und in Oberkochen war damals ohne ihn nicht vorstellbar. Nachfolgend eine kleine Liste einer illustren Künstlerschar, die er nach Oberkochen holte:
- Hazy Osterwald
- Horst Jankowski
- James Last
- Orchester Erwin Lehn
- Maurice André
- Johann-Strauß-Ensemble
- Ungarisches Zigeuner Orchester
- Stuttgarter Philharmoniker
- Peter Horton
- Inge Brück
- Wyn und Andrea
- Marek und Vacek
- Peter Vogel und Gertraud Jesserer
- Sowie Hans Rosenthal

Dirigent Wolfgang Porzig – dezent aber elektrisiert (Archiv Müller)
Der Chorleiter des “Katholischen Kirchenchors St. Peter und Paul“, der sich heute „ars cantus Chor von St. Peter und Paul“ nennt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der „Kath. Kirchenchor der älteste Verein in Oberkochen ist – er besteht seit 1827. Sei’s drum – es geht hier um den Dirigenten Porzig. Aber auch eine gute Gelegenheit, die Dirigenten seit der Gründung aufzulisten, wobei anzumerken ist, dass die ganze Geschichte sehr lehrerlastig war:
Balluf / Veith / Ruggaber und Sauter / Morassi / Gutmann / Schneider / Heckmann / Schirmer / Mayer / Ulsamer / Rink / Selzle / Hoffmann / Mayer / Umbrecht / Zweig / Porzig / Weigold / Porzig / Heller gelegentlich / Gentner / Carl-Eissner / Hägele / Hug / interim Haas / Hug
Nach der beruflichen Veränderung des Lehrers Zweig, übernahm WP die Leitung. Porzig ging die Aufgabe mit Élan an. Es wurde manches neu und anderes wieder einstudiert. Zudem beschritt er mit dem Chor neue Wege wie Jazz-Messen, Gospel und Spirituals. Im Herbst 1965 gründete er das Männerquartett, dass sich neben der Kirchenmusik auch der weltlichen Musik zuwandte und einen hohen Bekanntheitsgrad erlang. Die ersten Übungsabende fanden in der Dreißentalschule statt. Unvergessen als „Donkosaken“ oder die Auftritte mit „Seemanns- und Silcher-Liedern“. Nun besteht ein Quartett in der Regel aus 4 Personen, aber hier standen mitunter 12 Männer auf der Bühne. Die Gruppe war reiselustig und nach ihrem Durchbruch bei der Revue von 1966 gaben sie auch außerhalb von Oberkochen ihr Bestes. Mitwirkende in dieser Truppe waren: 1. Tenor: Bruno Balle, Edmund Seitz, Heinz Sievers / 2. Tenor: Alfons Bihlmaier, Wolfgang Gentner, Franz Weber, Kilian Wunderle, Herbert Betzler / 1. Bass: Otto Dörrich, Engelbert Grupp, Josef Kieninger / 2. Bass: Wilhelm Hug, Adolf Wunderle, Josef Wunderle.

Das Männerquartett verkleidete sich wohl immer gerne passend zur Musik (Archiv Müller)
Für den gesamten Chor wurden jährliche Ausflüge organisiert sowie Beziehungen zu befreundeten Chören u.a. in Ulm Unterkochen und Fachsenfeld gepflegt. Die verschiedenen Primizen wurden feierlich begleitet. Die traditionelle Cäcilien-Feier, der Faschingsabend und das Sommerfest waren fester Bestandteil im Jahresverlauf. Bei all diesem Tun wuchs der Chor im Jahr 1974 auf 82 aktive SängerInnen.
Höhepunkte der Porzig-Ära war 1966 die Revue „Um die Welt“ zu Gunsten des neu erbauten Rupert-Mayer-Hauses (über die Revue wird mitunter heute noch gesprochen) und 1974 die 4tägige Flugreise nach Rom mit der obligatorischen Papstaudienz bei Papst Paul VI.
Auf die Revue „Rund um die Welt“ muss ich gesondert eingehen, weil das seinerzeit wirklich ein Höhepunkt im kulturellen Leben in Oberkochen war. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden Wochenende 15., 16. Januar 1966 zwei Aufführungen gegeben. Die Erlöse in Höhe von 2.266 DM waren für den Bau des Rupert-Mayer-Hauses bestimmt. Und das 3stündige Programm war für Besucher und Sänger sicher ein Erlebnis und für die Darsteller ein riesiges Pensum an Vorbereitung.
1. Maske in Blau
2. Der Bänkelsänger von Oberkochen
3. An der Wolga und am Don
4. Zwei ®echte Schwoabe
5. Schönes Land Tirol
6. Vor dem Vorhang zu singen
7. Italienische Nächte
8. O mein Papa
9. Let Kiss
10. O Pepita
11. My Fair Lady
12. Il Silenzio
Mitwirkende und Gestalter für diese beiden Abende waren:
Das Zeiss-Orchester / die Kapelle Crocadero / Claus Häussler und Christel Marschalek (Bühnenbilder) / Josef Gangl und Karl Trittler (Technik) / Anton Holz und Dieter Fröhlich (Beleuchtung) / Peter Kolonitzki (Tonanlage) / Sepp Zeitler – wer sonst (Solo-Trompete) / Ballett der Chorsängerinnen mit der Choreografie von Marthel Schneider-Pilling / eine Schrammelmusik / der gemischte Chor / Solisten / Männerquartett / und alles unter der Gesamtleitung von Wolfgang Porzig.

Der Huga-Paule in seinem Element – Mit dem kath. Kirchenchor im neuen Bürgersaal; v.l.n.r.: Werner Reichenbach, Paul Hug, Anton Holz, Gerhard Bahmann (Archiv Hug)
Auch der Huga-Paul hat daran Erinnerungen:
„Meine Mutter Zita hat damals kräftig im Alt mitgesungen und ich musste auch recht früh im Tenor mittun (vielleicht ist meine Stimme deshalb nicht so fundiert gefestigt geworden). Ich erinnere mich auch an diese geniale Revue in der Dreißentalhalle – war zum Mitsingen noch zu jung, durfte aber helfen, einen Strahler zu bedienen.
Eine gewaltige Attraktion im Kirchengesang waren die, Ende der 60er Jahre entstandenen, Jazzmessen in Dixie-Besetzung — meist Gerhard Bahmann (Orgel, Klavier), Anton Holz (Kontrabass), Werner Reichenbach, später Stefan Stumpf (Schlagzeug), Robert Wahl (Trompete), Kurt Goldmann (Posaune), ich (Gitarre, Banjo), später Erich Hacker (Klarinette, Saxophon). Da wir Jungs uns damals (Ende 60er, Anfang 70er Jahre) keinen Verstärker leisten konnten, organisierte Wolfgang Porzig für uns die Verstärkeranlage über seine Firma Carl Zeiss. An den autofreien Sonntagen 1973 spielten wir bei Gottesdiensten in Ulm, Biberach, auf einem Schloss…, wohin uns jüngere Oberkochener Ladies mit ihren Autos fuhren. Den Verstärker duften wir jahrelang auch zum Musikmachen auf Hochzeiten, Tanzveranstaltungen usw. verwenden. Im Grunde war dies auch die Grundlage für die spätere „PH-Big Band“ zu Studentenzeiten.“
Von Maria Gentner lesen wir ein paar Erinnerungen an die Zeit mit WP:
„Am 22. November wird der Namenstag der Hl. Cäcilia gefeiert. Jedes Jahr gedachten wir der Patronin der Kirchenmusik. Ein Gottesdienst ging meistens einer weltlichen Feier voraus. An einige Feiern erinnern wir uns besonders gerne. Im Jahr 1957 bot sich der Totensonntag dazu an, in der Dreißental-Turnhalle eine musikalische Feierstunde zu gestalten. Im Programm ragte besonders das Laienspiel „Freund Hein und die Mutter“ heraus. Unser Organist Herr Heller und seine Frau Mathilde hatten damals zur Dekoration ein Transparent der Hl. Cäcilia angefertigt. 1958. Im Anschluss an das Essen im „Rössle“ (es gab Rehbraten mit Spätzle) wurde den Gemeindemitgliedern im Gasthaus „Hirsch“ ein frohes, ja zum Teil sehr heiteres Programm geboten. Die geistliche Abendmusik am 22. November 1959 zeigte einen Ausschnitt von Palestrina bis Bruckner. Durch eine Gesamtaufnahme des Chores wird dieser Tag immer in Erinnerung bleiben. 1960. Viele frohe Stunden konnte man bei dem Wettstreit der einzelnen Stimmgruppen erleben. Die Presse berichtet darüber: Alles in allem, eine mit stürmischem Beifall aufgenommene Gemeinschaftsleistung, spritzig, humorgeladen und ideenreich. 1962 konnten wir bei der Gemeindefeier viele Jubilare ehren, die jahrelang der Kirchenmusik in True gedient haben: Angela Abele, Lina Hägele, Zita Hug, Annie Posmik, Theresia Schuster, Klara Wunderle, Wilhelm Hug, Alban Schaupp, Karl Schaupp (20 Jahre) / Thekla Oppold, Josef Bezler, Heinrich Grupp, Albert Holz, Heinrich Sievers, Josef Wingert (30 und 40 Jahre / Anton Gold, Franz Grupp, Hans Neuhäuser, Anton Schellmann (50 Jahre). 1963 wurde alle SängerInnen zu einem internen Beisammensein ins alte Schwesternhaus eingeladen. Unser Dirigent (WP) führte Lichtbilder vom sonnigen Süden vor. Zwischendurch gab es leckere Happen und ein gutes Viertele. Im Jahr 1964 trafen wir uns mit unseren Angehörigen im Jugendwohnheim. Bei froher Unterhaltung, einem Lichtbildervortrag über Neresheim und einem Quiz, verging die Zeit sehr schnell. Ihren ersten Auftritt hatte die Kirchenchor—Band 1966 im Café Weidl. Von diesem Zeitpunkt an war uns klar, dass wir uns um die instrumentale Besetzung keine Gedanken mehr zu machen brauchten. Eine Feier ganz besonderer Art hatten wir im Jahr 1967 im neu erstellten Rupert-Mayer-Haus. Ein Vortrag über ‘Entwicklung und Bedeutung des Jazz‘, mit anschließendem Tanz, von einer hervorragenden Band begleitet, hat auch die ältere Generation aufgeschlossener dieser Musik gegenüber werden lassen. Auf sehr festliche Weise wurde die Cäcilien-Feier 1968 durchgeführt. Wir trafen uns zum Abendessen, das von dezenter Tischmusik umrahmt wurde, im Rupert-Mayer-Haus. Zwischen verschiedenen Chören wurden folgende SängerInnen für ihre langjährige Mitgliedschaft geehrt: Thekla König und Zita Hug (30 Jahre) / Maria Wingert, Luzia Hug, Maria Gentner, Martha Nagel, Marianne Zick, Irmgard Froschauer, Edmund Seitz, Josef Balle (20 Jahre). Die einmaligen Tage der Stadterhebung konnten alle noch einmal an diesem Abend in einem Dokumentarfilm miterleben. Durch die Neu-Einstudierung der Nikolai-Messe von Haydn. Die wir zum Festgottesdienst aufführten, hatten auch wir nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Feierlichkeiten der Stadterhebung zu bereichern. Das Männer-Quartett beendete den schönen Abend mit einigen Volksliedern.“

Und wieder ein grandioser Auftritt im Bürgersaal – ich meine WPs Tochter Christine zu erkennen (Archiv Müller)
Nachfolgend eine Liste der mit ihm einstudierten Messen in der Zeit 1956 – 1969 und 1971 – 1975:
- Messe in G‑Dur von Franz Schubert
- Eine deutsche Messe von Eberhard Bonitz
- Missa secunda von Hans Leo Hassler
- Messe in F‑Dur von Anton Bruckner
- Josefsmesse von Alfred Berghorn
- Missa Domine non sum dignus von Lemacher
- Missa Brevis in F von W. A. Mozart
- Mainzer Dom-Messe von Heinrich Rohr
- I. Duisburger (Jazz) Messe von Peter Janssens
- St. Nicolai-Messe von Josef Haydn
- Turmbläser-Messe von Fridolin Limbacher
- Messe in C von Eberlin
- Sowie die Kanon-Messe
- Und die Pfarrkirchner Messe
Abschied von Oberkochen. Die lokalen Zeitungen ließen das nicht unerwähnt. Bürgermeister, lokale VIPs und die Presse sangen Loblieder auf ihn und wiesen darauf hin, dass man sein Wirken als selbstverständlich sah, aber man seine wirkliche Bedeutung erst begreifen werde, wenn er nicht mehr da sein wird. Es gab eine Verabschiedung im Rupert-Mayer-Haus, bei der die Herren Bosch, Eber und Dörrich auf sein Wirken eingingen und seinen Weggang bedauerten. Zur Verabschiedung von WP zog der Chor nochmals alle Register mit einem tollen Konzert im Bürgersaal und der Gospodin-Messe (in russischer Sprache) in der kath. Kirche. Nachfolger wurde der damals 18jährige Wolfgang Gentner.
Der große Schritt nach Asien führte ihn 1975 nach Tokyo mit der Wohnadresse Minami Senzoku. Er schrieb aus Tokyo folgenden Text an BM Gustav Bosch:
„…auch wenn hier der Typ des Massenmenschen in dieser unheimlichen Masse Menschen gezüchtet wird – wir werden uns bemühen Individualisten zu bleiben.“ Und der Bürgermeister Bosch schrieb zu seinem Abschied: „Wir rufen ihm nach, wenn er in den nächsten Tagen auf den Flügeln der Morgenröte entschwebt – Auf Wiedersehen.“ Es wird 1981 werden, bis er zurückkehren wird. Die Familie folgte ihm im Sommer 1975. Michaela und Ursula gingen in Tokyo bis zum Abitur in die deutsche Schule. Ursula studierte ab 1976 in Deutschland. Christine studierte 1975 noch in Freiburg und besuchte ihre Familie in Tokyo ein Jahr später nach ihrem Examen.
Er blieb in dieser rastlosen Stadt bis 1981, wechselte im Alter von 59 Jahren in die Rente (wie man so sagte) und kehrte nach Oberkochen in die Lenzhalde zurück. Nach so einem arbeitsreichen Leben kann man nicht einfach in den „Ruhestand“ gehen und so ging er erst einmal „auf Reisen“ wie z.B. auf die Kanarischen Inseln, nach USA und auf die Insel Hawaii.
Außerhalb seiner Firma war er noch im Werbe-Aktionskreis „Pro Neresheim“ tätig. 1966 musste die Abteikirche Neresheim, Balthasar Neumanns letzter, großer Sakralbau, wegen akuter Einsturzgefahr baupolizeilich geschlossen werden. Im „Verein zur Erhaltung der Abteikirche Neresheim e.V.“ fanden damals Freunde und Helfer zusammen, um die Mönche auf dem Ulrichsberg bei der Wiederherstellung ihres kultur- und kunstgeschichtlich bedeutenden Erbes zu unterstützen. Das Symbol sind die schützenden Hände. Die Losung heißt „pro Neresheim“
Er hielt Vorträge zu unterschiedlichen Themen, besonders über seine zahlreichen Reisen, spielte Bratsche und Gitarre und schrieb Artikel für Zeitungen und Zeitschriften.
Die Zeit im freiheitlichen Ruhestand. Im Jahr 1983 zog er mit seiner Frau nach Passau in den Drosselweg. In Tokyo war das Leben für ihn sehr stressig gewesen. Danach wollte er einen Ausgleich und sich zwischen Phasen der Ruhe, auch gerne in der Natur und in Thermalbädern erholen und sich mit Kultur, Natur, Kunst und Musik beschäftigen und das im Wechsel zwischen Stadt und Land. All diese Möglichkeiten, getragen von der Freiheit der Entscheidungen, konnte er in Passau verwirklichen. Als Wolfgang und Edith einmal in Passau gleichzeitig krank wurden, entstand der Wunsch, in die Nähe einer seiner Töchter zu ziehen. Nach familiärer Absprache ging es 2001 nach Rastatt in die Badstraße und 2011 am gleichen Ort in die Herrenstraße. Christine, die in Muggensturm wohnt, ist somit immer in der Nähe ihrer Eltern gewesen. Den beiden Porzigs war es vergönnt 2001 die Goldene Hochzeit und 2011 die Diamantene Hochzeit im Kreise der Familie feiern zu dürfen.
Die Passauer Zeit. In den Pressemitteilungen dieser Zeit finden wir Berichte über Lichtbildervorträge über ferne Gegenden und Länder wie z.B. über die Südsee, die er seinerzeit von Japan aus bereiste. Auch über Gran Canaria wusste er Interessantes zu berichten. 1987 hielt er auch einen beachteten Vortrag über „Christliche Kirchen – weltweit“ und natürlich auch über „Sitten und Brauchtum in Japan“. Für ihn galt ganz besonders das Motto „Wer viel reist, sieht viel und kann darüber berichten“. Und da es ihm gegeben war, seine Erlebnisse über Mensch und Kultur humorvoll, in gekonnter Sprache zu vermitteln, hat er sicher viel Freude bei diesen Aktivitäten verspürt.
Die Familie und der 13te Oktober. In manchen Familien gibt es ein besonderes Datum, das sich durch die Zeiten verfolgen lässt. Bei den Porzigs ist das der 13.10. Seine Schwester Hildegard wurde am 13.10.1925 geboren, Wolfgangs Mutter Hildegard starb am 13.10.1989 und er selbst starb am 13.10.2012 kurz vor seinem 90ten Geburtstag in Rastatt.
Die Porzigs – das sind oder waren
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- Vater Oskar geb. 1891 gest. 1981
- Mutter Hildegard geb. 1894 gest. 1989
- Wolfgang Porzig geb. 1922 gest. 2012
- Ehefrau Edith geb. 1929 gest. 2015
- Schwester Hildegard geb. 1925 gest. 1988
- Tochter Christine „Tine“ geb. 1952
- Tochter Ursula „Ursel“ geb. 1955
- Tochter Michaela „Michi“ geb. 1963
Sowie vier Enkel namens Ellen und Jan sowie Dominik und Nadine. Abschließend kann man über ihn sagen, dass er alles, was er angepackt hat, mit unbeschreiblicher Begeisterung und vollem Einsatz gemacht hat. Mit seiner Dynamik hat er viele andere dabei mit angesteckt. Bei ihm kam immer die Menschlichkeit zuerst, er hat sich um Leute gekümmert, denen es nicht gut ging und war immer bemüht, zu integrieren und nicht zu separieren. Seine unbestrittene Liebe galt der Chormusik – überall wo er lebte und arbeitete, leitete er einen Chor oder ein Orchester – so war es in Lütgenrode bei Göttingen mit dem Gesangverein Concordia und dem Göttinger Amateur-Tango-Orchester, in Oberkochen den katholischen Kirchenchor, in Tokyo den Chor der Ökumenischen Kantorei Tokyo Yokohama. In Passau leitete er keinen offiziellen Chor, organisierte aber musikalische Beiträge bei privaten Veranstaltungen. Und selbst im „Brunnenhaus“ in Rastatt (Betreutes Wohnheim) leitete er einen Singkreis.

1968 Weihnachtsfeier Dr. Kühn Rathaus Oberkochen Frau Kunert und Moritatensänger Porzig (Archiv Carl Zeiss)
Wenn es heutzutage mehr solcher Persönlichkeiten gäbe, hätten wir weniger Probleme in den Vereinen. Diese „Macher“ von damals haben nicht gefragt „Was soll ich denn noch alles machen?“ Sie machten einfach und waren dabei glücklich und die Frauen hielten ihnen den Rücken frei (wie es immer so schön und vielsagend hieß). Abschließend lässt sich sagen, dass Wolfgang Friedrich Julius Porzig – kurz WP genannt – ein spannendes, erfülltes und von der Kultur getragenes Leben gelebt hat.
Mein Dank gilt den Töchtern von WP, und hier besonders der Tine, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass ich diesen Bericht schreiben konnte.
Anhang. In diesem Bericht wurde auf den ältesten Verein in Oberkochen hingewiesen. Damit bietet sich die Gelegenheit einen Blick auf die anderen alten Vereine zu werfen (Rückrechnung ab 2023):
ÄLTER ALS 150 JAHRE (ab 2023 — 1873)
1827 ars cantus! (former known as Kath. Kirchenchor)
1839 Chor Vision (former known as Sängerbund)
1866 Realgenossenschaft
ÄLTER ALS 125 JAHRE (ab 2023 — 1898)
1873 Soldatenkameradschaft
1894 Schwäbischer Albverein Ortsgruppe
ÄLTER ALS 100 JAHRE (ab 2023 — 1923)
1903 TVO jetzt TSV (1986 Fusion mit dem 1. FCO))
1906 Katholischer Krankenpflegeverein
ÄLTER ALS 75 JAHRE (ab 2022 — 1948)
1927 Musikverein
1929 Freiwillige Feuerwehr
1938 Verein für Homöopathie und Naturheilweise Oberkochen
1946 CDU Ortsverein
1946 VdK Oberkochen
1947 SPD Ortsverein
1947 AWO Arbeiterwohlfahrt
1947 Verein der Gartenfreunde
ÄLTER ALS 50 JAHRE (ab 2023 — 1973)
1953 Boxclub
1953 Naturfreunde (hervorgegangen aus dem Wollenlochclub 1949, wiedergegründet 1967)
1955 Deutscher Alpenverein Sektion Jena / ab 1972 Sektion Oberkochen
1955 Schützengilde
1956 FCO (fusionierte 1986 mit dem TVO zum TSVO)
1960 SVO Schwimmverein
1964 SKO Sportkegelklub (hervorgegangen aus der „Glücklichen 13)
1968 Tennisclub
1972 MGC Miniaturgolfclub
1973 Narrenzunft
Autor: Wilfried „Billie Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg
1. Maske in Blau
2. Der Bänkelsänger von Oberkochen
3. An der Wolga und am Don
4. Zwei ®echte Schwoabe
5. Schönes Land Tirol
6. Vor dem Vorhang zu singen
7. Italienische Nächte
8. O mein Papa
9. Let Kiss
10. O Pepita
11. My Fair Lady
12. Il Silenzio