Wie in unserem Bericht 70 vom 16.6.89. beschrie­ben, wurde am 31.5.89 im Verlauf von einer Woche ein von der Positi­on her unbekann­ter alter Dorfbrun­nen von einem Bagger in der Baugru­ben­wand angeschnit­ten und bis auf ein in der Baugru­ben­wand stehen­ge­blie­be­nes Restvier­tel des Brunnen­schach­tes bis in die Baugru­ben­tie­fe von 3 m zerstört. Unser diesbe­züg­li­ches Foto hat bereits doppelt histo­ri­schen Wert: 3 Stunden nachdem es Altstadt­bau­meis­ter Kranz aufge­nom­men hatte, brach­te angeb­lich ein Gewit­ter­guß den Rest des verblei­ben­den Mauer­werks des Brunnen­ge­mäu­ers zum Einsturz. In Wirklich­keit gibt es Zeugen dafür, daß nicht nur der Brunnen in der gesam­ten Baugru­ben­tie­fe von 3 m, sondern auch das verblei­ben­de Mauer­werk vom Bagger­füh­rer über Mittag vorsätz­lich zum Einsturz gebracht und zerstört wurde. Herr Kranz hatte den Durch­mes­ser des Brunnen­schachts in diesem Bereich glück­li­cher­wei­se bereits auf 1.70 m hochge­rech­net. Im weite­ren Verlauf der Arbei­ten, die, wie berich­tet, von Schülern des Gymna­si­ums durch­ge­führt wurden, stell­ten wir fest, daß der Brunnen im Planum der Baugru­be nur noch 1.60 mißt, und sich auch im weite­ren Verlauf langsam verengt. Der von uns bis in eine Tiefe von 6 m unter­such­te Brunnen (3 m Baugru­ben­tie­fe plus 3 m von Schülern ausge­schach­tet) hatte an der von uns erreich­ten tiefs­ten Stelle nur noch einen Durch­mes­ser von 1.40 m. Nach Aussa­ge von Herrn Dr. Krauss vom Landes­amt für Denkmal­pfle­ge kann keines­falls als sicher gelten, daß der Brunnen beim Kocher­ni­veau nach ca. weite­ren 2 — 3 m den Grund­was­ser­stand und somit seine eigent­li­che Tiefe erreicht hätte. Es müsse, so das LDA, damit gerech­net werden, daß hier nach Erfah­run­gen andern­orts, durch­aus noch weite­re 2 bis 3 m dazukämen.

Die Mauer ist aus Bruch­stei­nen (örtli­cher Kalkstein) ohne Verbund gesetzt, — also als sogenann­te Trocken­mau­er. Der Arbeits­raum für den Bau des Brunnens hatte immer­hin einen Durch­mes­ser von etwas über 3.50 m. Den von uns gebor­ge­nen Funden nach, Tausen­de von kermi­schen Gefäß­scher­ben, wurde der Brunnen erst im 20. Jahrhun­dert verfüllt. Er war, nach Aussa­ge von Herrn Gustav Jooß noch gegen Ende des 19. Jahrhun­derts in Benüt­zung. Die Großmutter von Herrn Jooß, Frau Katha­ri­na Jooß, hat, wie sie ihrem Enkel erzählt hatte, aus diesem Brunnen noch Wasser geschöpft. Das untere Dreißen­tal und der entspre­chen­de Teil der Langgass (Heiden­hei­mer Straße) habe dort das Wasser geholt. Man habe sich dort zum »Schmal­ken« getrof­fen. Zwischen dem Haus Tritten­bach (früher Stein­le) und dem Haus Uhl habe auf einem ca. 3 m breiten freien Strei­fen ein Zugang zum Brunnen bestan­den. Die Kennt­nis der genau­en Positi­on des Brunnens ging nach dem Auffül­len (1. Weltkrieg — Anschluß Oberko­chens an die Landes­was­ser­ver­sor­gung) verlo­ren. Die massen­haf­ten irdenen Gefäß­scher­ben stammen wohl vorwie­gend von den beiden dort angren­zend gewese­nen Häfner­ein Fischer (Napole­on) und Gold (Ziegler’s Franz).

Um das Alter des Brunnens feststel­len zu können, wäre es notwen­dig gewesen, den Brunnen bis auf seinen Grund auszu­räu­men. Diese Arbeit hätten, lt. Aussa­ge des Landes­am­tes für Denkmal­schutz, nur Fachkräf­te durch­füh­ren können, wodurch ein Kosten­auf­wand von ca. DM 10.000,- entstan­den wäre, abgese­hen von den Kosten, die durch eine unumgäng­li­che Bauver­zö­ge­rung auf uns zugekom­men wäre. Das LDA sah keine Möglich­keit, weder Geld, noch Zeit, noch Perso­nal zur Verfü­gung zu stellen, und begnüg­te sich mit den von uns gezeich­ne­ten Grund­riß- und Schnittzeichnungen.

Darüber­hin­aus wurde von Herrn Dr. Krauss vom LDA festge­stellt, daß sich in der Baugru­ben­wand Verfär­bungs­spu­ren befin­den, die darauf hindeu­ten, daß sich im Bereich des bisher unüber­bau­ten Gelän­des in der Ortsmit­te mögli­cher­wei­se Holzbau­ten befun­den haben. Um hier Befun­de zu sichern, sei es nach Aushub d. Baugru­be zu spät. Im Süden grenzt an das Grund­stück das Oberko­che­ner alaman­ni­sche (merowin­gi­sche) Reihen­grä­ber­feld, das 1980 vom LDA auf mehre­re Hundert Gräber hochge­rech­net wurde. Das Gräber­feld reicht mindes­tens von der Frühlings­stra­ße bis zum Hasengässle.

Insofern ist es bedau­er­lich, daß weder über das abgetra­ge­ne Gelän­de noch über den Brunnen Näheres zu erkun­den war. Der Grund dafür, daß nicht weiter­ge­forscht wurde, lag unter anderem auch darin, daß das LDA die Chance, im Brunnen auf Bewei­se zu stoßen, als zu gering dafür erach­te­te, als daß hierfür so viel Geld ausge­ge­ben werden sollte. Ein anderer gewich­ti­ger Grund liegt natür­lich in der finan­zi­el­len und perso­nel­len Dauer­mi­se­re des Landesdenkmalamtes.

Dr. Krauss ließ völlig offen, ob der Brunnen nun neuzeit­lich, das heißt ab dem 16. Jahrhun­dert, mittel­al­ter­lich, das heißt zwischen der merowingisch/alamannischen Zeit (6. und 7. nachchrist­li­ches Jahrhun­dert und 1500), oder mögli­cher­wei­se noch älter sei. Wir werden es nie mehr heraus­fin­den, — denn inzwi­schen ist der Brunnen­schaft mit Beton verfüllt, und die Funda­men­te für eine Tiefga­ra­ge legen sich darüber.

Zu überprü­fen ist, ob ein Modus gefun­den werden kann, der die Stadt vor ähnli­chen Pannen, die ja vermeid­bar sind, schützt. Wir müssen darauf achten, daß wir die wenigen Spuren, die die Oberko­che­ner Vergan­gen­heit, die schon allein durch die Existenz des riesi­gen Alaman­nen­fried­hofs und der mittel­al­ter­li­chen Stein­kir­che mit Sicher­heit als unter­schätzt betrach­tet werden darf, erhel­len könnten, nicht leicht­fer­tig zerstören.

Brunnen
Im Brunnen liegt die Zeit begra­ben
und Scher­ben bringen Glück
und Licht
vom Dunkel uns zurück.
Das Amt jedoch will es nicht haben.

Oberkochen
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Dietrich Bantel

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