geb. am 12. März 1879 gest. am 15. Januar 1966

Intro.

Heute, am 15. Januar des Jahres 2021 jährt sich zum 55ten Mal der Todes­tag von Richard Frank, dem letzten Bürger­meis­ter, der aus Oberko­chen stamm­te und auf Lebens­zeit gewählt wurde. Das hatte früher durch­aus eine Verbind­lich­keit, derer sich die „Braunen“ 1933 auf ihre Weise entle­dig­ten. Oberko­chen war mögli­cher­wei­se nicht ganz so braun wie andere Teile des Reiches, aber auch hier hinter­lie­ßen sie ihre Spuren, auch bauli­cher Art, wie z.B. das Bergheim am Turmweg, das 1937 als HJ-Heim gebaut wurde – das einzi­ge im gesam­ten Kreis.

Und die Famili­en, die es mit den Natio­nal­so­zia­lis­ten nicht gut konnten bzw. wollten, mussten schau­en, wie sie die 12 Jahre überste­hen konnten. Selten, dass am Sonntag­mor­gen nicht kontrol­liert und vermerkt wurde, wer in die Kirche ging. Dabei wurde auf vormit­täg­li­che politi­sche Veran­stal­tun­gen hinge­wie­sen. Und wer nicht auf den Mund gefal­len war und sich etwas getraut hat, konnte schon mal sagen: „Vormit­tags gang I zu mei’m Herr Gott und wenn ihr nachmit­tags äbbes machet, na gang I au zu uier’m Herrn Hitler.“

An verschie­de­nen Stellen ist für den Suchen­den etwas über Richard Frank zu finden. Anläss­lich seines Todes­ta­ges finde ich es angebracht, sein Leben und Wirken nochmals zusam­men­ge­fasst zu beleuchten.

Oberkochen

Richard Frank in Perso­na (Archiv Rathaus)

Nachweis.

Für diesen Bericht wurden folgen­de Quellen zu Rate gezogen: Berich­te von Franz Uhl und Dietrich Bantel, das alte Heimat­buch, alte Amtsblät­ter und Wikipe­dia sowie eigene Recherchen.

Anfangs­zeit.

Im Jahr 1894 begann Richard Frank eine Ausbil­dung als Verwal­tungs­kan­di­dat auf dem hiesi­gen Rathaus unter dem damali­gen Schult­heiß Betzler. Nach Abschluss der Lehrzeit ging es auf Wander­schaft, um das Erlern­te zu vertie­fen und Neues hinzu­zu­ler­nen. Statio­nen waren die Oberamts­pfle­ge Ehingen, das Verwal­tungs­ak­tu­ri­at Gerabronn, die Angestell­ten- und Arbei­ter­ver­si­che­rung Stutt­gart und die Gemein­de­ver­wal­tung Unterkochen.1902 folgte ein staat­li­cher Verwal­tungs­kurs sowie eine kurze Prakti­kan­ten­zeit in Ellwan­gen und Dewangen.

Die Zeit vor 1933.

Im Jahr 1903 verstarb völlig unerwar­tet, der erst 2 Jahre lang amtie­ren­de Oberkoch­ner Schult­heiß Alois Butscher, der seiner­zeit im Jahr 1901 als erster vom Volk gewähl­ter Schult­heiß zu Amt und Würden kam. So wurde nach kurzer Zeit wieder ein Wahlkampf notwen­dig. Angetre­ten, zur Wahl am 5. Mai 1903, sind damals drei Herren. Die Stimmen­an­zahl ist in Klammern angege­ben (). Alfred Angst­en­ber­ger (13) aus Ellwan­gen, Richard Frank (74) aus Oberko­chen und Franz Anton Bucher aus „weiß-nicht-wo“ (114). Somit war Bucher als Schult­heiß auf Lebens­zeit gewählt – wie das damals so üblich war. Aber wie die Ehen, die nach dem Motto geschlos­sen werden „bis der Tod uns schei­de“, so sind auch auf Lebens­zeit gewähl­te Schult­hei­ßen nicht vor dem Lauf der Dinge gefeit. Am 28. Mai 1903 wurde im Rathaus der neue Schult­heiß Bucher durch den Herrn Oberamt­mann aus Aalen feier­lich in sein Amt einge­setzt. Anschlie­ßend zogen die VIPs zu einem Festmahl in das Gasthaus „Hirsch“ um. Es wurde geredet, getoas­tet, gespeist und getrun­ken und alle waren der Meinung, dass nun ein jahre­lan­ger Schaf­fens­pro­zess begin­nen wird, um alle Wahlver­spre­chen engagiert abzuarbeiten.

Am 3. März 1905 war jedoch die lebens­lan­ge Arbeit des 1903 gewähl­ten Schult­hei­ßes durch einen freiwil­li­gen Rücktritt schon beendet. In der lokalen Presse ist kein Hinweis auf die Gründe zu finden.

Bei der nun erneut anste­hen­den Wahl gab es nur noch zwei Bewer­ber. Somit lief die Wahl auf einen Zweikampf hinaus zwischen Verwal­tungs­ak­tu­ar Weber aus Oberdorf und Schult­hei­ßen­as­sis­tent Frank aus Oberko­chen, der erneut kandidierte.

208 Oberko­che­ner Wahlbe­rech­tig­te sorgten bei einer Wahlbe­tei­li­gung von 90,38 % am 4. März 1905 für ein Ergeb­nis, das eigent­lich nicht vorge­se­hen war – ein Patt; jeder Bewer­ber hatte 94 Stimmen. Somit musste nach damali­ger Geset­zes­la­ge die König­li­che Kreis­re­gie­rung in Ellwan­gen entschei­den. Am 18. März 1905 entschied sie sich für den einhei­mi­schen Kandi­da­ten Richard Frank aus der Langgass‘ (heute Heiden­hei­mer Straße). Das Haus kennen wir heute noch – das Backstein­ge­bäu­de neben dem Einrich­tungs­haus Kaufmann, in dem heute sein Enkel Thomas Gentner wohnt.

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Das damali­ge „Frank-Haus“ rechts neben dem Bauern­haus, an dessen Stelle heute Raumsustat­tung-Kaufmann steht (Archiv Müller)

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Eine alte Gebäu­de­zei­le mit dem Backstein-Haus „Frank“ ganz rechts– heute stehen da die Volkmars­berg­apo­the­ke, der SO-Optiker und Raumaus­stat­tung Kaufmann (Archiv Müller)

1930, Richard Frank war seit 25 Jahren im Amt, versam­mel­ten sich die Gemein­de­rä­te und der Schult­heiß bzw. modern Bürger­meis­ter, im Rathaus zu einem Erinne­rungs­fo­to; nicht ahnend, dass bald eine andere Zeit herauf­zie­hen würde. Im Gasthaus „Hirsch“, einem der wichtigs­ten sozia­len Orte in unserer Gemein­de, wurde schlicht gefei­ert; eben der Zeit entsprechend.

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Jubilä­ums­fo­to anläss­lich des 25Jährigen von Schult­heiß Richard Frank 1930 (Archiv Heimatverein)

Viele der abgebil­de­ten Räte waren bald nicht mehr dabei. Bei manchen mag es Amtsmü­dig­keit gewesen sein. Bei vielen aber hatte natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Willkür dafür gesorgt. Eine ausge­präg­te christ­li­che Grund­über­zeu­gung und ein feines Gespür für das »Ungute«, das sich da anzukün­di­gen schien, verbot ihnen gemein­sa­mes Tun mit den eupho­ri­schen Mitläu­fern, die in der neuen »Marsch­rich­tung« das allei­ni­ge Heil sahen. Sie wollten weder Haken­kreuz­fah­nen hissen, noch die entspre­chen­de Armbin­de tragen, wie es eben zu bestimm­ten Anläs­sen geboten war.

Die Zeit zwischen 1933 und 1945.

Bei der Reichs­tags­wahl am 6. Novem­ber 1932, der letzten vor der Macht­er­grei­fung, wurde in Oberko­chen von 1.001 Wahlbe­rech­tig­ten wie folgt gewählt:

477 Stimmen für das Zentrum
201 Stimmen für die NSDAP (Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsche Arbei­ter­par­tei)
113 Stimmen für die KPD (Kommu­nis­ti­sche Partei Deutsch­lands)
31 Stimmen für die DP (Deutsch­na­tio­na­le Partei)
20 Stimmen für die SPD (Sozial­de­mo­kra­ti­sche Partei Deutsch­land)
13 Stimmen für die DDP (Deutsche Demokra­ti­sche Partei)
5 Stimmen für den Bauern- und Weingärt­ner­bund
4 Stimmen für den Christ­lich Sozia­len Volks­dienst
1 Stimme für die DV (Deutsche Volkspartei)

Noch keine Gefahr, sollte man meinen, aber Anfang 1933 kam es im Gemein­de­rat zwischen den Mitglie­dern der Zentrums­par­tei und den Mitglie­dern, die mit den neuen Macht­ha­bern sympa­thi­sier­ten, zu ersten hefti­gen Differenzen.

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Das Rathaus in der alten Ortsmit­te um 1936 (Archiv Müller)

Gemäß dem Gemein­de­rats­pro­to­koll vom 7. Juli 1933 verlie­ßen die 5 Zentrums­mit­glie­der die Sitzung an diesem Tage demons­tra­tiv, worauf sie der stell­ver­tre­ten­de Vorsit­zen­de als »aus dem Gemein­de­rat ausge­schlos­sen« bezeich­ne­te. (Bürger­meis­ter Frank war an diesem Tag aus gesund­heit­li­chen Gründen verhin­dert gewesen.) Sofort, in dersel­ben Sitzung, wurden 3 Ersatz­män­ner aus der Ortsgrup­pe der NSDAP in den Gemein­de­rat berufen (nicht gewählt!) und das Unheil nahm seinen weite­ren Verlauf.

Am 23. Novem­ber 1933 lehnte es der Gemein­de­rat in seiner neuen Zusam­men­set­zung ab, mit Bürger­meis­ter Frank zusammenzuarbeiten.

Oberkochen
Oberkochen

Proto­koll zur Abset­zung von Richard Frank am 23.11.1933
(zur Vergrö­ße­rung bitte klicken, Archiv Gentner)

In der Sitzung am 9. Januar 1934, die von Otto Heiden­reich gelei­tet wurde, heißt es lapidar:

»Kennt­nis genom­men wird von dem Erlaß des W. (Württem­ber­gi­schen) Innen­mi­nis­te­ri­ums vom 28.12.33 inhalt­lich dessen Bürger­meis­ter Frank durch Entschlie­ßung des Herrn Reichs­statt­hal­ters vom 7.12.33 auf Grund §6 des Geset­zes zur Wieder­her­stel­lung des Berufs­be­am­ten­tums in den Ruhestand versetzt wurde. Nach Ziff. II des genann­ten Erlaßes ist der Schult­heiß a.D. Otto Heiden­reich in Oberko­chen zum Amtsver­we­ser der Gemein­de bestellt worden und hatte die Geschäf­te am 2. Jan. 1934 zu übernehmen«.

Damit war Otto Heiden­reich von Juli 1934 bis zum Ende des II. Weltkriegs im Jahre 1945 Bürgermeister.

Doch damit nicht genug Stress für den abgesetz­ten Richard Frank. Aus Gemein­de­rats­pro­to­kol­len ist ersicht­lich, dass Frank monate­lang um berech­tig­te Gehalts­nach­for­de­run­gen kämpfen musste, die man ihm mit haltlo­sen Begrün­dun­gen willkür­lich vorent­hal­ten wollte. Begrün­dung: Die Nachzah­lung sei wegen der finan­zi­ell schlech­ten Lage der Gemein­de nicht möglich. Auf Druck des Oberamts Aalen erklär­te sich die Gemein­de bereit, die Ausstän­de zusam­men mit dem Ruhegeld in Raten zu 50 Reichs­pfen­ni­gen pro Monat abzustottern.

Für Richard Frank begann eine schwe­re Zeit. Die eigene Gesund­heit war angeschla­gen, seine Frau verstor­ben. Er kam eine kurze Zeit bei der Oberamts­pfle­ge Schwä­bisch Gmünd unter und von 1937 bis 1945 versah der das Amt des Gemein­de­pfle­gers in der Nachbar­ge­mein­de Unterkochen.

Für die Zeit zwischen 1933 und 1945 sei Inter­es­sier­ten der Bericht von Dietrich Bantel „Das III. Reich in Oberko­chen“ im alten Heimat­buch sowie das entspre­chen­de Kapitel im neuen Heimat­buch empfohlen.

Die Zeit nach 1945.

Alles geht einmal zu Ende, so auch diese 12 Jahre, und zwar am 24. April 1945. Die US-Armee marschier­te ein, die Zerstö­rung des beglei­ten­den Artil­le­rie­be­schus­ses hielt sich im Rahmen, alles „Schwar­ze (SS)“ und „Braune (NSDAP)“ hatte sich über Nacht in Luft aufge­löst – durch Flucht, Amnesie oder Metha­mor­pho­se oder auch im Grimm’schen Sinne durch „Bäumchen-wechsel- Dich.“

Die US-Armee beauf­trag­te zuerst einen Rathaus-Angestell­ten mit den Amtsge­schäf­ten, danach übernahm diese eine Gruppe Oberkoch­ner Bürger, die, nach Prüfung auf politi­sche Unbelast­bar­keit, zu einer Art Beirat erwei­tert wurde. Die US-Besat­zungs­macht setzte dann umgehend den Alt-Bürger­meis­ter Richard Frank kommis­sa­risch wieder ins Amt ein, das er bis in den März 1946 hinein ausführte.

Rudolf Eber wurde im Frühjahr 1946 vom Gemein­de­rat mit den Amtsge­schäf­ten beauf­tragt. Die erste freie Wahl nach dem Krieg verlor er dann aber gegen den exter­nen Bewer­ber aus Stutt­gart – Gustav Bosch, der unsere Gemein­de in den nächs­ten Jahrzehn­ten außer­ge­wöhn­lich prägen sollte.

Otto Heiden­reich wurde, auch wenn ihm die Spruch­kam­mer in Ludwigs­burg in ihrem Urteil „korrek­te Amtsfüh­rung“ bestä­tig­te, am 20. April 1948 als „Belas­te­ter“ zu 2 ¾ Jahren Arbeits­la­ger verur­teilt. Da er sich bereits seit dem 9. Mai 1945 in Inter­nie­rungs­haft befand, war diese Strafe zum Zeitpunkt der Urteils­ver­kün­dung abgebüßt.

Richard Frank verdien­te sich die Anerken­nung vieler auch durch langjäh­ri­ge Tätig­kei­ten im hiesi­gen katho­li­schen Kirchen­stif­tungs­rat, als Vorstand und Ehren­mit­glied beim Sänger­bund, Vorstand beim Musik­ver­ein, Mitbe­grün­der des Roten Kreuzes in Oberko­chen, der Kolpings­fa­mi­lie und des Turnver­eins, sowie Mitglied des Schwä­bi­schen Albver­eins und des Deutschen Imker­ver­ban­des. Er starb im Jahr 1966 im Alter von 86 Jahren. Dass aller­dings Robert Wolf den Nachruf schrieb, ist zwar durch seine Tätig­keit für die Schwä­po nachvoll­zieh­bar, aber aus histo­ri­schen und Gründen des Feinge­fühls hätte er das besser einem anderen überlassen.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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