Hochwür­den Johann(es) Wingert aus Oberko­chen in der Schweiz

Zum Geden­ken an einen Oberkoch­ner aus einem der verschie­de­nen Wingert-Häuser, der vor 135 Jahren geboren wurde und vor 76 Jahren gestor­ben ist. Das elter­li­che Haus steht heute noch in der Heiden­hei­mer Straße 54.

Intro.

Seit über 20 Jahren verbrin­ge ich einen großen Teil meines Lebens im Kanton Zürich, in der Gemein­de Gerolds­wil. Und wie das so im Leben ist, egal wo ich auf der Welt mit der Marine oder für den Leitz war – überall gibt‘s Schwo­a­ba. So auch in diesem Teil der Welt. 1965 eröff­ne­te Leitz in Dieti­kon eine Nieder­las­sung und Josef „Joe“ Partel, gebür­tig aus Waldhau­sen (schräg gegen­über dem Haus meiner Hebam­men-Oma Babet­te) und bei Leitz in Oberko­chen beschäf­tigt, wander­te in die Schweiz aus und ließ sich in Gerolds­wil nieder. Wir lernten uns während eines IT-Projek­tes 1999 kennen und sind seither befreundet.

Danke an die Pfarrei Dietikon.

Aber lange vorher verschlug es einen Oberkoch­ner in diese Gemein­de. Das nahm ich vor ein paar Jahren erstaunt wahr, als ich für die Berichts­rei­he „Beson­de­re Tage“ bei Pfarrer Macho im Pfarr­haus recher­chie­ren durfte und alle Pfarrer, die in Oberko­chen ihren Dienst verrich­te­ten oder von hier stamm­ten, zur Erinne­rung schön einge­rahmt an der Wand hängen sah. Ich bat die katho­li­sche Kirchen­ge­mein­de in Dieti­kon um Hilfe und der dorti­ge Pfarrer Sutter und seine Sekre­tä­rin Frau Bolfing vergru­ben sich im Archiv und wurden fündig.

Die eigent­li­che Geschichte.

Im Kirchen­blatt St. Anna-Pfarrei Dieti­kon und der St. Josefs-Pfarrei Schlie­ren vom 16. März 1945 finden wir nachste­hen­den Bericht:

Oberkochen

Pfarrer Johan­nes Wingert, Bild aus dem Pfarr­amt (Archiv Müller)

„Zum Andenken an Hochwür­den Herrn Johann Wingert, Spiri­tu­al im Josefs­heim St. There­sia, Dietikon.“

Unter großer Betei­li­gung von Klerus und Volk wurde am letzten Freitag, dem 9. März, wurde auf dem Pries­ter­fried­hof von Dieti­kon der Hochw. Herr Johann Wingert, Spiri­tu­al im St. Josefs­heim beigesetzt. Es geziemt sich, dass auch im Kirchen­blatt seiner dankbar gedacht wird.

Johann Wingert wurde geboren am 12. Januar 1886 in Oberko­chen, Deutsch­land, und erreicht somit ein Alter von 59 Jahren. Sein Vater war der Töpfer­meis­ter Johann Wingert und seine Mutter hieß Maria geb. Schübel. Die Primar­schu­le besuch­te Johann Wingert in Oberko­chen und kam nach Entlas­sung aus dersel­ben an das Gymna­si­um nach Ellwan­gen und kurze Zeit nachher an das Gymna­si­um Maria Hilf in Schwyz. Dort absol­vier­te er im Jahre 1907 die eidge­nös­si­sche Maturi­tät (=Abitur) und begab sich alsdann an das Pries­ter­se­mi­nar St. Luzi nach Chur. Im Jahr 1910, am 19. Juli, empfing Johann Wingert die hl. Pries­ter­wei­he und primi­zier­te am darauf­fol­gen­den 31. Juli in seiner Heimat­ge­mein­de Oberkochen.

Als junger Pries­ter verließ dann Wingert im Jahr 1911 das Pries­ter­se­mi­nar und der Bischof schick­te ihn nach kurzer Seelsor­ge in Arosa in die Großstadt­seel­sor­ge nach Zürich als Vikar an die Liebfrau­en­kir­che. Dort wirkte Wingert vom Jahre 1911 bis 1916, wobei er am 1. Oktober 1914 auch die Leitung des Jugend­hei­mes Maximi­lia­ne­um übernahm. Im Jahr 1916 berief ihn das Vertrau­en­des Bischofs als Profes­sor an das Kolle­gi­um in Schwyz, wo er während vollen 17 Jahren eine sehr segens­vol­le Wirksam­keit entfal­te­te. Er zeigte sich dabei nicht nur als ausge­zeich­ne­ter Schul­mann, sondern erwies sich auch als guter Predi­ger und Vortrags­red­ner. Leider hat seine umfas­sen­de Tätig­keit in Schwyz schließ­lich seine Gesund­heit angegrif­fen und er sah sich aus gesund­heit­li­chen Gründen gezwun­gen seine Profes­sur aufzu­ge­ben und den leich­te­ren Posten eines Spiri­tu­als im St. Josefs­heim in Dieti­kon zu übernehmen.

Jahre­lang war er leidend an seiner Zucker­krank­heit. Seit Anfang des Jahres aber trat der Alters­brand ein, was schließ­lich seine Auflö­sung (=Tod) am 7. März herbeiführte.

Oberkochen

Grab von Johann Wingert in Dieti­kon (Archiv Müller)

In Dieti­kon versah der verstor­be­ne Johann Wingert eigent­lich eine doppel­te Stellung. Er war eines Teils Spiri­tu­al im St. Josefs­heim und hatte als solcher die gottes­dienst­li­chen Funktio­nen des St. Josefs­heim zu verse­hen. Anderer­seits war er aber auch eine Art Vikar in der Pfarrei. Er hatte 6 Stunden Religi­ons­un­ter­richt in der Schule und einen regel­mä­ßi­gen, viel beanspruch­ten Beicht­stuhl in der Pfarr­kir­che. Darüber hinaus betätig­te er sich auch in einer ausge­dehn­ten Hauspas­to­ra­ti­on. St. Josefs­heim und Pfarrei wussten diese Tätig­keit sehr zu schät­zen und haben deshalb auch nicht gezögert, Hochw. Herrn Wingert, der selbst­re­dend als Profes­sor in Schwyz nicht reich werden konnte, die materi­el­le Existenz in Dieti­kon in ausrei­chen­dem Maß sicher­zu­stel­len. Hochwür­den Herr Spiri­tu­al Wingert war dafür sehr dankbar, hat er doch selbst­los einfach und beschei­den gelebt.

Oberkochen

Missi­ons­kreuz und Pries­ter­grä­ber am Pries­ter­fried­hof in Dieti­kon ZH (Archiv Müller)

Wenn anläss­lich des Todes viel Anhäng­lich­keit und Liebe an den verstor­be­nen Spiri­tu­al Wingert an den Tag gelegt worden ist, dann möchte man nur wünschen, dass dies auch ein Zeichen dauern­den Andenkens, beson­ders im Gebete sei. Das ist auch der Sinn warum ein eigener Pries­ter­fried­hof bei der katho­li­schen Kirche angelegt wurde. Das gläubi­ge Volk möge immer wieder, wenn es von der Kirche kommt oder zur Kirche geht, der verstor­be­nen Pries­ter im Gebete geden­ken! Jedes „Vater­un­ser“ am Grabe ist für die Pries­ter­see­le so wertvoll. Und betrach­ten wir die ganze Anlage des Pries­ter­fried­hofs. Über den Pries­ter­grä­bern steht wuchtig das Missi­ons­kreuz als Mahnung an den letzten Sinn: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet. Die erste und größte Sorge unseres Lebens muss immer sein: Die Sorge um die Seele, die Sorge für das ewige Ziel des Lebens, den Himmel. Und wer weist dir, o irdischer Wande­rer, den Weg zum Himmel, und wer ist zu deinem Seelsor­ger nach Gottes heili­gem Willen bestellt? – Der Pries­ter! Missi­ons­kreuz und Pries­ter­grab: stets eine ernste Mahnung an Dich, katho­li­sches Pfarr­kind von Dietikon!

Abschluss.

Soweit die erinnern­den Worte aus dem Jahr 1945. Eine Sprache, die uns heute teilwei­se fremd gewor­den ist. Eine Sprache mit eindring­li­chen und mahnen­den Worten sowie reich­lich verwen­de­ter Ausrufezeichen.

Anmer­kun­gen zu den Wirkstät­ten des Johann(es) Wingert.

Oberkochen

Das Kolle­gi­um Maria Hilf in Schwyz (Archiv Müller)

1836 wurden die Jesui­ten zur Gründung eines Kolle­gi­ums nach Schwyz berufen. Im Novem­ber 1847 flohen jedoch die Jesui­ten, als das Kolle­gi­um geplün­dert und die Kirche verwüs­tet wurde. Von diesem Zeitpunkt an stand das Gebäu­de leer bis zum Jahr 1856, als Pater Theodosi­us Floren­ti­ni wieder eine Lehran­stalt einrich­te­te. Am 3. April 1910 brann­te das Kolle­gi­um fast vollstän­dig nieder. Der Bau wurde auf den bishe­ri­gen Grund­mau­ern wieder­auf­ge­rich­tet. Die neue Kirche «Maria Hilf» hat sieben Altäre.

Oberkochen

Das Innere der Zürcher Liebfrau­en­kir­che (Archiv Müller)

Die Zürcher Liebfrau­en­kir­che ist aus meiner Sicht die schöns­te Kirch in Zürich und ich habe dort schon sehr schöne Konzer­te erleben dürfen. Sie ist die römisch-katho­li­sche Pfarr­kir­che für die Stadt­zür­cher Stadt­ge­bie­te Nieder­dorf, das Hochschul­vier­tel sowie Teile des Zürich­bergs und gilt als „bedeu­tends­te Nachbil­dung einer altchrist­li­chen Basili­ka auf schwei­ze­ri­schem Boden“. Zunächst war die Liebfrau­en­kir­che für 1.200 Perso­nen geplant und sollte zwei Kirch­tür­me erhal­ten. Aus Kosten­grün­den musste jedoch die Kirche auf 1.000 Sitzplät­ze reduziert und auf einen der beiden Kirch­tür­me verzich­tet werden. Am 13. Mai 1893 fand die Grund­stein­le­gung an der nordöst­li­chen Ecke des Turms statt. Zeitgleich mit der Kirche wurde auch das erste Pfarr­haus von Liebfrau­en in neuro­ma­ni­schem Stil nordwest­lich unter­halb der Kirche erbaut. Die Einseg­nung der Kirche erfolg­te am 7. Oktober 1894.

Oberkochen

Heuti­ge Katho­li­sche Kirche in Dieti­kon (Archiv Müller)

Das St. Josefs-Heim wurde am 16. Juni 1902 in Schlie­ren gegrün­det und 1913 nach Dieti­kon an die Urdor­fer­stras­se verlegt. Es war ein Heim für Halb- und Vollwai­sen, für Mädchen und Knaben. Gelei­tet wurde das Heim von den Karme­li­tin­nen D.C.J., deren General­mut­ter­haus in Sittard (Holland) lag. 1975 wurde die Kapel­le des St. Josefs-Heims gebaut. Geschlos­sen wurde das St. Josefs­heim im Jahr 2005. Die letzten verblie­be­nen Ordens­schwes­tern zogen in das Haus St. Joseph nach Ludwigs­burg bei Stutt­gart / Deutschland.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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