Einfüh­rung.

Fried­hö­fe gehören zu unserem Leben – ob uns das angenehm ist oder nicht. Sie sind die letzte Ruhestät­te unserer Verwand­ten und Freun­de und sind auch ein sozia­ler Ort, an dem man sich trifft, wenn man sich der Grabpfle­ge hingibt oder an den Feier­ta­gen im sog. Trauer­mo­nat Novem­ber über die Gräber geht oder an Gedenk­ta­gen ein Toten­licht zum Geden­ken anzün­det. Dabei kam es nicht selten vor, dass sich neue Bekannt­schaf­ten ergaben, die zu neuen Verbin­dun­gen führten.

Defini­ti­on.

Ein Fried­hof, auch Bestat­tungs­platz oder Begräb­nis­platz, veral­tet Gottes­acker, Kirch­hof oder Leichen­hof ist ein Ort, an dem Verstor­be­ne, in den meisten Fällen beglei­tet von einem religiö­sen oder weltli­chen Ritus, bestat­tet werden. Das Wort „Fried­hof“ leitet sich ursprüng­lich vom althoch­deut­schen „frithof“ ab, der Bezeich­nung für den einge­frie­de­ten Bereich um eine Kirche.

Allge­mei­nes über die Friedhöfe.

In Deutsch­land hat sich aus Gründen der Hygie­ne und dem Schutz des Grund­was­sers der Fried­hofs­zwang entwi­ckelt. Durch eine kultu­rell heraus­ra­gen­de Stellung gibt es nicht wenige Fried­hö­fe, die unter Denkmal­schutz stehen oder eine touris­ti­sche Attrak­ti­on wurden. Sei es durch die vielen Ehren­grä­ber, durch berühm­te Perso­nen oder durch wunder­ba­re Parkan­la­gen. Hier sei beson­ders erinnert an den „Wiener Zentral­fried­hof“ mit über 330.000 Gräbern, an den „Bogen­haus­ner Fried­hof“ (mit seinen vielen Promi-Gräbern ein Anzie­hungs­punkt) in München, an den „Ohlsdor­fer Fried­hof“ (größter Parkfried­hof der Welt mit 389 Hektar und einer eigenen Busli­nie inner­halb) in Hamburg, an den „Hoppen­lau-Fried­hof“ (der ältes­te) in Stutt­gart, an den „Waldfried­hof“ in Aalen und an den „Jüdischen Fried­hof“ in Bopfingen-Oberdorf.

Früher war es üblich, möglichst nahe der Kirche begra­ben zu werden. Wer in der Gemein­de Ansehen und Geld hatte, konnte durch­aus im Kirch­hof oder in einer nahen Mauer beerdigt werden. Eine sozia­le Diffe­ren­zie­rung war nicht nur zu Lebzei­ten wünschens­wert, sondern über den Tod hinaus. Gar außer­halb des Fried­hofs mussten Bettler, Schau­spie­ler, Gaukler und Selbst­mör­der sowie Exkom­mu­ni­zier­te und Krimi­nel­le ihre letzte Ruhe finden, weil ihnen geweih­te Erde vorent­hal­ten wurde. Um 1800 kam die Tendenz auf, die Toten aus hygie­ni­schen Gründen entfernt vom Dorfkern zu begra­ben und daher kam es in den Folge­zei­ten überall dazu, dass alte Kirch­hö­fe in den Gemein­den aufge­löst und außer­halb neu angelegt wurden. Das geschah auch in Oberko­chen, aber bald sind alle drei Ruhestät­ten wohl wieder von den Häusern umzingelt.

Auch die Zeitläu­fe verän­dern unsere Friedhöfe.

Bürger­meis­ter Peter Traub, der die Verän­de­run­gen aus Verwal­tungs­sicht ständig wahrnimmt, gibt dazu Erklä­run­gen: Auch die Auflö­sung der Großfa­mi­li­en sowie die Mobili­tät der einzel­nen Famili­en­mit­glie­der haben den Fried­hofs­cha­rak­ter verän­dert. Mancher wünscht sich heute ein pflege­frei­es Grab, andere wollen in einem Kolum­ba­ri­um aufbe­wahrt zu werden. Wieder andere möchten in Wäldern oder anonym beerdigt werden. Weltan­schau­un­gen verän­dern sich und neue zeitge­mä­ße nicht-kirch­li­che Varian­ten der Bestat­tun­gen nehmen zu. Die Erdbe­stat­tung, wie sie früher für viele Katho­li­ken unwei­ger­lich vorge­se­hen war, kann heute durch­aus durch eine Urnen­be­stat­tung ersetzt werden. Hinzu kommt eine zuneh­mend ableh­nen­de Haltung gegen­über kirch­li­chen Bestat­tun­gen. Auch Bestat­tun­gen von Menschen, die keiner Kirche oder einer anderen Konfes­si­on angehö­ren nehmen deutlich zu. Der allge­mei­ne Trend hin zu Fried­wäl­dern und Urnen­wäl­dern zeigt dies. Deshalb wurde auf dem städti­schen Fried­hof ein sogenann­ter “Urnen­hain” angelegt, der anony­me Bestat­tun­gen ermög­licht. Die Bestat­tungs­kul­tur hat sich in den vergan­ge­nen 20 Jahren deutlich verän­dert. Während es früher beina­he ausschließ­lich Erdbe­stat­tun­gen gab, gibt es heute fast nur noch Urnen­be­stat­tun­gen. Diesem “Trend” wollte man auch in Oberko­chen folgen. Aller­dings sind Kolum­ba­ri­en (Errich­tung ab 2006) relativ teuer, was u.a. zu einer Erhöhung der Bestat­tungs­ent­gel­te geführt hat. Dies war ein Grund, warum der Gemein­de­rat die Errich­tung weite­rer Kolum­ba­ri­en abgelehnt hat. Statt­des­sen sollen die restli­chen Flächen des Fried­hofs für Urnen­be­stat­tun­gen in der Erde genutzt werden. Im Frühjahr 2019 wurde für rund 120.000 € ein Urnen­hain für 200 Urnen angelegt. Es wurden Stiel­ei­chen, Winter­lin­de und Rotbu­che angepflanzt. Für die Namens­schild­chen wurden drei Stelen aufgestellt.

In Oberko­chen gab und gibt es mehre­re Friedhöfe.

Die Aleman­nen, die früher das Gebiet besie­del­ten, mussten hier ihre Toten begra­ben, genau­so wie später die katho­li­schen und evange­li­schen Glaubens­brü­der und ab 1957 gibt es den städti­schen Fried­hof. Nachste­hend will ich auf die einzel­nen Fried­hö­fe, ihre Geschich­te und ihre Beson­der­hei­ten einge­hen. Die zeitli­chen Daten wurden aus allen alten Berich­ten aus dem Amtsblatt und den Heimat­bü­chern entnommen.

Der aleman­ni­sche Friedhof.

Am 19. März 1980 sollen in Hüttlin­gen Kinder mit einem Toten­schä­del gespielt haben. Schnell stell­te sich heraus, dass hier kein Verbre­chen vorlag, sondern ein Erdaus­hub des Grund­stü­ckes Stelzen­mül­ler in der Frühlings­stra­ße 3. So wurde bis zu Klärung ein Baustopp verfügt und eine 6wöchige Notgra­bung durch­zu­füh­ren. Dr. Ingo Stork vom LDA (Landes­denk­mal­amt) Stutt­gart vertrat die Ansicht, dass dieser Fried­hof im gesam­ten Bereich von der Först­erstra­ße bis zur Frühling­s­tra­ße angenom­men werden muss. Viele Details dazu lassen sich im alten Heimat­buch nachle­sen. Abschlie­ßend nur so viel: Die Chris­tia­ni­sie­rung des aleman­ni­schen Oberko­chen fand zwischen 600 und 700 n. Chr. statt und der aleman­ni­sche Fried­hof mit an die 1.000 Gräbern entstand wohl in der Zeit zwischen 500 und 700 n. Chr.

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Alte Gräber­fun­de in bebau­ten Gebie­ten zwischen Förster- und Frühlingstraße

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Gräber­feld auf dem Grund­stück Frühling­s­tra­ße 3 – früher Rolf Stelzenmüller

Der alte gemein­sa­me Friedhof.

Ursprüng­lich lag der gemein­sa­me Fried­hof um die katho­li­sche Kirche zwischen altem Kirchen­schiff, Turm und Schee­rer­müh­le. Nach der Refor­ma­ti­on legten die Protes­tan­ten einen eigenen Fried­hof und so haben wir seit 1582 zwei konfes­sio­nell getrenn­te Fried­hö­fe in Oberkochen.

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Eingangs­tor zum kath. Fried­hof von der Seite Bahnhofstraße

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Grabplat­ten im Innen­hof der kath. Kirch St. Peter und Paul

Der katho­li­sche Friedhof.

Die Verstor­be­nen wurden ursprüng­lich im „Kirch­hof“ bestat­tet. B’sonders wichti­ge, Großkopf­ete, also VIPs (very important people), wie man heute mitun­ter sagt, wurden in die Stütz­mau­er der Kirche an der Mühlstra­ße oder auf der Südsei­te, im Hof des alten Schwes­tern­hau­ses einge­mau­ert. 1835 erging die behörd­li­che Anwei­sung, den Fried­hof zu verle­gen. Diese Maßnah­me wurde 1851 durch­ge­führt, die Einwei­hung des neuen katho­li­schen Fried­ho­fes nahe der Bahnglei­se erfolg­te 1856 durch Pfarrer Desal­ler und die Kirchen­ge­mein­de bestat­te­te ihre Toten seit jener Zeit auf dem heuti­gen katho­li­schen Fried­hof beim Bahnhof.

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Gedenk­plat­te alter evange­li­scher Fried­hof bei heuti­ger Ortsbibliothek

Der evange­li­sche Friedhof.

Nach der Refor­ma­ti­on legte die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de 1570 einen eigenen Fried­hof um ihre neue Kirche an. Offizi­ell hieß es dazu 1850: „Der evang. Kirch­hof befand sich bisher hart neben dem Pfarr­ho­fe und nur durch einen alten verwit­ter­ten Zaun von diesem getrennt und hinter dem Brauhau­se des Hirsch­wirths. Inner­halb des Pfarr­ho­fes führte ein neben dem an der Ecke des Hirsch­wirt­hau­ses angebau­ten Schwei­ne­stal­le ein hölzer­nes braun angestri­che­nes Stake­ten­thor in den Kirch­hof, der ziemlich beschränkt war und trotz der mehre­ren teilwei­se sehr hübschen eiser­nen Kreuz­denk­ma­le, die ihn neben den vielen hölzer­nen zierten, ein sehr ärmli­ches verfal­le­nes Ausse­hen hatte. Dieses und das Unheim­li­che, welches ein Kirch­hof in der Nähe von Wohnge­bäu­den immer hat, so wie beson­ders auch Gesund­heits­rück­sich­ten hatten die Verle­gung des Kirch­hofs an einen Platz in einiger Entfer­nung vom Dorfe, wie es gesund­heits­po­li­zei­li­che Vorschrif­ten fordern, schon längst wünschens­wert gemacht.“ Das „Unheim­li­che“ in der Nähe von Fried­hö­fen scheint heute bei der Baupla­nung keine Rolle mehr zu spielen, leben wir doch in einer aufge­klär­ten Zeit.

Vor 1850 wurden die Toten auf dem damali­gen Fried­hof hinter dem Bräuhaus des Gasthofs „Zum Hirsch“ beerdigt. 1835 erhielt die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de vom König­li­chen Oberamt die Aufla­ge, den Fried­hof auf einen Platz außer­halb des Dorfes zu verle­gen. Gewählt wurde das heuti­ge Areal an der Katzen­bach­stra­ße, weil dieser Bereich damals außer­halb des Ortes lag und 1850 / 51 wurde er seiner neuen Bestim­mung überge­ben. 1947 wurde der an der heuti­gen Bühlstra­ße liegen­de Fried­hof entlang der Katzen­bach­stra­ße um einen neuen Teil bis zur jetzi­gen Blumen­stra­ße erwei­tert. Unser verstor­be­ner Karl Unfried (wer kennt nicht das alte Spiel­zeug­wa­ren­fach­ge­schäft im Kies) war, als ehema­li­ger Stadt­rat und Kirchen­ge­mein­de­rat sowie Vorsit­zen­der des Fried­hofs­aus­schus­ses, der Exper­te für dessen Geschich­te. 2007 wurde mit der Umgestal­tung begon­nen. U.a. wurde die alte Mauer zwischen dem alten und neuen Fried­hof­teil abgeris­sen und eine neue kleine aber feine Neukon­zep­ti­on umgesetzt, die diesen Fried­hof deutlich aufge­wer­tet hat.

Ein nicht alltäg­li­cher Bestat­tungs­got­tes­dienst fand 2017 hinter der Stadt­bi­blio­thek statt. Dort, wo zwischen der alten evange­li­schen und der katho­li­schen Kirche die „Neue Mitte“ entste­hen wird, waren im Frühjahr beim Abbruch des „Hirsch-Gelän­des“ Gräber entdeckt worden. Eine archäo­lo­gi­sche und kultur­his­to­ri­sche Bedeu­tung wurde dem Fund nicht beigemes­sen und so wurden die Überres­te respekt­voll wieder der Erde überge­ben. Eine Gedenk­plat­te erinnert an diesen alten Friedhof.

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Eingangs­tor zum ev. Fried­hof von Seite Bühlstraße

Der Fried­hof in der Katzen­bach­stra­ße gefällt mir sehr, weil er eine beson­de­re Atmosphä­re besitzt und beson­de­re Grabstät­ten sein eigen nennen darf. Beim Durch­ge­hen fällt auf, dass viele der alten Unter­neh­mer dort ihre letzte Ruhe gefun­den haben und ihre Gräber auch dem jewei­li­gen Zeitgeist entspre­chen oder mitun­ter auch etwas über den Verstor­be­nen aussa­gen. Beson­ders hervor­zu­he­ben sind die Gräber der Famili­en Bäuerle, Bruck­la­cher, Grupp, Günther, Leitz, Wirth sowie die Gräber der Mühlen­be­sit­zer Elser und Schee­rer ebenso wie jene der Braue­rei- und Gasthof­be­sit­zer Nagel und das Grab Edinger und Kirchdörfer.

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Grabstel­le von Dr. Dieter Bruck­la­cher, dem frühe­ren Chef von Leitz, auf dem ev. Friedhof

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Ruhestät­te der Fabri­kan­ten­fa­mi­lie Grupp auf dem ev. Friedhof

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Ruhestät­te der Fabri­kan­ten­fa­mi­lie Leitz auf dem ev. Friedhof
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Ruhestät­te der Fabri­kan­ten­fa­mi­lie Bäuerle auf dem ev. Friedhof

Dann gibt es noch das Grab des ersten Kriegs­to­ten des II. Weltkrie­ges – Ottmar Bruck­la­cher, dem Vater von Dr. Dieter Bruck­la­cher, der in ersten Kriegs­ta­gen während des sog. Polen­feld­zu­ges im Septem­ber 1939 den „Helden­tod“ starb.

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Grab von Ottmar Bruck­la­cher, dem ersten Toten des II. Weltkriegs in Oberko­chen, auf dem ev. Friedhof

Zudem gibt es noch einige Gräber aus den letzten Tagen der Kriegs­zeit 1945. Zum einen das Grab eines unbekann­ten deutschen Solda­ten. Zum anderen das Grab für fünf unbekann­te Opfer eines Flieger­an­griffs am 4. April 1945 auf den Bahnhof Oberko­chen. Dann gibt es noch das Grab des russi­schen Zwangs­ar­bei­ters Wladi­mir Kolot­schen­ko, der beim Überfall auf den Hof des Pächters Chris­ti­an Reiff am Theus­sen­berg am 8. Juni 1945 ums Leben kam (siehe Bericht 322).

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Grabstein auf dem ev. Fried­hof für die Opfer eines Tiefflie­ger­an­griffs auf einen Gefan­ge­nen­zug auf dem Bahnhofs­ge­län­de im April 1945

Der städti­sche Friedhof.

Der Zuzug der Firma Carl Zeiss sowie die allge­mei­ne indus­tri­el­le Weiter­ent­wick­lung in Oberko­chen führten dazu, dass nicht nur dringend Wohnun­gen für die Leben­den sondern auch für die Verstor­be­nen geplant werden mussten. So befass­te sich der Gemein­de­rat seit 1952 mit Gedan­ken­spie­len und Planun­gen für einen neuen großen konfes­si­ons­über­grei­fen­den Fried­hof. Dazu standen laut einem Bericht des Hermann Aldin­ger seiner­zeit zwei Orte zur Auswahl: Erstens das Gelän­de im Gewand „Weingar­ten“ und zweitens das im Gewand „Loach-Thier­stein“.

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Übersichts­kar­te col. Gewann Loachha

Nach einer Begehung am 15.12.1952 kam man zu dem Entschluss, dass das Gebiet des heuti­gen städti­schen Fried­hofs der geeig­ne­te Platz sei. Nun wurde 1953 für den im Gewand „Weingar­ten“ geplan­ten Gemein­de­fried­hof von den Gärtner­se­he­leu­ten Josef Brand­stet­ter ein Acker im Messge­halt von 23,98 Ar zum Kaufpreis von 2,40 DM je qm erwor­ben. Für die auf dem Grund­stück befind­li­chen Obstbäu­me, entspre­chend der Schät­zung des Kreis­obst­bau­in­spek­tor Berte­le, wurde eine Entschä­di­gung von 71,00 DM bezahlt. Mit diesem Kauf erhöht sich die für den Fried­hof vorge­se­he­ne Fläche auf 79,83 Ar. Weite­re Grund­stü­cke sind von Landwirts­ehe­leu­ten Anton Schell­mann noch zu erwerben.

Man legte damals Wert darauf, dass die Weingar­ten­kap­pel­le oberhalb des Fried­hofs liegen wird und somit einen Symbol­cha­rak­ter bekam. Schwer vorstell­bar, dass die neue Siedlung im Weingar­ten in alten Zeiten geneh­migt worden wäre, aber so ändern sich Zeiten und Einstel­lun­gen. Die Planung eines Fried­hofs muss viele Dinge berück­sich­ti­gen: Geplan­te Siedlun­gen, Boden­be­schaf­fen­heit, Grund­was­ser, Zufahrts­we­ge, Parkplät­ze, landschaft­li­che Einbet­tung, verschie­de­ne Arten von Gräbern, Trauer­hal­le mit Funkti­ons­be­rei­chen, Glocken­turm, Gestal­tung inner­halb des Fried­hofs und nicht zuletzt eine Gedächt­nis­stät­te für die Gefal­le­nen der beiden Weltkrie­ge. Archi­tekt Aldin­ger aus Stutt­gart wurde beauf­tragt, einen Vorent­wurf zu ferti­gen. Das Baupro­gramm sah eine Fried­hof­an­la­ge mit 1.000 Reihen­grä­bern, 150 Kauf- und 80 Kinder­grä­bern vor, ferner eine Leichen­hal­le mit vier Zellen und eine Ausseg­nungs­hal­le für 350 Perso­nen. Neben diesen Anlagen sollte gleich­zei­tig eine Kriegs­op­fer­ge­dächt­nis­stät­te errich­tet werden. 1955 began­nen die Bauar­bei­ten, 1957 war die Anlage fertig­ge­stellt. Mit der Ausfüh­rung wurde im Jahre 1955 die Fa. Aisslin­ger in Aalen beauf­tragt mit dem Ziel, die Anlage Pfings­ten 1957 der Bevöl­ke­rung zu übergeben.

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Einwei­hung des neuen überkon­fes­sio­nel­len Gemein­de­fried­hofs am 1. Sep 1957

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Einwei­hung des Ehren­mals für die Kriegs­to­ten am 1. Sep. 1957

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Musika­li­sche Unter­ma­lung der Einwei­hungs­fei­er am 1. Sep 1957

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Winter­im­pres­si­on des neuen Fried­hofs im Winter 1957 / 58

Bereits nach wenigen Jahren erkann­te man, dass bei der fortschrei­ten­den Belegung des städti­schen Fried­ho­fes etwa 1980 eine Erwei­te­rung unumgäng­lich werde. Die erfor­der­li­chen Grund­stü­cke waren bereits 1961 im Bebau­ungs­plan für die Erwei­te­rung ausge­wie­sen. An den Archi­tekt Brunken aus Stutt­gart wurde schließ­lich die Planung der Erwei­te­rung um 1.100 Grabstel­len übertra­gen. Der erste Teil dieser Erwei­te­rung mit 600 Grabstel­len wurde 1980. Im Jahr 1992 wurde die zweite Erwei­te­rung mit den restli­chen 500 Grabstel­len abgeschlos­sen. Vor ein paar Monaten wurde im Amtsblatt und der Tages­pres­se das Thema „Der Zustand unseres städti­schen Fried­hofs“ behan­delt. Ein Fried­hof ist so schön, wie ihn Stadt und Bevöl­ke­rung gemein­sam gestal­ten. Nicht mehr und nicht weniger. Die Atmosphä­re, die jeder Fried­hof ausstrahlt, entspringt dem Zusam­men­spiel von Gestal­tung, Grab- und Landschaftspflege.

Als junger Mensch habe ich mein kärgli­ches Taschen­geld mit Zeitungs­aus­tra­gen verviel­facht und musste auf dem Nachhau­se­weg zum Sonnen­berg wöchent­lich am Fried­hof vorbei. Damals gab es noch keine Beleuch­tung, dafür aber reich­lich Gerüch­te, Geschich­ten und einige Horror-Stories. Das war schon heraus­for­dernd, in der Dunkel­heit diesen Bereich mit den vielen flackern­den roten Toten­lich­tern unbescha­det zu passieren.

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Unbekann­ter großer Trauer­zug vor dem Grünen Baum (Metzge­rei Lerch) (Archiv Müller)

Leichen­be­gäng­nis (wie Franz Balle das 1957 nannte).

Das war damals der offizi­el­le amtli­che Begriff des sog. „Letzten Ganges“, den jeder von uns noch vor sich hat. Wie war das nun früher bei uns? Der Sarg wurde erst um 1700 herum einge­führt, vorher lag man auf den sog. Toten­bret­tern. Es hat sicher Zeiten gegeben, in denen eine damals übliche Beerdi­gung nicht möglich war. Sei es zu Zeiten des 30jährigen Krieges oder der Pest und überlie­fert in der unsäg­li­chen Zeit der religiö­sen Trennung in unserem Heimat­ort, die schon vielfach beschrie­ben wurde. Aus der Dorford­nung von 1749 entneh­men wir, dass damals religiö­se Funda­men­ta­lis­ten (so will ich sie mal nennen), dafür sorgten, dass viele Jahre kein Leichen­zug mehr durch unsere Straßen zur letzten Ruhestät­te ziehen konnte. Keine Seite gönnte der anderen die Butter auf’s Brot bzw. deren Gebräu­che und Riten und die Geist­li­chen auf beiden Seiten wurden von der jeweils gegne­ri­schen Seite gehasst. In dieser schwie­ri­gen Zeit konnten die Leichen nur nachts auf den Fried­hof gebracht werden und am nächs­ten Tag durften bei der Bestat­tung nur die Angehö­ri­gen teilneh­men. Religiö­se Verwer­fun­gen führen zu abson­der­li­chen Verhal­tens­wei­sen und das mancher­orts auf der Welt bis zum heuti­gen Tag. Erst als sich die Ellwän­ger und die Königs­bron­ner Regie­run­gen einig­ten, waren wieder Beerdi­gun­gen, den Gebräu­chen entspre­chend, möglich.

Der bäuer­li­che Brauch war früher, dass bei einer Beerdi­gung aus jedem Haus mindes­tens ein Angehö­ri­ger bei einer Trauer­fei­er teilnahm. Man sah das als eine Verpflich­tung gegen­über den Mitmen­schen an. Der Sarg wurde von Nachbarn und Verwand­ten getra­gen, da es noch keinen Leichen­wa­gen gab und man das auch als Ehrung und Respekt­be­zeu­gung ansah. Eine schöne alte Sitte war es, dass der Sarg vor der Kirche abgestellt wurde und der Trauer­zug zum Betre­ten der Kirche an ihm vorbei musste. Bei den katho­li­schen wurden die Gebete und Lieder vom Pfarrer und der Trauer­ge­mein­de während des Zuges gemein­sam gespro­chen und gesun­gen. Bei den evange­li­schen sprach der Pfarrer laut und die Gemein­de im Stillen mit. Der Sarg wurde im Sterbe­haus abgeholt, mitun­ter sang der Kirchen­chor auch vor dem Haus. Der Zug setzte sich dann langsam in Bewegung. Vor dem Sarg lief ein Nachbars­bub mit dem Grabkreuz, in noch älteren Zeiten ging der Lehrer mit der Schul­klas­se noch vor dem Sarg. Am Fried­hof wurde dann die Einseg­nung vorge­nom­men und mit 3 Schau­feln Erde beendet.

Viele der alten Bräuche haben sich nicht erhal­ten und sind vermut­lich auch schlicht weg verges­sen worden. Auf drei Beson­der­hei­ten sei an dieser Stelle expli­zit hinge­wie­sen werden.

Die Hauswa­che fand während der drei Tage statt, während­des­sen der/die Tote zu Hause aufge­bahrt wurde. Abends fanden sich Nachbarn und Verwand­te ein um gemein­sam eine Stunde lang kniend zu beten. Das Leichen­sa­gen begann nach dem Verklin­gen der sog. Schei­dungs­glo­cke. Der Leichen­sa­ger machte sich auf den Weg und verkün­de­te z.B. „Übermor­gen vergräbt man den xyz-Bauer zu Oberko­chen, wenn ihr gern zur Leich ganga tätet.“ Dafür bekam der Ansager etwas Mehl, Brot oder auch Geld. Der Leichen­schmaus in einem Gasthaus am Ort, als Abschluss der Beerdi­gungs­fei­er, hat sich bis in die heuti­ge Zeit gehal­ten. Es gab in der Regel dabei Bier, Bratwürs­te und Wecken. Das war und ist nicht immer eine trauri­ge Angele­gen­heit. Zeit zum Trauern gab es danach noch genug. Oft erzähl­te man sich Geschich­ten und Späße bei denen der/die Verstor­be­ne dabei war oder man erinner­te sich an seine Beson­der­hei­ten sowie Ecken und Kanten, für die er/sie bekannt war. Das ist heute noch ein Bestand­teil unserer Trauer­kul­tur, um die Verstor­be­nen und die Hinter­blie­be­nen zu ehren und respekt­voll zu behan­deln. Und wenn es dann allen gefal­len hat sagte man: „Des war a schöne Leich.“ Jugend­li­che verste­hen diesen Brauch oft nicht und erken­nen das Positi­ve, das von einem Leichen­schmaus ausgeht, erst, wenn sie älter gewor­den sind.

Unsere Toten.

Diese Beila­ge in einer jährli­chen Novem­ber­aus­ga­be des Amtsblat­tes BuG ist einer der belieb­tes­ten bei allen Oberkoch­nern – sei es im Ort oder in der Fremde und, das ist meine persön­li­che Meinung, diese Sammlung über die Jahrzehn­te gehört auf die Website des Heimat­ver­eins Oberko­chen, damit jeder Inter­es­sier­te dort nachschau­en kann. Viele alte Mitbür­ge­rIn­nen, so auch meine Mutter, haben diese Beila­ge über die Jahre zu Hause gesam­melt. Ludwig Burghard hat daraus die Zahlen für seine Statis­tik gewon­nen und Beson­der­hei­ten sind die „Berufs­be­zeich­nun­gen“ der verstor­be­nen Frauen aus den frühen Jahren bis ca. 1965.

Eine kleine Auswahl an Berufsbezeichnungen

soll die alte Zeit mal von dieser Seite aus beleuch­ten. Kleiner Lesehin­weis: Hinter dem Begriff, nach dem Binde­strich, fügen sie einfach das Wort „Witwe“ oder „Ehefrau“ an, wie z.B. „Bankdi­rek­tors-Witwe“. Die Frauen hatten keinen eigenen Beruf, Hausfrau war als solcher nicht anerkannt, also schmück­te man sich, durch­aus stolz auf allen Ebenen, mit der Berufs­be­zeich­nung des Gatten:

Bohrermachers‑, Bahnwärters‑, Streckenwärters‑, Hilfsarbeiters‑, Maschinenhausvorarbeiters‑, Torfstechers‑, Güterbodenvorarbeiters‑, Oberweichenwärters‑, Lokomotivheizers‑, Bücherwarts‑, Taglöhners‑, Rentners- und nicht zuletzt Schau­spie­ler- und Regisseurs-Witwe.

Nachfor­schun­gen zur eigenen Familie

führen natür­lich in unserer moder­nen Zeit auch zu den Fried­hö­fen. Der Verein für Compu­ter­ge­nea­lo­gie e.V. bietet dazu den folgen­den Link im Inter­net an http://grabsteine.genealogy.net. Durch verschie­de­ne Suchkri­te­ri­en kann man die Verstor­be­nen auf den Fried­hö­fen in Deutsch­land suchen und finden.

Ein bisschen Statistik

ist in diesem Fall höchst inter­es­sant. Ludwig Burkhard führt an Hand der Novem­ber­bei­la­ge im Amtsblatt „Unsere Toten“ seit Jahren eine priva­te Statis­tik, aus der hervor­geht, wie alt die Oberkoch­ne­rIn­nen so werden. Dazu kurz die Entwick­lung, die sehr schön aufzeigt, wie wir alle älter werden. Die Zahlen bezie­hen sich immer auf das entspre­chen­de Jahr:

Oberkochen

Das Sterbe­al­ter der Oberko­che­ner (Ludwig Burkhard)

Beson­der­heit oder Absonderlichkeit.

Nun war der Hund nicht immer des Menschen bester Freund – Ich wage zu behaup­ten, dass das früher in der bäuer­li­chen Welt das Pferd war. Und daher musste auch für diesen Freund eine letzte Ruhestät­te gefun­den werden. Diese Stätte heißt auf Hochdeutsch „Gaulhim­mel“. In Oberko­chen wurden die toten Pferde (und auch Kühe) im Gaintal vergra­ben. „Gaindl“ oder „Goindl“ genannt (Bericht 50 von Dietrich Bantel) und befand sich im Talaus­gang nahe der europäi­schen Wasser­schei­de beim Pulver­turm. Vermut­lich wird in den nächs­ten Jahren auch ein Bedarf der Bestat­tung seiner liebs­ten Haustie­re entste­hen – anderen­orts (wie z.B. in Zürich) wird darüber schon disku­tiert und aus Sicht der Theolo­gen gibt es da sogar Befür­wor­ter und natür­lich Gegner. In Oberko­chen wird das vermut­lich eher nicht der Fall sein.

Oberkochen

Leichen­wa­gen geführt von Hans Gold zur Beerdi­gung des Zimmer­meis­ters Franz Brunn­hu­ber am 20. Novem­ber 1959

Trans­port­mit­tel für den Sarg.

Ganz früher musste der Sarg zu Fuß auf den Gottes­acker gebracht werden, später mit dem Pferde­fuhr­werk und heute mit einem noblen Auto – oft eines mit dem Stern. Zukünf­tig vielleicht mit einem E‑Mobil oder gar mit einer Drohne oder dem Scheuer’schen Luft-Taxi? Wer woiß des heit schoh? Oberko­chen hatte lange Zeit einen Leichen­wa­gen für ein Pferde­ge­spann. Der Wagen wurde im Stadel bzw. in der Remise des alten evange­li­schen Schul­haus (heute Schil­ler­haus und Heimat­mu­se­um) unter­ge­stellt. Das Bild zeigt den Wagen unter Führung des Hans Gold bei der Beerdi­gung des Zimmer­meis­ters Franz Brunn­hu­ber am 20. Novem­ber 1959. Als weite­re Kutscher sind der alte Gruppa-Bauer, Hans Nagel, Xaver Winter und Willi­bald Hug benannt worden.

Eine große Beerdi­gung war seiner­zeit die des ermor­de­ten Försters Braun.

Am 4. August des Jahres 1926 beweg­te sich ein Leichen­zug durch Oberko­chen, wie man ihn zuvor noch nie gesehen hatte. Die gesam­te Einwoh­ner­schaft nahm Anteil, darun­ter die Kolle­gen, die Vereins­ka­me­ra­den des Vetera­nen- und Militär­ver­eins, die Forst­di­rek­ti­on, die Holzhau­er­ge­sell­schaf­ten. Der Albver­ein hatten Abord­nun­gen mit Fahnen und Kränzen geschickt und am Krieger­denk­mal beim Linden­brun­nen sang der Männer­chor zu Ehren des Verstor­be­nen. Der evange­li­sche Fried­hof konnte die Trauer­ge­mein­de nicht mehr fassen. Selbst der, zum Zeitpunkt der Beiset­zung noch nicht gefass­te, Mörder hatte sich mit trauern­der Miene am offenen Grab eingefunden.

Abschlie­ßend.

Bei den Recher­chen zum „Kies“ habe ich von Manfred Renner uralte Fotos einer Beerdi­gung aus seiner Familie bekom­men. Karl Renner, der schon recht früh seine Frau Rosina Pauli­na Kopp (geb. 1885 gest. 1944) im Alter von 59 Jahren verlor. Der Trauer­zug führte damals vom Kies über die Heiden­hei­mer Straße in den Katzen­bach bis zum dorti­gen evange­li­schen Fried­hof. Auf den Bildern sehen wir, wie der damali­ge Beerdi­gungs­zug aussah.

Oberkochen

Trauer­zug zum ev. Fried­hof der Beerdi­gung Rosine Renner geb. Kopp (aus dem Kies) im Jahr 1941

Oberkochen

Apropos „Renner“.

Auch ein ernstes Thema wie der Fried­hof kann ruhig einen Scherz zum Schluss vertra­gen. Wer waren früher die schnells­ten Männer in Oberko­chen? Die Lösung wurde mir aus der Toska­na geschickt und lautet: „D’r Renner, d’r Schnell ond d’r Woidle“ ☺.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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