Oberkochen

1959 Einschu­lung des kleinen Wilfried mit seinem Jahrgang 1952 – damals noch kein Billie ☺(Archiv Müller)

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1958 Das Lehrer­kol­le­gi­um an der Dreißen­tal­schu­le (Archiv Müller)
Reihe 1: Timm, Vikar Klein, Pfarrer Gottfroh evang., Hagmann, Pfarrer Hager kath., Braun, Schwes­ter Maria, Kny
Reihe 2: Heller, Franz, Gunzen­hau­ser, Jungk, Thiel, Holz, Ruoff, Hermann
Reihe 3: Rieger, Hölldampf, Höfel, Schmieg, Hausmeis­ter Burghard, Maikler, Binder

Der Billie, also ich selbst, weiß dazu folgen­des zu erzählen.

Ich will meine Erinne­run­gen mal an diver­sen Lehrer festma­chen und natur­ge­mäß in der damali­gen Volks­schu­le im Dreißen­tal begin­nen. Meine Einschu­lung erfolg­te, wie seiner­zeit üblich, im Frühjahr 1959 bei Eis und Schnee. Eva-Maria Erben war meine erste Lehre­rin für die 1. und 2. Klasse. Sie war eine gute Lehre­rin und ich konnte mich recht gut bei ihr entwi­ckeln. Drei Highlights aus diesen Jahren blieben: 1) Ich melde­te mich nie, wenn sie etwas fragte und das fiel ihr natür­lich auf. Auf die Frage warum, antwor­te­te ich wohl sinnge­mäß, dass ich alles wisse und bei diesem Melde- und Finger-Schnipp-Wettbe­werb nicht mitma­chen möchte. Sie erklär­te mir dann aber, dass sie anneh­men müsse, dass ich nichts wisse, wenn ich mich nicht melde. Und so machte ich dann eben etwas mehr mit. 2) Einmal sollte ich in die Ecke stehen und mich schämen. Da musste ich dann aber fragen, wie man das macht „sich schämen“. 3) Auf die Frage nach dem Lieblings­ge­richt antwor­te­te ich „Kartof­fel­sup­pe“. Das irritier­te Frau Erben wohl etwas, weil sie das beim nächs­ten Eltern­ge­spräch thema­ti­sier­te. Mir ging es vermut­lich aber nur darum, etwas zu sagen, was die anderen nicht auf dem Speise­zet­tel hatten. In diese Zeit fiel auch noch das Schrei­ben mit Griffel auf der kleinen Schie­fer­ta­fel. Dann ging es in die 3. und 4. Klasse zu Albrecht Gunzen­hau­ser. Er war ebenfalls ein recht guter Lehrer und wir kamen gut mitein­an­der aus. Ich fand es aber völlig daneben, dass bestimm­te Schüler ständig mit morgend­li­chen Tatzen bestraft wurden (Karel Metre­vel­ly, Günther Maslo, Günther Köhler und Fried­rich Henck), weil sie entwe­der frech und laut waren und / oder massi­ve Recht­schreib­schwä­chen hatten. Das wurde damals nicht thera­piert, sondern sanktio­niert. Andere Zeiten eben. Dann wurde uns Demokra­tie beigebracht. Zum ersten Mal sollte ein Klassen­spre­cher gewählt werden, aber nur für das Fach Musik. Gewählt, auf Vorschlag von Frau Timm, ohne Gegen­kan­di­dat, wurde Eckart Irion, der nach der Wahl auf dem Nachhau­se­weg einiges aushal­ten musste, denn das gehör­te sich unserer Meinung nach nicht, dieses Amt auf diese Weise anzuneh­men. Diese neumo­di­sche moder­ne Form der Basis­de­mo­kra­tie erschien uns wie Klassenverrat.

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Die deutsche Schrift – wer kann sie noch lesen (Archiv Müller)

In der 4. Klasse mussten wir auf Weisung der Schul­be­hör­de noch Altdeutsch lernen. Das war lästig, versetz­te mich aber in die Lage, die wenigen Briefe und Karten meiner Härts­fel­der Hebam­men-Oma lesen zu können. Alte Bücher in Fraktur­schrift gedruckt, kann ich daher heute noch problem­los lesen, aber handschrift­li­che Dokumen­te schaf­fe ich dann heute meistens doch nicht mehr. Wie Chris­toph auch in Erinne­rung hat, war Gunzen­hau­ser das Schrift­bild sehr wichtig und die Leitli­nie laute­te: Es musste schräg geschrie­ben werden. Da ich aber ein „Gradschrei­ber“ war, musste ich das Heft schräg, fast senkrecht legen und auch noch schräg sitzen – ein Blödsinn ohne gleichen.

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Unsere Schrift – die latei­ni­sche Ausgangs­schrift (Inter­net)

Das Schrift­bild ist doch Teil der Persön­lich­keit und wurde damals massiv manipu­liert – am meisten litten vermut­lich die Links­hän­der, die oft umfunk­tio­niert wurden. Heutzu­ta­ge wird darüber gestrit­ten, ob überhaupt noch eine Schreib­schrift gelehrt werden soll. (Ich halte das für falsch und degene­ra­tiv für die eigene Entwick­lung. Man denke nur an die Schrift der Japaner und Chine­sen – das fordert die jungen Menschen doch viel mehr, als nur Druck­buch­sta­ben zu schrei­ben und auf Tasta­tu­ren herum zu klopfen). Übrigens, wir gehör­ten zu denen, die zeitwei­se noch mit Feder­hal­ter und Tinte arbei­ten mussten, bis eines Tages der Pelikan-Füller (oder Lamy und Geha) Einzug in unser Schüler­le­ben hielt. Kugel­schrei­ber waren verpönt und verbo­ten – des Schrift­bil­des wegen. Das Thema Religi­ons­leh­rer in dieser Zeit muss angespro­chen werden. Wir beweg­ten uns zwischen Fräulein Batzill’s Engel-Malerei und Pfarrer Forster’s geleb­ter Nächs­ten-Hiebe. Der Mann war im Grunde nicht tragbar (das ist heute noch meine Ansicht) und wechsel­te eines Tages auch die Gemein­de – vermut­lich um anders­wo neue Aufga­ben und Heraus­for­de­run­gen zu übernehmen…….

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Pelikan – unser alter Patro­nen­fül­ler (Archiv Müller)

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1969 Die Lehrer­schaft am Progym­na­si­um (Archiv Müller)
Reihe 1: Schrö­pel, Wick, Thiem, Zimmer, Kühn, Schrenk, Ulrich, Fahr, Klappen­ecker
Reihe 2: Schnap­per, Seckler, Seckler, Bantel, Bantel, Jäger, Krug, Hermann, Rapp, Riegel
Reihe 3: Enders, Sauerer, Herrmann, Fäser, Hohmuth, Schwab, Thiem, Heller, Fischer

1962 kam dann die Aufnah­me­prü­fung für das Progym­na­si­um. Ich machte mich am Prüfungs­tag auf den Weg in die Schule, kam an und hatte ein Problem: Die vorde­ren Bänke waren alle besetzt und ich stell­te fest, dass ich die Mathe-Aufga­ben an der Tafel nicht lesen konnte und rechne­te eben mit den Werten, die ich lesen konnte. Das führte dazu, dass ich mit falschen Zahlen richtig rechne­te, aber zu falschen richti­gen Ergeb­nis­sen kam. Ich musste die Prüfung wieder­ho­len und eine massi­ve Augen­schwä­che trat damit zutage. Alle anderen Aufga­ben lagen als hekto­gra­phier­te Blätter vor und waren somit problem­los bearbeitbar.

So ging es im Frühjahr 1963 ins neu errich­te­te Pro-Gymna­si­um mit schönen neuen Zimmern, beson­ders schön fand ich, dass die Beleuch­tung so hell und der Ausblick aus den Klassen­zim­mern, Richtung Rodstein, so schön war. Und alles zu Fuß (später mit Fahrrad), ohne Famili­en­fahr­dienst wie es heute üblich ist. Unser erster Klassen­leh­rer, Studi­en­rat Rudolf Thiem, empfing uns ca. 30 Schüler aller­dings mit einer heute gänzlich unver­ständ­li­chen Begrü­ßung. Sinnge­mäß: „Ihr seht hier die Gauß’sche Normal­ver­tei­lungs­kur­ve. Anhand dieser lässt sich leicht erklä­ren, warum ihr bis zum Abitur nur noch 18 Schüler sein werdet. Egal – auch wenn ihr lauter Einser schrei­ben würdet – mehr als 18 werdet ihr wohl nicht sein“. Die ersten wurden schon nach dem Probe-Viertel­jahr aussor­tiert und so ging es im Laufe der Jahre immer weiter, bis das 1971 eintrat was er damals schon prophe­zei­te – nicht 18, aber 22 meiner damali­gen Mitschü­ler machten als erster Jahrgang in Oberko­chen ihr Abitur – aller­dings ohne mich, war in meiner Biogra­fie nicht vorgesehen.

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1971 Mein Jahrgang war der erste Abi-Jahrgang in Oberko­chen – leider ohne mich (Archiv Müller)

Als Erwach­se­ner hatte ich einige Gesprä­che und Brief­wech­sel mit ihm zum Thema „dass er bei seinen Schülern tw. bleiben­de Eindrü­cke hinter­las­sen habe“. Das konnte er fast nicht glauben und versi­cher­te mir, dass ihre damali­ge Aufga­be nicht gewesen sei, uns zum Abi zu bringen, sondern zu selek­tie­ren, um nur eine gewis­se Zahl an Schülern zum Reife­zeug­nis zu führen. Das Thema Arbei­ter­kin­der und VIP-Kinder lassen wir einfach mal so stehen. Da hat sicher auch der eine oder die andere seine/ihre Erfah­run­gen gemacht.

Bei Thiem hatten wir Deutsch und Englisch. Englisch lief recht gut und wir lernten bei ihm mit Hilfe einer eigens erdach­ten Holz-Konstruk­ti­on, in die er die verschie­de­nen Worte (Substan­ti­ve, Adjek­ti­ve, Verben und Adjek­ti­ve) einschie­ben konnte und so ganze Sätze entstan­den. Die deutschen Begrif­fe wie Haupt­wort, Tätig­keits­wort usw. waren für uns nun verbo­ten und für die Volks­schü­ler waren wir „die von da oben“ (das hängt uns tw. heute noch an…) Natür­lich hatte auch die Musik der Beatles auf den Unter­richt Einfluss. Aber das pädago­gi­sche Sezie­ren von engli­schen Schla­ger­tex­ten half nichts – wir blieben unserer Musik treu. Und das Singen von der Thiem’schen Versi­on von „My Bonnie lies over the ocean“ war einfach langwei­li­ger als die von den Beatles. Meine Deutsch-Aufsät­ze waren häufig ein Thema und manches wurde bei der Rückga­be der benote­ten Machwer­ke genüss­lich zitiert und breit­ge­tre­ten. Meine Mitschü­ler erwäh­nen das gelegent­lich immer noch bei unseren jährli­chen Schul­zeit-Treffen. Beindru­ckend fand ich sein Hobby: „Japani­sche Litera­tur in Form von Haikus und Kalli­gra­phie“. Im Inter­net fand ich kürzlich ein Haiku, das von ihm stammt: „Gewit­ter­wol­ken, im Rückspie­gel leuch­ten noch Zyanen und Mohn.“ Er war ein Lehrer, der heute noch bei unseren Treffen mitun­ter für kontro­ver­se Diskus­sio­nen sorgt.

Ein weite­rer unver­gess­li­cher Lehrer ist Otto Fischer, seines Zeichens Mathe- und Musik­leh­rer. Er hätte auch „Old Shure­hand“ heißen können, hatte er doch eine treff­si­che­re rechte Hand, die er in der Anfangs­zeit öfters ansatz­los einsetz­te. Er war schlicht die Dynamik in Person – egal ob mit Taktstock, an der Tafel, am Klavier oder auf der Treppe. Langsam? Kannte und konnte er nicht. Fischer spielt etwas auf dem Klavier vor und wir mussten die dazuge­hö­ri­gen Noten schrei­ben – ich möchte nicht vorge­spielt bekom­men, was ich damals zu Papier gebracht habe. In den Schul­chor ging ich eigent­lich recht gerne, weil damit immer öffent­li­che Auffüh­run­gen verbun­den waren und dachte mir, dass meine Künste da schon nicht auffal­len würden. Falsch gedacht. Fischer im Origi­nal­ton: „Wilfried, kommen Sie bitte nicht wieder. Sie bekom­men trotz­dem ihre Fünf (Schul­chor hieß automa­tisch eine Note besser)“. Spannend fand ich es, als wir den Freischütz auf Schall­plat­te durch­nah­men. Das gefiel mir vermut­lich so gut, dass ich darüber zu viel mit meinem Nachbar schwätz­te. Plötz­lich stand er vor mir: „Wilfried! Nehmen Sie die Brille ab!“ Wilfried reagier­te nicht. Also riss er mir diese von der Nase, rannte nach vorne und donner­te sie aufs Klavier, wobei sie in zwei Teile zerbrach. Der Schaden wurde wohl über seine Versi­che­rung geregelt, mehr passier­te damals nicht. Vermut­lich bewahr­te mich die Brille vor einer hefti­gen Ohrfei­ge, denn auch im Gymmi war diese Art von Liebko­sun­gen noch nicht überwun­den. Vor ein paar Jahren ließ er sich zu einem Klassen­tref­fen ins Natur­freun­de­haus einla­den. Als aber Friede­mann Blum, Arthur Grupp und Karl Starz ihre Instru­men­te und den Blues & den Rock auspack­ten, suchte er mit den Worten „Das ist doch keine Musik, das sind nur laute Geräu­sche. Ich brauche mein Gehör noch“ das Weite und ward in unserem Kreis fortan nicht mehr gesehen.

Dann begann die Ära Enders. Dr. Sigurd Enders. Der Vorna­me war cool, der Nachna­me normal, der Körper in einem Kniebund-Anzug mit Hut und überge­wor­fe­nem Jacket gepackt – schlicht wie aus der Zeit gefal­len. Er war kein guter Lehrer und wir Schüler (aller Klassen) ließen ihn das auch spüren – privat wie in der Schule. Ob er sich von den Mädels auf der Landkar­te „Spitz­ber­gen“ zeigen ließ oder er mit uns das Wortfeld „Quelle“ einüb­te, um eine Schul­rat-Besuchs-Stunde zu überste­hen. In Erdkun­de glänz­te er mit alten vergilb­ten Zetteln, von denen er ablas, oder mit seinem Spruch: „Die Haupt­städ­te in Afrika braucht ihr euch nicht merken, die ändern sich sowie­so monat­lich.“ Sein Lieblings­dich­ter war zweifels­oh­ne der unglück­li­che, bereits mit 27 Jahren verstor­be­ne, öster­rei­chi­sche Dichter Georg Trakl und er traktier­te uns ab und an mit ihm. Bei einem Wander­tag zum Pulver­turm tat er uns kund, dass er unser Klassen-Vati sein wollte – ging aber gar nicht. Bei einer ersten Klassen­par­ty durften wir unsere Beat-Schall­plat­ten mitbrin­gen, aber er versuch­te uns mit Horst Jankowsky’s Schwarz­wald­fahrt zu gewin­nen. Erfolg­los – wir konnten einfach nicht mit ihm. Und wenn wir zu rabiat mit ihm umgin­gen, war er schon mal wochen­lang krank. Eines Tages veröf­fent­lich­te ein böser Bube einfach in der Schwä­po seine Todes­an­zei­ge. Das war dann doch zu viel des Guten und als Konse­quenz verließ er Oberko­chen und zog nach Haag am Hausruck in Oberösterreich.

Ein völlig anderer Typ war Otto Krug genannt „BotJug“. (Bot=Krug auf Franzö­sisch und Jug=Krug auf Englisch). Er war ein gutmü­ti­ger Lehrer vom sog. „alten Schlag“, der den Schülern nichts Böses wollte, sie aber auch nicht schulisch groß weiter­brach­te. Ich mochte ihn aber sehr, weil ich mich bei ihm gut aufge­ho­ben fühlte. Eines Tages nahm ich meinen beim Unfried für Fasching gekauf­ten Trommel­re­vol­ver mit selbst durch­bohr­tem Lauf in die Schule mit. „Botjug“ nahm sie mir natür­lich weg und händig­te sie mir am Ende meiner schuli­schen Laufbahn im Sommer 1969 wieder aus. Als ich ihn später als Erwach­se­ner, nach meiner Marine­zeit, wieder einmal traf, entschul­dig­te er sich bei mir für das erlit­te­ne Unrecht am Gymmi. Respekt, zumal er damit überhaupt nichts zu tun hatte, aber er wusste Bescheid und konnte alles gut einord­nen. Sein Franzö­sisch war aller­dings nicht gerade dazu angetan eine Fremd­spra­che so zu lernen, dass man damit gut zurecht­kam. Wie sagte er einst zu Richard Burger: „Wenn du mal nach Frank­reich kommst, sag nieman­dem, dass du bei mir Franzö­sisch gelernt hast.“ Levez vous – Assejez vous – Come to the Black­board – Some expres­si­ons now – das war unser “BotJug” in Franzö­sisch und Englisch.

Und dann kam der junge Asses­sor Hans-Jürgen Hermann und mit den Noten ging es erst mal drama­tisch abwärts. Der junge Mann sprach die ganze Stunde lang nur Franzö­sisch – und das im Franzö­sisch-Unter­richt ☺. Die erste Klassen­ar­beit endete nahezu in einer Katastro­phe und wurde auf Anwei­sung vom Direx Schrenk für ungül­tig erklärt – Schnitt um die 5,0. Jetzt war Not am Mann – Nachhil­fe­un­ter­richt beim Nachbarn Rudolf Heite­le im Studier-Stüble unter seinem Dach und siehe da, es wurde besser. Herr Hermann belehr­te mich vor ein paar Jahren, dass ich doch eine ansehn­li­che 3 hatte (ein engagier­ter Lehrer hebt die alten Noten­hef­te so lange auf, bis sie zum Nachlass werden). Vielleicht bekommt das Heimat­mu­se­um irgend­wann mal ein paar alte Lehrer­auf­zeich­nun­gen incl. Noten. Das wäre mal etwas Beson­de­res. Denn solche Noten­auf­zeich­nun­gen können im späte­ren Leben auch für kommen­de Genera­tio­nen hilfreich sein. Dazu eine kleine Geschich­te aus Bern mit dem Titel:

Das kleine Buch – Eine Anekdo­te für Lehre­rIn­nen. Mein Großva­ter, der gefürch­te­te Geschichts­leh­rer, hatte Genera­tio­nen von Berner Gymna­si­as­ten erlebt und deren Noten säuber­lich in einem kleinen schwar­zen Buch festge­hal­ten. Viele seiner Schüler brach­ten es später – dank oder trotz meines Großva­ters Unter­richt – zu etwas. Wurde dann so ein Name in der Zeitung, im Radio oder im Fernse­hen erwähnt, suchte Großva­ter das schwar­ze Noten­büch­lein hervor, blätter­te angestrengt und sagte: „Aha! Der hatte schon vom 30jährigen Krieg nichts begrif­fen!“ Oder aber: „Merkwür­dig, der war früher eigent­lich ein recht kluges Bürsch­chen.“ Nach Großva­ters Tod gelang­te das Büchlein in den Besitz meiner Mutter. Und wurde weiter­hin rege benutzt, vor allem am Sonntag­mor­gen. „Wie hieß der junge Mann, mit dem Du gestern im Ausgang warst?“, fragte Mutter dann jeweils. Zog das schwar­ze Büchlein hervor, blätter­te angestrengt und sagte: „Wenn der so dumm ist wie sein Vater, würde ich mir das nochmals überlegen.“

Die Lehrer Horst Riegel und Wolfgang Schwab fielen dadurch auf, dass sie immer Bedarf an Hilfs­kräf­ten für Vogel­nist­käs­ten oder Labor­auf­räum­ar­bei­ten u.ä.m. hatten. Und es fiel den beiden nicht schwer, dafür zu sorgen, dass unsere Verhal­tens­wei­sen durch nachmit­täg­lich unfrei­wil­li­ge Überstun­den sanktio­niert werden konnten.

Unser Direx Volkmar Schrenk gab bei uns Erdkun­de und brach­te immer seine großen Stempel zum Einsatz, in deren blauen Abdru­cke wir Gebirgs­zü­ge, Flüsse und Städte einzeich­nen mussten.

Bleibt noch Rudolf Heller, bei dem ich ein Jahr lang Werkun­ter­richt hatte. Er verstand es zu loben, was ich überhaupt nicht gewohnt war. Und so habe ich dieses Fach, aber leider nur kurz, geliebt. Ich erinne­re mich an einen Brief­öff­ner aus Holz (in der Form eines Haifi­sches) und die Erstel­lung eines Kerzen­stän­ders. Er nahm sich immer die Zeit beson­ders gut gelun­ge­ne Stücke in der Klasse zu bespre­chen. Er hatte es sicher am Gymmi im Kolle­gi­um auch nicht leicht, war er doch ein Seiten­ein­stei­ger mit einer Quali­fi­ka­ti­on, die er sich neben seiner bishe­ri­gen Lehrtä­tig­keit aneig­nen musste – nachträg­lich Respekt.

Bei Dietrich Bantel hatte ich später Kunst­un­ter­richt. Meine Begabung hielt sich in Grenzen und ich sah seine Stunden als Erholung zu den anderen Fächern an. Ich profi­tier­te aber von meinem Neben­sit­zer, meinem Freund Friede­mann Blum, der mich auch in die Gehei­mis­se der eroti­schen Bildbän­de einweih­te. Später studier­te er Kunst in Stutt­gart, unter­rich­te­te in Heiden­heim und machte sich einen Namen als Künst­ler, Musiker und Art-Worker.

Am 6. März 2018 verstarb „Didi“ Bantel, wie er sich gerne von seinen groß und alt gewor­de­nen Schülern nennen ließ. Ein außer­ge­wöhn­li­cher Lehrer, der 1962 als junger dynami­scher Asses­sor ans Progym­na­si­um kam und hier große Fußstap­fen hinter­ließ, die heute von keinem Lehrer mehr ausge­füllt werden können und wohl auch nicht wollen. Damals herrsch­te die sog. Residenz­pflicht, d.h. man wohnte an dem Ort, an dem man auch lehrte. Das führte in der Regel zu zusätz­li­chem vielsei­ti­gem Engage­ment in Sport, Kultur, Kirche und Gemein­de. Heute wollen das manche Lehrer nicht mehr. Sie kommen zum Unter­richt und entschwin­den wieder – man sollte meinen, sie fürch­ten den priva­ten Kontakt zu Schülern und Eltern in der Freizeit und das in-Anspruch-nehmen der eigenen Person durch das gesell­schaft­li­che Umfeld. Natür­lich gibt es Ausnah­men wie mein Schul­freund Götz, des Trittler’s Done und mein Sauna­freund Richard, aber sie werden immer weniger. Ein Lehrer vom alten Schlag, der nicht zwischen Arbeits- und Freizeit unter­schied, sondern fließend alles mitein­an­der verband, war eben der Didi. Eine, im wahrs­ten Sinn des Wortes, ausge­stor­be­ne Art eines Lehrers. Die Verbun­den­heit mit seinen Schülern lässt sich am besten in der über 50jährigen Bezie­hung zwischen ihm und dem „Sechser-Club“ erken­nen. Bezeich­nen­der­wei­se feier­te die Familie Bantel ihren Abschied nach der Trauer­fei­er im Gasthaus „Mucken­ta­ler“ – gegen­über dem Schaupp-Haus, in dem er einst 1962 seine erste Wohnung in Oberko­chen hatte (siehe dazu auch seinen sehr persön­li­cher Bericht 600 „Wie ich nach Oberko­chen kam“).

Schul­aus­flü­ge, Wander­ta­ge und Schul­land­heim waren natür­lich wichti­ger Bestand­teil des Schul­jah­res. Zugfah­ren bis Schorn­dorf und stunden­lan­ges Wandern mit Rudolf Thiem. Der Lehrer musste uns damals bei der Bahn anmel­den, damit extra ein Waggon für uns angehängt wurde (heute stürmen die Klassen einfach die zu diesen Zeiten sowie­so überbe­setz­ten Züge). Schul­land­heim fiel bei mir leider wegen indis­ku­ta­bler Leistun­gen aus. Da waren meine Eltern nicht bereit, dafür auch noch Geld herauszurücken.

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1959 Meine Fibel aus der Volks­schu­le Klasse 1 (Archiv Müller)

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Hambur­ger Lesehef­te aus den 60ern am Progym­na­si­um (Archiv Müller)

Wichtig war für mich der Lesestoff (ab er Fibel) in allen Varia­tio­nen. Seien es die Lesebü­cher, die ich bis zum Schul­jahr­be­ginn während der Sommer­fe­ri­en schon alle durch­ge­le­sen hatte. Es folgten die „Husumer Lesehef­te“ (z.B. „Pole Poppen­spä­ler“, „Die Leute von Seldwy­la“) sowie die „gelben Reclam-Hefte“, aus denen oft rollen­mä­ßig vorge­le­sen werden musste (z.B. „Wilhelm Tell“ oder „Minna von Barnhelm“) und die 2017 auch schon 150 Jahre Jubilä­um feiern durften. Erste Schreib­ver­su­che unter­nahm ich für kurze Zeit in der Schüler­zei­tung Scola­s­so, die aber durch das Ende der Schul­zeit ein rasches Ende nahmen. Später schrieb ich die Sport­be­rich­te für den SKO für’s Blätt­le und die Schwä­po und bekam dafür gutes Zeilengeld.

Im Sport war ich zweige­teilt. Im Sommer Leicht­ath­le­tik war okay und durch­aus meine Sache. Im Winter Geräte- und Boden­tur­nen war ein Graus. Da gab es deutlich besse­re, denn mit Ringen, Reck, Bock, Seilen und Kletter­wand hatte ich so meine Proble­me und mit Schwim­men erst recht, denn das konnte ich gar nicht und ging im Unter­richt sogar einmal richtig unter – kurz und knackig: Abgesof­fen bin ich. Da wurde aber nicht viel Aufhe­bens gemacht, da ich ja auf Büttner‘s blauer Kunst­stoff­lie­ge wieder aufwach­te. Kein Eintrag im Klassen­buch und keine Mittei­lung an die Eltern gaben darüber Aufschluss. Bei Mannschafts­sport­ar­ten gehör­te ich immer zum „Rest“, der am Schluss zugeteilt wurde. Beim Senio­ren­sport würde ich heute zu den Gefrag­ten gehören, aber die Gesund­heit lässt einen Einsatz bei den alten Herren nicht mehr zu. Wie sich doch die Welt verän­dert. Aber unsport­lich war und bin ich bis heute nicht und bewegen wollte ich mich auch schon immer. Mein Ding war Radfah­ren und Joggen. Unsere besten Sport­ler waren der allzu früh verstor­be­ne Hans Hofmann und „Jimmy“ Wolfgang Weiss, der später eine eigene Schwimm­schu­le in Freiburg betrieb sowie Götz Hopfen­sitz, der als Skifah­rer verdammt viel Poten­ti­al hatte und wenn ich mich recht erinne­re, sogar mal im Tor bei 08 Unter­ko­chen stand.

Noch ein paar Worte zum Thema Kurzschul­jahr. Mit dem Hambur­ger Abkom­men vom 28. Oktober 1964 wurde beschlos­sen, das Schul­jahr am 1. August begin­nen zu lassen und die Schul­pflicht auf neun Jahre zu verlän­gern. Dazu wurden 2 Kurzschul­jah­re einge­führt: Vom 01.04.1966 bis 30.11.1966 und vom 01.12.1966 bis 31.07.1967.

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Wilfrieds Klasse am Gymmi 1967 Klasse 5a (Archiv Müller)

  • Von hinten links nach rechts vorn
    Peter Neupert, Bernhard Freitag, Walter Hegel­au, Hartmut Kratzsch, Joachim Ehren­berg, Heidi Jurasch­ka, Ulrike Kranz
  • Elisa­beth Bauer, Rolf Kelke, Jörg Funke, Werner Schul­ze, Werner Schaupp, Heide­ma­rie Limpert, Chris­tel Maria­nek, Chris­ti­na Strau­be, Gabi Moser
  • Edeltraut Schüler, Chris­ti­ne Porzig, Hanne­lo­re Völker, Regin Strau­be, Ursula Dietrich, Corne­lia Becker, Helma Scholz
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Wilfrieds Klasse am Gymmi 1967 Klasse 5b (Archiv Müller)

  • Von hinten links nach rechts vorn
    Friede­mann Blum, Micha­el Ludwig, Götz Hopfen­sitz, Peter Maiwald, Klaus Gold, Johan­nes Schmieg, Karl Starz, Wilfried „Billie“ Müller, Arthur Grupp, Eckart Irion
  • Alfred Schlei­cher, Reinhold Kurz, Mathil­de Winter, Margret Tischer, Gudrun Ahlert, Heidrun Flügel
  • Uwe Meinert, Barba­ra Mannes, Sabine Kalisch, Chris­ta Hornschuh, Beate Wöhner, Gudrun Korn

Jetzt lassen wir noch Inge Müller geb. Schra­der zu Wort kommen.

Einge­schult wurde ich im April 1954 und meine Klassen­leh­re­rin hieß Rosa Timm. Der erste Schul­tag gefiel mir natür­lich, gab es doch eine selbst gebas­tel­te Schul­tü­te und aller­lei Süßig­kei­ten, die mir das zukünf­ti­ge Schüler­da­sein versü­ßen sollten. Ein Erleb­nis, dass sich in ähnli­cher Form öfters wieder­ho­len sollte, blieb mir in Erinne­rung, als wäre es erst gestern gewesen. Die Klassen waren damals noch streng nach „Buaba ond Mädla“ getrennt und zur Krönung des ganzen gab es auch Schul­ran­zen für die Buben und solche für die Mädchen. Die für die Mädchen hatten zwei gekreuz­te Riemen über der Öffnungs­klap­pe. Also laute­te die erste Anwei­sung von Frau Timm: „Nun macht mal zuerst eure Ranzen auf, dazu müsst ihr erst die Riemen zur Seite schie­ben.“ Dumm gelau­fen, ich hatte natür­lich einen gebrauch­ten Buben-Ranzen und war sogleich dem Spott der Mitschü­le­rin­nen ausge­setzt. Kinder sind gnaden­los – bis heute ist das wohl so. Meine Eltern hatten für diese meine Sorgen null Verständ­nis, waren sie doch froh mir überhaupt einen Ranzen besor­gen zu können.

Grund­sätz­lich war meine Schul­zeit schön, hatte ich doch in der Nachbar­schaft und im Haus in der Sonnen­berg­stra­ße gleich­alt­ri­ge Mädchen, sodass ich schnell Freund­schaf­ten schlie­ßen konnte. Süßig­kei­ten und „Chewing Gums“ (Kaugum­mi) bekamen wir von den US-Besat­zern, die den Volkmars­berg bis in die 60er hinein besetzt hatten, auf dem tägli­chen Schul­weg in der Dreißen­tal­stra­ße zugewor­fen. A m e r i k a – das Land unserer kindli­chen Träume. Manche durften sich glück­lich schät­zen, dort Verwand­te zu haben und hin und wieder ein Paket mit den herrlichs­ten Inhal­ten zu bekom­men. Sommer­fe­ri­en waren einfach gestal­tet, aber trotz­dem toll. Vater nahm mich mit seinem „neuen gebrauch­ten“ Motor­rad mit auf einige Ausflü­ge in die Umgebung.

In der 5. und 6. Klasse hieß unser Klassen­leh­rer Gottlob Braun (wer heißt heute noch Gottlob – nur das Gesang­buch – Gottes­lob ☺). Mir erschien er wie ein uralter Mann, obwohl er da noch keine 60 war. Wegen einer Kriegs­ver­let­zung musste er immer mit der linken Hand seinen rechten Ellen­bo­gen abstüt­zen, wenn er etwas an die Tafel schrieb – und wir Kinder amüsier­ten uns darüber.

Eines Tages im Sommer, wieder so ein Mega-Erleb­nis, das sich bis heute In der Erinne­rung gehal­ten hat, rief er mich nach vorne und schick­te mich zum Wasch­be­cken, damit ich mir meine Hände wasche. Ich war aber nicht dreckig, sondern nur sonnen­ge­bräunt. Also wusch ich mich und wusch mich und schäm­te mich dabei – blieb aber so dunkel wie mich die Sonne gebräunt hatte. Nach der Schule ging ich weinend nach Hause und berich­te­te von meinem Erleb­nis. Meine Eltern gingen gemein­sam zum Lehrer Braun, um die Angele­gen­heit zu klären und von da an ließ er mich in Ruhe. Da ich mich, dank meines Vaters, in Biolo­gie gut auskann­te (denn Botanik war das Hobby vom Lehrer Braun), konnte ich ihn damit beein­dru­cken und hatte ein leich­te­res Schüler­da­sein, als es sonst üblich gewesen wäre.

Stefan Stumpf erinnert sich an eine Geschich­te mit Lehrer Heller.

Zum verstor­be­nen Lehrer Heller möchte ich sagen, dass mir dieser Lehrer in sehr guter Erinne­rung geblie­ben ist. Er war wirklich ein sehr guter Lehrer, bei dem ich sehr viel gelernt habe und den unsere ganze Klasse respek­tiert hat. Auch er hat zwar manch­mal den Rohrstock seines Amtes walten lassen, aber nicht in der Form und mit der Inten­ti­on wie das andere Lehrer taten. Eines Tages musste er den Mitschü­ler Gold, „Draiher“ genannt, wegen eines Verge­hens in der großen Pause züchti­gen. Gold gehör­te nicht zu Klassen­bes­ten, war aber clever und schlau, um sich gegen das Kommen­de zu wappnen. Er steck­te sich kurzer Hand ein Buch zwischen Hose und Aller­wer­tes­ten. Das seltsa­me Geräusch beim Aufprall des Steckens machte den Heller hellhö­rig und misstrau­isch. Er entdeck­te das Buch und musste so herzhaft lachen, dass dem Deliquen­ten die Strafe erlas­sen wurde. Fortan war der „Draiher“ in der Achtung der Klasse gewal­tig gestie­gen. Ich, für meinen Teil, werde den Herrn Heller in dankba­rer Erinne­rung behalten.

Dieses war der dritte Streich und der vierte folgt sogleich. (Fortset­zung folgt in Kürze)

Bis dahin grüßt wie immer „Der Billie vom Sonnenberg“.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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