Nachsit­zen.

Nach Abschluss der Serie erreich­te mich noch einiges an Materi­al, das ich nicht vorent­hal­ten möchte. Da es um Schule geht, nenne ich das nicht Zugabe oder Nachschlag, sondern „Nachsit­zen“ ????.

Da haben wir zuerst einmal eine Ergän­zung von Reinhold Bahmann. „Auch ich hatte natür­lich eine Zeit am (Pro-) Gymna­si­um mit aller­hand Strei­chen über die ich ergän­zend berich­ten möchte:

Johan­nes Hils war am Progym­na­si­um ein kleiner, unter­setz­ter Lehrer aus Ellwan­gen, den wir getriezt haben, wo wir nur konnten. Er hatte sich einen neuen VW gekauft und schwärm­te davon, obwohl das Auto für ihn ein unbekann­tes Wesen war. Einmal haben wir den Wagen an der Antriebs­ach­se minimal mit Ziegel­stei­nen hochge­bockt, so dass diese keine Boden­haf­tung mehr hatten und er somit nicht wegfah­ren konnte. Er gab Gas, dass es nur so eine Freude war, ohne sich auch nur einen cm fortzu­be­we­gen. Außer sich vor Angst und Wut, stand er vor dem Wagen und hat den Service angeru­fen. Der hat die Sachla­ge natür­lich schnell erfasst. Ihr könnt Euch vorstel­len was danach in der Schule los war. Die Übeltä­ter konnten nicht ermit­telt werden und die Leser­schaft wartet gespannt auf das Outen der Übeltäter ????.

Dr. Sigurd Enders war, wie Billie schon geschrie­ben hat, ein ganz beson­de­rer Lehrer. Die erste Arbeit in Deutsch war eine super 1 die zweite eine glatte 5. Wir haben dem Mann an seinem neu gebau­ten Haus an der Lenzhal­de eines Nachts die provi­so­ri­sche Holztrep­pe wegge­tra­gen, dadurch konnte er das Haus nicht mehr verlas­sen, ohne den Hang hinun­ter­zu­rut­schen. Irgend­je­mand hat ihn dann aus seiner missli­chen Lage befreit.

Frank Dietzsch bekam einen Eintrag, weil er dem Doc Enders wider­spro­chen hatte. Enders nannte Tokio mit 1,5 Mio. Einwoh­nern, obwohl es damals geschätzt ein Vielfa­ches davon war. Er unter­rich­te­te aus Manuskrip­ten seines Vaters, die schon vergilbt waren.

In unserer Klasse waren u.a. neben Frank Dietzsch (übrigens ein Super­sport­ler), heute Kinder­arzt in Calw, Albert Möhrle, Detlef Schön­met­zer, Norbert Westphal und Wolfram Schrö­der (Berlin).“

Auch Rudi Fischer „Schrei­ber­le“ aus Mosbach woiß no ebbes: „Wenn ich den Bericht so lese, fällt mir auf, dass der Lehrer Wolfgang Gögger­le nicht erwähnt wurde. Er war Lehrer an der Dreis­sen­tal­schu­le. Der Jahrgang 1938 wurde von ihm in der 6. Klasse unter­rich­tet. Nach dem Krieg waren auch Elly Brach­mann und Julius Metzger einge­setzt, da ein eklatan­ter Lehrer­man­gel herrschte.

1944 ging ich bei Frau Schwei­kardt in die 1. Klasse. Wurde die womög­lich nicht genannt, weil man da morgens zum Gruß noch „Heil Hitler“ sagte? Außer­dem war Frau Stelzer auch Lehre­rin in Oberko­chen im ev. Schul­haus, so um 1948. Da gab es noch Fleiß­zet­tel. Wenn ich bis Samstag sechs davon gesam­melt hatte, durfte ich im damali­gen Martha-Leitzhaus die Wochen­schau sehen, danach mussten wir Kinder das Kino verlas­sen. So war das damals.“

Wolfgang Ritter aus Dinkels­bühl ergänzt: „Zum Bericht 721 ergibt sich ein persön­li­cher Bezug. Auch ich war 2 Jahre später, im Jahr 1961, ABC-Schüt­ze bei Frau Erben in der Dreis­sen­tal­schu­le. Und mit meiner ersten Lehre­rin Frau Erben erleb­te ich eine nette Episo­de in den ersten Schulwochen:

Meine Eltern zogen 1957 wegen der neuen Arbeits­stel­le des Vaters bei der aufstre­ben­den Firma Zeiss von Dinkels­bühl nach Oberko­chen. Wie ich mich erinne­re, hatten wir zugezo­ge­ne Franken anfangs – heute würde man sagen – „Integra­ti­ons­pro­ble­me“ inner­halb der vielen neuen Mitbe­woh­ner in der Neubau­sied­lung. Einer­seits beäug­ten uns die Einhei­mi­schen, also die „Schwao­ba“, ob unseres fränki­schen Dialekts misstrau­isch, anderer­seits waren wir für die anderen Neu-Zugezo­ge­nen (mein Vater sprach oft von „Flücht­lin­gen“ oder „Preißn“, obwohl sie vermut­lich mehrheit­lich aus Thürin­gen stamm­ten) irgend­wie etwas Beson­de­res, da wir weder Schwa­ben noch Heimat­ver­trie­be­ne waren.

Ich wuchs in einem wohlbe­hü­te­ten Eltern­haus auf, von den Eltern wohl immer darauf bedacht, dass mir von den Fremden nichts Böses angetan wurde. Und am ersten Schul­tag stand ich dann – sprach­lich vollkom­men unvor­be­rei­tet für meine künfti­ge Bildungs­lauf­bahn – im Klassen­zim­mer und verstand buchstäb­lich kein Wort und die Welt ohnehin nicht mehr. Das ging wohl etliche Tage so, bis mein Vater von Frau Erben in die Schule bestellt wurde, um zu klären, was mit dem Sohn „nicht stimme“ – die gemach­ten Hausauf­ga­ben waren tags darauf meist völlig „daneben“ und in der Schule muss ich wohl ziemlich abwesend und unauf­merk­sam gewesen sein. Und dann stell­te sich heraus, dass ich aufgrund „inner­deut­scher“ Sprach­pro­ble­me dringend Nachhil­fe brauch­te. Und die bekam ich dann von Frau Erben höchst­per­sön­lich. Sie bzw. ihr Mann stamm­ten wohl aus Oberfran­ken (?), d. h. sie beherrsch­te den fränki­schen Dialekt. Und so prakti­zier­te sie diskret und unauf­fäl­lig in dankens­wer­ter Weise in den nächs­ten Wochen eine Art Simul­tan­un­ter­richt und legte dabei immer ein beson­de­res Augen­merk auf mich und pushte mich bildungs­mä­ßig auf das Klassen­durch­schnitts­ni­veau, während sie den Rest meiner Klasse hochdeutsch unter­rich­te­te. Und nach wenigen Monaten, also in Null Komm Nix, beherrsch­te ich vier deutsche Dialek­te in Wort und Schrift – fränkisch, hochdeutsch, thürin­gisch und schwä­bisch – solide Kommu­ni­ka­ti­ons­ba­sis für mein weite­res Schul- und Berufs­le­ben. Kann man sich heute noch so ein engagier­tes, uneigen­nüt­zi­ges und vorbild­li­ches Entge­gen­kom­men einer pädago­gi­schen Lehrfach­kraft vorstellen?“

Das ist die Gelegen­heit ein paar fränki­sche Wörter loszu­wer­den (die könnten glatt vom Bademeis­ter Büttner stammen ????):

  • A weng – ein wenig
  • Allmächd! – Allmäch­ti­ger Gott!
  • Broud­woschd – Bratwurst
  • Gardofflsubb’n – Kartoffelsuppe
  • Gwerch – Unord­nung, Durcheinander
  • Herzkasch­ber – Herzinfarkt
  • Sabber­lodd – oha, nicht schlecht
  • Waadschn – Ohrfeige
  • Weggla – Brötchen
  • Woschd – Wurst
Oberkochen

Einschu­lung von Marti­na Weißbach (Archiv Spitzner)

Und dann hätten wir da noch Marti­na Spitz­ner geb. Weißbach. Sie ist eine Tochter des Ingenieurs Gerhard Weißbach und seiner Ehefrau Ilse, seiner­zeit wohnhaft in der Jenaer Straße 7. (Einwoh­ner­mel­de­buch 1959) Sie wurde später selbst Lehre­rin, heute im Ruhestand und hat noch einiges Inter­es­san­tes zusammengetragen.

Aus der 2. Klasse fand ich den kleinen Aufsatz (wie auch von Sabine Hartwig beschrie­ben) Aufsatz zum Kinder­fest, in meiner Versi­on mit einem Bild auf der Rücksei­te. Auf dem Volkmars­berg­fest­platz standen immer drei verschie­den hohe Kletter­bäu­me mit Spiel­sa­chen für die verschie­de­nen Jahrgän­ge, von denen ich es leider nie schaff­te, etwas herunterzuholen.

Oberkochen

Unver­kenn­bar – es geht ums Kinder­fest (Archiv Spitzner)

Das Kinder­fest. Am Samstag feier­ten wir unser Kinder­fest. Morgens gingen wir zur Kirche. Nach dem Gottes­dienst war die Verlo­sung. Am Nahmit­tag gingen wir auf den Volkmars­berg. Wir spiel­ten verschie­de­ne Spiele. Um 4 Uhr bekamen wir Wurst und Wecken. Dann durften wir unsere Luftbal­lo­ne fliegen lassen. Um 6 Ihr gingen wir wieder nach Hause. Es war ein sehr schönes Kinderfest.“

Aus der 2. Klasse habe ich weite­re Aufsät­ze entdeckt, wie z.B. „Beim Schus­ter Walter“, den es in Oberko­chen im Dreißen­tal gegen­über vom „Sogas“ tatsäch­lich gab und der die auf der Rücksei­te aufge­lis­te­ten Werkzeu­ge und Materia­li­en noch verwendete.

Beim Schuh­ma­cher Walter. Paul hat einen Schuh. Der Schuh hat ein großes Loch. Da schaut die kleine Zehe heraus. Paul geht zum Schuh­ma­cher. Der Schuh­ma­cher flickt es. Nun kann die kleine Zehe nicht mehr durch das große Loch schau­en. Da freut sich der Paul. Der Schus­ter macht unsere Schuhe wieder ganz. Dazu braucht er aller­lei Werkzeug: einen Hammer, eine Zange, Nägel, ein Messer (Kneip), eine Nähma­schi­ne, Faden, eine Borste (Nadel), eine Ahle, eine Feile, Leder, Leisten und Schusterpech.

Der Aufsatz: „Sigrun hat einen Maikä­fer mit in die Schule gebracht“ ist jeden­falls ein echtes Zeitzeug­nis, genau­so wie „Die Ferien waren schön“, die wir in der 2. Klasse ebenfalls von der Tafel abgeschrie­ben haben.

Sigrun hat einen Maikä­fer in die Schule gebracht. Damit wir den Maikä­fer gut sehen können, darf er auf der Bank krabbeln. Der Maikä­fer hat einen dicken Kopf. An dem Kopf sitzen zwei Augen und zwei Fühler. Der Maikä­fer hat zwei paar Flügel. Das obere Paar ist braun und hart. Das untere Paar ist durch­sich­tig. Der Maikä­fer hat sechs Beine. Mit ihnen hält er sich an den Blättern fest. Der Maikä­fer ist braun.

Oberkochen

Aufsatz mit Bild – Sigrun hat einen Maikä­fer in die Schule gebracht (Archiv Spitzner)

„Die Ferien waren schön. Die Ferien sind vorbei und wir gehen wieder zur Schule. Am ersten Tag erzähl­ten wir von unseren Ferien­er­leb­nis­sen. Hansi war an der Nordsee. Er brach­te uns viele schöne Muscheln mit. Carola war bei ihrer Oma in Jena. Ursel hat in den Ferien ein Schwes­ter­chen bekom­men. Einige Kinder waren in der Wilhel­ma, andere fuhren ins Gebir­ge. Bei schönem Wetter gingen wir zum Baden. Es waren schöne und lange Ferien.

Oberkochen

Aufsatz mit Bild – Die Ferien waren schön (Archiv Spitzner)

Aus der 2. Klasse habe ich noch einen Aufsatz über einen Schul­aus­flug, bei dem wir nach Ochsen­berg gewan­dert sind und eine Beschrei­bung meines Schul­we­ges. Ich wohnte wie Sabine in der Jenaer Straße, die ich bei Inter­es­se noch einscan­nen könnte.

Dann habe ich noch ein Aufsatz­heft aus der 4. Klasse. Da sind ein Zahnarzt­be­such (mit „Lachgas“) und ein Schul­aus­flug mit Herrn Heite­le beschrie­ben, der sicher mit dazu beigetra­gen hat, dass ich selbst Lehre­rin gewor­den bin (seit diesem Schul­jahr im Ruhestand).

PS: Leider ist der Kontakt mit Frau Spitz­ner zwischen­zeit­lich abgebro­chen und so müssen wir auf die angekün­dig­ten Aufsät­ze verzichten.

Danach hat sich noch Prof. Dr.-Ing. Wilfried Koch gemel­det und eine schöne Anekdo­te geliefert:

Ihre Beiträ­ge im Amtsblatt lese ich regel­mä­ßig mit großem Inter­es­se und großer Freude. Auch dem, was Sie am 7. Januar über Gedich­te geschrie­ben, kann ich voll zustim­men. Eine Anekdo­te hierzu, die Ihre Aussa­gen nur unter­streicht, möchte ich noch zuliefern:

Ort: EAG, Klasse 5 oder 6 / Zeit: zwischen 2000 und 2002.

Mein Sohn fragt die Lehre­rin: „Wann lernen wir mal ein Gedicht?“ Antwort der Lehre­rin (Frau Rohlfes): „Haupt­schü­ler lernen Gedich­te, Gymna­si­as­ten reden über Gedich­te“. Das sagt wohl alles……

Und dann haben wir noch die Erinne­run­gen des Joachim Fischer aus Backnang:

Gelegent­lich halt, so wie eben ein Rentner noch die Zeit entbeh­ren kann, stöbe­re ich in den „Kochamr Seiten“ auf der Website des HVO herum. Billie – Weiter­ma­chen! Es kostet viel Zeit sie zu erstel­len, die ich, wie ich es mir einbil­de, nicht habe – aber zum Lesen reicht es dann doch immer noch.

Bei der Aufzäh­lung der typisier­ten schwä­bi­schen Ausdrü­cke habe ich dann einen vermisst, der mich immer wieder an das Problem mit dem Verste­hen des schwä­bi­schen Dialekts in Oberko­chen erinnert. Ich wills erzählen:

Es muss in der siebten Klasse der Volks­schu­le in Oberko­chen gewesen sein. Lehrer Menzl fragte mich also, warum ich wieder meine Hausauf­ga­be nicht erledigt hatte; was ja wirklich des Öfteren der Fall war. Und so entspann sich der folgen­de Dialog eines nicht schwä­bisch verste­hen­den Lehrer mit einem Schüler, der erwar­te­te, dass er verstan­den wird:

“Warum hast wieder deine Aufga­ben nicht gemacht?”
“I hann Briga­la bägga miasa!”
“Was hast du?”
“Briga­la bäggt!”
“Bri ga la — was?”
“Ha — bäggt”
“Was hast du?”

Kleine Pause. Ich konnte nicht verste­hen, warum er es nicht verstand. Ich wusste nicht wie ich ihm das „Briga­la bägga“ erklä­ren könnte. Da stand mein Neben­sit­zer, der Herbert Rech, auf und sagte:

„Klein­holz gehackt, Herr Menzl“

Lehrer Menzl hat’s nun verstan­den. Ob er jetzt dann begriff, was Briga­la sind, weiß ich nicht (hätte mich auch nicht inter­es­siert) – denn ich war baff! Meine damali­ge Verwun­de­rung über dieses plötz­li­che, von einem Schwa­ben(!) ins Hochdeut­sche trans­for­mier­te „Briga­la“, hält heute noch an. Und ich glaube diese Erinne­rung bleibt bei mir, auch wenn es schon längst koine Briga­la mehr gibt. Selbst Klein­holz ist heute schon zum fremden Wort geworden.

PS: Neugie­rig, wie der Billie mitun­ter nun mal ist, begab er sich auf die Suche nach dem Wort und wurde fündig. Briga­la , Sanskrit बृगल bṛgala, Brocken, Stück. Briga­la ist ein Sanskrit Substan­tiv sächli­chen Geschlechts und wird übersetzt mit Brocken, Stück.

Da staunt der Schwa­be, wo er so seine Wörter unter­wegs aufge­glaubt hat ????.

Und so schlie­ßen wir das heuti­ge Nachsit­zen und freuen uns auf drei weite­re Lehrer-Berich­te über beson­de­re Lehre­rin­nen und Lehrer.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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