
1959 Einschulung des kleinen Wilfried mit seinem Jahrgang 1952 – damals noch kein Billie ☺(Archiv Müller)

1958 Das Lehrerkollegium an der Dreißentalschule (Archiv Müller)
Reihe 1: Timm, Vikar Klein, Pfarrer Gottfroh evang., Hagmann, Pfarrer Hager kath., Braun, Schwester Maria, Kny
Reihe 2: Heller, Franz, Gunzenhauser, Jungk, Thiel, Holz, Ruoff, Hermann
Reihe 3: Rieger, Hölldampf, Höfel, Schmieg, Hausmeister Burghard, Maikler, Binder
Der Billie, also ich selbst, weiß dazu folgendes zu erzählen.
Ich will meine Erinnerungen mal an diversen Lehrer festmachen und naturgemäß in der damaligen Volksschule im Dreißental beginnen. Meine Einschulung erfolgte, wie seinerzeit üblich, im Frühjahr 1959 bei Eis und Schnee. Eva-Maria Erben war meine erste Lehrerin für die 1. und 2. Klasse. Sie war eine gute Lehrerin und ich konnte mich recht gut bei ihr entwickeln. Drei Highlights aus diesen Jahren blieben: 1) Ich meldete mich nie, wenn sie etwas fragte und das fiel ihr natürlich auf. Auf die Frage warum, antwortete ich wohl sinngemäß, dass ich alles wisse und bei diesem Melde- und Finger-Schnipp-Wettbewerb nicht mitmachen möchte. Sie erklärte mir dann aber, dass sie annehmen müsse, dass ich nichts wisse, wenn ich mich nicht melde. Und so machte ich dann eben etwas mehr mit. 2) Einmal sollte ich in die Ecke stehen und mich schämen. Da musste ich dann aber fragen, wie man das macht „sich schämen“. 3) Auf die Frage nach dem Lieblingsgericht antwortete ich „Kartoffelsuppe“. Das irritierte Frau Erben wohl etwas, weil sie das beim nächsten Elterngespräch thematisierte. Mir ging es vermutlich aber nur darum, etwas zu sagen, was die anderen nicht auf dem Speisezettel hatten. In diese Zeit fiel auch noch das Schreiben mit Griffel auf der kleinen Schiefertafel. Dann ging es in die 3. und 4. Klasse zu Albrecht Gunzenhauser. Er war ebenfalls ein recht guter Lehrer und wir kamen gut miteinander aus. Ich fand es aber völlig daneben, dass bestimmte Schüler ständig mit morgendlichen Tatzen bestraft wurden (Karel Metrevelly, Günther Maslo, Günther Köhler und Friedrich Henck), weil sie entweder frech und laut waren und / oder massive Rechtschreibschwächen hatten. Das wurde damals nicht therapiert, sondern sanktioniert. Andere Zeiten eben. Dann wurde uns Demokratie beigebracht. Zum ersten Mal sollte ein Klassensprecher gewählt werden, aber nur für das Fach Musik. Gewählt, auf Vorschlag von Frau Timm, ohne Gegenkandidat, wurde Eckart Irion, der nach der Wahl auf dem Nachhauseweg einiges aushalten musste, denn das gehörte sich unserer Meinung nach nicht, dieses Amt auf diese Weise anzunehmen. Diese neumodische moderne Form der Basisdemokratie erschien uns wie Klassenverrat.

Die deutsche Schrift – wer kann sie noch lesen (Archiv Müller)
In der 4. Klasse mussten wir auf Weisung der Schulbehörde noch Altdeutsch lernen. Das war lästig, versetzte mich aber in die Lage, die wenigen Briefe und Karten meiner Härtsfelder Hebammen-Oma lesen zu können. Alte Bücher in Frakturschrift gedruckt, kann ich daher heute noch problemlos lesen, aber handschriftliche Dokumente schaffe ich dann heute meistens doch nicht mehr. Wie Christoph auch in Erinnerung hat, war Gunzenhauser das Schriftbild sehr wichtig und die Leitlinie lautete: Es musste schräg geschrieben werden. Da ich aber ein „Gradschreiber“ war, musste ich das Heft schräg, fast senkrecht legen und auch noch schräg sitzen – ein Blödsinn ohne gleichen.

Unsere Schrift – die lateinische Ausgangsschrift (Internet)
Das Schriftbild ist doch Teil der Persönlichkeit und wurde damals massiv manipuliert – am meisten litten vermutlich die Linkshänder, die oft umfunktioniert wurden. Heutzutage wird darüber gestritten, ob überhaupt noch eine Schreibschrift gelehrt werden soll. (Ich halte das für falsch und degenerativ für die eigene Entwicklung. Man denke nur an die Schrift der Japaner und Chinesen – das fordert die jungen Menschen doch viel mehr, als nur Druckbuchstaben zu schreiben und auf Tastaturen herum zu klopfen). Übrigens, wir gehörten zu denen, die zeitweise noch mit Federhalter und Tinte arbeiten mussten, bis eines Tages der Pelikan-Füller (oder Lamy und Geha) Einzug in unser Schülerleben hielt. Kugelschreiber waren verpönt und verboten – des Schriftbildes wegen. Das Thema Religionslehrer in dieser Zeit muss angesprochen werden. Wir bewegten uns zwischen Fräulein Batzill’s Engel-Malerei und Pfarrer Forster’s gelebter Nächsten-Hiebe. Der Mann war im Grunde nicht tragbar (das ist heute noch meine Ansicht) und wechselte eines Tages auch die Gemeinde – vermutlich um anderswo neue Aufgaben und Herausforderungen zu übernehmen…….

Pelikan – unser alter Patronenfüller (Archiv Müller)

1969 Die Lehrerschaft am Progymnasium (Archiv Müller)
Reihe 1: Schröpel, Wick, Thiem, Zimmer, Kühn, Schrenk, Ulrich, Fahr, Klappenecker
Reihe 2: Schnapper, Seckler, Seckler, Bantel, Bantel, Jäger, Krug, Hermann, Rapp, Riegel
Reihe 3: Enders, Sauerer, Herrmann, Fäser, Hohmuth, Schwab, Thiem, Heller, Fischer
1962 kam dann die Aufnahmeprüfung für das Progymnasium. Ich machte mich am Prüfungstag auf den Weg in die Schule, kam an und hatte ein Problem: Die vorderen Bänke waren alle besetzt und ich stellte fest, dass ich die Mathe-Aufgaben an der Tafel nicht lesen konnte und rechnete eben mit den Werten, die ich lesen konnte. Das führte dazu, dass ich mit falschen Zahlen richtig rechnete, aber zu falschen richtigen Ergebnissen kam. Ich musste die Prüfung wiederholen und eine massive Augenschwäche trat damit zutage. Alle anderen Aufgaben lagen als hektographierte Blätter vor und waren somit problemlos bearbeitbar.
So ging es im Frühjahr 1963 ins neu errichtete Pro-Gymnasium mit schönen neuen Zimmern, besonders schön fand ich, dass die Beleuchtung so hell und der Ausblick aus den Klassenzimmern, Richtung Rodstein, so schön war. Und alles zu Fuß (später mit Fahrrad), ohne Familienfahrdienst wie es heute üblich ist. Unser erster Klassenlehrer, Studienrat Rudolf Thiem, empfing uns ca. 30 Schüler allerdings mit einer heute gänzlich unverständlichen Begrüßung. Sinngemäß: „Ihr seht hier die Gauß’sche Normalverteilungskurve. Anhand dieser lässt sich leicht erklären, warum ihr bis zum Abitur nur noch 18 Schüler sein werdet. Egal – auch wenn ihr lauter Einser schreiben würdet – mehr als 18 werdet ihr wohl nicht sein“. Die ersten wurden schon nach dem Probe-Vierteljahr aussortiert und so ging es im Laufe der Jahre immer weiter, bis das 1971 eintrat was er damals schon prophezeite – nicht 18, aber 22 meiner damaligen Mitschüler machten als erster Jahrgang in Oberkochen ihr Abitur – allerdings ohne mich, war in meiner Biografie nicht vorgesehen.

1971 Mein Jahrgang war der erste Abi-Jahrgang in Oberkochen – leider ohne mich (Archiv Müller)
Als Erwachsener hatte ich einige Gespräche und Briefwechsel mit ihm zum Thema „dass er bei seinen Schülern tw. bleibende Eindrücke hinterlassen habe“. Das konnte er fast nicht glauben und versicherte mir, dass ihre damalige Aufgabe nicht gewesen sei, uns zum Abi zu bringen, sondern zu selektieren, um nur eine gewisse Zahl an Schülern zum Reifezeugnis zu führen. Das Thema Arbeiterkinder und VIP-Kinder lassen wir einfach mal so stehen. Da hat sicher auch der eine oder die andere seine/ihre Erfahrungen gemacht.
Bei Thiem hatten wir Deutsch und Englisch. Englisch lief recht gut und wir lernten bei ihm mit Hilfe einer eigens erdachten Holz-Konstruktion, in die er die verschiedenen Worte (Substantive, Adjektive, Verben und Adjektive) einschieben konnte und so ganze Sätze entstanden. Die deutschen Begriffe wie Hauptwort, Tätigkeitswort usw. waren für uns nun verboten und für die Volksschüler waren wir „die von da oben“ (das hängt uns tw. heute noch an…) Natürlich hatte auch die Musik der Beatles auf den Unterricht Einfluss. Aber das pädagogische Sezieren von englischen Schlagertexten half nichts – wir blieben unserer Musik treu. Und das Singen von der Thiem’schen Version von „My Bonnie lies over the ocean“ war einfach langweiliger als die von den Beatles. Meine Deutsch-Aufsätze waren häufig ein Thema und manches wurde bei der Rückgabe der benoteten Machwerke genüsslich zitiert und breitgetreten. Meine Mitschüler erwähnen das gelegentlich immer noch bei unseren jährlichen Schulzeit-Treffen. Beindruckend fand ich sein Hobby: „Japanische Literatur in Form von Haikus und Kalligraphie“. Im Internet fand ich kürzlich ein Haiku, das von ihm stammt: „Gewitterwolken, im Rückspiegel leuchten noch Zyanen und Mohn.“ Er war ein Lehrer, der heute noch bei unseren Treffen mitunter für kontroverse Diskussionen sorgt.
Ein weiterer unvergesslicher Lehrer ist Otto Fischer, seines Zeichens Mathe- und Musiklehrer. Er hätte auch „Old Shurehand“ heißen können, hatte er doch eine treffsichere rechte Hand, die er in der Anfangszeit öfters ansatzlos einsetzte. Er war schlicht die Dynamik in Person – egal ob mit Taktstock, an der Tafel, am Klavier oder auf der Treppe. Langsam? Kannte und konnte er nicht. Fischer spielt etwas auf dem Klavier vor und wir mussten die dazugehörigen Noten schreiben – ich möchte nicht vorgespielt bekommen, was ich damals zu Papier gebracht habe. In den Schulchor ging ich eigentlich recht gerne, weil damit immer öffentliche Aufführungen verbunden waren und dachte mir, dass meine Künste da schon nicht auffallen würden. Falsch gedacht. Fischer im Originalton: „Wilfried, kommen Sie bitte nicht wieder. Sie bekommen trotzdem ihre Fünf (Schulchor hieß automatisch eine Note besser)“. Spannend fand ich es, als wir den Freischütz auf Schallplatte durchnahmen. Das gefiel mir vermutlich so gut, dass ich darüber zu viel mit meinem Nachbar schwätzte. Plötzlich stand er vor mir: „Wilfried! Nehmen Sie die Brille ab!“ Wilfried reagierte nicht. Also riss er mir diese von der Nase, rannte nach vorne und donnerte sie aufs Klavier, wobei sie in zwei Teile zerbrach. Der Schaden wurde wohl über seine Versicherung geregelt, mehr passierte damals nicht. Vermutlich bewahrte mich die Brille vor einer heftigen Ohrfeige, denn auch im Gymmi war diese Art von Liebkosungen noch nicht überwunden. Vor ein paar Jahren ließ er sich zu einem Klassentreffen ins Naturfreundehaus einladen. Als aber Friedemann Blum, Arthur Grupp und Karl Starz ihre Instrumente und den Blues & den Rock auspackten, suchte er mit den Worten „Das ist doch keine Musik, das sind nur laute Geräusche. Ich brauche mein Gehör noch“ das Weite und ward in unserem Kreis fortan nicht mehr gesehen.
Dann begann die Ära Enders. Dr. Sigurd Enders. Der Vorname war cool, der Nachname normal, der Körper in einem Kniebund-Anzug mit Hut und übergeworfenem Jacket gepackt – schlicht wie aus der Zeit gefallen. Er war kein guter Lehrer und wir Schüler (aller Klassen) ließen ihn das auch spüren – privat wie in der Schule. Ob er sich von den Mädels auf der Landkarte „Spitzbergen“ zeigen ließ oder er mit uns das Wortfeld „Quelle“ einübte, um eine Schulrat-Besuchs-Stunde zu überstehen. In Erdkunde glänzte er mit alten vergilbten Zetteln, von denen er ablas, oder mit seinem Spruch: „Die Hauptstädte in Afrika braucht ihr euch nicht merken, die ändern sich sowieso monatlich.“ Sein Lieblingsdichter war zweifelsohne der unglückliche, bereits mit 27 Jahren verstorbene, österreichische Dichter Georg Trakl und er traktierte uns ab und an mit ihm. Bei einem Wandertag zum Pulverturm tat er uns kund, dass er unser Klassen-Vati sein wollte – ging aber gar nicht. Bei einer ersten Klassenparty durften wir unsere Beat-Schallplatten mitbringen, aber er versuchte uns mit Horst Jankowsky’s Schwarzwaldfahrt zu gewinnen. Erfolglos – wir konnten einfach nicht mit ihm. Und wenn wir zu rabiat mit ihm umgingen, war er schon mal wochenlang krank. Eines Tages veröffentlichte ein böser Bube einfach in der Schwäpo seine Todesanzeige. Das war dann doch zu viel des Guten und als Konsequenz verließ er Oberkochen und zog nach Haag am Hausruck in Oberösterreich.
Ein völlig anderer Typ war Otto Krug genannt „BotJug“. (Bot=Krug auf Französisch und Jug=Krug auf Englisch). Er war ein gutmütiger Lehrer vom sog. „alten Schlag“, der den Schülern nichts Böses wollte, sie aber auch nicht schulisch groß weiterbrachte. Ich mochte ihn aber sehr, weil ich mich bei ihm gut aufgehoben fühlte. Eines Tages nahm ich meinen beim Unfried für Fasching gekauften Trommelrevolver mit selbst durchbohrtem Lauf in die Schule mit. „Botjug“ nahm sie mir natürlich weg und händigte sie mir am Ende meiner schulischen Laufbahn im Sommer 1969 wieder aus. Als ich ihn später als Erwachsener, nach meiner Marinezeit, wieder einmal traf, entschuldigte er sich bei mir für das erlittene Unrecht am Gymmi. Respekt, zumal er damit überhaupt nichts zu tun hatte, aber er wusste Bescheid und konnte alles gut einordnen. Sein Französisch war allerdings nicht gerade dazu angetan eine Fremdsprache so zu lernen, dass man damit gut zurechtkam. Wie sagte er einst zu Richard Burger: „Wenn du mal nach Frankreich kommst, sag niemandem, dass du bei mir Französisch gelernt hast.“ Levez vous – Assejez vous – Come to the Blackboard – Some expressions now – das war unser “BotJug” in Französisch und Englisch.
Und dann kam der junge Assessor Hans-Jürgen Hermann und mit den Noten ging es erst mal dramatisch abwärts. Der junge Mann sprach die ganze Stunde lang nur Französisch – und das im Französisch-Unterricht ☺. Die erste Klassenarbeit endete nahezu in einer Katastrophe und wurde auf Anweisung vom Direx Schrenk für ungültig erklärt – Schnitt um die 5,0. Jetzt war Not am Mann – Nachhilfeunterricht beim Nachbarn Rudolf Heitele im Studier-Stüble unter seinem Dach und siehe da, es wurde besser. Herr Hermann belehrte mich vor ein paar Jahren, dass ich doch eine ansehnliche 3 hatte (ein engagierter Lehrer hebt die alten Notenhefte so lange auf, bis sie zum Nachlass werden). Vielleicht bekommt das Heimatmuseum irgendwann mal ein paar alte Lehreraufzeichnungen incl. Noten. Das wäre mal etwas Besonderes. Denn solche Notenaufzeichnungen können im späteren Leben auch für kommende Generationen hilfreich sein. Dazu eine kleine Geschichte aus Bern mit dem Titel:
Das kleine Buch – Eine Anekdote für LehrerInnen. Mein Großvater, der gefürchtete Geschichtslehrer, hatte Generationen von Berner Gymnasiasten erlebt und deren Noten säuberlich in einem kleinen schwarzen Buch festgehalten. Viele seiner Schüler brachten es später – dank oder trotz meines Großvaters Unterricht – zu etwas. Wurde dann so ein Name in der Zeitung, im Radio oder im Fernsehen erwähnt, suchte Großvater das schwarze Notenbüchlein hervor, blätterte angestrengt und sagte: „Aha! Der hatte schon vom 30jährigen Krieg nichts begriffen!“ Oder aber: „Merkwürdig, der war früher eigentlich ein recht kluges Bürschchen.“ Nach Großvaters Tod gelangte das Büchlein in den Besitz meiner Mutter. Und wurde weiterhin rege benutzt, vor allem am Sonntagmorgen. „Wie hieß der junge Mann, mit dem Du gestern im Ausgang warst?“, fragte Mutter dann jeweils. Zog das schwarze Büchlein hervor, blätterte angestrengt und sagte: „Wenn der so dumm ist wie sein Vater, würde ich mir das nochmals überlegen.“
Die Lehrer Horst Riegel und Wolfgang Schwab fielen dadurch auf, dass sie immer Bedarf an Hilfskräften für Vogelnistkästen oder Laboraufräumarbeiten u.ä.m. hatten. Und es fiel den beiden nicht schwer, dafür zu sorgen, dass unsere Verhaltensweisen durch nachmittäglich unfreiwillige Überstunden sanktioniert werden konnten.
Unser Direx Volkmar Schrenk gab bei uns Erdkunde und brachte immer seine großen Stempel zum Einsatz, in deren blauen Abdrucke wir Gebirgszüge, Flüsse und Städte einzeichnen mussten.
Bleibt noch Rudolf Heller, bei dem ich ein Jahr lang Werkunterricht hatte. Er verstand es zu loben, was ich überhaupt nicht gewohnt war. Und so habe ich dieses Fach, aber leider nur kurz, geliebt. Ich erinnere mich an einen Brieföffner aus Holz (in der Form eines Haifisches) und die Erstellung eines Kerzenständers. Er nahm sich immer die Zeit besonders gut gelungene Stücke in der Klasse zu besprechen. Er hatte es sicher am Gymmi im Kollegium auch nicht leicht, war er doch ein Seiteneinsteiger mit einer Qualifikation, die er sich neben seiner bisherigen Lehrtätigkeit aneignen musste – nachträglich Respekt.
Bei Dietrich Bantel hatte ich später Kunstunterricht. Meine Begabung hielt sich in Grenzen und ich sah seine Stunden als Erholung zu den anderen Fächern an. Ich profitierte aber von meinem Nebensitzer, meinem Freund Friedemann Blum, der mich auch in die Geheimisse der erotischen Bildbände einweihte. Später studierte er Kunst in Stuttgart, unterrichtete in Heidenheim und machte sich einen Namen als Künstler, Musiker und Art-Worker.
Am 6. März 2018 verstarb „Didi“ Bantel, wie er sich gerne von seinen groß und alt gewordenen Schülern nennen ließ. Ein außergewöhnlicher Lehrer, der 1962 als junger dynamischer Assessor ans Progymnasium kam und hier große Fußstapfen hinterließ, die heute von keinem Lehrer mehr ausgefüllt werden können und wohl auch nicht wollen. Damals herrschte die sog. Residenzpflicht, d.h. man wohnte an dem Ort, an dem man auch lehrte. Das führte in der Regel zu zusätzlichem vielseitigem Engagement in Sport, Kultur, Kirche und Gemeinde. Heute wollen das manche Lehrer nicht mehr. Sie kommen zum Unterricht und entschwinden wieder – man sollte meinen, sie fürchten den privaten Kontakt zu Schülern und Eltern in der Freizeit und das in-Anspruch-nehmen der eigenen Person durch das gesellschaftliche Umfeld. Natürlich gibt es Ausnahmen wie mein Schulfreund Götz, des Trittler’s Done und mein Saunafreund Richard, aber sie werden immer weniger. Ein Lehrer vom alten Schlag, der nicht zwischen Arbeits- und Freizeit unterschied, sondern fließend alles miteinander verband, war eben der Didi. Eine, im wahrsten Sinn des Wortes, ausgestorbene Art eines Lehrers. Die Verbundenheit mit seinen Schülern lässt sich am besten in der über 50jährigen Beziehung zwischen ihm und dem „Sechser-Club“ erkennen. Bezeichnenderweise feierte die Familie Bantel ihren Abschied nach der Trauerfeier im Gasthaus „Muckentaler“ – gegenüber dem Schaupp-Haus, in dem er einst 1962 seine erste Wohnung in Oberkochen hatte (siehe dazu auch seinen sehr persönlicher Bericht 600 „Wie ich nach Oberkochen kam“).
Schulausflüge, Wandertage und Schullandheim waren natürlich wichtiger Bestandteil des Schuljahres. Zugfahren bis Schorndorf und stundenlanges Wandern mit Rudolf Thiem. Der Lehrer musste uns damals bei der Bahn anmelden, damit extra ein Waggon für uns angehängt wurde (heute stürmen die Klassen einfach die zu diesen Zeiten sowieso überbesetzten Züge). Schullandheim fiel bei mir leider wegen indiskutabler Leistungen aus. Da waren meine Eltern nicht bereit, dafür auch noch Geld herauszurücken.

1959 Meine Fibel aus der Volksschule Klasse 1 (Archiv Müller)

Hamburger Lesehefte aus den 60ern am Progymnasium (Archiv Müller)
Wichtig war für mich der Lesestoff (ab er Fibel) in allen Variationen. Seien es die Lesebücher, die ich bis zum Schuljahrbeginn während der Sommerferien schon alle durchgelesen hatte. Es folgten die „Husumer Lesehefte“ (z.B. „Pole Poppenspäler“, „Die Leute von Seldwyla“) sowie die „gelben Reclam-Hefte“, aus denen oft rollenmäßig vorgelesen werden musste (z.B. „Wilhelm Tell“ oder „Minna von Barnhelm“) und die 2017 auch schon 150 Jahre Jubiläum feiern durften. Erste Schreibversuche unternahm ich für kurze Zeit in der Schülerzeitung Scolasso, die aber durch das Ende der Schulzeit ein rasches Ende nahmen. Später schrieb ich die Sportberichte für den SKO für’s Blättle und die Schwäpo und bekam dafür gutes Zeilengeld.
Im Sport war ich zweigeteilt. Im Sommer Leichtathletik war okay und durchaus meine Sache. Im Winter Geräte- und Bodenturnen war ein Graus. Da gab es deutlich bessere, denn mit Ringen, Reck, Bock, Seilen und Kletterwand hatte ich so meine Probleme und mit Schwimmen erst recht, denn das konnte ich gar nicht und ging im Unterricht sogar einmal richtig unter – kurz und knackig: Abgesoffen bin ich. Da wurde aber nicht viel Aufhebens gemacht, da ich ja auf Büttner‘s blauer Kunststoffliege wieder aufwachte. Kein Eintrag im Klassenbuch und keine Mitteilung an die Eltern gaben darüber Aufschluss. Bei Mannschaftssportarten gehörte ich immer zum „Rest“, der am Schluss zugeteilt wurde. Beim Seniorensport würde ich heute zu den Gefragten gehören, aber die Gesundheit lässt einen Einsatz bei den alten Herren nicht mehr zu. Wie sich doch die Welt verändert. Aber unsportlich war und bin ich bis heute nicht und bewegen wollte ich mich auch schon immer. Mein Ding war Radfahren und Joggen. Unsere besten Sportler waren der allzu früh verstorbene Hans Hofmann und „Jimmy“ Wolfgang Weiss, der später eine eigene Schwimmschule in Freiburg betrieb sowie Götz Hopfensitz, der als Skifahrer verdammt viel Potential hatte und wenn ich mich recht erinnere, sogar mal im Tor bei 08 Unterkochen stand.
Noch ein paar Worte zum Thema Kurzschuljahr. Mit dem Hamburger Abkommen vom 28. Oktober 1964 wurde beschlossen, das Schuljahr am 1. August beginnen zu lassen und die Schulpflicht auf neun Jahre zu verlängern. Dazu wurden 2 Kurzschuljahre eingeführt: Vom 01.04.1966 bis 30.11.1966 und vom 01.12.1966 bis 31.07.1967.

Wilfrieds Klasse am Gymmi 1967 Klasse 5a (Archiv Müller)
- Von hinten links nach rechts vorn
Peter Neupert, Bernhard Freitag, Walter Hegelau, Hartmut Kratzsch, Joachim Ehrenberg, Heidi Juraschka, Ulrike Kranz - Elisabeth Bauer, Rolf Kelke, Jörg Funke, Werner Schulze, Werner Schaupp, Heidemarie Limpert, Christel Marianek, Christina Straube, Gabi Moser
- Edeltraut Schüler, Christine Porzig, Hannelore Völker, Regin Straube, Ursula Dietrich, Cornelia Becker, Helma Scholz

Wilfrieds Klasse am Gymmi 1967 Klasse 5b (Archiv Müller)
- Von hinten links nach rechts vorn
Friedemann Blum, Michael Ludwig, Götz Hopfensitz, Peter Maiwald, Klaus Gold, Johannes Schmieg, Karl Starz, Wilfried „Billie“ Müller, Arthur Grupp, Eckart Irion - Alfred Schleicher, Reinhold Kurz, Mathilde Winter, Margret Tischer, Gudrun Ahlert, Heidrun Flügel
- Uwe Meinert, Barbara Mannes, Sabine Kalisch, Christa Hornschuh, Beate Wöhner, Gudrun Korn
Jetzt lassen wir noch Inge Müller geb. Schrader zu Wort kommen.
Eingeschult wurde ich im April 1954 und meine Klassenlehrerin hieß Rosa Timm. Der erste Schultag gefiel mir natürlich, gab es doch eine selbst gebastelte Schultüte und allerlei Süßigkeiten, die mir das zukünftige Schülerdasein versüßen sollten. Ein Erlebnis, dass sich in ähnlicher Form öfters wiederholen sollte, blieb mir in Erinnerung, als wäre es erst gestern gewesen. Die Klassen waren damals noch streng nach „Buaba ond Mädla“ getrennt und zur Krönung des ganzen gab es auch Schulranzen für die Buben und solche für die Mädchen. Die für die Mädchen hatten zwei gekreuzte Riemen über der Öffnungsklappe. Also lautete die erste Anweisung von Frau Timm: „Nun macht mal zuerst eure Ranzen auf, dazu müsst ihr erst die Riemen zur Seite schieben.“ Dumm gelaufen, ich hatte natürlich einen gebrauchten Buben-Ranzen und war sogleich dem Spott der Mitschülerinnen ausgesetzt. Kinder sind gnadenlos – bis heute ist das wohl so. Meine Eltern hatten für diese meine Sorgen null Verständnis, waren sie doch froh mir überhaupt einen Ranzen besorgen zu können.
Grundsätzlich war meine Schulzeit schön, hatte ich doch in der Nachbarschaft und im Haus in der Sonnenbergstraße gleichaltrige Mädchen, sodass ich schnell Freundschaften schließen konnte. Süßigkeiten und „Chewing Gums“ (Kaugummi) bekamen wir von den US-Besatzern, die den Volkmarsberg bis in die 60er hinein besetzt hatten, auf dem täglichen Schulweg in der Dreißentalstraße zugeworfen. A m e r i k a – das Land unserer kindlichen Träume. Manche durften sich glücklich schätzen, dort Verwandte zu haben und hin und wieder ein Paket mit den herrlichsten Inhalten zu bekommen. Sommerferien waren einfach gestaltet, aber trotzdem toll. Vater nahm mich mit seinem „neuen gebrauchten“ Motorrad mit auf einige Ausflüge in die Umgebung.
In der 5. und 6. Klasse hieß unser Klassenlehrer Gottlob Braun (wer heißt heute noch Gottlob – nur das Gesangbuch – Gotteslob ☺). Mir erschien er wie ein uralter Mann, obwohl er da noch keine 60 war. Wegen einer Kriegsverletzung musste er immer mit der linken Hand seinen rechten Ellenbogen abstützen, wenn er etwas an die Tafel schrieb – und wir Kinder amüsierten uns darüber.
Eines Tages im Sommer, wieder so ein Mega-Erlebnis, das sich bis heute In der Erinnerung gehalten hat, rief er mich nach vorne und schickte mich zum Waschbecken, damit ich mir meine Hände wasche. Ich war aber nicht dreckig, sondern nur sonnengebräunt. Also wusch ich mich und wusch mich und schämte mich dabei – blieb aber so dunkel wie mich die Sonne gebräunt hatte. Nach der Schule ging ich weinend nach Hause und berichtete von meinem Erlebnis. Meine Eltern gingen gemeinsam zum Lehrer Braun, um die Angelegenheit zu klären und von da an ließ er mich in Ruhe. Da ich mich, dank meines Vaters, in Biologie gut auskannte (denn Botanik war das Hobby vom Lehrer Braun), konnte ich ihn damit beeindrucken und hatte ein leichteres Schülerdasein, als es sonst üblich gewesen wäre.
Stefan Stumpf erinnert sich an eine Geschichte mit Lehrer Heller.
Zum verstorbenen Lehrer Heller möchte ich sagen, dass mir dieser Lehrer in sehr guter Erinnerung geblieben ist. Er war wirklich ein sehr guter Lehrer, bei dem ich sehr viel gelernt habe und den unsere ganze Klasse respektiert hat. Auch er hat zwar manchmal den Rohrstock seines Amtes walten lassen, aber nicht in der Form und mit der Intention wie das andere Lehrer taten. Eines Tages musste er den Mitschüler Gold, „Draiher“ genannt, wegen eines Vergehens in der großen Pause züchtigen. Gold gehörte nicht zu Klassenbesten, war aber clever und schlau, um sich gegen das Kommende zu wappnen. Er steckte sich kurzer Hand ein Buch zwischen Hose und Allerwertesten. Das seltsame Geräusch beim Aufprall des Steckens machte den Heller hellhörig und misstrauisch. Er entdeckte das Buch und musste so herzhaft lachen, dass dem Deliquenten die Strafe erlassen wurde. Fortan war der „Draiher“ in der Achtung der Klasse gewaltig gestiegen. Ich, für meinen Teil, werde den Herrn Heller in dankbarer Erinnerung behalten.
Dieses war der dritte Streich und der vierte folgt sogleich. (Fortsetzung folgt in Kürze)
Bis dahin grüßt wie immer „Der Billie vom Sonnenberg“.
Wilfried „Billie Wichai“ Müller