Die Regio­na­le Verbindungsschnellstraße

Der 2. Weltkrieg war gerade ein paar Jahre vorbei. Die Währungs­re­form und der Hunger hatten die Menschen fest im Griff. Die Not war allgegenwärtig.

Oberkochen

Der Himmel auf Erden – a schlon­zi­ger Kardoffl-Salat

Der Schnei­ders-Done und sein Spezi Julius saßen nach Feier­abend öfters aufm Benkle, vorm Haus. Man redete über die Familie, über dieses und jenes, so auch über einen Schwei­ne­bra­ten mit Spätz­le und Soß und iibr Grombiera Salat (hochdeutsch Kartof­fel­sa­lat), auf den man schon viele Jahre verzich­ten musste. Der Done fing plötz­lich an, über alle vier Backen vor sich hin zu grinsen. Da ist ihm wohl eine zünden­de Idee gekommen.

Elemen­ta­rer Einschub.

Der Schwä­bi­sche Kartof­fel-Salat bzw. Grombiera Salat ist die Univer­sal-Waffe der schwä­bi­schen Küche. Er schmeckt uns immer und ist klassi­sche Beila­ge zu vielen Gerich­ten. Dr beschte kommt eindeu­tig ausm „Pfluag“ oder „vom Hätte­re“. Und die beste Kartof­fel, die man dazu nehmen sollte (das ist meine persön­li­che Meinung), ist die Sorte „Belana“. Wie muss er sein? Schön schlon­zig und eindeu­tig ohne Mayo!!! Und anderem Firlefanz.

Am darauf­fol­gen­den Wochen­en­de marschier­te der Done mutter­see­len­al­lein in aller Herrgotts­frü­he, es war noch dunkel, in Richtung „Hinte­res Härts­feld“. Im „Vorde­ren Härts­feld“ konnte er sein Vorha­ben nicht durch­füh­ren, denn da war er ja bekannt. (Diese Entfer­nun­gen schaf­fen manche heute nicht mal mit dem E‑Bike :-)).

Fast an der Grenze zum Ries angekom­men, stand ein großer, etwas einsam gelege­ner Bauern­hof. Das war der richti­ge Ort. Er beobach­te­te aus siche­rer Entfer­nung was sich so auf dem Bauern­hof so tat und wie sich der Bauer benahm. Fürs erste war er mit sich und seiner Beobach­tung zufrie­den und so marschier­te er wieder in Richtung Heimat nach Oberkochen.

Done und Julius saßen ein paar Tage später wieder auf dem Benkle und heckten mitein­an­der einen gemein­sa­men Schlacht­plan aus. Julius war gleich so begeis­tert und wollte vor lauter Eupho­rie am liebs­ten gleich losmarschieren.

Der Schnei­ders-Done, (obwohl er Schnei­der­meis­ter war, wie auch sein Bruder Josef) arbei­te­te damals bei den Geome­tern als Unter­gän­ger. Als solcher und ranghö­her als der Messge­hil­fe durfte er die Messge­rä­te wie Kreuz­schei­be, Nivel­lier etc. bedie­nen und auch Messun­gen durchführen.

Nun kam die Stunde X. Schwer beladen mit Kreuz­schei­be, einem geome­tri­schen Messge­rät der damali­gen Zeit, eine Art Nivel­lier, große Messlat­te, einem Arm voller kleiner mit roter Farbe angestri­che­ner Pfähle und einem großen Holzschle­gel, nicht zu verges­sen, eine Art Staffe­lei, denn es musste ja alles genau aufge­zeich­net werden. So zog man mit einem kleinen Leiter­wa­gen in Richtung „Hinte­res Härtsfeld“.

Zum Julius sagte er noch einmal eindring­lich, dass, wenn man beim Bauern sei, er absolut sei Gosch halta soll, denn verhan­deln würde er selbst.

Verschwitzt, aber froh, dass alles so gut gelau­fen war, kamen die beiden am nahege­le­ge­nen Waldrand an. Der Hof lag noch ruhig in der Landschaft. Es war keine Menschen­see­le zu sehen. Nur ab und zu krähte mal ein Gockel.

Done und Julius holten inzwi­schen ihr Handwerks­zeug vom Leiter­wa­gen und warte­ten. Plötz­lich erklang vom Hof her Hunde­ge­bell und der Bauer, mit einer Mistga­bel bewaff­net, trat aus dem Stall heraus in den Hof. Der Done schau­te den Julius an und sagte: „Jul, jatzt gildets, du woisch was zom doa hascht, also los jetzt.“ Julius bewaff­net mit Pfählen, Schle­gel und Messlat­te, schritt langsam in Richtung Bauern­hof. Done hatte sein Nivel­lier gesetzt und dirigier­te lauthals schrei­end seine Befeh­le. „Links, links, guat – Pfaohl. Auf Befehl Dones setzte Julius seinen Pfahl in die Erde. So kam man langsam und mit lauten Worten an den Bauern­hof heran.

Durch die komman­do­ar­ti­gen Befeh­le neugie­rig gewor­den, kam der Bauer auf Julius zu und fragte was dies alles zu bedeu­ten habe. „Des muascht scho da Vermes­sungs-Oberin­schi­neer froaga, i wois des net, i woes bloß, daß doa a Schnell­ver­ben­dungs­stro­aß odr so ebbas ehnlichs na komma soll“. Dem Bauern stock­te der Atem. Zwischen­zeit­lich war der Done mit seinem Nivel­lier­ge­rät beim Julius und dem Bauern angekom­men. „Was dean dr denn dao vrmes­sa?“, wollte der Bauer wissen. Der Done gab keine Antwort, er murmel­te nur ganz geistes­ab­we­send und dabei den Bauern anschau­end „oh herrje, Bauer, ewig schad om dean schea­na Hof“.

Der Bauer wurde schlag­ar­tig hellwach und forder­te vom „Vermes­sungs-Oberen­schi­nör“ eine klare Antwort. „Bauer“, sagte der Done „Bauer I sags ganz oogeera, doa kommt a nuia, broeda regio­na­le Verben­dungs­schnell­straoß von Ulm in Richtung Nördlen­ga na und dui laoft grad midda durch da Hof durch ond dui Riesa­misch­te kommt au weg“.

Der Bauer schau­te den Done an, wurde erst käsweis und dann gelb und grün im Gesicht, dann rannte er ins Haus zurück. Nach gerau­mer Zeit erschien er wieder auf dem Hof, dieses Mal mit seinem angetrau­ten Weib. Der Done sagte zum Julius ganz leise „Jul, jatzt fangts a“. Es begann die große Diskus­si­on, auf die der Done nur gewar­tet hatte. „Ob man nicht so eine kleine Kurve nae maola, also einzeich­nen kennt“, meinte der Bauer. Er würde sich auch erkennt­lich zeigen. Tief bestürzt schau­te der Done den Bauern an und meinte todernst „bischt du denn verrickt, woischt du eigent­lich was du von mir verlang­scht, wenn des raus kommt, komm I für zea Jaohr ens Zuchthaus“.

Nun herrsch­te großes Schwei­gen in der Runde. Der Done hatte als erster wieder die Situa­ti­on in der Hand. Er zog den Bauer am Hemds­är­mel zur Seite. Ganz leise flüster­te er dem Bauern ins Ohr „Aognom­ma I dät a groaßa Kurv‘ om da ganza Hof nae maola, was dät nao bei dr raussprenga?“. Darauf der Bauer „I dät glatt­weg a halba Sau schben­die­ra“. Der Done guckt den Bauern an und meint todernst „du moinscht doch a halba Sau für an jeda von oos“.

Der Bauer jammer­te, dass die beiden am liebs­ten mitge­jam­mert hätten. Der Done sagte recht laut und etwas barsch zum Bauern: „Bauer, mach was d‘witt, mir ischs egal, mei Hof ischs ett“ und gab dem Julius neue Befeh­le, wo er seine Pflöcke einschla­gen solle.

„Herrgotts­donn­dr“, meinte der Bauer „ka ma nemme mitanan­dr schwätza“? „Also guat“ meinte der Done: „I ha mrs iibrlegt, guat, zwoi halbe Säi ond die Stroaß lauft weit am Hof vrbei“. Der Done und der Bauer reich­ten sich die Hände und schlu­gen dreimal ein und der Sauhan­del war perfekt. „iiber­mor­ga um d‘ gleich‘ Zeit komm I ond hol die zwoi halbe Säu ond vergiß mer ja net dia Innereie“. Gesagt, getan, Done und Julius packten ihre Mess-Utensi­li­en zusam­men, zogen ihre Pflöcke aus dem Boden und marschier­ten wieder zurück in Richtung Wald, wo man den Leiter­wa­gen bepack­te und ab gings zurück nach Oberkochen.

Zwei Tage später erschien der Vermes­sungs-Oberen­schi­neer mit seinem Messge­hil­fen und einem Leiter­wa­gen, um die zwei verspro­che­nen halben Säue zu holen. Man lud sie alsbald auf und die beiden ganzen Kerle verschwan­den mit den beiden halben Säuen alsbald.

Doch vor dem Nachhau­se­marsch ermahn­te der Done den Bauer noch einmal inbrüns­tig d‘ Gosch zum halda. Wenn nicht, käme die Straße doch noch durch den Hof „ond zuadem, azenda dua I da Hof au no.“ Der Bauer hielt sein Wort und sprach zu keiner Menschen­see­le ein Wort.

Auch der Done und der Julius hielten beide ihr gegebe­nes Ehren­wort. Die regio­na­le Verbin­dungs­schnell­stra­ße von Ulm nach Nördlin­gen wurde nie gebaut. Der Bauer war glück­se­lig seinen Hof zu behal­ten. Und zwei Famili­en hatten in dieser schlim­men Zeit doch einige Monate etwas zum Essen.

Wer soll au dess glauba? Ha, wann‘s dr Murxle vrzeehlt – woiß ma‘s? Je unwahr­schein­li­cher eine Geschich­te klingt, umso wahrer wird sie wohl sein.

Dr Amnesch­tie Schliggr

Diese Begeben­heit hatte sich Mitte der ersten Hälfte der 1930er Jahre zugetra­gen. Wieder einmal saß der Schnei­ders Done mit seinem Spezl Josef auf der Bank vor dem Haus, tranken ein paar Gläschen Most. Und im Laufe des Abends wurden es ein paar mehr.

Sie sprachen über die Hühner- und Hasen­zucht und Josef stell­te fest, dass er einen neuen Rammler brauche. Woher nehmen und nicht stehlen? Geld hatte keiner von beiden. Sie saßen lange da, es fing langsam zu dämmern an und sie triel­ten so vor sich hin.

Oberkochen

Klein­vieh macht auch Mist, aber mr hat au oigns Floisch aufm Deller (Archiv Müller)

Plötz­lich zieht Josef lautstark die Nase hoch, schaut den Done so von der Seite an und meint: „Done, schmeckscht nex“? „Scho lang“ meinte der Done, stand auf, um zu sehen, wo der Duft von frisch­ge­ba­cke­nem Brot herkam. Er wurde gleich fündig und sah einige Laibe frisch­ge­ba­cke­nes Brot in einem Netz an der Türen­klin­ke hängen. „Mein Gott“, sagte der Done, „a Stick­le nuibachigs Brot ond a bissle Schmalz drauf, oder gar a Griabaschmalz, Josef, des wär‘s“. Die beiden schau­ten einan­der an und sagten nichts. Josef ergriff als erster das Wort und meinte: „Done, des gatt ett, des ischt doch mei Naochbr“. „Ach was“ meinte der Done „der isch reicher wia mir zwoi mitnan­der, zom Essa hat‘r au gnuag und s’Mehl isch em Iiber­fluß dao“.

Beflü­gelt durch die paar Krüge Most stand der Done auf, überquer­te Hof und Straße in Richtung Brotlai­be. Josef wollte doch auch was von dem Brot, stand auf und marschier­te dem Done hinter­drein. Es ging alles ruck-zuck, der Brotlaib war aus dem Netz heraus­ge­sprun­gen und unterm Kittel verschwun­den. Sie trotte­ten so ganz langsam, leger, halt so richtig ungezwun­gen in Richtung Kocher­brü­cke, blieben am Gelän­der stehen und schau­ten wie gelang­weilt ins Wasser, so als ob nichts gewesen wäre.

Plötz­lich bekam der Done richti­ge Stiel­au­gen und meinte zum Josef „Guck no dao na, a Spätheim­keh­rer“. Josef drehte sich nach allen Seiten um sah aber nieman­den. „I sieh neamad“. Dr Done meinte etwas leise sprechend „Du Sembl, dao guck na, a Schlig­ger, der isch auf am Hoimweg, heut isch‘r halt a bissle spät dra“, ging vom Gelän­der weg und setzte sich neben der Brücke ans Koche­ru­fer. Er griff mit der rechten Hand unter seinen Kittel, zupfte ein paar kleine Brocken vom Brot ab und warf immer etwas in Richtung Schlig­ger. Dieser nahm die Brocken wohlwol­lend an und kam immer etwas näher auf den Done zu. Ein schönes Stück vom Brot legte er neben sich, was der Schlig­ger dann auch sah. Noch zwei oder drei kleine Schrit­te und der Schlig­ger war mit seinem langge­streck­ten Hals am Brot, um es zu fressen. Das hätte er lieber nicht tun sollen. Kaum war der Schna­bel am Brot war auch der Done schon am Hals des Schlig­gers. Der kam nicht einmal mehr zum Schrei­en, da war ihm schon der Hals umgedreht. Der Done stand ganz gemüt­lich auf, schau­te umher, ob auch niemand etwas bemerkt hatte, hielt sein Brot unter seinem Kittel fest und schlen­der­te langsam zum Bänkle zurück, wo noch ein halber Krug Most stand. Ein paar Minuten später kam der Josef mit dem Schlig­ger unterm Kittel und fluch­te gotts­jäm­mer­lich. Hat ihm doch der Schlig­ger bei seinem Ableben noch einmal kräftig ins Hemd geschis­sen. Trotz­dem, man macht es so wie es sich unter Freun­den gehört: Man machte halbe-halbe und teilte ehrlich.

So vergin­gen einige Tage, das Brot und auch der Schlig­ger waren schon eine Woche geges­sen, da kam der Landjä­ger (Dorfpo­li­zist) zu beiden ins Haus mit einer Straf­an­zei­ge wegen Diebstahls. Josef fing an zu jammern und sakrisch zu fluchen. „Des ka ja doch net sae, mir hent doch genau guckt ond koe Sau gsea, i mecht bloß wissa wer oao dao azoegt hat“? Großes Rätsel­ra­ten, es ist bis heute noch nicht ans Tages­licht gekom­men wer der oder die Anzei­ger waren.

Man berat­schlag­te und besprach sich, wie und was man vor Gericht sagen oder nicht sagen solle.

Eine Woche später überbrach­te dann der Landjä­ger höchst­per­sön­lich beiden den Gerichts­ter­min. Es war der 30. Juli 1934 morgens um 10.00 Uhr in Aalen auf dem Amtsge­richt. Die Ankla­ge laute­te auf „Diebstahl von einem Laib Brot und einer Zucht­en­te“ (Erpel). Der Done meinte, dass der Gerichts­ter­min gar nicht so schlecht wäre, denn der Hinden­burg … weiter kam der Done im Gespräch nicht. „Was gatt denn mii dr Hende­burg a, dia ganze Wasser­ke­pf dao doba, dia hant doch seiner Lebtag no nia an Duurscht oder Honger glitta, I blädier auf Mundraub – Schluß-Aus. Der Josef ließ nicht mit sich reden, egal was der Done ihm auch immer sagen wollte. Der Done sagte immer und immer wieder „Josef, i gibs zua ond du sottasch s au zuage­ba, woischt dr Hende­burg.“ Josef hörte nur den Namen Hinden­burg und schon fing er an zu toben und das konnte er wie kein anderer.

Freitag, der 30. Juli 1934, der Tag des Gerichts war gekom­men. Josef und der Done marschier­ten von Oberko­chen einträch­tig neben­ein­an­der nach Aalen aufs Amtsge­richt – denn Geld für die Bahnfahrt hatte keiner von beiden. Die paar Pfenni­ge, die man hatte, brauch­te man ja für den Rückmarsch. Es könnte ja sein, dass der Durst die beiden überman­nen würde und dann müssten die beiden im „Schüt­zen“ in Unter­ko­chen einkeh­ren, um evtl. ein Gläschen Bier zu trinken. Nun standen die beiden vor dem Richter am Amtsge­richt. Die Ankla­ge­schrift wurde ihnen vorge­le­sen und laute­te wie folgt: Diebstahl von einem Laib Brot und einer Zucht­en­te, einem Erpel. Die anderen Richter standen stramm hinterm Podium und verzo­gen keine Miene.

Der Richter fragte, ob sie PG (Partei­ge­nos­sen) wären, was beide vernein­ten. So kam es wie es kommen musste. Der Done gab alles zu und verwies aber immer wieder auf den Hunger und die Not. Der Josef stritt alles ab und plädier­te immer und immer wieder auf den Paragra­phen des Mundrau­bes. Es half alles nichts. Beide Angeklag­ten wurden zu einer kleinen Haftstra­fe verurteilt.

Der Richter fragte jeden, ob er die Strafe anneh­me oder nicht. „Jawohl Herr Richter“ schrie der Done lauthals. „Nein Herr Richter“ schrie der Josef „Ich gehe in die Berufung“. Der Richter hörte beide an, verab­schie­de­te sich von beiden und meinte: „Ihr zwei werdet noch von mir hören“ und schick­te sie aus dem Gerichts­saal. Sie marschier­ten gemein­sam wieder nach Oberko­chen und redeten kein Wort mehr über das Geschehene.

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Der alte Hindenburg

Am Donners­tag, den 2. August 1934 starb der General­feld­mar­schall und Reichs­prä­si­dent Paul von Hinden­burg. Der Done jubelt inner­lich, denn lt. Gesetz fallen bei so einem Fall alle kleinen Strafen und Verge­hen unters Amnes­tie-Gesetz. Allen recht­mä­ßig Verur­teil­ten wird in der Regel in so einem Fall die Strafe erlas­sen und sie werden begnadigt.

Und so kam es, dass der Done nun ein straf­lo­ser, freier Mann war und seine Strafe nicht absit­zen musste. Der Josef aber musste einige Wochen später wieder vors Gericht, wo er eine kleine Strafe erhielt. Der Umfang der Strafe ist nicht bekannt. Nun beschwer­te Josef sich natür­lich beim Done, dass die Welt so ungerecht sei, denn beiden hätten dassel­be getan: Der Done sei freige­spro­chen, er aber bestraft worden.

„Woisch Josef“ sagte dann der Done, „I han doch de ganz Zeit sage wella, wega’m Hende­burg, dass der em Sterba ligt, abr du hascht me absolut et zu Wort komma lassa ond so ischs halt jatzt, woisch wama an Kriag gwenna will, derf ma scho zwischa nae amaol a kloina Schlacht verliera“.

Doch stolz war der Josef dennoch auf seine Untat. Die Schwanz­fe­der, welche er dem „Amnes­tie-Schlig­ger“ aus dem Birzel gerupft hatte, trug er viele Jahre stolz an seinem Hut.

Dr Pfarrer em Rausch

Des Schnei­ders Done kam abends, es war ein heißer Sommer­tag, verschwitzt und zammeg‘schafft hoim. Er arbei­te­te damals im Bäuerle-Sägewerk im Schwörz. Der Durscht war so gotts­all­mäch­tig, dass man ums Trinken einfach nicht herum­kam. Er hatte schon einen kleinen Steber, a klois Reisch­le halt.

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Das alte Rathaus – rechts geht’s zur „Grub“ nauf (Archiv Müller)

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Das ganz alte Rathaus mit Blick Richtung Süden (Archiv Müller)

Mit schwe­ren Schrit­ten stapf­te er durchs Dorf, wo er beim alten Rathaus die Straße überquer­te. Dort kam ihm der Dorfpfar­rer entge­gen. Gottes­fürch­tig wie er war, riss er seinen verstaub­ten Hut vom Kopf und grüßte den Pfarrer mit einer kleinen Verbeu­gung recht freund­lich. Er wollte die Garten­stra­ße hochlau­fen, weil das der kürzes­te Weg nach Hause war. Er wohnte in der Sperber­stra­ße, einen Stein­wurf weg von der alten „Sonne“ des Wirtes und Metzger­meis­ters Alois Betz. Aber da konnte er nicht einkeh­ren, denn seine Ehefrau, die Anna, hatte alle Fenster in Beschlag genom­men und wusste wer in der Sonne aus- und einging. Also musste er sein Bier woanders trinken. Doch wie er am alten Rathaus vorbei­mar­schier­te, bekam er einen ganz hohlen Magen. Es kündig­te sich doch tatsäch­lich so eine Art Schwä­che­an­fall an. Aber da war ja die „Grube“ nicht weit. Mit letzter Kraft schlepp­te er sich noch in die „Grube“ an den Stamm­tisch, wo er schwer schnau­fend, einen Magen­schnaps und ein Bier bestel­le. Der Done erhol­te sich sehr schnell von seinem Schwä­che­an­fall und so kam eine Runde nach der anderen dazu und dabei wurde recht laut und lebhaft über Gott und die Welt diskutiert.

Plötz­lich wurde der Done etwas ernster, kniff seine Augen zusam­men und sagte todernst: „Leit, stellat uich vor, I han da Pfarr‘ em Rausch gsea“. Großes Schwei­gen, man hätte eine Steck­na­del fallen hören. Der Done bekräf­tig­te nochmals seine Aussa­ge, dass er den Pfarrer im Rausch gesehen häbe. Entrüs­tet äußer­ten sich einige Bauern und auch andere Gäste. Damit es auch jeder mitbe­kam, hatte der Done seine Wahrneh­mung im Dorf nun überall herumerzählt.

Es kam wie es kommen musste, das Schick­sal nahm seinen Lauf. Ein paar Tage später flatter­te dem Schnei­ders Done eine safti­ge Anzei­ge wegen „Übler Verleum­dung einer „Geist­li­chen Person“ ins Haus mit gleich­zei­ti­gem Gerichtstermin.

Sauber gerich­tet, gestrie­gelt, gebügelt und glatt rasiert erschien der Schnei­ders Done vor Gericht. Er wusste ja mittler­wei­le den Weg auswen­dig. Der Richter muster­te ihn von oben nach unten und von unten nach oben. Wahrschein­lich wollte er ihm etwas Respekt einflö­ßen, was ihm aber nicht so richtig gelang.

Man kam zur Vorle­sung der Perso­na­li­en: Anton Fischer, Oberko­chen etc. – etc. – etc., so ging es weiter bis zur Berufsbezeichnung.

„Ihr Beruf“, wollte der Richter wissen. Der Done schlug die Hacken zusam­men, dass es nur so krach­te, nahm dabei Grund­stel­lung ein und sagte: „Herr Richter, von Berufs wegen bin ich Vorar­bei­ter und Hochstap­ler“. Dem Richter fiel beina­he der Zwicker von der Nase und er wieder­hol­te seine Frage. Immer noch in Grund­stel­lung (der Done hat es ja bei der Wehrmacht gelernt, schließ­lich war er schon zweimal Feldwe­bel) gewesen. „Herr Richter“, sagte der Done „I bee Vorar­beitr und Hochstap­ler“. Schließ­lich fragte der Richter ihn nach seiner Tätig­keit. Der Done sprach wie er es beim Militär gelernt hatte – kurz, laut, klar und deutlich: „Herr Richter, I schaff em Sägwerk, ganz vorna danna und dao duane Brietr hochstap­le“. So waren die Perso­na­li­en endlich geklärt und es kam zum Anklagepunkt.

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Das alte Bäuerle-Sägewerk (gegen­über Haus „Mannes“) brauch­te Platz – die Kapel­le musste weichen (Archiv Müller)

Stimmt es, fragte der Richter: „Sie hätten gesagt, den Herrn Hochwür­den, den Herrn Pfarrer im Rausch gesehen zu haben?“ – „Jawoll Herr Richter, so war’s ond dao kann i drauf schweera“.

Der Done beschwör­te immer und immer wieder den Richter, dass er den Pfarrer „em Rausch“ gesehen habe. Diese Hartnä­ckig­keit machte den Richter stutzig. Er war ein alter erfah­re­ner Jurist und dachte scharf nach. Plötz­lich stand er von seinem Stuhl auf und beorder­te den Schnei­ders Done zu sich ans Pult. Der Done zackig und in Grund­stel­lung stand nun direkt vor dem Richter.

„Herr Fischer, ich frage sie, wer von euch zwei beiden, der Pfarrer und sie, wer hat nun den Rausch gehabt?“ Der Done kniff wieder seine spitz­bü­bi­schen Augen zusam­men und sagte: „Herr Richter da Rausch hann doch i ghett“. Der Richter konnte sich ein Grinsen nicht verknei­fen, stand auf und meinte, dass sich das hohe Gericht zur Beratung zurückziehe.

Nach einer Viertel­stun­de kam das hohe Gericht zum Urteils­spruch: „Freispruch wegen erwie­se­ner Unschuld“. Die Gerichts­kos­ten gingen zu Lasten der Staatskasse.

Der Done schmun­zel­te schel­misch vor sich hin und dachte sich: Wieder eine Schlacht gewonnen.

Schwarz­pul­ver

In Oberko­chen gibt es seit mehre­ren Jahrhun­der­ten Famili­en-Namen die mehrfach, ja dutzend­fach vorkom­men. In meiner Geschich­te geht es um den Johan­nes Hug (Spatza-Hans) und den Micha­el Gold (Marksa-Michl). Die oben genann­ten Perso­nen waren Nachbarn und wohnten Haus an Haus getrennt durch einen kleinen Vorplatz, der dem Marksa Michl gehörte.

Der Spatza-Hans war ein gebür­ti­ger Oberko­che­ner. Von Beruf war er Hafner und Landwirt. Auch der Marksa-Michl war ein gebür­ti­ger Oberko­che­ner. Von Beruf war er Landwirt und Oberholz­hau­er bei der Realge­nos­sen­schaft Oberko­chen. Zudem übte noch die Tätig­keit als Spreng­meis­ter aus.

Nachdem nun beide vorge­stellt wurden, wenden wir uns dem eigent­li­chen Thema zu, dem Schwarz­pul­ver zu und was es damit auf sich hat:

Viele Oberkoch­ner hatten in der damali­gen Zeit einen sog. „(Holz-)Schlag“. Der Marksa-Michl holte wie jedes Jahr sein Holz vom seinem „Schlag“ aus dem Wald, sägte und spalte­te es, um es anschlie­ßend auf dem Vorplatz vor seinem Haus fein säuber­lich aufzub­ei­gen. Das Holz war nun aufge­sta­pelt und der Winter konnte kommen.

Oberkochen

Eine etwas ungewöhn­li­che Holz-Beig

Der Marksa-Michl holte nun regel­mä­ßig einen Korb Holz zum Kochen und für eine warme Wohnung. Eines Tages merkte er, dass das Holz rapide abnahm, was ihn sehr verwun­der­te. Machte sich da jemand an seinem Holz zu schaf­fen? Da kam Kommis­sar Schnee ihm zu Hilfe. Als er eines Morgens aufstand und aus dem Haus ging sah er eine frische Spur im Schnee, welche direkt vom Holz, zu seinem Nachbarn, dem Spatza-Hans führte. Jetzt hatte er die Vermu­tung, dass sich jemand an seiner Holzbei­ge bedien­te. Da er noch nicht wusste, wer es war, kam er auf eine kurio­se Idee. Er bohrte einige Holzschei­te an, füllte sie bedäch­tig und hinge­bungs­voll mit Schwarz­pul­ver und stopf­te die Bohrlö­cher mit einem Holzpfrop­fen fein säuber­lich zu und misch­te sie wieder unter das gesta­pel­te Holz.

Von diesem Zeitpunkt an warte­te er, ob es in der Nachbar­schaft irgend­wo einen Knall gibt und ein Ofen in die Luft fliegt. Er musste nicht allzu lange warten, bis er den ersehn­ten Knall hörte und so war der Holzdieb schnell und effizi­ent ermit­telt. Wie zu erwar­ten knall­te es beim Nachbarn, dem Spatza Hans.

Nach dem Knall stopf­te der Marksa-Michl noch genüss­lich seine Pfeife und machte sich auf den Weg zum Spatza-Hans. Michl betrat die Küche des Nachbarn und sah das Malheur und war über sein Werk selbst erschro­cken, denn die Küche war total verrust und der Ofen samt Ofenrohr stand nicht mehr an der gewohn­ten Stelle, sondern lag in einer Ecke der Küche. Das Schwarz­pul­ver hatte seine Wirkung offen­sicht­lich reich entfaltet.

Der Marksa-Michl nahm seine Pfeife aus dem Mund sah dem Nachbar Johan­nes ins Gesicht und sagte ganz andäch­tig: „So Hannes­le, gell, du stiehlsch mir koi Holz meh?“

Anmer­kun­gen.

Dem „Murxle“, also dem Helmut Gold vom Dreiß­adal sei herzlich gedankt für die Überlas­sung der Geschich­ten. Und dem Hermann Metz, au ausm Dreiß­adal, wohnhaft in Breisach, danke ich für die schwä­bi­sche Überar­bei­tung des Oberkoch­ner Dialekts – er ist inzwi­schen, mit seinem Einver­ständ­nis, mein Dialekt­be­auf­trag­ter für das Oberkoch­ne­ri­sche und hilft mir in vieler­lei Dingen.

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Helmut „Murxle“ Gold (Archiv Schwäpo)

Kurz bemerkt (aus der Schwä­po vom 17.12.2019).

Hallo Murxle“, sagt man in Oberko­chen, wenn man Helmut Gold trifft. Helmut nennt ihn kaum einer. Einer seiner Vorfah­ren war Markus Gold, der Namens­ge­ber der „Golden­li­nie“. In Oberko­chen gibt es sechs Linien „Gold“.

Die „Alt-Oberko­che­ner“ nannten Helmut Gold „Marks­le oder Märks­le“. „Letzt­end­lich hat irgend­ein Idiot „Murxle“ zu mir gesagt, erinnert sich Helmut Gold und lacht. Der Spitz­na­me, wohlge­merkt mit „x“ geschrie­ben, ist ihm bis heute geblieben.

PS:

Wer es nicht richtig lesen kann ja mal am Stamm­tisch in „dr Gruab“ vorbei­schau­en und Nachhil­fe­stun­den buchen – koscht halt zwoi Flascha Rotwein :-)“

Helmut Gold

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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