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Blick auf die B19 Richtung Königs­bronn (Archiv Müller)

Intro.

Wieso? War er mal nicht frei? Ja – und zwar seit Ende des 2. Weltkrie­ges bis ins Jahr 1961 war unser Hausberg von der US-Army besetzt. Konkret heißt das, dass Turm, Schutz­hüt­te und das Gebiet drum herum für die Öffent­lich­keit im Allge­mei­nen und die Oberkoch­ner im Beson­dern nicht zugäng­lich war. Das können sich die jungen Oberkoch­ner heute gar nicht mehr vorstel­len. Deshalb machen wir jetzt eine Reise in die Vergan­gen­heit, die einiges beleuch­ten und erklä­ren soll, warum unser Hausberg so wichtig für uns und unser seeli­sches Wohlsein ist.

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Die Männer des Turmbaus von 1929 (Archiv Müller)

Unsere Seele – der Hausberg. Tief in unserer Erinne­rung ist dieser Berg veran­kert mit all seinen Schön­hei­ten und Feinhei­ten und dem ganzen Drumher­um. Manches findet heute nicht mehr statt und ist nur noch Teil unserer Erinne­rung, aber anderes findet immer noch statt. Nachfol­gend eine kleine Aufzäh­lung was den Berg ausmach­te und tw. bis heute ausmacht:

  • Die Straße, die immer erwan­dert werden musste, wenn wir mit der Familie den Berg erklom­men. Das obere Dreißen­tal nahm aller­dings oft die kürze­ren und steile­ren Wege durch den Wald. Im Winter wurde sie zum Schlit­ten­fah­ren benutzt und es war eine helle Freude vom Holza-Hans aus bis zum alten Forst­haus (heute Polizei), möglichst in „Kette“ hinun­ter zu sausen und der Vorder­mann steuer­te wagemu­tig mit Schlitt­schu­hen (grenz­wer­tig – heuti­ge Eltern würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen).
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Ganz links die Volkmars­berg­stra­ße – ganz rechts oben der Turm (Archiv Müller)

  • Die Hütte vom Holza-Hans (heute Skihüt­te) mit dem Übungs­hang und der auch dort begin­nen­den Abfahrts­stre­cke bis in den Kessel hinun­ter. Erbaut wurde sie im Jahr 1959.
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Die Ski-Hütte vom Holza-Hans 1959 (Archiv Müller)

  • Der Turm, anfangs noch mit einem Kiosk, den die Familie Kopp betrieb. Vom Turm aus hatte man, beson­ders bei Fönwet­ter, grandio­se Fernbli­cke bis in die Alpen hinein.
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Das Kiosk von Emil Kopp neben dem Turm (Archiv Müller)

  • Die Schutz­hüt­te, die für Gesel­lig­keit stand und nach schnel­len Abfahr­ten und mühse­li­gen Aufstie­gen zum Aufwär­men diente. Ich erinne­re mich an die alten Herren, die dort ihre „Weiße Eule“ rauch­ten und ihr Vierte­le Trollin­ger schlotz­ten und irgend­wann zum Singen anfingen.
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Die erste Schutz­hüt­te von 1924 (Archiv Müller)

  • Die Felsen, die wunder­bar zum Klettern und Spielen einlu­den. Der Große hinter der Schutz­hüt­te, die Felsen­an­samm­lung neben der Schutz­hüt­te und die Felsen­grup­pe in der Kurve oberhalb des „Kessels“ (das war mein Spielplatz).
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Uralte Postkar­te mit Ansicht des alten Vermes­sungs­turms und der obliga­to­ri­schen Felsen (Archiv Müller)

  • Der „Runde Tisch“, der, im Gegen­satz zu den politi­schen, nun wirklich rund war. An ihm wurden so manche wichti­ge Dinge bespro­chen, so auch bei unseren Schulzeit-Treffen.
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Mein Schul­jahr­gang bei der tradi­tio­nel­len Berg-Wande­rung nach dem Schul­zeit-Treff (Archiv Müller)
Im Kreis v.l.n.r: Wolfgang „James“ Jacob, Chris­ti­ne „Tine“ Porzig, Arthur „Agge“ Grupp, Regina Strau­be-Pesek, Wilfried „Billie“ Müller, Ursula Leppelt (Gentner), Marion Stumpf (Triemer), Marion Seidl (Wöhner), Micha­el Ludwig, Chris­toph Stumpf, Gabi Warnet (Moser), Reinhold Kurz

  • Die Holzma­cher-Gruppe, wurde 1960 gegrün­det und war anfangs 13 Mann stark und ein Jahr später schon über 50. Nach dem Brand 1974 war die Truppe dann sehr gefragt. Für ihre Arbeit im Laufe der Jahrzehn­te wurde sie schon mehrfach ausge­zeich­net. Aber wie das heute in den Verei­nen in Zeiten der Indivi­dua­li­sie­rung, Digita­li­sie­rung und Ent-Solida­ri­sie­rung so ist, die Truppe besteht nur noch aus 6 Mann, welche die 70 überschrit­ten haben. Irgend­wann werden die Menschen merken, dass man auch noch analog und körper­lich etwas arbei­ten muss, ohne eine Antwort auf die Frage zu bekom­men „was hab‘ ich davon?“ Hier gilt abgelei­tet das alte Kenne­dy-Wort: „Frage nicht was das Land für dich tun kann, sondern was kannst du für das Land tun.“ So isch’s na au widr.
  • Auch Sonnwend­fei­ern wurden zwischen Hütte und Felsen gefeiert.
  • Ohne Zweifel gehört die Wachol­der­hei­de zum Berg wie das Eiweiß zum Dotter.
  • Der Übungs­hang, auf dem viele ihre ersten Ski-Versu­che unter­nah­men. Der Lift brach­te da eine deutli­che Erleich­te­rung und Verbes­se­rung. Unver­ges­sen auch die „Plastik­gug­gen-Rennen“, die es sogar ins Fernse­hen schafften.
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Den Waden nach könnte das der Eberhard Kolb sein (Archiv Müller)

  • Die erste Jugend-Sprung-Schan­ze wurde rechts vom Lift gebaut.
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Die Jugend-Schan­ze wird gebaut (Archiv Müller)

  • Das Kinder­fest auf der Wiese oberhalb des Ski-Lifts ist für die Älteren, die Alten und die ganz Alten ist der auf immer mit dem Kinder­fest alter Prägung verbun­den. Damit einher gehen auch die Erinne­run­gen an die alten Volks­lie­der „Geh‘ aus mein Herz und suche Freud‘“ sowie „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Manchen Zeitge­nos­sen werden da die Augen feucht, wie ich aus verläss­li­chen Quellen weiß. Es gab zwischen 1959 und 1979 insge­samt 14 Kinder­fes­te, die mit Umzügen die Volkmars­berg­stra­ße hinauf began­nen und mit den anschlie­ßen­den Feiern und der heute unglaub­lich anmuten­den Spielen auf der Wiese endeten.
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Kinder­fest: Lehrer Maikler umrahmt von Kindern, die auf das Lied „geh aus mein Herz….“ warten (Archiv Müller)

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Kinder­fest: Essen, rauchen, trinken, schwät­zen für die Alten (Archiv Müller)

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Kinder­fest: Lehrer Schmieg und Heller (?)umrahmt von Kindern, die auf die Anspra­che von Rektor Hagmann warten (Archiv Müller)

  • Eine Vielzahl von Wegen und Loipen (wenn sich denn mal ein richti­ger Winter einstellt) lädt zum Wandern, Langlau­fen, Nordic Walking und Radfah­ren ein.
  • Die Mutter­bu­che, der Baum der Bäume auf dem Berg. Leider inzwi­schen gestor­ben, ein paar Stümp­fe stehen noch herum und nur die Wissen­den haben eine Erinne­rung an diese schöne Baumgruppe.
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Die Mutter­bu­che in präch­ti­gem Zustand (Archiv Rathaus)

Und eines ist klar. Egal was die Planer im Tal sich ausden­ken mögen, auf dem Berg herrscht für immer und ewig die alte US-Regel „Off Limits“ – frei übersetzt „Hände weg – der Berg bleibt der Berg“.

Vorge­schich­te.

Es ist nicht leicht die Vorge­schich­te des Volkmars­ber­ges zu hinter­fra­gen. Sicher ist, dass es schon immer Wald- und Heide­flä­chen auf dem Berg gab, zur Nutzung durch die Oberko­che­ner Bauern und Bürger. Jeder Hof besaß ein Realrecht, bis es Mitte der 60iger Jahre des 19. Jahrhun­derts zum Streit kam. 1866 kam es dann zu einer Einigung und der Volkmars­berg samt seinen Wäldern und Weidflä­chen kam neben anderen Waldflä­chen in den Besitz der Gemein­de Oberko­chen, während die Bauern die Realge­nos­sen­schaft gründe­ten. Aus dem Buch „Vom Nutzungs­recht zum Waldbe­sitz“ von Chris­toph Schurr lesen wir:……„es bestehen 93 Antei­le oder Realrech­te, die heute im Besitz von 152 Realge­nos­sen sind (1986)“…..

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Der Turm mit der ersten Hütte (Archiv Müller)

Der alte Turm.

Im Jahr 1890 wurde vom Staat­li­chen Vermes­sungs­amt ein 11 Meter hoher Holzturm zu Mess- und Orien­tie­rungs­zwe­cken erbaut. 1897 wurde der Turm vom Schwä­bi­schen Albver­ein übernom­men, um 5 Meter auf nunmehr statt­li­che 16 Meter erhöht und am 27. Juni 1897 mit einem entspre­chen­den Fest einge­weiht. 1905 war die Pracht aber schon am Ende. Der Turm musste wegen Baufäl­lig­keit gesperrt werden und 1911 gab ihm ein kräfti­ger Sturm den Rest und zerleg­te ihn. Es kamen die Kriegs­jah­re und die schwe­re Zeit mit Infla­ti­on und Arbeits­lo­sig­keit und die Ortsgrup­pe des SAV verlor nahezu ihr gesam­tes Vermö­gen – an einen Wieder­auf­bau war daher nicht zu denken. Es gab aber Männer, die eine Vision für einen neuen Turm hatten. Einer davon war Fritz Leitz, ein Nachkom­me aus der 2. Genera­ti­on des Firmen­grün­ders Albert Leitz. Er war von 1921 bis 1934 Vorsit­zen­der der örtli­chen SAV-Gruppe. 1929 lagen Wünsche, Archi­tek­ten- und Finan­zie­rungs­plä­ne vor. Es gab Diskus­sio­nen über die Umset­zung und die Finan­zie­rung und nachdem sich alle geeinigt hatten, Fritz Leitz eine Art Vorfi­nan­zie­rung übernahm und sich die Gemein­de finan­zi­ell betei­lig­te, konnte es im gleichen Jahr losge­hen und am 1. Novem­ber waren die Rohbau­ar­bei­ten fertig. Anschlie­ßend ging es an die Innen­ar­bei­ten. Die Berghüt­te, die erste Vorgän­ge­rin der heuti­gen Schutz­hüt­te aus dem Jahr 1923 (Einwei­hung am 5. Okt 1924), diente den auswär­ti­gen Arbei­tern aus Ulm als Koch- und Schlaf­stät­te. Es wurde unter Betei­li­gung vieler Firmen hart und fleißig gearbeitet.

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Turmein­wei­hung 1930 mit großem Fest (Archiv Müller)

Eröff­nung.

Am 25. Mai 1930 war es dann so weit. Prof. Dr. Nägele, der Vorsit­zen­de des Schwä­bi­schen Albver­eins, eröff­ne­te die Feier­lich­kei­ten vor rund 4.000 anwesen­den Wande­rern und ab dem Tag darauf war er dann auch für die Öffent­lich­keit gegen eine Gebühr von 20 Pfennig (eine Brezel hat damals deutlich weniger gekos­tet) zugänglich.

Die Jahre danach

brach­ten gute Zeiten und schlech­te Zeiten. 1933 wurde der Bau der Volkmars­berg­stra­ße begon­nen. Danach war der Berg während der Zeit des 3. Reichs von der Wehrmacht besetzt. 1945 war dann „Schluss mit lustig“, die einge­rück­te US-Armee übernahm den Volkmars­berg, zäunte ihn großzü­gig ein und hielt ihn bis ins Jahr 1960 besetzt. (Meine Eltern verbo­ten mir damals bis zur Freiga­be allein auf den Berg zu gehen. Und so kam ich nicht in den Genuss von US-Schoko­la­de und Chewing-Gums.)

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„Off Limits“ Das einge­zäun­te besetz­te Gebiet durch die US-Army 1945 bis 1960 (Archiv Müller)

Didi Bantel auf Wanderung.

Ohne zu wissen, dass Oberko­chen ab 1962 seine neue Heimat werden würde, kam er 1960 mit seinem Bruder auf einer 14-tägigen Wande­rung von Spaichin­gen nach Aalen am Volkmars­berg vorbei und fand den Turm und die alte Hütte mit Stachel­draht abgesperrt vor – besetzt von der US-Army – und das 15 Jahre nach Kriegs­en­de. „Off limits“ stand da groß zu lesen. Die Oberkoch­ner waren darauf nicht gut zu sprechen und es bedurf­te eines langen Kampfes an vielen Fronten, bis die US-Army endlich abzog.

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Der „Entlas­sungs­schein“ für den „Berg“ von der US-Army vom 22. August 1960 (Archiv Müller)

Freiga­be unseres Hausberges

– die Besat­zer ziehen ab. Ab 1961 bekam die Bevöl­ke­rung „ihren Turm“ wieder zurück. Umgehend wurde mit einem Neubau der Schutz­hüt­te begon­nen, da die alte nach der Beset­zungs­zeit nicht mehr zu benut­zen war. Die Fertig­stel­lung erfolg­te 1962. Die Wande­rer hatten nun ein schönes Wander­ge­biet, einen Aussichts­turm und eine neue Schutz­hüt­te zur Verköstigung.

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1974 Die Flammen fressen die Schutz­hüt­te – ein Schock für alle Oberkoch­ner (Archiv Müller)

Der Brand.

1974 war die Schutz­hüt­te nur noch Schutt und Asche. Die Hütte brann­te infol­ge eines techni­schen Defek­tes am Geträn­ke­kühl­schrank vollstän­dig nieder, am Mittag des 9. Febru­ar standen nur noch die rauch­ge­schwärz­ten Umfas­sungs­mau­ern. War sie doch erst in über 4.000 Arbeits­stun­den frisch renoviert worden und dann so ein Schlag – da mussten sich viele erst Mal davon erholen. Aber der Verein schaff­te nahezu Unmög­li­ches. Nach über 9.000 Stunden Wieder­auf­bau­ar­beit konnte die Hütte, unter Aufbie­tung aller Kräfte, nach Plänen des hiesi­gen Archi­tek­ten Willi­bald Mannes und unter der Leitung von Erich Kolb und Horst „Eiche“ Eichen­topf, nach 5 Monaten wieder eröff­net werden. 1974 war das Jahr in dem die Hütte zweimal einge­weiht wurde.

»Das Unglück hatte den Verein schick­sal­haft getrof­fen«, schrieb Bürger­meis­ter Bosch, »die gesam­te Einwoh­ner­schaft nimmt daran Anteil und beglei­tet den Wieder­auf­bau jetzt schon mit ihren besten Wünschen«.

Vertrau­ens­mann Forst­di­rek­tor Schurr wandte sich mit einem Hilfe­ruf an die Öffent­lich­keit: »… Die alte Hütte ist vollkom­men verlo­ren, wir werden ganz neu begin­nen müssen. Schon heute ist aber sicher, dass wir unsere Hütte nicht aufge­ben, sondern so rasch als möglich in der alten Form wieder aufbau­en wollen. Dazu werden wir erneut viel Hilfe brauchen, Hilfe aus der ganzen Bürger­schaft und in jeder Form, als Mitar­beit, als Rat, als Spende. Es ergeht deshalb meine herzli­che Bitte an alle, die sich wie wir den Volkmars­berg nicht ohne Schutz­hüt­te vorstel­len können, sich am Wieder­auf­bau nach Kräften zu betei­li­gen.…« Wir werden mit altbe­währ­tem Geist eine neue Hütte bauen und aufs neue bewei­sen, was Gemein­sinn und zäher Wille bewir­ken können. »Mit diesem Appell wollen wir ans Werk gehen«.

Der wandern­de Bundespräsident.

Seine Amtszeit von 1979 bis 1984 ist nicht groß in Erinne­rung geblie­ben. Seine Wahl allein war schon ein Problem, da er früher Mitglied der NSDAP war. An seine Wander­lei­den­schaft erinnern sich jedoch noch viele. Auf 45 Tages­etap­pen, von Hohen­wacht an der Ostsee bis nach Garmisch-Parten­kir­chen, hat er Deutsch­land durch­wan­dert. Jedoch nicht allein, sondern immer im Tross und wo er hinkam, wurden natür­lich entspre­chen­de Aufwän­de betrie­ben, welche die Gemein­den bzw. die Steuer­zah­ler sicher einiges an Geld und perso­nel­lem Aufwand gekos­tet haben. In der Nachbe­trach­tung wirkt das ein wenig sonder­lich, zumal er darüber auch noch ein Buch mit dem Titel „Wande­run­gen in Deutsch­land“ geschrie­ben hat. Seine Wande­rung begann er mit den Worten:

„In der Tat wollen wir hier heute Morgen die Wande­rung begin­nen, die wir antre­ten, um ganz Deutsch­land bis zu den Alpen zu durch­wan­dern. Aller­dings in Etappen. Immer nur in drei Tagen. Also nicht, dass sie denken, ich werde in den nächs­ten zwei Monaten meine Amtsge­schäf­te aufge­ben und nur noch wandern. Das geht leider nicht.“

In Oberko­chen traf er dann 1981 ein. Er besuch­te den Turm und ca. 3.000 Mitwan­de­rer mussten mit Erbsen­ein­topf vom THW verkös­tigt werden.

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Ein Schüler­auf­satz zum Thema „Volkmars­berg“ (Archiv Müller)

Luitgard Hügle, eine liebe Freun­din aus Poggi­bon­si in der Toska­na hat ein paar Erinne­run­gen an ihren alten Hausberg aufgeschrieben:

„Eng mit meiner Heimat verbun­den ist der Volkmars­berg. Der Hausberg von Oberko­chen, „der Berg” schlecht­hin und einfach so genannt. Es gibt viele Wege auf den Berg: Über die Fahrstra­ße oder den Viehtrieb sowie über den Weingar­ten oder übers Wolfert­s­tal oder gar den weiten Weg über den Buchenwang.

Im Frühling gab es Anemo­nen und Leber­blüm­chen, Lungen­kraut, auch Hänsel und Gretel genannt, und natür­lich die wunder­ba­ren geschütz­ten Küchen­schel­len, die ganz haarig sind, um sich gegen die kalte Märzen­luft zu schüt­zen. Es kann lange noch recht kalt sein. An einem ersten Mai waren wir Kinder mit unserem Papa auf dem Volkmars­berg­turm. Es winde­te und schnei­te links und rechts quer, so dass man nichts sah und gerne gleich wieder runter stieg. Der Turm und die Hütte waren irgend­wie immer das Ziel. Beide stammen aus der Vorkriegs­zeit, waren aber bis in die 60iger von den Ameri­ka­nern besetzt und mit Stachel­draht umzäunt gewesen. Sie hatten den hohen Berg als Funksta­ti­on benützt.

Im Mai waren unter den Buchen riesi­ge Felder mit duften­dem Waldmeis­ter. Danach kam die Beeren­zeit: Walderd­bee­ren, Himbee­ren und auf einem Neben­sat­tel des Berges gab es eine große Heidel­beer­plat­te. Die Beeren schmeck­ten alle wunder­bar und es war herrlich in der herb duften­den Luft unter den Bäumen.

Aber das Beson­de­re am Berg war und ist die Wachol­der­hei­de. Mein Vater hatte sehr früh erkannt, dass sie nur erhal­ten bleiben würde, wenn man den „Aufschlag” ständig wegma­chen würde. Vor allem, nachdem keine Schafe mehr dort weide­ten, die alles wegfra­ßen, alles außer dem stache­li­gen Wachhol­der. Er verbrach­te jeden Sonntag und viele Abende im Wald, um zu arbei­ten und um wenigs­tens einen Weg durch die Wachhol­der­bü­sche freizu­hal­ten. Dieser Weg wurde später nach ihm „Paul-Grupp-Weg” genannt.

Bei seiner Arbeit hat er sich schon im Sommer „seinen” Christ­baum ausge­sucht. Es war zwar verbo­ten, aber für einen so „sterri­gen” Christ­baum beim Gärtner noch viel Geld bezah­len? Und so kam es, als er in einem Jahr nicht recht­zei­tig dazuge­kom­men war, sich seinen Christ­baum zu holen, dass dieser am Heili­gen Abend noch als Eisklum­pen im Zuber lag.

Im Herbst gab es die herrli­chen Silber­dis­teln auf dem Berg. Wenn die Blätter abfie­len, blieb ein Bürst­le übrig, mit dem man schön spielen konnte. Alle 4 Jahre gab es auch Buchele, Bucheckern. Die waren nach dem Krieg sehr begehrt, weil man Öl daraus pressen kann. Die Leute kamen von überall her, um Buchele zu sammeln. Einmal gingen wir mit meinem Vater tief hinein in den Wald. In einer Mapp, der Akten­ta­sche, hatte er zugeschnit­te­ne Hölzer und Nägel mitge­bracht. Er fällte zwei dünne Tannen­bäum­chen und machte daraus eine Leiter. Die ebenfalls mitge­brach­ten Decken breite­ten wir rings um die Buche aus, er stieg rauf und klopf­te mit dem Holzham­mer. Mit reicher Beute zogen wir heim. Trans­por­tiert wurde immer alles mit dem Leiter­wä­ge­le – einem Handwagen.

Dann gab es reich­lich Schle­hen und Hagebut­ten. Aus den Schle­hen machte man dicken Sirup, der schmeck­te köstlich zu Grieß­brei. Die Hagebut­ten wurden getrock­net und den ganzen Winter über gab es Kernles-Tee sowie Hagebut­ten- oder auch Wildrosentee.

Im Herbst wurde der Berg ein wunder­ba­res Märchen­land, wenn es fror, und wenn der Reif dick auf den Zweigen hing, wenn aus den trocke­nen Blättern zarte Eisge­bil­de wurden und die Spinn­net­ze dick weiß zwischen den Büschen hingen. Wenn’s dann endlich schnei­te, ging’s auf den Berg zum Skifah­ren. Meine Skier hatte Onkel Clemens gemacht, er war Schrei­ner und ich hatte zusehen dürfen, wie er die Spitzen gebogen und die Bindung aufge­schraubt hat. Die Stöcke dazu hat man bei Erwin Gold gekauft. Skikurs für die Kinder machte der „Schrei­ber­le”. Nach jeder Abfahrt musste man die Skier abschnal­len und geschul­tert wieder rauf tragen. Am schöns­ten waren die Skiwan­de­run­gen durch den verschnei­ten Wald, etwa zum Tauchen­wei­ler. Dort gab es ein Glas frische Milch und eine große Schei­be Bauern­brot mit dick Butter drauf, selbst gemach­te natür­lich. Die roch auch ganz inten­siv nach Butter. Wenn’s auf dem Heimweg schon dunkel wird, muss man sich an der leich­ten Helle zwischen den Bäumen orien­tie­ren. Und ab den Schibu­ckeln konnte man dann hinun­ter­fah­ren, zum Bremsen die Stöcke zwischen den Beinen….

Schön war der Winter, aber bald schon freuten wir uns aufs Frühjahr, wenn die Bächlein anschwol­len und die Schmalz­ka­cheln blühten.“

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In einem richti­gen Winter ein Traum in Weiß (Archiv Müller)

Wichti­ge Eckpfei­ler nach Datum waren:

1890 Errich­tung eins Messturmes.

1894 Mitglie­der­ver­zeich­nis: Weiger, Oberförs­ter (Vertrau­ens­mann), Bezler (Schult­heiß), Brecht (Pfarrer), Breiten­bach (Pfarrer), Bäuerle, Wilhelm (Bohrer­fa­bri­kant), Leitz, Albert (Bohrer­fa­bri­kant), Alison (Kaufmann), Ernst, Ludwig (Zimmer­meis­ter), Günther, G. (Fabri­kant), Wider (Pfarrer).

1897 erleb­te der Volkmars­berg einen Höhepunkt in der Albver­eins­ge­schich­te, er war Ziel der jährli­chen Festfahrt. Am 27. Juni 1897 brach­te ein Sonder­zug die Teilneh­mer in unsere Region. Schon in Unter­bö­bin­gen stieg der Haupt­teil der aus Stutt­gart kommen­den Wander­schar aus, »es mögen gegen 1000 Köpfe gewesen sein, darun­ter viele tapfe­re Damen«, um über den Rosen­stein, Lauter­burg und Tauchen­wei­ler zum Volkmars­berg zu marschieren.

1905 musste der Turm wegen Baufäl­lig­keit gesperrt werden.

1921 war die Gauwan­de­rung auf den Volkmars­berg der Höhepunkt, die am 12. Juni viele Mitglie­der benach­bar­ter Ortsgrup­pen auf den Volkmars­berg führte. »Unter Beglei­tung gefäl­li­ger Weisen führten sechs Damen und zwei Herren der Ortsgrup­pe unter Leitung von Frau Martha Leitz ein anmuti­ges Waldfeen­spiel in dufti­gen Schlei­ern und reizen­den Kostü­men auf«. Es war ein gelun­ge­nes Fest. Durch den Verkauf von Liebes­ga­ben konnten — wie Mager berich­te­te — »die hübsche Summe von 2000.- Mark dem Grund­stock für den Turmbau einver­leibt werden«.

1924, am 3. Oktober, wurde die Schutz­hüt­te unter reger Betei­li­gung auch benach­bar­ter Ortsgrup­pen einge­weiht. Den Bauplatz für die Hütte hatte der Oberko­che­ner Gemein­de­rat kosten­los zur Verfü­gung gestellt, Materi­al­spen­den der Gemein­de, der Forst­ver­wal­tung, Spenden und unent­gelt­li­che Arbeits­leis­tun­gen vieler Oberko­che­ner Handwer­ker und Albver­eins­mit­glie­der hatten schließ­lich in schwie­ri­gen Zeiten den Bau ermög­licht, zu dem wohl Vertrau­ens­mann Fritz Leitz das meiste geleis­tet und gespen­det hat.

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Ein Volks­tanz bei der feier­li­chen Einwei­hung des Turmes 1961 (Archiv Müller)

25. Mai 1930 wurde der Turm seiner Bestim­mung überge­ben. Bei herrli­chem Frühlings­wet­ter hatten sich etwa 4.000 Wande­rer auf dem Berg einge­fun­den, unter ihnen Wirtschafts­mi­nis­ter Dr. Maier von der württ. Staats­re­gie­rung. Die Oberko­che­ner Musik­ka­pel­le und der Gesang­ver­ein »Sänger­bund« umrahm­ten den Weihe­akt, bei dem 14 Redner das Wort ergriffen.

Im April 1933 begann der freiwil­li­ge Arbeits­dienst mit dem Bau der Volkmars­berg­stra­ße, der dann von Notstands­ar­bei­tern vollendet wurde. Die 1.365 m lange Straße wurde vom Dreißen­tal am links­sei­ti­gen Waldab­hang mit 10–12 % Steigung bis zur Wachol­der­hei­de geführt. Sie endete etwa 1 km vom Turm entfernt.

Am 11. Juli 1959 fand das erste Kinder­fest auf dem Volkmars­berg statt.

Auf den 24. August 1960 wurde die „Entlas­sungs­ur­kun­de“ der US-Army für den Volkmars­berg ausgestellt.

Am 10. Septem­ber 1960 wurde nach Abschluss der Renovie­rungs­ar­bei­ten der Turm in einer würdi­gen Feier­stun­de wieder seiner ursprüng­li­chen Bestim­mung übergeben.

Am 10. Septem­ber 1961 wurde der „Berg“ feier­lich freige­ge­ben. Mit Reden durch die Wichti­gen und Sanges­kunst durch den Männer­chor des Sänger­bun­des ergänzt um einige Heimat­chö­re. BM Gustav Bosch durfte dabei folgen­de VIPs in seiner Rede begrüßen:

  • Alt-Minis­ter­prä­si­dent Dr. Reinhold Maier
  • Alt-Bürger­meis­ter Richard Frank
  • Direk­tor Fahrbach als Vorsit­zen­den des Schwä­bi­schen Albvereins
  • Landrat a.D. Burkart als Ehren-Gauvorstand
  • Studi­en­diek­tor Schwarz aus Bopfin­gen als Gauobmann
  • Oberschul­rat Döllin­ger aus Heiden­heim als Gauobmann
  • Oberbür­ger­meis­ter Dr. Schübel aus Aalen

In seiner Rede erwähn­te Dr. Reinhold Maier eine Episo­de aus der Einwei­hung vom 25. Mai 1930, über die auch heute noch geschmun­zelt werden darf:

„Damals sei er mit dem Frühzug von Stutt­gart nach Schwä­bisch Gmünd gefah­ren. Mangels einer Busver­bin­dung, von dort aus mit der Taxe bis zum Furtlach­pass gefah­ren, um von dort aus auf den Volkmars­berg zu wandern. So weit so gut – Am Montag habe ihn dann ein Beamter des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums auf etwaige Ausga­ben angespro­chen und er habe ihm gesagt, dass außer 7 DM Taxi-Kosten nichts angefal­len sei. Der Beamte versi­cher­te ihm gegen­über, dass er sich für eine Erstat­tung einset­zen wolle. Leider kam er nach einiger zurück und erklär­te ihm, dass die Rückerstat­tung nicht möglich sei. Begrün­dung: Wer vom Furtlach­pass auf den Volkmars­berg wandern könne, dem sei auch das Stück von Gmünd aus zuzumu­ten. Geleb­te schwä­bi­sche Sparsam­keit – Herrlich.“

Kaum vorstell­bar, dass sich damali­ge Politi­ker die Taschen vollge­stopft hätten, wie das heute mitun­ter der Fall ist. (Es war nicht alles besser, aber manches schon – vor allem die Einstel­lung und der Respekt).

Am 21. Juli 1979 fand das letzte Kinder­fest am dem Volkmars­berg statt. Die meisten Lehrer waren wohl darüber nicht gerade traurig.

1980 zu seinem 50. Geburts­tags­fest war der Turm noch einmal mit einem Kosten­auf­wand von rund 80.000 DM gründ­lich renoviert worden, er hatte ein Kupfer­dach und neue Fenster erhal­ten, und das Turmst­üb­le war zu einem gemüt­li­chen Raum für die Jugend­grup­pe umgestal­tet worden. Mit einer Stern­wan­de­rung auf den Volkmars­berg begann am Himmel­fahrts­tag das Fest, zu dem sich im Laufe des Tages etwa 7.000 Wande­rer auf dem Berg versam­mel­ten, unter ihnen sogar einige Männer, die schon 1930 am Turmbau mitge­ar­bei­tet hatten.

1981 der überall wandern­de Bundes­prä­si­dent gab sich die Ehre.

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Bundes­prä­si­dent Karl Carstens – „The Wande­rer“ – zu Besuch (Archiv Müller)

1982 fand eine beson­de­re Sonnwend­fei­er statt, dieses Mal nach Art der schwe­di­schen Mittsom­mer­nacht mit der Musik- und Folklo­re­grup­pe »Bolle­bygds Spelmans­lag« und einem richti­gen Mittsommernachtsbaum.

1990 führte an Chris­ti Himmel­fahrt, aus Anlass des 60jährigen Bestehens, eine Stern­wan­de­rung von über 3.000 Wande­rern auf den Berg.

1991 fand das erste Montain-Bike-Rennen unter dem Volkmars­berg statt

Leider gibt die Chronik der Ortsgrup­pe des schwä­bi­schen Albver­eins nach 1994 nichts mehr her ☹.

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Jubilä­ums­grü­ße vom Hausberg (Archiv Müller)

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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