Vorne­weg.

Wie sagte schon der „Ludwig vom Dreißen­tal“: „Das ist ohne Zweifel der wichtigs­te Ortsteil in Oberko­chen.“ Dem kann ich nur beipflich­ten und aufgrund des umfang­rei­chen Materi­als wird die geschätz­te Leser­schaft feststel­len, dass die „Zwoi Recht hent“. Und so wird dieser Teil der Gemein­de einen 8‑teiligen Bericht bekom­men. Viel Spaß beim Lesen und Erinnern.

Intro.

Die Lage Oberko­chens können wir in nachfol­gend aufge­führ­te Täler aufteilen:

  1. Das obere Kochertal
  2. das untere Kochertal,
  3. den Langteich
  4. das Tiefent(h)al
  5. das Wolfert­s­tal und eben
  6. das Dreißen­tal
Oberkochen

Das Gewann „Dreißen­tal“ in neuerer Zeit (Archiv Müller)

Erinne­run­gen.

Hier haben mit Herzblut mitge­ar­bei­tet: Luitgard Hügle geb. Grupp, Peter Königer und Paul Hug sowie Eberhard Irion vom unteren Dreißen­tal, Bruno Brand­stet­ter „d’r schönsch­te Bua vom Dreißatal“ aus der Lerchen­stra­ße sowie Peter Meroth, Albert und Rüdiger Schwarz, Hermann Metz und Helmut Gold wie auch Fried­helm Brach­mann vom oberen Dreißen­tal. An ihren Schil­de­run­gen erkennt man, dass die Kinder nur ihre damali­ge enge Umgebung als „ihr“ Dreißen­tal ansahen und andere Teile, weiter oben oder unten, keine große Rolle spiel­ten. Ihre Erinne­run­gen, die sie mir geschickt haben, wurden von mir zum Teil überar­bei­tet und aufbe­rei­tet. Ohne Euch, wäre dieser Bericht so nicht möglich gewesen. Es genügt nicht, etwas zu wissen, es ist viel wichti­ger dieses Wissen zu teilen, besser noch schrift­lich mitzu­tei­len und dann kann ich es der Öffent­lich­keit als unser gemein­sa­mes Wissen anbie­ten. Dafür ein herzli­ches Vergeltsgott.

Oberkochen

Das Gewann „Dreißen­tal“ im Aufbau (Archiv Müller)

Hinweis.

Wir bewegen uns die Straße hinauf und hinun­ter, unter­bro­chen von persön­li­chen Erinne­run­gen oder beson­de­ren Geschich­ten, die in einen Rahmen gesetzt wurden. Das Ganze dient der Auflo­cke­rung, damit es nicht so streng nach Hausnum­mern geht.

Vor dem Krieg

hatten alle Häuser die Bezeich­nung „Bergstra­ße“ mit der dazuge­hö­ri­gen Hausnum­mer, mit einer Ausnah­me. Das war die Rentne­rin Vikto­ria Grupp wohnhaft einfach im „Dreißen­tal“. Das bedeu­te­te, dass das Tal früher sehr überschau­bar war. Nachste­hend eine Liste der Bewoh­ner im Jahr 1937 den Hausnum­mern zugeord­net (sortiert nach Hausnum­mer und A‑Z):

Oberkochen

Blick über die Volkmars­berg­stra­ße hinab ins nahezu unbebau­te Dreißen­tal (Archiv Müller)

Ohne: Binder, Ernst (Mecha­ni­ker) / Gentner, Karl (Bohrer) / Jooß, Josef (Dreher) / Schmid, Jakob (Werkzeug­ma­cher) / Seitz, Dieter (Kaufmann
228: Berger, Richard (Postbe­triebs­ar­bei­ter) / Fischer, Erwin (Kontrol­leur) / Gold, Anton (Werkzeug­ma­cher), Ottmar (Eisen­dre­her) / Grimmin­ger, Josef (Schwei­ßer) / Grupp, Adolf (Schlosser)234: Günther, Erich (Kaufmann), Hedwig (Haustoch­ter), Lotty (Haustoch­ter), Marie (Fabri­kan­ten­wit­we)
246: Gold, Alois (Werkzeug­ma­cher)
252: Elmer, Karl (Werkzeug­ma­cher), Karl (Maurer), Maria (Hausge­hil­fin), Markus (Werkzeug­ma­cher), Oskar (Eisen­frä­ser) / Oberdor­fer, Josef (Maurer)
253: Hug, Anton (Dreher), Hans (Schlos­ser)
254: Dietrich, Ernst (Rentner) / Windmül­ler, Karl (Mecha­ni­ker)
255: Mutsch­ler, Hans (Elektri­ker)
256: Bleib­ler, Emma (Haustoch­ter), Eugen (Werkmeis­ter)
257: Schaupp, Franz (Eisen­dre­her), Hubert (Elektro­mon­teur), Ottilie (Haustoch­ter), Otto (Eisen­dre­her), Paul (Werkzeug­ma­cher) / Tritt­ler, Karl (Kaufmann)
266: Deißler, Franz (Taglöh­ner) / Schil­ling, Franz (Postbo­te) / Schmid, Karl (Werkzeug­meis­ter)
267: Kerzin­ger, Albert (Galva­ni­sieur) / Zeller, Josef (Eisen­dre­her)
268: Mangold, Josef (Eisen­bahn­ar­bei­ter)
269: Mangold, Alois (Eisen­bahn­ar­bei­ter) / Schmid, Josef (Werkzeug­ma­cher)
270: Bauser, Karl (Schlos­ser) / Meschen­mo­ser, Johann (Heizer) / Schaupp, Willi­bald (Fräser)
271: Schmid, Josef (Oberwei­chen­wär­ter i.R.)
272: Fischer, Josef (Eisen­dre­her) / Gold, Josef (Fleisch­be­schau­er), Klara (Konto­ris­tin) / Schie­le, Josef (Lehrer)
273: Gentner, Pia (Witwe)
276: Betzler, August (Chauf­feur) / Schön­met­zer, Hubert (Maschi­nen­zeich­ner)
277: Betzler, Erwin (Werkzeug­ma­cher) / Vogel, Johan­nes (Oberbahn­wär­ter a.D.)
283: Bühler, Nikolaus (Maurer) / Hauber, Anton (Werkzeug­ma­cher), There­sia (Witwe) / Vogel, Josef (Magazi­ner)
284: Kolb, Adolf (Rentner), Berta (Arbei­te­rin), Heinrich (Werkzeug­ma­cher), Kaspar (Gussput­zer), Liesel (Haushalts­ge­hil­fin), Marga­re­the (Arbei­te­rin), Mathi­as (Werkzeug­ma­cher), Wilhelm (Werkzeug­ma­cher)
285: Greiner, Karl (Gendar­me­rie­meis­ter)
286: Fischer, Anton (Maschi­nen­ar­bei­ter) / Kopp, Marie (Fabrik­ar­bei­te­rin), Paul (Fabrik­ar­bei­ter); Paul (Dreher)
288: Gold, Paul (Schlos­ser) / Grupp, Bruno (Sattler und Tapezie­rer) / Schnei­der, Gertrud (Hausfrau)
289: Brand­stet­ter, Josef (Bohrer­ma­cher) / Kolb, Hans (Bohrer­ma­cher)
290: Röttin­ger, Sebas­ti­an (Walzar­bei­ter) / Werle, Jakob (Werkzeug­ma­cher)
293: Völker, Karl (Werkzeug­ma­cher)
296: Baumgärt­ner, Karl (Rentner) / Wilhelm (Eisen­dre­her)
298: Gaußer, Hans (Revier­förs­ter) / Gentner, Eugen (Revier­förs­ter)
303: Spieg­ler, Ludwig (Mecha­ni­ker­meis­ter) / Wilhelm (Mecha­ni­ker­meis­ter)
304: Kopp, Eugen (Eisen­dre­her)
305: Maier, Oskar (Mecha­ni­ker)
306: Ludascher, Benedikt (Hilfs­ar­bei­ter)
307: Bauer, Paul (Eisen­dre­her)
308: Bihlmai­er, Josef (Hilfs­ar­bei­ter)
309: Honold, Jonathan (Werkzeug­ma­cher)
310: Fischer, Karl (Eisen­dre­her)
311: Hahn, Johan­nes (Heizer)
312: Speth, Albert (Schrei­ner), Albert (Schlos­ser), Karl (Werkzeug­ma­cher), Maria (Missi­ons­schwes­ter)
313: Fleury, Jean (Lager­ver­wal­ter) / Jörger, Albert (Meister)
314: Acker­mann, Walter (Schmid) / Merklein, Otto (Mecha­ni­ker)
316: Anhorn, Hans (Schlos­ser) / Karoli­ne (Rentne­rin)
317: Hausmann, Georg (Fabrik­ar­bei­ter) / Paith, Johan­nes (Glaser)
327: Schramm, Emil (Kaufmann)
331: Müller, Josefi­ne (Witwe)

Oberkochen

Ca. 1953 Das Gewann „Dreißen­tal“ vom Gewann „Kuhsteig“ aus fotogra­fiert (Archiv Müller)

Nach dem Krieg

wurde ganz Oberko­chen neu struk­tu­riert und die alten Bergstra­ßen­haus­num­mern in die neuen Straßen integriert. Und nach der Baupha­se der sog. „Hitler-Häuslen, wurde wieder kräftig gebaut und das Dreißen­tal erleb­te eine massi­ve Ausdehnung.

Schuh­ge­schäft des Gruppa-Paul.

Wir, die Familie Paul Grupp mit Lina geb. Wannen­wetsch, mit mir, der Luitgard und meinen Brüdern Herbert und Paul wohnte in einem Einfa­mi­li­en­haus, schön und ruhig und so wie es im Jahre 1938 erbaut worden ist.

Im Jahr 1950 beschlos­sen meine Eltern, ein Schuh­ge­schäft aufzu­ma­chen, denn in Oberko­chen gab es noch keines. Um den Laden unter­zu­brin­gen, wurde ein Anbau erstellt. Nun gab es zwei Schau­fens­ter und in der Mitte die Eingangs­tür mit Klingel, ein Laden­tisch, Stühle mit dazuge­hö­ren­dem Anpro­be-Hocker wurden angeschafft, links und rechts Regale aufge­stellt, um die Schuh­kar­tons mit Schuhen, die mein Vater bestellt hatte, einzu­räu­men. Es waren „Mercedes“-Schuhe aus Cannstatt, beque­me Damen­schu­he mit Einla­gen Marke „Diehl­mann“ aus Mengen und „Elefant“-Kinderschuhe aus Kleve. Vater war der kaufmän­ni­sche Leiter, Mutter stand am Laden­tisch und half beim Probieren.

1964 wurde das Angebots-Portfo­lio massiv erwei­tert 🙂 – ab 10. Febru­ar wurde „Bild“ und alle Illus­trier­ten und Zeitschrif­ten angeboten.

Um in die Wohnung zu kommen, gingen wir meist durch die Laden­tü­re rein und riefen „I bes“, damit man wusste, dass es kein Kunde war. Nach Beendi­gung der 8. Volks­schul­klas­se wurde ich Lehrling bei meinem Vater und besuch­te einmal wöchent­lich die Handels­schu­le auf dem Galgen­berg in Aalen. 1966 ist mein Vater leider bei der Fahrt nach Aalen zum Finanz­amt, tödlich verun­glückt und so hat meine Mutter das Geschäft aufge­ge­ben und zusam­men mit Herbert „Hette­re“ einen Ausver­kauf gemacht. Ich war damals schon in Itali­en. Es hatte sich leider auch gezeigt, dass die Leute zum Schuhe-Kaufen gern nach Aalen oder Heiden­heim – oder gar nach Stutt­gart – fuhren, sodass so ein Geschäft in Oberko­chen wenig renta­bel war – in heuti­ger Zeit gar nicht mehr denkbar.

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Schuh­haus Grupp – Das Eltern­haus von Luitgard Hügle und Paul Grupp (Archiv Hügle)

Luitgart HügIe – a Mädle vom vorde­ren bzw. unterem Dreißental.

In diesem Tal, wo früher wenig bis nichts war, bin ich aufge­wach­sen. Das ist sehr lange her und alles sah noch völlig anders aus, als wir es heute kennen. Die Straße war noch nicht geteert. Wenn es regne­te, schoss das Wasser in weißen Bächen hinun­ter, der Haupt­stra­ße entge­gen. Wenn es dann noch gewit­ter­te, blitz­te und donner­te, machte mein Vater die Haustür auf und wir setzten uns auf Stühle in den Gang. Da konnten wir schön das Wetter und die weißen Regen­strö­me auf der Straße beobach­ten – Unter­hal­tung vor Einfüh­rung des Fernsehens.

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1953 Zeiss-Baustel­le gegen­über der heuti­gen Bäcke­rei Gnaier (Archiv Rathaus)

Auf der anderen Seite der Straße waren nur Wiesen und Äcker, bis hinauf zum Schmid-Haus (heute Nr. 30), kurz vor der Abzwei­gung nach rechts in den Turmweg in Richtung Café Gold / Weidl (heute Mucken­ta­ler). Das Schleicher’sche Kino (heute Pizze­ria San Marco) und die Volkmars­berg­apo­the­ke (Nr. 24) wurden erst später in den 50igern gebaut. Auch das Schoch-Haus (Nr. 23) gab es noch nicht, darauf befand sich der Gemüse-Acker der Gärtne­rei Mahler. Anschlie­ßend kam das Maler-Hausmann-Haus (Nr. 25), der Theater-Weg (heute Carl-Zeiss-Straße), in Richtung Martha-Leitz-Haus und Fritz Leitz sowie Gebr. Leitz. Und genau an diesem Eck stand das alte Trans­for­ma­to­ren­häus­le. Das Ganze war also mehr als überschaubar.

Oberkochen

Blick vom Zeiss auf die Dreißen­tal­stra­ße (Archiv Müller)

Der Kinder­gar­ten war damals im Winter im katho­li­schen Schwes­tern­haus (heute Edith-Stein-Haus) und im Sommer hinter dem roten Backstein­bau (dem sog. Fuchs­bau) des Schul­hau­ses. Da musste ich am Klohäus­le der Schule vorbei und über ein kleines Fußweg­le, auf dem oft Nackt­schne­cken ihre Spuren zogen. Igitt­igitt. Wie eklig!

Oft bin ich ins „Dorf“ (die alten und ganz alten Oberkoch­ner sagen das heute noch, wenn sie von ihrer Stadt sprechen) gesprun­gen. Die Straße runter bis zum Gasthaus „Rössle“ (Ecke Dreißen­tal­stra­ße / Heiden­hei­mer Straße – heute Kocher­tal-Apothe­ke) über die Straße vorbei am „Draiher“ und „Huga-Schrei­ner“ zum Kocher bis zur Molke (Milch-Häusle).

Es fuhren kaum Autos auf der Haupt­stra­ße, aber einmal bin ich doch beim Überque­ren auf der Kühler­hau­be eines Volks­wa­gen-Käfers gelan­det. Die „Rössles“-Wirtin hat’s gesehen und mich saumä­ßig ausgschimpft.

Die Schule war zwar ganz in der Nähe, aber die ersten Schul­jah­re ging ich noch in die „Evange­li­sche Schule“ (das heuti­ge Heimat-Museum oder auch Schil­ler-Haus genannt) und in der dritten Klasse ging es ins Bergheim, ganz oben am Turmweg mit der Hausnum­mer 24. Ein Haus mit viel Geschichte.

Erst danach kam ich zu Lehrer Leo Klotz­bü­cher in die nah gelege­ne Dreißen­tal­schu­le. Das war für mich sehr praktisch, weil es nun nur mehr ein paar Schrit­te von und nach zuhau­se waren. Bekam ich eine Straf­ar­beit, etwa 20 Mal schrei­ben „Ich soll während des Unter­richts nicht schwät­zen“, dann schrieb ich das gleich draußen auf dem Schau­fens­ter­sims beim nahe gelege­nen Haushalts­wa­ren­ge­schäft Schmid ins Heft. Zur großen Pause kam jemand vom Bäcker, „Storchen-Bäck“ oder „Geißin­ger“, bei dem wir für 6 Pfenni­ge einen Laugen­we­cken oder für 8 Pfenni­ge eine Brezel kaufen konnten. Hatten wir jedoch ein bisschen mehr Geld, dann spran­gen wir zum Haus Fleury hinun­ter, grad gegen­über vom Jooß, das damals noch ein Bauern­haus war (das Café „Muh“ wurde erst in den 50ern gebaut), und kauften einen „Mohren­kopf“ – mmmmhhhh war der gut!

Oberkochen

Frau Kny und ihre Klasse auf Höhe des Café „Fleury“ – später „Muh“ (Archiv Müller)

Ein großes Erleb­nis für uns Schüle­rIn­nen war die Einwei­hung des Mittel­baus der Volks­schu­le, mit einer Turnhal­le und einer Sonnen­uhr am Schul­haus: „Mach es wie die Sonnen­uhr, zähl‘ die schönen Stunden nur“. Wenn’s im Leben nur so einfach wäre. In diesem Neubau war ich dann in der 8ten Klasse beim Lehrer Hans Zweig.

Sein Gesang-Unter­richt war sehr beson­ders. Er spiel­te auf dem Akkor­de­on und wenn er hörte, dass ein Schüler falsch sang, sprang er auf und gab dem unmusi­ka­li­schen Schüler ein paar Schlä­ge auf die Schul­ter. Wenn er gut gelaunt war, sprach er schwä­bisch und konnte schon mal sagen: „Was gucksch zum Fensch­ter naus, hoat’s dao a Oxafluig?“

Glaser­meis­ter Paul Wingert.

Die Wingerts, eine der großen alten Famili­en in Oberko­chen, kamen seiner­zeit nach dem 30jährigen Krieg aus der Steier­mark / Österreich.

Der Betrieb wurde 1876 von Micha­el Wingert in der Heiden­hei­mer Straße (Haus Weber) gegrün­det, nachdem dieser zuerst beim Gold-Glaser gelernt und sich dann auf Wander­schaft begeben hatte. Im Jahr 1881 erwarb er das damals einstö­cki­ge Gebäu­de im Jäger­gäss­le. Jedoch konnte die Glase­rei keine Familie ernäh­ren und so war er damals auch als „fliegen­der“ Handwer­ker auf dem Härts­feld unter­wegs, um von Bauern­hof zu Bauern­hof zu ziehen, um Repara­tu­ren an Fenstern und Rahmen vorzu­neh­men. Auch in der Heiden­hei­mer Cattun­ma­nu­fak­tur (gegr. 1776) hat er wohl einige Jahre gearbei­tet. (Der Korrekt­heit wegen: Diese Manufak­tur wurde 1817 aufge­löst. Ludwig Hartmann kaufte Teile des Betriebs und gründe­te die Fa. Hartmann, die sich später zu einem multi­na­tio­na­len Verbands­stoff­her­stel­ler entwi­ckeln sollte. 1823 erwar­ben die Gebr. Meebold, die von Hartmann nicht übernom­me­nen Teile und gründe­ten die „Indienne­fa­brik Gottlieb und Fried­rich Meebold“. Die Produk­ti­on wurde 1966 und der Vertrieb 1981 eingestellt.)

Und bald stell­te sich Nachwuchs ein. Paul Micha­el Wingert wurde in die Familie geboren. (geb. 14.05.1882 gest. 30.10.1962). Er begann in der Werkstatt seines Vaters eine 3jährige Lehre, in einer Zeit, in der noch alles in komplet­ter Handar­beit gefer­tigt wurde. Wie es sich gehör­te, ging er als Gesel­le auf Wander­schaft, bevor er 1907 die Meister­prü­fung ableg­te. Im Jahr danach, am 1. Mai 1908, wurde der erste Elektro­mo­tor in der Glase­rei im Jäger­gäss­le in Betrieb genom­men. Da war ganz Oberko­chen auf den Beinen, um diese „Teufels-Maschi­ne“ zu bestau­nen. Der Strom dazu kam von der Ketten­schmie­de Elmer im Bereich des unteren Kochers, der auch die ganze Gemein­de mit Strom versorg­te. Schrei­ner Fischer und Wagner Bezler stell­ten Elektro­mo­to­ren auf und die Firmen Bäuerle, Grupp und Leitz arbei­te­ten mit Turbi­nen­kraft. Oberko­chen wurde techno­lo­gisch modern.

Mit der Übernah­me der Werkstatt durch den jungen Meister im Jahr 1910 ging auch die maschi­nel­le Moder­ni­sie­rung und die räumli­che Erwei­te­rung im Jäger­gäss­le einher. 1914 wurde eine Hobel­ma­schi­ne angeschafft, denn ohne Inves­ti­tio­nen in Technik konnte schon damals nicht mehr optimal gefer­tigt werden.

Wie seiner­zeit nicht unüblich, betrieb auch er eine mittle­re Landwirt­schaft. Auch in einigen Ehren­äm­tern war er tätig wie als Obermeis­ter bei der Glase­rin­nung, im Gewer­be- und Handels­ver­ein, im Gemein­de­rat sowie als Mitglied im Schwä­bi­schen Albver­ein, im kath. Kirchen­chor, und im Sänger­bund sowie Gründungs­mit­glied im örtli­chen Turnver­ein. Verhei­ra­tet war er mit Maria Wingert geb. Gold und 1960 konnten sie gemein­sam die Golde­ne Hochzeit feiern.

1949 übernahm der ältes­te Sohn Paul die Werkstatt, wobei der Altmeis­ter noch bis 1955 kräftig mitar­bei­te­te. 1962, im Alter von 80 Jahren, verstarb er. Im Jahr 1975 finden wir im BuG eine Anzei­ge mit dem Titel „99 Jahre Wingert-Fenster­bau“. Es wurde gewor­ben für Doppel­fens­ter, Einfach­fens­ter mit Isolier­ver­gla­sung, Hebetü­ren, Hebeschie­be­tü­ren, Schwing­flü­gel­fens­ter und Holz-LM-Fenster sowie für wartungs­freie Alu- und Kunst­stoff­fens­ter. Gelie­fert wurde in Oberko­chen, nach Heiden­heim, Aalen und Stutt­gart sowie sogar nach Zagreb.

Oberkochen

Glaser­meis­ter Paul Wingert bei der Arbeit (Archiv Müller)

Bleibt noch anzumer­ken, dass der Autor zeitwei­se, ob der vielen Pauls, fast den Überblick verlor: Paul Wingert 14.05.1882 bis 30.10.1982; Paul Wingert 24.06.1907 bis 07.09.1982; Paul Wingert 18.09.1912 bis 04.05.2000; Paul Wingert 13.09.1949 bis „woiß mr no et“. Aber wer weiß schon, ob das wirklich alle Pauls sind.

➔Teil 2 folgt in zwei Wochen.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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