Intro.

Die Zeiten ändern sich, wie zu allen Zeiten. Und das nicht nur sicht­bar, wenn wir uns umschau­en und über den Teller­rand hinaus­schau­en. Sondern auch in der Sprache, beson­ders in der Umgangs- und Alltags­spra­che. Nicht nur dass das „Schwä­bi­sche“ so langsam wegbricht, auch die Worte, die wir einst benutz­ten, sind aus der Mode gekom­men oder waren Teil einer Technik, die heute nicht mehr bekannt ist oder nur noch ein Schat­ten­da­sein führt.

Aus meiner Kindheit und Jugend und Lehrzeit.

Die Auflis­tung ist willkür­lich geplant. Teilwei­se nach A‑Z sortiert, aber auch nach verschie­de­nen Themen. Viel Spaß beim Lesen und Erinnern.

Die Liste beginnt hier – also „dao hanna“.

Abort.

Zuhau­se hatten wir kein WC oder Toilet­te. Da benutz­ten wir das Wort Klo. Aber beim Vadder Müller (Opa) und bei der Hebam­me (Oma) in Waldhau­sen gab es einen Abort – mit der Betonung auf der ersten Silbe. Der war zwar schon modern, also nicht über den Hof, sondern im Hausein­gang integriert. Aber meine Erinne­rung sagt mir bis heute: Es war saukalt, zugig (weil immer das Fenster auf war und Toilet­ten­pa­pier war purer Luxus, dafür gab man sein hart verdien­tes Geld nicht aus. Zeitungs­pa­pier musste verwen­det werden. Erst lesen, dann damit putzen – das war geleb­te Nachhal­tig­keit. Auch in verschie­de­nen Vereins­hüt­ten gab es noch einen Abort (Plumps­klo), der in der Regel ein Loch mit einer Holzum­ran­dung zum Sitzen und einem Holzde­ckel zum Schlie­ßen war. Solche Orte haben heftig gestun­ken und waren immer von Schmeiß­flie­gen umgeben.

Bagage.

Hier geht es nicht um des Wortes Ursprung – dem Gepäck. Das ist wohl eines der Worte, die der Napole­on auf der Durch­rei­se verlo­ren hat (Angeb­lich hat er eine Nacht im heuti­gen „Podium“ in Aalen verbracht). Sondern z.B.: „Du scho widd’r mit Deiner ganza Bagaasch“. Da der Schwa­be gerne im Rudel auftritt, also mit Familie, Freun­de, Gruppe, Kegel­club oder äbba mit Anhang, sagt man eben Bagage dazu. Da gibt es in Oberko­chen tatsäch­lich auch einen Freun­des­kreis, der sich so nennt und seiner­zeit für den Bau der Josefs-Kapel­le verant­wort­lich war und sich auch heute noch darum kümmert.

Bandsa­lat.

Das wissen heute die Jungen heute nicht mehr. Das war nichts zum Essen. Das Wort stammt aus der Zeit als es noch Musik-Kasset­ten gab. Bei den Vorgän­gern, den großen Tonband­ge­rä­ten gab es das so gut wie nicht, weil die Spulen groß waren und sich nichts verhed­dern konnte. Dann kamen die Radios mit Kasset­ten­teil, die Kasset­ten­re­kor­der und die Walkmans. Wenn sich dann das Band in den Kasset­ten im Abspiel-/Aufnah­me­fach verhed­der­te und nicht mehr in die Kasset­te zurück­lief, hatten wir den Salat – den Bandsa­lat, und alle unsere schönen Aufnah­men waren danach im Eimer. Das war schon eine mittle­re Katastro­phe, denn die Aufnah­men wurden zeitauf­wen­dig mit Herzblut vom Platten­spie­ler oder Radio herge­stellt. Die bekann­tes­ten Herstel­ler waren BASF, SONY und TDK. In diesen Absatz gehört auch der Begriff. „Mist, das Lied ist nicht ganz drauf­ge­gan­gen“ – weil die Kasset­te beim Überspie­len, den letzten Song nicht mehr aufneh­men konnte, weil das Band voll bzw. alle war.

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Eine Porti­on Bandsa­lat und die Musik war im Eimer

Barras.

„Komm du nur zum Barras, da wird man dir schon die Hammel­bei­ne langzie­hen“. So versuch­te man uns Angst zu machen. Damit war wohl der Wehrdienst bei der Bundes­wehr gemeint. Nachdem ich reich­lich wilde Geschich­ten aus Nagold und Ellwan­gen gehört hatte, ging ich also nicht zwangs­wei­se zum Barras, sondern freiwil­lig zur Marine nach Sylt und Kiel und auf den Zerstö­rer „Mölders“ – heute Museums­schiff in Wilhelmshaven.

Und bleib nicht bis in die Puppen.

Das war die Mahnung von Mutti, wenn ich auf eine Party oder in die Disco zog. Damit meinte sie, ich solle nicht so lange wegblei­ben. Ich habe halt immer geant­wor­tet: „Ich komm‘ um halb – hat meistens gestimmt“. Die Herkunft bezieht sich auf die Götter­sta­tu­en, die der Alte Fritz in Berlin aufstel­len ließ. Der Weg dahin, also zu diesen „Puppen“, war damals schon sehr lang.

Bis zur Vergasung.

Des isch jetzt äbbes Hoikls und mir bis heute völlig unver­ständ­lich. Der Begriff ist Gottsei­dank am Ausster­ben, aber er war zu Zeiten unserer Eltern sehr geläu­fig. Der Begriff kam nach dem I. Weltkrieg auf (zurück­ge­hend auf die ersten Gasan­grif­fe im großen Krieg). Damit war gemeint, dass man eine Sache endlos weiter­mach­te, eben bis zur Verga­sung. Oder solda­tisch: „Man blieb auf seinem Posten bis man bei einem Gasan­griff umkam“. Bei uns zu Hause wurde eben bis zur Verga­sung (die aber Gott sei’s getrom­melt und gepfif­fen nie eintrat) Karten gespielt. Als Jugend­li­cher war ich immer der Meinung, dass das geflü­gel­te Wort aus dem II. Weltkrieg stamm­te – dem war aber nicht so. Sogar im Film „Die 5 Geäch­te­ten“ mit James Garner wurde so ins Deutsche übersetzt: „Der spielt bis zur Vergasung.“

Bomba­wet­ter.

War in unserem Sprach­ge­brauch einfach nur ein Super­wet­ter. Ob das Wort entstand, weil die Bomber gutes klares Wetter brauch­ten, um ihre Ziele klar zu erken­nen oder ab das gar auf die Theater­bom­ben zurück geht, die im 19ten Jhrhdrt. entstan­den, ist unklar. Klar ist jedoch, wer die Zeit der Bombar­die­run­gen im II. Weltkrieg erlebt hat, hat mit diesem Wetter­be­griff ein Problem.

Backpfei­fe (Ohrfei­ge) oder Maulschelle.

Mit Backen oder Pfeifen hatte das nichts zu tun. Bei uns war mehr die –pfeife üblich. Oder kurz auf Schwä­bisch: „Glei fängsch oina“. Das war in frühe­ren Zeiten durch­aus ein übliches Erzie­hungs­mit­tel – kurz und knackig aus dem Handge­lenk. Ob Vater, Lehrer oder Pfarrer – jeder durfte. Und wenn du heimge­kom­men bist und erzählt hast, dass dich der Lehrer geohr­feigt habe, hesch glei nooamo­al oine kriagt. Offizi­ell verbo­ten wurde diese Art der Handrei­chung erst im Jahr 2000.

(Amts) Büttel.

In ganz alten Zeiten war das ein unehr­li­cher Beruf, der vom Amtsherrn einge­setzt wurde, um Steuern einzu­trei­ben oder gar dem Henker zur Hand zu gehen. Bei uns gab es früher den Amtsbüt­tel, letzt­end­lich der Vorgän­ger des Amtsblat­tes „Bürger und Gemein­de“. Er trug eine einfa­che Uniform, nahm seine Glocke, ging auf die Straße und verkün­dig­te im Auftrag des Bürger­meis­ters Neuig­kei­ten oder Anwei­sun­gen. Als am 24. April 1945 der Beschuss vom Essin­ger Feld her aufhör­te und der „Ami“ in Oberko­chen einmar­schier­te, begann auch für den Büttel eine neue Zeit. Er läute­te die Handschel­le und rief laut: „Leut‘, d’r Krieg isch aus, kommat doch aus eure Keller ond Häuser raus.“

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Des Amtsbüttel’s Handglo­cke aus dem Heimat­mu­se­um (Archiv Müller)

Bratkar­tof­fel­ver­hält­nis.

Die Defini­ti­on ist einfach und verständ­lich „Eine lose Liebes­be­zie­hung, die nicht auf lange Dauer angelegt ist, und bei der großen Wert auf die Versor­gung mit einer tägli­chen warmen Mahlzeit gelegt wird“. Also so etwas wie eine „Wilde Ehe“ oder ein „g’schlamperts“ Verhält­nis mit Kost und Logis. Das war in meiner Lehrzeit bei Handels­ver­tre­tern während ihrer wöchent­li­chen Touren oder bei Messe-Besuchen durch­aus anstre­bens­wert und beliebt.

Canapee oder Diwan.

Richtig, es hat was mit der Küche zu tun. Es sind aber nicht die beleg­ten Häppchen (Schnitt­chen), sondern ein Sofa, das in der Küche stand (oft direkt unter dem Radio), damit der Herr des Hauses dort schnell seinen Mittags­schlaf machen konnte.

Da ist auch Schmal­hans Küchenmeister.

Das heißt, es gibt nicht viel zu Essen. Wenn ein „schma­ler Hans“ als Koch arbei­te­te, galt das als synonym für schlech­te Küche oder geizi­ge Dienst­her­ren und war ein Zeichen für Hunger und Ungastlichkeit.

Das Vierte­le ist gestorben.

Erst kam der Euro und hat unser Vierte­le saumä­ßig verteu­ert und dann haben sie (die Wirte) irgend­wann des 5erle g’striche. Aus 0,25 wurde 0,2 und aus dem Achte­le 01,125 wurde flugs das Einer­le 0,1. Und die „Halbe“ mutier­te zu 0,4 oder gar zu 0,3 zum fast gleichen Preis. B’schissa send ma worra.

Der kommt von drüben.

Oder die hamm rüber gemacht. Diese Form der Bewegung kennen wir auch aus dem Raumschiff Enter­pri­se – dort wurde das „Beamen“ genannt. Die markan­tes­te Bedeu­tung lautet schlicht und einfach von „Drüben nach Hüben“ kommen. „Drüben“ hatte einige wechseln­de offizi­el­le Stati. Ab 1945 gab es die SBZ (Sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne), kurz und bündig, die „Zone“ oder „Ostzo­ne“ genannt. „DDR“ wurde in der BRD offizi­ell ab dem 21.06.1973 anerkannt und benutzt. Das Volk änder­te deswe­gen ihre Wortwahl nicht – es war einfach „Drüben“ oder die „Zone“.

Jetzt konnte man aber natür­lich auch in die andere Richtung rüber machen. Dieser Weg wurde von wenigen beschrit­ten und selbst die VOPOs verstan­den wohl diese Richtung des Rüber­ma­chens nicht so richtig.

Dann kamen aber die Genera­tio­nen unserer Eltern und Großel­tern darauf, den studen­ti­schen Unruhe­stif­tern, den sog. 68ern, die den „Muff von 1.000 Jahren unter den Talaren“ besei­ti­gen wollten, das „Rüber­ma­chen“ schmack­haft machen zu wollen: „Wenn’s euch hier nicht passt, dann geht doch nach Drüben“. Das hätte den Adenau­ern so gepasst.

Da hieß es dann mitun­ter auch Unter’m Hitler hätt’s des net gäbba, ab ins Arbeits­la­ger. Und das war nicht nur eine priva­te Meinung, die wurde genau­so vor der Kamera ins Mikro gespro­chen – ob Mann oder Frau, die alte Denke war noch lange tief verwur­zelt und feiert wieder fröhli­che Urständ‘. Ich habe die Farbe Braun schon im Kunst­un­ter­richt nicht gemocht.

Dui frisst dahoim au bloss d‘ Kitt von de Feeschter.

Will sagen, dieje­ni­ge ist beson­ders arm. Es gibt aber auch Menschen, die sich nach außen präch­tig wie ein Vogel Strauß geben, aber daheim eben nur den Kitt vom Fenster essen, weil’s zu mehr et langt.

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Der König des Fasson­schnit­tes aus der Lerchen­stra­ße (Archiv Müller)

Fasson­schnitt.

Das war in unserer Zeit die Frisur der alten Männer. Der Gegen­ent­wurf war die Beatles-Frisur. Da mussten wir schon lange bei den örtli­chen Friseu­ren suchen, um einen zu finden, der das konnte. In der Regel blieben uns nur die Damen-Friseu­re – aber ganz zufrie­den­stel­lend war das auch nicht. Heute ist der Fasson­schnitt, gelegent­lich mit Verzie­run­gen, wieder hochmo­dern, man glaubt es kaum.

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Die Fernseh­tru­he – für manche doch unerschwinglich

Fernseh­tru­he.

Dieses Möbel galt in den 50er und 60er Jahren als Status­sym­bol. Das Fernseh­ge­rät war in ein Schränk­chen auf schrä­gen Beinen einge­baut. In der Luxus­va­ri­an­te waren andere Geräte wie Radio, Tonband, Platten­spie­ler mit einge­baut. Das hatte schon was, aber für Otto Normal­ver­die­ner musste ein freiste­hen­der Apparat genügen.

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Die Fräuleins vom Amt

Das Telefo­nie­ren in alter Zeit

brach­te gar manche Worte hervor, die man heute gar nicht mehr benut­zen kann. Das Fräulein vom Amt. Ein herrli­cher Begriff. Sie arbei­te­te an einer Telefon-Vermitt­lungs­stel­le, um Gesprä­che anzuneh­men und an die gewünsch­te Rufnum­mer mit dem Satz „Jetzt kommt ein Gespräch für Sie“ zu vermit­teln (durch Stöpseln). Sogar ein Film aus dem Jahr 1954 mit Renate Holm und Georg Thomal­la hieß so. Anfangs waren die Anfor­de­run­gen an die Damen recht hoch: „Gute Schul­bil­dung, jung, ledig und aus gutem Hause.“ Man sehe es mir nach, aber ich denke, dass das heute schwie­rig wäre, solche Stellen noch nach diesem Anfor­de­rungs­pro­fil zu beset­zen. Willlll­fri­iiii­ied – ein Fernge­spräch! Denn ein Gespräch aus der Ferne war etwas Beson­de­res, es war teuer und der gewünsch­te Teilneh­mer hatte sich aus Kosten­grün­den zu sputen. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstel­len, wie teuer die Festnetz­te­le­fo­nie war. Leitz hatte, als ich 1978 zurück­kam, monat­li­che Telefon­kos­ten in Höhe von rund 20.000 DM. Jahre später konnte ich das aufgrund von neuen techni­schen Möglich­kei­ten und anderen Anbie­tern auf 2.000 DM herun­ter verhan­deln. Dafür stiegen dann die Kosten im Mobil­funk exorbi­tant an und die sind, im Vergleich mit anderen Ländern, bei uns immer noch viel zu teuer.

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Das erste Telefon zu Hause und auch in meiner Lehrzeit bei Leitz (Archiv Müller)

Ich leg mal eben den Hörer ab.

Nein, nicht den Radio­hö­rer. Jedes Telefon bestand aus einem Gehäu­se, einer Gabel, einer Wählschei­be, zwei Kabel und einem Hörer. Man nahm den Hörer von der Gabel und wählte eine Nummer und hielt den Hörer ans Ohr und los konnte es gehen. Die 0 auf der Wählschei­be lief relativ kurz und die 9 recht lange. Spione konnten die gewähl­te Nummer sicher aufgrund der Laufzeit­län­ge der Wählschei­be erken­nen. Und zu aller­letzt gab es noch die Telefon­zel­le. Nein, da kamen nicht randa­lie­ren­de oder gar Endlos-Telefo­nie­rer hinein. Nicht jeder Haushalt hatte ein Telefon und so musste sich mancher auf den Weg zu einer nahege­le­ge­nen gelben Telefon­zel­le machen, um dort im schlimms­ten Fall im Regen in einer Warte­schlan­ge zu stehen, bis man selbst hinein­hu­schen konnte. Alte s/w‑Krimis sind aus drama­tur­gi­schen Gründen ohne Telefon­zel­le nicht vorstellbar.

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Die alte gelbe Telefon­zel­le (Wikipe­dia)

Frag doch mal den Opa oder Schlag das doch im Lexikon nach.

Opa gibt’s zwar noch (aber nicht mehr unterm gleichen Dach) und Lexikon im Regal gar nicht mehr. Der Opa als allwis­sen­de Instanz ist längst ausge­stor­ben und ein- oder mehrbän­di­ges Lexikon, wie es früher in jedem bildungs­be­wuss­ten Haushalt vorhan­den war, finden wir heute nicht mehr und wo noch eines beim Entrüm­peln auftaucht – der Antiquar will es auch nicht mehr haben. Ganz salopp: „Bertels­mann“ für die Arbei­ter und „Brock­haus“ für die Studier­ten. Aus die Maus für Opa und Kultur. Google ist der neue Opa – „google“ doch mal, heißt die Devise und Opa ist vielleicht froh, dass er nichts mehr wissen muss. Dann gab es noch im Rahmen der familiä­ren Aufklä­rung den Satz: „Da frag mal besser den Papa oder die Mama“ – je nach Geschlecht.

Früher war alles besser.

Natür­lich – denn gestern war vielleicht Sonntag. Das ist wohl in jeder Genera­ti­on so. Bedenk­lich wird es dann, wenn, wie derzeit üblich, manche Politi­ker einen Weg zurück anbie­ten, in Zeiten, die nie so gut gewesen sind, wie sie uns weisma­chen wollen. Dazu gehören dann auch die Begrif­fe wie „Die gute alte Zeit“, „Die golde­nen Zwanzi­ger“, „Die wilden 60er“, „make Ameri­ka great again“ und was auch immer sonst noch.

Gang m’r net auf d’ Senkel, auf d‘ Keks, auf d‘ Wecker – kurz gesagt „auf die Nerven“.

Geh doch hin wo der Pfeffer wächst.

Furt, weit furt, ganz weit furt sollte der/die-jenige doch gehen. Der Pfeffer wuchs in Indien und Flugzeu­ge gab es kaum und das Land war nur schwer erreich­bar. Also, wer dort hinging, war aus den Augen und aus dem Sinn. Im Laufe meines Lebens habe ich die Länder, wo der Pfeffer wächst, sehr schät­zen gelernt.

Griffel.

Entwe­der du hast mit einem Lineal, aus erzie­he­ri­schen Gründen, eine auf diesel­ben bekom­men oder du hast mit einem solchen auf eine kleine Schie­fer­ta­fel die ersten Buchsta­ben geschrie­ben. „Nemm deine Griffel dao weg“, war eine „Orrrdddddrrrrrr“, nach dem Motto „Das Berüh­ren der Figüren mit den Pfoten ist verboten“.

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Tafel und Griffel

Groschen.

Na, ist der jetzt gefal­len? Der erste deutsche Groschen wurde 1271 in Meran geprägt. In unserer Umgangs­spra­che war das das 10-Pfennig-Stück. Davon abgelei­tet wurden der Notgro­schen und die Groschen­hef­te. Die Brezel war in meiner Kindheit dafür zu bekommen.

Ha noi!

Hier geht es nicht um die größte schwä­bi­sche Stadt in Vietnam, sondern um ein glaskla­res: Nein, niemals nie nicht. Morga sag‘ I „Ha scho“. Meinun­gen sind wie’s Wetter.

Haste mal ne Mark?

So wurde man früher von sog. Gammlern angemacht. Ein Bettler hätte das nie gesagt. Im Rahmen der Umstel­lung auf den Euro wurde das gleich verdoppelt.

Hat mal jemand 20 Pfennig?

Das war notwen­dig, um in einer gelben Telefon­zel­le den Münzfern­spre­cher zu füttern. Und daher kein Betteln, sondern ein Akt der solida­ri­schen Unter­stüt­zung, um die höchs­te Not zu lindern. Und man gab dann gerne, wenn man (Lust) hatte.

Mach koin Heckmeck.

Mach nicht so viel Aufhe­bens und komm jetzt.

Des isch a rechter Hallodri.

Damit war ein junger, unbeschwer­ter, leicht­fer­ti­ger, biswei­len unzuver­läs­si­ger Mann, aber nicht unbeliebt. So einer wie Eichen­dorffs Tauge­nichts vielleicht.

Logier­fräu­lein.

Das waren in meiner Kindheit junge Damen, die tagsüber arbei­te­ten und sich ein einfa­ches möblier­tes Zimmer miete­ten, mit Tisch, Stuhl, Schrank und Bett. Fließend Wasser, gar noch warm, eher selten. Wir hatten da bei uns zuhau­se ein Fräulein Krause, die Helga Rockstroh, die Chris­ta Geis und einen Herrn Wild als Logierherrn.

Ich kenn doch meine Pappenheimer.

Papa oder Lehrer wollten damit sagen: Keine Ausre­den, ich kenne euch doch. Der Satz stammt aus Schiller’s Wallen­stein und war eine Aussa­ge voller Hochach­tung gegen­über dem Pappen­hei­mer Regiment. Wahrschein­lich lauter großge­wach­se­ne Gardesoldaten.

Mach mr bloß koine Fisimatente.

Das bedeu­te­te, mach ja keinen Unsinn, Blödsinn, sonsti­ge Faxen (das sind aber keine Sendun­gen per Fax) oder Schwie­rig­kei­ten. Franzö­si­sche Solda­ten wurden früher bei Proble­men in das Zelt ihres Vorge­setz­ten gerufen: „Visitez ma tente“.

Mach mal deinen Kaiser Wilhelm drunter.

Will sagen, unter­schreib das mal mit deinem Namen. Früher waren die meisten Menschen des Schrei­bens unkun­dig und machten einfach ein paar Zeichen drunter – den Wilhelm eben.

Mädles­gei­ger.

Das durfte auf keinen Fall passie­ren, dass du als Bua auf der Straße von den anderen so gerufen wurdest, denn dann warst du geoutet. So einer spiel­te gerne mit Mädchen, wahrschein­lich noch Hopfe oder Seilsprin­gen. Ging gar nicht. Hinge­gen durften Mädchen durch­aus mitspie­len, wenn sie auf Bäume klettern konnten, Regen­wür­mer essen oder wenigs­tens zertei­len und sonst Sachen konnten, die den Respekt der Jungs abnötig­ten. Aller­dings brauch­ten wir sie, um „Vatter­les und Mutter­les“ oder, zum Entset­zen der Eltern, gar „Doktor­les“ spielen zu können.

Stand net so rom ond halt Maulaf­fa feil!

Heiden­ei, was isch denn des? Steh nicht so teilnahms­los herum und träum nicht in der Gegend rum. Maulaf­fen waren in uralten Zeiten Lampen, die auf Märkten verkauft – also feilge­bo­ten wurden.

Mein lieber Herr G‘sangsverein.

Solche Begrif­fe erfand man, um Gottes­läs­te­rung zu umschif­fen. Mein lieber Herrgott oder Herr Gott (der mit dem Vorna­men Karel lebte in Tsche­chi­en) – das ging gar nicht, also musste eine Lösung her….

Mein lieber Scholli.

So wurde nicht der Fußbal­ler Mehmet Scholl gerufen, das war ein Ausdruck der Verwun­de­rung, der Empörung, der Verär­ge­rung. Abgelei­tet vom Studen­ten Ferdi­nand Joly, der von der Salzbur­ger Uni flog. Er scher­te sich nicht um andere, machte einfach sein Ding und war dabei ein liebens­wer­ter Bursche.

Nach Batzelubbl in d‘ Rägebogafabrik.

Das war die ständi­ge Antwort, wenn wir Kinder den Vati fragten wo’s z.B. am Sonntag wieder hingeht und er nicht antwor­ten wollte. Inter­es­san­ter­wei­se gibt es heute in Berlin-Kreuz­berg eine Firma mit diesem Namen. Wenn das der Vati wüsste, wir würden ständig nach Berlin reisen.

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Der Saraot­ti-Mohr….. (Archiv Müller)

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…. und die Ausein­an­der­set­zun­gen in Gender-Zeiten (Archiv Müller)

Die heute verbo­te­nen Worte.

Der Mohren­kopf und Neger­kuss wird heute als rassis­tisch verteu­felt und ist eine wunder­ba­re Süßig­keit, die der erste „Burger“ für uns Kinder war. In einen aufge­schnit­te­nen Wecken gelegt ond zamma­druckt – den meisten schmeckt das heute noch. Zigeu­ner­schnit­zel – geht wohl nicht mehr, Jäger­schnit­zel – wohl schon noch. Und Hambur­ger, Frank­furt, Wiener, Berli­ner – da sehen wir leicht drüber hinweg. Kanni­ba­lis­mus scheint noch kein gesell­schaft­li­ches Problem zu sein. Juden­für­ze sind natür­lich völlig out – geht überhaupt nicht mehr. Wahrschein­lich wissen die Kinder gar nicht mehr was das war. Vom Sarot­ti-Mohr wollen wir erst gar nicht anfan­gen. Mal sehen was der Sprach­po­li­zei in Zukunft noch so alles aufstößt. Da sag ich nur: „Machet bloß halblang“.

Eine alte Frau oder ein alter Mann ist doch kein D‑Zug.

Da stellt sich erst mal die Frage was ist ein D‑Zug? Ein Durch­gangs­zug (erstmals 1892 im Einsatz), d.h. man konnte von Wagen zu Wagen durch­ge­hen. Die Züge waren schnell und galten als komfor­ta­bel. Wer hätt au dees denkt? Also, auf gut Deutsch: Mach mal langsam mit die jungen Pferde.

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The Rainbows, und nicht nur die, waren Balla Balla (Archiv Müller)

Neger­mu­sik.

Die 60er Jahre brachen mit toller engli­scher Beatmu­sik übers Radio und im Fernse­hen über die Bevöl­ke­rung herein und Mutti (da war sie sicher nicht allein) sprach immer von Neger­mu­sik, dabei habe ich weit und breit kaum einen solchen gesehen. Das stamm­te sicher noch aus der Zeit, als Musik und Kunst noch als entar­tet angese­hen wurden.

Parka –

net Parker. Parker ist ein ameri­ka­ni­scher Kuli. Nein, kein Lasten­trä­ger, sondern ein Kugel­schrei­ber. Der Parka von der Bundes­wehr war das Kleidungs­stück der 70er. Wir haben immer versucht, bei der Entlas­sung aus der Bundes­wehr einen guten Parka mitneh­men zu dürfen. Als Logis­ti­ker habe ich das natür­lich geschafft, aber irgend­wann habe ich ihn dann nicht mehr angezo­gen – man hatte sich ja doch weiter­ent­wi­ckelt – so glaub­te Mann.

Pfennig­fuch­ser.

Ein beson­ders Geizi­ger. Und wenn das schon ein Schwa­be sagt, das wollte etwas heißen. Einer der um jeden Pfennig strei­tet. Das Pfennig­fuch­sen selbst war ein Kinder­spiel, in England gar unter Erwach­se­nen üblich. Wir spiel­ten das mit einem Pfennig, den wir gegen eine Wand warfen. Wessen Münze am nächs­ten zur Wand zum Liegen kam, hat alle anderen einsa­cken dürfen. Genau­so funktio­nier­te das Murmel­spiel oder auch Klickern genannt. Da gab es aber viele Varia­tio­nen. Die Glasmur­meln wurden erstmals 1848 in Lauscha produziert.

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Klickern war auf der Straße das Spiel der 50er

Ordnung ist das halbe Leben.

„Und die andere Hälfte isch dann was?“ Habe ich immer frech zurückgefragt.

Schlüs­sel­kin­der.

Das waren bei uns die Kinder aus dem Hort, deren Eltern beim Zeiss arbei­te­ten. Die hatten in der Regel den Wohnungs­schlüs­sel um den Hals.

Schwätz mr doch koi Mark in d Tasch.

Der oder die andere schwätzt und schwätzt und schwätzt ond koi Sau interessiert’s – nur Bla Bla Bla – Da muss doch verbal Einhalt geboten werden. Das hat sich heute zum großen Teil nach Facebook verlagert.

Sende­schluss und Testbild.

Das kann sich die junge Genera­ti­on überhaupt nicht mehr vorstel­len. Im Fernse­hen gab es ein Sende-Ende. Bei der ARD bis 1.9.1995 und beim ZDF bis 5.10.1996. Man wurde vom Fernse­hen ins Bett geschickt oder MANN schlief während des norma­len Programms ein (ER hatte schließ­lich tagsüber schwer gschafft) und wachte dann während der Aussendung des Testbil­des wieder auf, um ins Bett zu gehen. Neben­bei bemerkt: In meiner Kindheit gab es ARD, ZDF, später das Dritte. SWR und mit einer Anten­ne konnte auch BR empfan­gen werden. Das Programm begann unter der Woche, soweit ich mich erinne­re, gegen 17 Uhr und endete gegen 24 Uhr.

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Beispiel eines Testbil­des, denn es gab einen Sendeschluss

So lang du deine Füß unter meinen Tisch stellsch

machsch du was ich sag. Eine litera­ri­sche Versi­on des Spruches „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Bedeu­te­te nichts anderes als: „Du bist nicht volljäh­rig (also unter 21), hast kein eigenes Einkom­men, also auch nichts zu Melden. Kurz gesagt: Ich Chef, Du Turnschuh. Was in der Regel manch­mal zu hefti­gen Ausein­an­der­set­zun­gen am Tisch führte und die Mutter blicket stumm, auf dem ganzen Tisch herum. Mutti sorgte immer dafür, dass der puber­tie­ren­de Wilfried außer­halb der Reich­wei­te von Vati saß.

Sonntags­staat.

Das ist kein staat­li­ches Wochen­end­ge­bil­de, sondern eine festli­che Kleidung, die zu beson­de­ren Anläs­sen wie dem sonntäg­li­chen Kirch­gang oder dem Flanie­ren am Sonntag­nach­mit­tag getra­gen wurde. Mann und Frau wollten sich damit deutlich von der Alltags­klei­dung abheben. Da gehör­te früher Hut, Krawat­te und Spazier­stock dazu. Man ging gebügelt und gestrie­gelt aus dem Haus. Heute ist das eher umgekehrt. Wer unter der Woche Anzug­trä­ger ist, zieht sich am Wochen­en­de in der Regel sehr leger an. „Kleider machen Leute“ hat heute in manchen Lebens­be­rei­chen nicht mehr die Bedeu­tung von früher.

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Das waren einiger der Straßen­fe­ger im Fernse­hen (Archiv Müller)

Straßen­fe­ger.

Das waren Sendun­gen im Fernse­hen, spezi­ell in den 60ern, die eine so hohe Einschalt­quo­te hatten, dass „koi Sau auf dr Stroaß war“. Beispiels­wei­se „Das Halstuch“, „Tim Frazer“ oder Fußball­welt­meis­ter­schaf­ten. Jeder ging nach Hause. Abgeord­ne­te im Kieler Landtag kürzten sogar ihre Reden. Nachbarn, Freun­de und Verwand­te versam­mel­ten sich vor dem Fernse­her und Einbre­cher richte­ten sogar ihre Streif­zü­ge nach den Sende­zei­ten dieser Block­bus­ter, wie wir heute sagen würden. Die Sehbe­tei­li­gung lag dabei nicht selten bei über 90%. Einer, der die Straßen fegte war hinge­gen ein Straßen­keh­rer wie wir immer im Stutt­gar­ter Radio­sen­der gehört haben: „Ich bin der Straßen­keh­rer Gottlob Friede­rich“, worauf sein Kolle­ge immer dazwi­schen­rief „Lieder­lich“.

Stuben­ho­cker.

Das war früher einer, der keine Lust hatte draußen zu spielen. Das war schon eine Ausnah­me und derje­ni­ge wurde deswe­gen auch gehän­selt. Wie hat sich das im Laufe der Jahrzehn­te verän­dert. Als ich meinen Sohn Sascha eines Tages im Alter von ca. 6 Jahren im Winter mal hinaus­ge­schickt hatte, um im Schnee zu spielen und das Ninten­do-Spiel mal beisei­te zu legen, hat er das als „Draußen-Arrest“ abgespei­chert, wie er mir als junger Erwach­se­ner erzähl­te. Ich selbst hatte wohl mal irgend­et­was angestellt und Vati wollte mich bestra­fen und ich hoffte instän­dig „nur kein Hausar­rest“. Er wollte beson­ders streng sein, und da wir unseren ersten Fernse­her hatten, hagel­te es 7 Wochen Fernseh­ver­bot – da musste ich inner­lich laut lachen: Fernseh­ver­bot im Sommer – Etwas Besse­res konnte mir gar nicht passieren.

Was nix koscht isch au nix wert.

Angeb­lich soll Albert Einstein hinter diesem Satz stecken. Jeden­falls hat er sich das mal notiert. Der Spruch leuch­tet ein, aber die heuti­ge Gesell­schaft hat ein wirtschaft­li­ches Prinzip daraus entwi­ckelt. Ähnlich wie beim Trinken: Ex und hopp. Einmal anzie­hen und wegwer­fen. Waschen wäre schon zu teuer. In Oberko­chen gab es mal einen Gebraucht­wa­gen­händ­ler (zwischen den Anwesen „Scheer­bau­er“ Winter und Weber, heute ein leerer Platz) in der Aalener Straße. Die Autos hatten alle ein Schild mit einem Preis. Wenn sich ein Auto nicht verkau­fen ließ, hat er einfach den Preis erhöht (!) und siehe da – weg war’s.

Wie ma schafft, so isst mr –
da müsstet aber manche verhon­ge­ra. Des glaubsch mr.

Also, Ade und schwä­bi­sche Oberkoch­ner Grüße vom Billie vom Sonnenberg

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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