Intro.

Im Frühjahr 2020, als ich diesen Bericht schrieb, gab es in einer Talkshow bei Maisch­ber­ger tatsäch­lich die Forde­rung, zukünf­tig DAS Bundes­kanz­ler zu sagen. Es gibt seit 1973 DAS Sams, aber dass wir mögli­cher­wei­se zu Peter Traub DAS Bürger­meis­ter sagen sollen – ich sag’s frei raus: Die Gende­ri­sie­rung ist mir oft ein Graus. Vielleicht schafft es eines Tages DAS Sprach­po­li­zei, dass wir zu allen Dingen nur noch das Neutrum verwen­den. Der Schwa­be hat damit sicher kein Problem, denn mit „seim Sach“ kennt er sich bestens aus.

Aber wir wollen uns hier wieder mit alten Wörtern und Begrif­fen ausein­an­der­set­zen. Nach den ersten beiden Teilen haben mich einige sprach­li­che Hinwei­se von Richard Burger und Hermann Metz erreicht, die ich gerne aufgrei­fen und erwei­tern will.

A Rädle Wurscht.

Die Kinder wurden in der Metzge­rei z.B. beim „Zimmer­mann“ oder beim „Betz“ danach gefragt. Meistens gab es aber leider nur die übliche Gelbwurst, die mir überhaupt nicht schmeck­te und das ist bis heute so geblie­ben. Deshalb habe ich in der Metzge­rei „Sonne“ auf die Frage wie folgt geant­wor­tet: „Lieber ein Bonbon“.

Altvor­de­re.

Das ist das Lieblings­wort des örtli­chen freien Schwä­po-Mitar­bei­ters Lothar Schell. Gemeint sind damit alle Vorfah­ren der noch Leben­den, basie­rend auf dem mittel­hoch­deut­schen altfor­de­ro. In diesem Begriff steckt aber auch höchs­tes Lob, Anerken­nung und Wertschätzung.

Anfer­sich.

Ein wunder­bar kreati­ves Wort. Aus vier hochdeut­schen Wörtern „an und für sich“ machen wir oifach ois. Wir neigen zur Verknap­pung und Verklei­ne­rung. Wir schwät­zen gern, aber als schwatz­haft wollen wir nicht gelten. Vermut­lich ist das Wort anfer­sich die Grund­la­ge für Hegels gewal­ti­ges philo­so­phi­sches Werk.

Ätsch­gä­be­le.

Eine schwä­bi­sche und badische Sitte, wie Kinder einan­der verspot­ten. Dabei wird der eine Zeige­fin­ger am anderen entlang gerie­ben. Auch so eine Verhal­tens­wei­se der ich gar nichts abgewin­nen konnte. Habe ich auch nur aus dem Kinder­gar­ten in Erinne­rung. Auf alle Fälle zeigt es, dass wir durch­aus Schaden­freu­de können, das plumpe Ätsch aber durch ein anschlie­ßen­des ‑gäbele freund­li­cher gestalten.

B’häb.

Dieses Wort ist ein typisches Beispiel für einen kurzen schwä­bi­schen Ausdruck, der je nach Zusam­men­hang mehre­re Bedeu­tun­gen haben kann: Zum einen kann er bedeu­ten, dass ein Behäl­ter dicht ist. Als b’häb wird aber auch jemand bezeich­net, der geizig ist, nichts verschenkt und sein Geld zusam­men­hält (auch hier geht nichts neben­raus – er hält seinen Geldbeu­tel dicht!). Zum Dritten bedeu­tet es aber auch räumlich nah und wenig Zwischen­raum – „der fährt aber b’häb vorbei“. Zuletzt ist aber auch engan­lie­gend gemeint. Ein Kleidungs­stück sitzt b’häb, wenn es anliegt oder sogar spannt.

Bäbb und Bäbba.

„Bäbba“ bedeu­tet kleben und abgelei­tet davon heißt „bäbbich“ eben klebrig; des „bäbbt aber guat“ meint, dass es gut klebt und wenn ich dir „oina bäpp“, dann klebt die Hand kurz an deiner Wange.

Backstoi­käs.

Die Mutti hat in der Regel die Krise bekom­men, wenn der Vati diesen verbo­te­nen Käse mit nach Hause gebracht hat. Keiner hat mehr gestun­ken. Das ist ein kräftig würzi­ger Weich­kä­se mit feiner Rotschmie­re im Backstein­for­mat, herge­stellt aus tages­fri­scher natur­be­las­se­ner Milch. Sein Geschmack ist, je nach Reife­grad, leicht aroma­tisch bis kräftig und im Grunde unzumut­bar. In den 1950/60er Jahren gab es ihn noch häufig, weil die Alten ihn gerne mochten – die besse­re Hälfte in der Regel „Zuständ“ bekam.

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Der Backstoi­käs – der schwä­bi­sche sehr rezen­te Käs 

Bäffz­ga.

Damit meint man, dass ebbr bissig hinter­her­mault oder keift. Ein keifen­des Weib nennt man Bäffz­ga und die männli­che Form vielleicht der Bäffzga-Michl.

Bankert.

Das Wort lässt sich auf die Silben Bank- und ‑hard zurück­füh­ren. Eine Zeugung im Ehebett ist wohl auszu­schlie­ßen und der Vater des unehe­li­chen Kindes wird wohl irgend­ein ‑hard gewesen sein. Solche Kinder hatten in der Regel eine schwe­re Kindheit, beson­ders in ländli­chen katho­li­schen Gebieten.

Bappa­deckl.

Das ist ein Stück flacher Karton. Damit wurde auch manch­mal der Führer­schein der alten Form gemeint. Warum lauft denn der? Der hat sein Bappa­deckl abgäbba.

Base, Vetter und Dode sowie Muhme und Oheim.

Es geht hier nicht um die Base aus dem Chemie­un­ter­richt, sondern ums Bäsle. Ursprüng­lich meinte es »Schwes­ter des Vaters«, später »Cousi­ne«, als dieses Wort noch nicht aus dem Franzö­si­schen übernom­men war. Irgend­wann wurde »Base« ein Ausdruck für jede nähere oder entfern­te­re Verwand­te. Und der Vetter ist das männli­che Pendant zu Base. Ebenso standen Muhme und Oheim prinzi­pi­ell für Onkel und Tante, aber auch für jegli­che Verwand­te oder Bekann­te, die älter waren als man selbst. Und nicht zu verges­sen die Dode (ja nicht falsch ausspre­chen), die Taufpa­tin, die einem in der Regel die erste Uhr zur Kommu­ni­on geschenkt hat.

Blaupa­pier.

Man kann auch als selbst­ko­pie­ren­des Papier bezeich­nen. Mithil­fe des Papiers (das manch­mal auch schwarz war) war es möglich, eine Kopie eines Schrift­stü­ckes herzu­stel­len. Hierzu benötigt man ein festes Schreib­ge­rät, welches in der Lage ist, einen entspre­chen­den Druck auszu­üben. Am besten eigne­ten sich hierzu Kugel­schrei­ber. Beim Leitz, während meiner Lehrzeit, musste das lose Blaupa­pier teilwei­se noch mit Hand in Formu­lar­sät­ze einsor­tiert werden. Diese Aufga­be übernahm der Portiert Sieber in seinem Empfang. Später kam das teure selbst­durch-schrei­ben­de Papier zur Anwendung.

Bohnern und Blocken.

Das kommt aus dem nieder­deut­schen Bereich und bedeu­te­te die Holzbö­den mit Wachs zu behan­deln. Ein perfekt frisch geboh­ner­ter glänzen­der Holzbo­den war ein Aushän­ge-schild für eine perfek­te Hausfrau. Heute sind Holzbö­den mit einem spezi­el­len Lack versie­gelt, der das Bohnern überflüs­sig macht. In meiner Kindheit gab es immer einen Vertre­ter von der Firma Wöhrl, der von Haus zu Haus zog und Bohner­wachs verkauf­te. Blocken ist ein anderes Wort für Bohnern. Die wohlha­ben­den Haushal­te hatten eine Bohner­ma­schi­ne und die ärmeren einen Blocker.

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Wir sehen hier einen alten „Blocker“

Boscht.

Bei uns ist man immer auf „d’Boscht“ gegan­gen und nicht zur Post oder gar zur Postagen­tur. Und dort warte­te eine Mutpro­be der beson­de­ren Art – der Postas­sis­tent Ernst Klenk aus der Mühlstra­ße 9. Dienst­leis­tung am Kunden war damals noch ein Fremd­wort. Der Herr Klenk regier­te seine Kundschaft vom Schal­ter aus, und wehe da war etwas nicht richtig ausge­füllt und um 18 Uhr wurde gnaden­los pünkt­lich geschlossen.

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Unsere alte Post in der Bahnhof­stra­ße (Archiv Müller)

Dazu eine Episo­de aus der Schweiz. Jeder Deutsche wird dort mit dem Begriff „Posch­ta“ konfron­tiert. Man geht dort somit „goposch­ta“ und der Deutsche wundert sich, warum in der Schweiz jeder täglich auf die Post geht. Falsch gewickelt – „Goposch­ta“ heißt einkau­fen gehen. So können die Unter­schie­de sein, weil halt der Boden­see zwischen beiden Ländern liegt ????.

Bräschtl­eng.

Das sind Erdbee­ren. Mir ganget en d Bräschtl­eng bedeu­te­te, dass man zum Erdbeer­pfü­cken ging – in den Garten, in den Wald oder auf die neumo­di­sche Planta­ge. Das Höchs­te für einen Schwa­ben beim Frühstück ist das Bräscht­lengsgs­älz – die Erdbeer­mar­me­la­de. Wobei noch anzufü­gen ist, dass damit nicht das gezüch­te­te erdbeer­ar­ti­ge Gewächs gemeint ist, sondern die dicke tiefro­te und aroma­ti­sche Erdbee­re aus dem eigenen Garten – ein Gedicht. Mutti hat immer zwei Erdbeer­ku­chen gebacken, weil Harald und ich einen allein oms Nomgug­ga verschlun­gen haben.

Das macht nach Adam Riese.

Adam Ries meinte, Kaufleu­te und Handwer­ker würden der schwer arbei­ten­den armen Bevöl­ke­rung das Geld aus der Tasche ziehen und sie betrü­gen. Um das zu verhin­dern, wollte Ries, dass möglichst jeder Mensch die vier Grund­re­chen­ar­ten beherr­schen sollte: Zusam­men­zäh­len, Abzie­hen, Malneh­men und Teilen. Er schrieb mehre­re Rechen­bü­cher, darun­ter eins über das Rechnen mit der Feder, schrift­li­ches Rechnen mit arabi­schen Zahlen. Und er schrieb diese Bücher nicht wie damals üblich in latei­ni­scher Sprache, sondern auf Deutsch. Dadurch konnten viel mehr Menschen sie auch lesen. Adam Ries gilt seitdem als „Vater des moder­nen Rechnens“, denn ihm verdan­ken wir, dass sich die arabi­schen Zahlen gegen­über den römischen schließ­lich durch­ge­setzt haben und wir heutzu­ta­ge mit ihnen rechnen. Und wer dann sagt, „… das macht nach Adam Riese …“, der meint, auf jeden Fall auch richtig gerech­net zu haben.

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Eine Seite aus einem Buch von Adam Riese 

Das walte Hugo.

Das habe ich beim Leitz in meiner Lehrzeit so oft gehört, und das hatte nichts damit zu tun, dass dort der Hugo Neuhäu­ser in der Kaufmän­ni­schen AV „walte­te“. Der Spruch geht auf den Mega-Indus­tri­el­len Hugo Stinnes aus Mühlheim/Ruhr zurück. Er beschäf­tig­te zu Spitzen­zei­ten über 600.000 Menschen und von daher kommt der Spruch und meint damit: Das entschei­det Gott – also Hugo – zumin­dest auf der Erde – also in Deutschland.

D Henna send henna,

wenn d Henna henna send. Das braucht keiner­lei Erklärung.

Dätsch mr net.

Diese Frage haben schon Genera­tio­nen von Ehemän­nern gehört. Es ist eine als Frage formu­lier­te freund­li­che Auffor­de­rung, etwas zu erledi­gen, was aber sofort zu befol­gen ist. Kontern konnte Mann das nur mit dem Satz „Dr-Dätsch-mr-net-Dag isch morga“. Oscar Heiler hat dazu auch ein Lied verfasst.

Dees wird dr Schwesch­ter gsait.

Das ist der Ausspruch der jungen, meist weibli­chen, Denun­zi­an­ten aus dem Kinder­gar­ten der 50er Jahre im Wiesen­weg. Und das meistens im Chor, denn da brauchts ja keinen Mut. Damit wurden überwie­gend Buben verpetzt, die sich nicht an irgend­wel­che Regeln hielten. Das führte dann zum pädago­gi­schen Schwin­gen eines Handfe­gers oder zum Einschluss in irgend­ei­ner Kammer durch Schwes­ter Thoma­sel­la. Das ging mir so auf den Senkel, dass ich einen weite­ren Besuch verwei­gert und die Sozia­li­sie­rung auf der Straße bevor­zugt habe.

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Der Kinder­gar­ten im Wiesen­weg mit den katho­li­schen Schwes­tern aus dem Kloster Reute (Archiv Müller)

Denger.

Das ist wieder sehr spezi­ell. Es bedeu­tet „Dinge“ aber auch „Menschen“. Denge­re ist die weibli­che, Denger die männli­che Form des fast neutra­len Schimpf­wor­tes, das aber in jedem Fall eine gewis­se Vertrau­lich­keit wider­spie­gelt. A nette Denge­re oder a netter Denger ist freund­lich, liebe­voll spöttisch gemeint. A wiasch­te Denge­re oder a grober Denger kann aber auch böse, herab­wür­di­gend belei­di­gend oder bemit­lei­dend gebraucht werden. Beim Gebrauch dieser Wörter ist die Betonung sehr wichtig – hier macht der Ton die Musik! „Wenn Du Denger zu meiner Denge Denge­re saisch, no sag i zu Deiner Denge au Dengere“ ????

Deppich.

Auf hochdeutsch ist das ein Teppich – aber keiner auf dem man herum­läuft, sondern in den man sich auf dem Sofa einwi­ckelt – kurz gesagt dr Deppich ist für den Schwa­ben eine Wollde­cke. Einen Debbich legt man z.B. auch bei einem Picknick auf die Erde, also „auf da Boda“ – und „a Degge“ gibt es nur in Form der Zimmer­de­cke, die früher übrigens auch noch „Blaffo“ (von Plafond) hieß.

Des isch ghopft wia gspronga.

Wenn es für eine Tätig­keit oder Aufga­be mehre­re gleich­wer­ti­ge Lösun­gen gibt, es also egal ist, wie man zum Ziel kommt.

Die Zeit heilt alle Wunden.

Das will uns der Volks­mund weisma­chen. Dem ist natür­lich überhaupt nicht so – es ist nur als Trost gemeint. An der Spitze dieses Wohlmei­nens steht das Faschings­lied von Ernst Neger „Heile, heile Gänsje. Heile, heile Gänsje, ist bald wieder gut. Kätzje hot e Schwänz­je, ist bald wieder gut. In hundert Jahr ist alles weg!“

Diener und Knicks.

„Mach mal einen Diener“ sagten die Eltern und erwar­te­ten, dass wir Buben bei der Begrü­ßung von Gästen die gute Hand reich­ten und eine Verbeu­gung machten. Die Mädchen hatten einen Knicks zu machen, der durch das leich­te Einkni­cken beider Knie zustan­de kam. Diese Verhal­tens­for­men wurden noch zu meiner Zeit im Tanzkurs beim Auffor­dern einge­übt. Der Pfarrer Konrad Forster erwar­te­te den Knicks sogar auf der Straße mit den Worten: „Grüß Gott Herr Pfarrer“. Wehe das Mädchen hat das verges­sen – der Pfarrer nicht…..

Dahan­na.

Das ist auch sehr spezi­ell. Ein Mädchen­na­me gebil­det aus Danie­la und Johan­na? Weit gefehlt. Beim Militär auf dem Appell­platz schreit jeder hier, wenn sein Name aufge­ru­fen wird, der Schwa­be aber meldet brav „dahan­na“. Wäre Luther ein Schwa­be gewesen……. I stand dahanna…..

Dazu eine kleine Leitz-Geschich­te. Ein des Schwä­bi­schen mächti­ger Oberkoch­ner Kolle­ge hielt vor einem deutsch­spra­chi­gen Publi­kum aus D, A und CH einen Vortrag und schmück­te ihn mit 125 Mal „dahan­na“. Bis ein Kolle­ge aus Ostwest­fa­len, ganz schalu gewor­den, fragte, was er den immer mit seiner Kolle­gin Hanne aus Trois­dorf habe – das würde ihn jetzt schon sehr inter­es­sie­ren. Seit damals findet man in den Vorträ­gen des lieben Kolle­gen wohl kein „dahan­na“ mehr.

Drott­war.

Vom franzö­si­schen Trottoir abgelei­tet und heißt auf hochdeutsch Gehweg oder gar Bürger­steig. In der eigent­li­chen Bedeu­tung „Weg, auf dem man trippelt“. Wenn die Familie sonntags spazie­ren ging. Mann und Frau (einge­hängt im Arm des Mannes) und die Kinder spran­gen auf der Straße neben­her, kam sofort die Ermah­nung: „Kommet sofort auf da Drottwar.“

Das Wichtigs­te am Drott­war war aber die Kandl (oder auch Rinnstein), über die vor der Kanali­sie­rung in den 1950er Jahren die Abwäs­ser aus Küche, Haus und vom samstäg­li­chen Autowa­schen liefen. Nach starkem Regen waren die Kandeln sauber und die Kinder konnten mit der mitge­schwemm­ten Erde Staudäm­me bauen und Stauseen erzeu­gen (auch bei der Schnee­schmel­ze als Spiel­platz sehr beliebt); nicht immer zum Gefal­len der Eltern und da hieß manch­mal „Bleib mr bloß von dr Kantl weg!“

Der Bordstein hinge­gen dient zur Abgren­zung verschie­de­ner Berei­che der Straße vonein­an­der und zur Befes­ti­gung von Grünstrei­fen und des Fahrbahn- oder Wegran­des. Ornitho­lo­gen aufge­passt! Der Vogel, der sich dort häufig aufhielt, war die Bordschein­schwal­be – sie ist in vielen Gebie­ten bereits ausge­stor­ben und steht auf der roten Liste der Gemeindeverwaltungen ????.

Du hasch aber en Balla beinander.

Du hast aber einen ordent­li­chen Rausch – auf schwä­bisch klingt das viel schöner. Die Steige­rung ist der Allmachts­bal­la. Und das Thema richtig inves­tie­ren spielt hier auch eine Rolle, denn: A halbr Balla isch grad naus gschmis­sas Geld.

Du machsch mi no ganz schalu mit deim Gschwätz.

Dieses Wort verdan­ken wir auch dem Napole­on, der durch eine frühe Form der Globa­li­sie­rung dafür sorgte, dass sprach­lich überall etwas hängen blieb. Abgelei­tet vom franz. „Jaloux“ und bedeu­tet verrückt, verwirrt, durcheinander.

Einge­fleisch­ter Junggeselle.

Das totale Gegen­teil von Cherchez La Fame ????. „Einge­fleischt“ ist eine Lehnüber­set­zung von lat. incar­na­tus, welches ursprüng­lich nur den zu Fleisch gewor­de­nen Jesus Chris­tus bezeich­net. In der Wendung bedeu­tet es so viel wie „in Fleisch und Blut überge­gan­ge­ne Überzeu­gung“. Also einer, dem eine eheli­che Bezie­hung gar nicht mehr vorstell­bar ist und im Grunde in seiner eigenen Welt lebt – schlicht und einfach: „Nemme vrmittlbar!“

Ein Heller und ein Batzen

ist ein deutsches Gedicht von Albert von Schlip­pen­bach (1800–1886) aus den 1820er Jahren. Mit verschie­de­nen Melodien war es als Studen­ten­lied und solda­ti­sches Marsch­lied weit verbrei­tet. Im Zweiten Weltkrieg wurde es in den von der deutschen Wehrmacht besetz­ten Gebie­ten als Ausdruck von natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Hybris wahrge­nom­men. (Ein Heller und ein Batzen / War’n allzwei­bei­de mein; / Der Heller ward zu Wasser, / Der Batzen ward zu Wein.)

Ein Heller (Münze) Händel­hel­ler aus Silber (Präge­stät­te Hall am Kocher, 13. Jahrhun­dert) Ein Heller oder Haller, abgekürzt hlr., ist eine frühe­re deutsche Münze vom Wert eines halben Pfennigs, benannt nach der Stadt (Schwä­bisch) Hall, latei­nisch dann denari­us hallen­sis oder auch hallen­sis denarius.

Ein Batzen (Bätz), der auf der Rücksei­te der Münze aufge­prägt war. Die Herkunft des Begriffs ist aber nicht gesichert. Der Wert eines Berner Batzens entsprach vier Kreuzern. Da der Gulden den Wert von 60 Kreuzer hatte, entsprach ein Batzen auch einem Fünfzehn­tel des Guldens.

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Ein Heller und ein Batzen – berühm­tes Volkslied

Eisblu­me.

Das ist die schöns­te aller Blumen, die im Winter blühen. Sie ist ein Eiskris­tall, das wegen seiner Form Ähnlich­keit mit einer Pflan­ze respek­ti­ve Blume zugespro­chen wird. Es handelt sich um eine Sonder­form von Raureif. Eisblu­men entste­hen typischer­wei­se an Fenstern, sie können aber auch an anderen Oberflä­chen auftreten.

In meiner Kindheit habe ich sie oft bei meiner Oma in Waldhau­sen gesehen. Dort hatten sie noch alte Flügel­fens­ter, die man zum Putzen mit einem Schlüs­sel öffnen musste und da bilde­ten sich in den damali­gen harten Wintern herrli­che Eisblu­men. Und in meinem ersten eigenen Zimmer im Sonnen­berg hatte ich ein Zimmer ohne Heizung und da war für Blumen am Fenster im Winter reich­lich gesorgt.

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Fantas­ti­sche Eisblu­men auf alten Holzfenstern 

Epfel­butza.

Man kann das nicht schöner beschrei­ben, was damit gemeint ist. Für ein hochdeut­sches Wort müsste man fast eine Kurzge­schich­te erfin­den (Kernge­häu­se des Apfels – wie das schon klingt). Mein Vati hat mir immer erklärt und vorge­macht, dass man alles essen kann, nur den Stiehl nicht. Und so halte ich es heute noch. Trotz aller Gerüch­te, die durch das Inter­net wabern, ist die Blausäu­re in den Kernen nicht ungesund. Damit ein gefähr­li­cher Anteil an Blausäu­re im Körper umgewan­delt wird, müsste man schon einen komplet­ten Baum leeressen. Ungesun­der ist es da schon unrei­fe Äpfel zu essen. Also, im Rahmen der Nachhal­tig­keit, der Butza muass weg, der Stiel darf übrigbleiben.

Famos.

Im 16. Jahrhun­dert von latei­nisch famōsus‎ „viel bespro­chen“, „berühmt“, „berüch­tigt“ entlehnt und im 19. Jahrhun­dert unter Einfluss von franzö­sisch fameux‎ „berühmt“ mit der heuti­gen Bedeu­tung „präch­tig, großar­tig“ verse­hen, laut Duden in diesem Sinne ein Studen­ten­wort und damit Teil der Jugend­spra­che des 19. Jahrhunderts.

Fei.

Das ist ein Wort, zu dem man als Reigschmeck­ter nicht lernen kann, wann’s passt und wann et. Als Schwo­ab woiß mr des oifach und rate dem Unkun­di­gen: „Passet se fei auf, wenn se halt in Gott’s Nama schwä­bisch schwätza wellet.“ Also lieber Leser – pass fei bloß auf.

Fernseh­an­sa­ge­rin.

Ihr Haupt­zweck der frühen Fernseh­zeit war die Überbrü­ckung des Umschalt­vor­gangs von einem Fernseh­sen­der zu einem anderen, der mindes­tens 5 Minuten dauer­te. Während dieser Zeit verla­sen sie das nachfol­gen­de Fernseh­pro­gramm (Programm­mo­de­ra­ti­on). Überwie­gend handel­te es sich um Fernseh­an­sa­ge­rin­nen, deren Aufga­be in der so genann­ten Anmode­ra­ti­on bestand. Zu den Fernseh­an­sa­ge­rin­nen und ‑ansagern der ersten Stunde gehör­ten unter anderen Annet­te von Aretin, Dagmar Bergmeis­ter, Claudia Doren, Ingrid Ernest, Annelie­se Fleyen­schmidt, Elfi von Kalck­reuth, Ruth Kappelsber­ger, Irene Koss, Sonja Kurow­sky, Ursula von Manes­cul, Mady Manstein, Hilde Nocker, Birgit Schro­wan­ge, Dénes Törzs oder Victo­ria Voncam­pe. Als weltweit erste Fernseh­an­sa­ge­rin gilt Ursula Patzschke-Beutel, die am 22. März 1935 ihre Fernseh­an­sa­ge mit den Worten begann: „Achtung, Achtung! Fernseh­sen­der Paul Nipkow. Wir begrü­ßen alle Volks­ge­nos­sen und Volks­ge­nos­sin­nen in den Fernseh­stu­ben Großber­lins mit dem deutschen Gruß „Heil Hitler!“. Mit der Anmode­ra­ti­on der Sendung „Dinner for One“ durch Dénes Törzs endete am 31. Dezem­ber 2004 die Ära der Fernseh­an­sa­ger des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks.

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Ehema­li­ge berühmt Fernseh­an­sa­ge­rin­nen (v.l.n.r.) Ursula von Manes­cul, Irene Koss und Dagmar Bergmeister 

Fetz.

Ein solcher Begriff ist ein Schimpf­wort – keine Frage – aber eines mit Anerken­nung. Ein Fetz isch a Lomp mit Pfiff oder Charme. Die Steige­rung ist der Granata­fetz. Thaddä­us Troll hat dieses Wort in seine Sammlung schwä­bi­scher Schimpf­wör­ter mit aufgenommen.

Fiddze­le.

In der Physik wurden schon viele kleine Teile entdeckt. Das kleins­te unteil­ba­re scheint wohl oberfläch­lich betrach­tet das Atom zu sein. Aber da wurden die Schwa­ben noch nicht gefragt und deren kleins­tes Teil ist eindeu­tig das Fiddzele.

Firle­fanz.

Für mich auch ein lautlich schönes Wort. Wie so oft geht auch das Franzö­si­sche zurück „firlei“. Es handel­te sich dabei um einen Tanz, bei dem aller­lei Blödsinn gemacht wurde. Und da dieser Tanz damals als anstö­ßig galt, war er schlicht­weg überflüs­si­ger Firlefanz.

Fräulein.

Und da stellt sich sofort die Frage, warum es keine Herrlein gab. Fräulein war bis in die 1970er-Jahre hinein die förmli­che Anrede für unver­hei­ra­te­te Frauen, unabhän­gig von ihrem Alter. Die Frauen­be­we­gung kriti­sier­te die Verklei­ne­rungs­form „Fräulein“. 1972 verfüg­te das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um, dass in Bundes­be­hör­den erwach­se­ne weibli­che Perso­nen mit „Frau“ anzuspre­chen seien.

Die US-Besat­zer kreierten dann ihr „Froll­ein Froll­ein“ und Chris Howland (Mr. Pumper­ni­ckel) sang 1958 von einem „Fraulein“.

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Chris Howland sang 1958 vom „Fraulein“ 

Früher galt die Anrede Fräulein vor allem für berufs­tä­ti­ge Frauen (z. B. Angestell­te in Waren­häu­sern, Kellne­rin­nen und Lehre­rin­nen), da weibli­che Berufs­tä­tig­keit damals noch strikt auf die Zeit vor der Ehe beschränkt war und davon auszu­ge­hen war, dass keine Frauen arbei­ten gehen, sondern nur Fräuleins.

Der Todes­stoß für das Fräulein kam sicher auch, weil die Doppel­an­re­de Frau – Fräulein nichts anderes war als die offizi­el­le Eintei­lung und Wertung des ganzen weibli­chen Geschlechts nach seiner erklär­ten Bezie­hung zum Manne. Der Perso­nen­stand ist beim Mann Privat­an­ge­le­gen­heit, bei der Frau aber Gegen­stand öffent­li­chen Interesses.

Auch bei Goethe (war eh klar) findet man einiges zum Thema Fräulein:

Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutra­gen?
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungelei­tet nach Hause gehn.
Denk, Kind, um alles in der Welt!
Der Herr dich für ein Fräulein hält.

Galoschen.

Ganz korrekt sind das Überschu­he, die zum Schutz der eigent­li­chen Schuhe bei Bedarf über diese gestreift werden. Da sie meist aus Gummi bestehen, ist das An- und Auszie­hen aufgrund des elasti­schen Materi­als leicht. In der Umgangs­spra­che war damit aber gemeint: „Was trägst du denn da für abgetra­ge­ne und ausge­latsch­te Schuhe“? Hast du nichts Besse­res? 

Gaudscha.

Gaudsch et so, sonscht hagelsch na – hörte ich oft aus Vatis Mund, wenn ich am Tisch sitzend, auf den zwei Hinter­bei­nen des Stuhls jonglier­te. Der berühm­tes­te Gaudscher der Litera­tur­ge­schich­te ist der Zappel­phil­ipp aus dem Struwelpeter.

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Der Zappel-Philipp aus dem Struwel­pe­ter (Archiv Müller)

Gammler.

Der Ursprung ist ein völlig anderer. Gammeln bedeu­tet alt werden und was zu alt wird, isch vergam­melt. In den 50ern und 60ern änder­te sich der Sinn in „langsam sein und faul rumhän­gen“. Und weil all diese Langhaa­ri­gen in ihren Jeans und ihrem grünen Parka irgend­wo rumhäng­ten, nannte man sie flux „Gammler“; die keine Einstel­lung zu Arbeit hatten und sich oft anhören mussten „Des hätts beim Hitler et gäbba.“ Heute gammelt man nicht, heute hängt man ab oder chilled…..

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Gammler in Deutsch­land – Auch ein Thema für den „Spiegel“ 

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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