Einfüh­rung.

Die TV-Serie „Kuh’damm 56 und 59“ haben uns ein wenig vom Stellen­wert der Frau und des damali­gen Frauen­bil­des in der Gesell­schaft gezeigt: „Die Frau hat sich dem Mann unter­zu­ord­nen – alles andere ist gegen die Natur.“ Das können wir uns heute gar nicht mehr vorstel­len, aber das waren unsere Mütter und Großmüt­ter, die damals zurecht­kom­men und sich durch­bei­ßen mussten. Die Marsch­rou­te hieß damals salopp gesagt: „Kochen, waschen, putzen, bügeln“ oder auch die „3 K“ (Küche, Kinder, Kirche) – und das musste für die Frau genügen.

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Durch und durch – Eine Männer­welt (Archiv Internet)

Vorab.

Eine kurze Zusam­men­fas­sung eines Tages­plans einer gut situier­ten Hausfrau aus dem Jahr 1900 (Und seien sie versi­chert, auf dem Bauern­hof in Oberko­chen sah das völlig anders aus):
Gegen 05:30 Uhr: Aufste­hen (eventu­ell Mädchen wecken). Toilet­te machen, ordent­lich anzie­hen (Hauskleid oder hübschen Morgen­rock). „Die Hausfrau, wenn sie gesund ist, muss möglichst die Erste sein, die den Tag beginnt. Weckt sie ihre Dienst­leu­te, so verlas­sen sie sicher ohne Murren, ja mit einiger Beschä­mung das Lager“.
07 Uhr oder später: Berei­ten von Kaffee mit der Maschi­ne am Tisch. „Gemüt­li­che Kaffee­stun­de, in der der Gatte liebe­vol­le, häusli­che Sorglich­keit an seiner Frau bewun­dern lernt.“
08 Uhr oder später: Schür­ze umbin­den, Staub wischen, Pflan­zen gießen. Wenn es hell ist, alle Petro­le­um­lam­pen putzen, damit sie abends sofort in Betrieb genom­men werden können. Wenn Zeit bleibt, Musik treiben und derglei­chen. „Was im Hausstand in den ersten Morgen­stun­den versäumt wird, kann im Lauf des Tages nie wieder einge­holt werden.“
10 Uhr: Arbeit des Mädchens kontrol­lie­ren. Anschlie­ßend mit dem Mädchen zusam­men das Mittag­essen berei­ten.
12:30 Uhr: Umklei­den und Tisch decken.
12:45 Uhr: Notfalls beim Anrich­ten helfen. Den Nachmit­tag nach Belie­ben verbrin­gen. Am frühen Abend den Küchen­zet­tel für den nächs­ten Tag vorbe­rei­ten. Wir sehen, das war schon Stress pur ☺.

Idee.

Die Idee zu diesem Bericht entstand, als ich mich wegen des Berichts über den „Elektro-Fritscher“ mit seiner frühe­ren Frau, Hertha Hedwig Fritscher, geb. Gärtner, zusam­men­ge­setzt hatte. Die beiden heira­te­ten am 18. Mai 1955, beurkun­det von Gemein­de­amt­mann Albert Bahmann. Bei diesem Gespräch zeigte sie mir ein Büchlein, das frisch verhei­ra­te­ten Paare damals geschenkt bekamen. Ich setzte mich damit ausein­an­der, recher­chier­te im Inter­net, erinner­te mich an Erleb­nis­se aus meiner Kindheit und schrieb diesen Bericht. Die „Alten“ werden das alles noch kennen und die „Jungen“ werden sich das überhaupt nicht vorstel­len können.

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Büchlein der Gemein­de­ver­wal­tung für Hertha Fritscher (Archiv Müller)

In diesem o.g. Büchlein geht es dabei auszugs­wei­se um folgen­de Themen:

Die Geburts­an­zei­ge.
Diese muss inner­halb einer Woche von Perso­nen in folgen­der Reihen­fol­ge vorge­nom­men werden: Vater, Hebam­me, Arzt, wissen­de Person oder der Mutter des Kindes.
Die Todes­an­zei­ge.
Jeder Todes­fall, auch Totge­bur­ten, sind sofort von Perso­nen in folgen­der Reihen­fol­ge anzuzei­gen: Famili­en­ober­haupt, der Wohnungs­in­ha­ber oder demje­ni­gen, der zugegen war.
Die Stellung des Mannes in der Ehe.
Dem Mann steht die Entschei­dung in allen das gemein­schaft­li­che Ehele­ben betref­fen­den Angele­gen­hei­ten zu. Er hat dabei die berech­tig­ten Wünsche seiner Frau zu berück­sich­ti­gen. Der Mann bestimmt auch Wohnort und Wohnung….. Der Mann hat der Frau….. Unter­halt zu gewäh­ren.
Die Stellung der Frau in der Ehe.
Die Frau leitet den Haushalt und ist berech­tigt den Mann inner­halb ihres häusli­chen Wirkungs­krei­ses den Mann zu vertre­ten (sog. Schlüs­sel­ge­walt). Die Frau kann auf Rechnung des Mannes….. übliche Einkäu­fe und Bestel­lun­gen vorneh­men. Der Mann kann dieses Recht einschrän­ken oder entzie­hen. Die Frau darf einen Beruf ausüben. Der Mann darf ihren Arbeits­ver­trag kündi­gen, wenn seine Erlaub­nis nicht vorliegt. Kann sich der Mann nicht selbst unter­hal­ten, muss ihm die Frau….. entspre­chen­den Unter­halt gewäh­ren.
Die Familie.
Das Recht der Kinder­er­zie­hung steht dem Ehemann zu. Nach seinem Tod, bis zur Wieder­ver­hei­ra­tung, der Mutter.
Das eheli­che Güter­recht.
Das Vermö­gen der Frau unter­liegt mit Ausnah­me ihrs Vorbe­halts­gu­tes der Verwal­tung und Nutznie­ßung des Mannes.….
Das Erbrecht.
Beim Tod eines der Ehegat­ten erben nach dem Gesetz a) der überle­ben­de Ehegat­te ¼ des Nachlas­ses b) die Kinder mitein­an­der zu gleichen Teilen ¾ des Nachlas­ses…..
Das Testa­ment.
Die Erbfol­ge und die Höhe der Erbtei­le können durch Testa­ment nach den Wünschen der Eheleu­te bestimmt werden….. Mit Rücksicht auf die schwie­ri­ge Ausfüh­rung eines Privat­tes­ta­ments ist es für die Ehegat­ten ratsam, bei der Errich­tung eines Testa­ments einen Notar oder Richter einzu­be­zie­hen.
Gebt Euren Kindern gute Vorna­men.
Die Eltern müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie bei der Wahl des Vorna­mens eine große Verpflich­tung….. haben, geht doch der Vorna­men zeitle­bens mit dem jungen Erden­bür­ger mit….. wenn sie sich nicht einigen können, entschei­det der Vater….. Der Name soll auch klang­lich zum Nachna­men passen….…

Anmer­kung.

Das mit den Vorna­men sollten sich auch heute noch manche Eltern vor Augen führen. Die damali­ge Vorschlags­lis­te empfeh­le ich auf der WebSite-Versi­on dieses Berich­tes einzusehen –

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Vorschlag von weibli­chen und männli­chen Vorna­men (Archiv Müller)

inter­es­sant was damals alles so üblich war: Von Achim über Kunz bis Zacha­ri­as und von Ada über Kreszen­tia bis Wolfs­hil­de. Nur vor einem Vorna­men bewah­re Gott die schwä­bi­schen Mädchen bis heute: Astrid ☺.

Volljäh­rig­keit.

Die wichtigs­te Voraus­set­zung, um überhaupt selbstän­dig Entschei­dun­gen treffen zu dürfen. Diese hatte man mit 21 Jahren erreicht. Die Volljäh­rig­keit mit 18, wie wir es heute kennen, gibt es erst seit 1975.

Unehe­li­ches Kind.

Das war früher eine äußerst heikle Angele­gen­heit und noch schlim­mer war es, wenn die Mutter noch in die Schule ging. Sie musste die Schule nach Bekannt­wer­den der Schwan­ger­schaft sofort verlas­sen. (Das erleb­te ich am Fall einer Mitschü­le­rin in meiner Klasse am hiesi­gen Gymna­si­um auch noch). Die Kinder hatten es verdammt schwer und wurden hinter vorge­hal­te­ner Hand „Bastard“ oder „Bankart“ genannt und wenn es ganz schlecht lief in Kinder­hei­me einge­wie­sen, in denen es tw. hart, gewalt­tä­tig und missbräuch­lich zuging. Eine positi­ve Verän­de­rung ergab sich durch das „Nicht­ehe­li­chen­ge­setz“ von 1970. Bis dahin galten Kind und Vater nicht als verwandt! Das letzte Wort hatte bei diesen Kindern auch nicht die Mutter, sondern der Amtsvormund.

Arbeit.

Bis 1977 benötig­te die Frau die Erlaub­nis ihres Eheman­nes, wenn sie arbei­ten wollte. Bis 1958 hatte er sogar das Recht, den Anstel­lungs­ver­trag nach eigenem Ermes­sen, ohne Zustim­mung der Frau, frist­los zu kündi­gen. Wenn die Frau arbei­ten wollte, war das für viele Männer ein Ehrver­lust, denn es war für ihn selbst­ver­ständ­lich, dass er seine Familie zu ernäh­ren hatte und seine Frau es nicht nötig hatte, arbei­ten zu müssen. Was sollten denn da „die anderen denken“. Das war ein durch­aus üblicher Ansatz in den Familien.

Der Chef im Haus

war unbestrit­ten der Mann. Er hatte bis 1958 das allei­ni­ge Bestim­mungs­recht über Frau und Kinder. Auch wenn er so tolerant war sie arbei­ten zu lassen, verwal­te­te er ihren Lohn. Bis 1962 konnte keine Ehefrau ein eigenes Konto eröff­nen. Geschäfts­fä­hig wurde die Frau erst im Jahre 1969. Auch den Wohnort konnte der Mann bestim­men – ohne Rücksicht auf die Familie – und wenn er von Berlin nach Hinter­tup­fin­gen zog – die Familie musste mit – ohne Rücksicht.

Die Schlüs­sel­ge­walt.

War früher das einzi­ge Recht der Frauen und geht geschicht­lich bis in die Antike zurück. Im Mittel­al­ter trugen die Ehefrau­en einen Schlüs­sel­bund, als Zeichen ihres Rechts, sicht­bar bei sich. Denn ansons­ten stand sie unter der Vormund­schaft ihres Ehemanns – und das bis 1957. Heute ist dieses Recht in §1357 BGB geregelt.

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Für alles gab es Handbü­cher – auch für die „Gute Ehefrau“ (Archiv Internet)

Die gute Frau und besse­re Hälfte verhielt sich nach dem „Handbuch für die gute Ehefrau“ wie folgt.
(Es muss ein Schla­raf­fen­land für Männer gewesen sein ☺.)

  • Halten Sie das Abend­essen bereit. Die meisten Männer sind hungrig, wenn sie heimkom­men und die Aussicht auf eine warme Mahlzeit (beson­ders auf seine Leibspei­se) gehört zu einem herzli­chen Empfang, so wie Mann ihn braucht.
  • Machen Sie sich schick. Er war ja schließ­lich mit einer Menge erschöpf­ter Leute zusammen.
  • Seien Sie fröhlich, machen Sie sich inter­es­sant für ihn!
  • Räumen Sie Schul­bü­cher, Spiel­sa­chen, Papie­re usw. zusam­men und säubern Sie mit einem Staub­tuch die Tische. Letzt­end­lich wird es Sie unglaub­lich zufrie­den stellen, für sein Wohlerge­hen zu sorgen.
  • Machen Sie die Kinder schick. Die Kinder sind ihre „kleinen Schät­ze“ und so möchte er sie auch erleben. Vermei­den Sie jeden Lärm. Wenn er nach Hause kommt, schal­ten Sie Spülma­schi­ne, Trock­ner und Staub­sauger aus. Ermah­nen Sie die Kinder, leise zu sein.
  • Seien Sie glück­lich, IHN zu sehen
  • Opfere dich auf – ER ist der Chef!
  • Hören Sie ihm zu. Sie mögen ein Dutzend wichti­ger Dinge auf dem Herzen haben, aber wenn er heimkommt, ist nicht der geeig­ne­te Augen­blick, darüber zu sprechen. Lassen Sie ihn zuerst erzäh­len – und verges­sen Sie nicht, dass seine Gesprächs­the­men wichti­ger sind als Ihre.
  • Der Abend gehört ihm. Bekla­gen Sie sich nicht, wenn er spät heimkommt oder ohne Sie zum Abend­essen oder irgend­ei­ner Veran­stal­tung ausgeht. Versu­chen Sie statt­des­sen, seine Welt voll Druck und Belas­tun­gen zu verstehen.
  • Begrü­ßen Sie ihn nicht mit Beschwer­den und Problemen.
  • Machen Sie es ihm bequem. Lassen Sie ihn in einem gemüt­li­chen Sessel zurück­leh­nen oder im Schlaf­zim­mer hinle­gen. Halten Sie ein kaltes oder warmes Getränk für ihn bereit.
  • Schie­ben Sie ihm sein Kissen zurecht und bieten Sie ihm an, seine Schuhe auszu­zie­hen. Sprechen Sie mit leiser, sanfter und freund­li­cher Stimme.
  • Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist.
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Verliebt, verlobt, verhei­ra­tet – die damali­ge saube­rer Reihung (Archiv Internet)

„Verliebt, verlobt verheiratet“

heißt ein alter Schla­ger aus meiner Kindheit. „Verliebt“, das ging ja noch, aber ein Treffen war nur draußen möglich. In der Mietwoh­nung oder im möblier­ten Zimmer? Unmög­lich, der Vermie­ter hätte sich der Kuppe­lei schul­dig gemacht. Sex ohne Ehe – das war straf­recht­lich gesehen, nicht möglich und eine Gratwan­de­rung für alle Betei­lig­ten und konnte mit Zucht­haus bestraft werden. Der Kuppel­pa­ra­graph wurde 1974 abgeschafft. Ich erinne­re mich noch gut daran, dass sich unsere Logier­fräu­leins mit Beglei­tung bei uns im Wohnzim­mer einzu­fin­den hatten, wenn sie von ihrem Freund besucht wurden. Und ein Hotel­zim­mer wurde nur an verhei­ra­te­te Paare vermie­tet. Die Dinge waren früher einfach schwie­rig. „Verlobt“ – das war ein gemein­sa­mes förmli­ches Heirats­ver­spre­chen, das nicht nur einen gesell­schaft­li­chen sondern auch einen juris­ti­schen Status mit sich brach­te. Dazu gehör­te eine Feier und der Verlo­bungs­ring. Bei einer Auflö­sung konnte von Seiten der Braut eine Entschä­di­gung verlangt werden. „Verhei­ra­tet“, jetzt waren die Paare am Ziel, sie waren inner­halb der Vorschrif­ten und Geset­ze, die Ehe betref­fend, endlich frei. Letzt­end­lich aber doch wieder gefan­gen. Der Mann war der unein­ge­schränk­te Chef, der betüt­telt und verwöhnt werden musste. Er erwar­te­te, dass ihm der Haushalt ordent­lich geführt wurde und abends das Essen auf dem Tisch stand und sie den eheli­chen Verpflich­tun­gen nachkam. In bäuer­li­chen Verhält­nis­sen war das auch extrem schwie­rig, denn die neue kommen­de Jungbäue­rin musste im Haus des Mannes zeigen, dass sie den Anfor­de­run­gen gewach­sen war und das war unter der Schwie­ger­mut­ter teilwei­se recht schwie­rig. Zusam­men­le­ben ohne verhei­ra­tet zu sein? Auf dem Land nahezu unmög­lich – die Bayern haben dafür den wunder­ba­ren Ausdruck „A g’schlampert’s Verhältnis“.

Schei­dung.

Das war für unsere Eltern und Großel­tern nahezu unmög­lich. Wirtschaft­lich und gesell­schaft­lich war das im Grunde nicht möglich. Man musste sich aushal­ten können. Das sog. Schuld­prin­zip galt bis 1976. Man ging davon aus, dass eine Ehe für das Leben geschlos­sen wird und nur dann geschie­den werden darf, wenn sich einer der beiden Ehegat­ten „schuld­haft“ verhielt. Danach richte­ten sich im Schei­dungs­ver­fah­ren auch die Unter­halts­rech­te und ‑pflich­ten. Eine alte Spruch­weis­heit besagt: „Vor dem Richter und auf hoher See sind wir allein in Gottes Hand“ und es scheint auf kaum ein strit­ti­ges Thema so sehr zuzutref­fen wie auf das des Scheidungsrechts.

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Das Gleich­be­rech­ti­gungs­ge­setz von 1958 (Archiv Amtsblatt)

Neues Eherecht ab 1958.

Ab da wurde es für die Frau juris­tisch besser. Das Gleich­be­rech­ti­gungs­ge­setz mit der Zugewinn­ge­mein­schaft trat in Kraft. Und den Frauen wurde es erlaubt, auch gegen den Willen des Mannes, arbei­ten zu gehen – aber nur wenn Mann und Kinder nicht darun­ter leiden. Es wurde nicht alles gut, aber manches besser. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war der Mann der Allein­herr­scher und Besit­zer – sogar jegli­ches Vermö­gen, das die Frau mit in die Ehe brach­te gehör­te bis zu diesem Jahr dem Ehemann.

Das Ausse­hen der Frau und die Mode.

Natür­lich gab es da zwischen Stadt und Land Unter­schie­de wie Tag und Nacht. Denn was in der Stadt modern war, galt auf dem Land als unzüch­tig und unange­mes­sen. Dazu nur ein paar Highlights: Die Taille war in den 50er beson­ders hervor­zu­he­ben, darüber enge Obertei­le und darun­ter weite Röcke. Für Aufruhr sorgten die ersten Jeans, die Frau anzog und sich damit in die Badewan­ne setzte, um eine optima­le Passform zu errei­chen. Sehr kurze Röcke gab es mit dem „Minirock“, der Ende der 60er aus der Carnaby-Street in London den Konti­nent aufmisch­te. Hosen für Frauen – völlig tabu. Sogar meine Mutti fand es im hohen Alter noch positiv erwäh­nens­wert, wenn eine Frau ein Kleid trug. Frauen und Hosen mochte sie nicht, deshalb war Frau Merkel für sie auch nicht wählbar ☺. An Frisu­ren der damali­gen Zeit sind hervor­zu­he­ben: Lange gefloch­te­ne Zöpfe, Rocka­bil­ly, Pferde­schwanz, Pony, Kurzhaar, Farah-Diva, Hochtou­piert, Dauer­wel­le, offene Haare. In Oberko­chen waren für die Mode die Firmen „Krok“ und „Grau“ die ersten Adres­sen am Ort und für die Haare waren das u.a. die Salons „Hahn“, „Hurler“, „Füldner“ und „Blenk“.

Hausar­beit

war nach dem Krieg tw. Schwerst­ar­beit, galt aber nicht als Arbeit. Der Begriff „Hausfrau“ wurde nicht als Berufs­be­zeich­nung akzep­tiert. Die ganzen techni­schen Erleich­te­run­gen gab es erst nach und nach. Die wichtigs­te war zweifels­frei die Wasch­ma­schi­ne. Sie war zwar relativ teuer, aber die Erleich­te­rung so groß, dass sie sich sehr rasch durch setzte und in jeden Haushalt einzog. Vorher gab es eine „Wasch­kü­che“, in der in einem großen Kessel Wasser erhitzt wurde und die Wäsche mit vorsint­flut­li­chen Hilfs­mit­teln gewaschen wurde. Die Frauen brauch­ten dazu Kraft und standen mit Kopftuch in einem mit Wasser­dampf gefüll­ten Raum und kämpf­ten mit der Wäsche. In großen Miethäu­sern gab es einen Wasch­tag. Die andere wichti­ge Erneue­rung war der Staub­sauger. Vorher mussten die Holzbö­den geschrubbt, gefeu­delt, geboh­nert und geblockt werden. Ich erinne­re mich noch an einen „Wöhrl-Vertre­ter“, der unter anderem immer Bohner­wachs an der Haustür verkaufte.

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Hier wurde am Wasch­tag Wäsche gewaschen (Archiv Internet)

Zwei Lebens­fra­gen

hatte die moder­ne Ehefrau damals für sich täglich zu klären: 1) Was ziehe ich an und 2) Was koche ich heute? Nicht weil sie das wollte, sondern weil das erwar­tet wurde.

Und in Oberkochen?

Da war vieles doch anders. Zum einen gab es die Frauen in den bäuer­li­chen Famili­en. Diese hatten ein völlig anderes Rollen­bild auszu­fül­len. Eine g’schaffige Bauern­frau zu sein. Kein Platz für Mode und anderes überflüs­si­ges Zeugs. Vieh, Kinder und Mann mussten versorgt und Felder bestellt werden und die Altvor­de­ren mussten auf dem Alten­teil versorgt werden. Die Frauen durften zwar nicht Autofah­ren, aber das Traktor­fah­ren beherrsch­ten sie wie ein Mann. Da war kein Platz für Moder­ni­tät. Die andere Gruppe waren die Doppel­ver­die­ner z.B. als Zeissia­ner. Da arbei­te­ten beide, die Kinder waren sog. „Schlüs­sel­kin­der“ (weil sie den Hausschlüs­sel um den Hals hängen hatten und vor und nach der Schule im Hort waren, bis sie die Eltern sie wieder abhol­ten). Diese Haushal­te konnten sich mehr leisten als andere und hatten auch andere Lebens­zie­le. Die Kinder blieben sich, im Rahmen großzü­gi­ger Grenzen (wenn’s dunkel wird kommst du nach Hause), weitge­hend selbst überlas­sen und fanden das toll.

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Auszü­ge aus dem Heft „Ein Weg aus der Ehekri­se“ von 1946 (Archiv Müller)

In der dokumen­ta­ri­schen Hinter­las­sen­schaft meiner Mutti habe ich doch ein Büchlein gefun­den, das den Titel trägt „Ein Weg aus der Ehekri­se“ vom Mai 1949 aus der Reihe „Die intimen Hefte für Mann und Frau“. Haupt­säch­lich geht es darin um Empfäng­nis­ver­hü­tung. Das Vorwort dazu ist schon recht inter­es­sant: „Die Liebe, die den Mann zur Frau und die Frau zum Manne führt, ist eine an Wundern reiche Gabe der Natur. Ihr Wesen aber heißt Vergäng­lich­keit…….“ Ich denke mal, dass sie das Heftchen nicht von der Kirche hat. Und wer der Verant­wor­tung des „Aufpas­sens“ müde war, musste sich mit „Knaus Ogino“ beschäf­ti­gen. Und hier waren schon Grund­kennt­nis­se der einfa­chen Mathe­ma­tik notwen­dig, um die „siche­ren“ Tage zu kennen. Damals gab es eine hollän­di­sche und eine ameri­ka­ni­sche Berech­nungs­me­tho­de. Die Betrach­tun­gen enden mit dem Kapitel „Das Kind – willkom­men am Tisch des Lebens“.

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Auszü­ge aus dem Heft „Ein Weg aus der Ehekri­se“ von 1946 (Archiv Müller)

Wahlrecht für Frauen.

Das will ich noch kurz ergän­zen. Was die jungen Frauen sich heute gar nicht mehr vorstel­len können. Das Wahlrecht für sie wurde von den Frauen zwischen Ende des 19ten und Anfang des 20ten Jahrhun­derts sehr hart erkämpft. Blut, Tränen, Gefäng­nis und Tod waren die Beglei­ter dieses langen Kampfes in ganz Europa. Das Recht gab es in Europa ab 1906 für die finni­schen Frauen, danach folgten in tw. langen Abstän­den alle anderen bis auch 1971 die Schwei­zer Frauen und 1984 die Frauen aus Liech­ten­stein an die Wahlur­nen durften. In Deutsch­land erkämpf­ten sich die Frauen gegen massi­ve Wider­stän­de diese Recht Ende 1918 und bei der Wahl am 19. Januar 1919 zogen bei insge­samt 423 Abgeord­ne­ten rund 40 Frauen ins Parla­ment ein – fast 10 % – das sollte erst 1987 übertrof­fen werden. Das Wahlrecht ist keine Selbst­ver­ständ­lich­keit und Mann und Frau sollten es pflegen – man hat in Großbri­tan­ni­en gesehen, wohin es führt, wenn die junge Genera­ti­on dieses Privi­leg nicht achtet – dann gibt es plötz­lich Ergeb­nis­se (Brexit), die so nicht gewollt waren.

Kaiser Wilhelm II dagegen:

„Die Haupt­auf­ga­be der deutschen Frau……liegt nicht im Errei­chen von vermeint­li­chen Rechten, in denen sie es den Männern gleicht tun können, sondern in der stillen Arbeit im Hause und in der Familie. Sie sollen die jungen Genera­tio­nen erzie­hen, vor allen Dingen zum Gehor­sam und Respekt vor dem Alter.“

Hedwig Dohm 1876 dafür:

„Die Schwa­chen und Kranken, die Krüppel, die Dummen und die Brutalen…..sie alle sind wahlberechtigt……Jede Frau, die schrei­ben und lesen kann, steht an Fähig­kei­ten über dem Mann, der diese Kunst nicht versteht.“

Und heute?

Vieles ist besser gewor­den, aber noch manches ist verbes­se­rungs­fä­hig und vieles ist immer noch männer-dominiert. Die Gleich­be­rech­ti­gung ist noch nicht ganz erreicht. Die Frage bleibt, ob das wirklich einmal komplett erreicht werden wird – bei allen mögli­chen Konse­quen­zen. Das obers­te Ziel sollte m.E. sein: Gleiches Gehalt für gleiche Arbeit. Das andere Thema ist die Gende­ri­sie­rung, die vor gar nichts mehr halt macht und mitun­ter über eine prakti­sche Sinnhaf­tig­keit hinausschießt.

Mit fortschritt­li­chen, durch­aus progres­si­ven Grüßen vom Sonnen­berg,
Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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