Fragen zu Bilder 7:
Wie nannten die Einheimischen das Fest, aus dessen Anlaß dieses Foto entstand? Bei wem fand dieses spezielle Fest statt?


Lösung zu Bild 7:
»Saumetzg« — beim Schmidjörgle
Die sehr anschauliche Beschreibung des »Saumetzg« (1926) verdankt der Heimatverein in erster Linie Frau Martha und Herrn Martin Gold (Schmidjörgle).
Die Zeiten haben sich in allen Bereichen unseres Lebens seit der Entstehung des Fotos sehr wesentlich geändert. Man kann sich heute kaum vorstellen, daß sich so eine Saumetzg im Freien, auf dem Hof, an der Bahnhofstraße, also öffentlich, vollziehen könnte. Im Foto aus dem Spätherbst 1926 in der Mitte, auch der Mittelpunkt des Geschehens, das fette Schwein, nach fachkundiger Schätzung ca. 350 — 380 Pfd. schwer, umrahmt von Kindern und Schlachtfestgästen (Verwandte, Freunde, Nachbarn) und der Gemeindepfleger aus dem nahen Rathaus (v. re. Hilda, Gretl u. Ludwig Gold, Metzger Paul Betzler, Karl Gold, Schmidj., mit Sohn Karl, Linus Gold, Josef Gold, Gemeindepfleger, Paul Gold, Maurermeister Anton Trittler. Aufn. Josef Gold, Polizeidiener).
Nach der Einbringung des Getreides, der Kartoffeln und Rüben, des Obstes (das Mostfaß — im Bild links — steht zur Reinigung bereit) und des Krauteinhobelns und ‑einstampfens (Sauerkraut brauchte man ja bereits zu einer rechten Metzelsupp) war die Schlachtung sozusagen der Abschluß und Höhepunkt für die Wintervorratshaltung. Auch der Hausmetzger hatte um diese Jahreszeit Hochsaison. Für die Mutter und Bäuerin war der Tag verständlicherweise kein Festtag. Zeitig hörte man den Metzgers Paul (ein echtes Oberkochener Original) mit dem Schlachtgeschirr (Brühtrog, Schragen (Tisch), Galgen, Merschel (schweres Beil), Kratzen, Messer, Stahl, Spalter, großen Fleischwolf usw.) auf seinem Hoarakarra über »die Kandel« in den Hof rumpeln. Es kam rechte Erregung und Hektik auf und der Metzgers Paul wollte es auch so, damit alle schnell und flott zur Hand gingen. Im Verlauf des Schlachtvorgangs wurde er meist ruhiger und urgemütlich. Kaum auf dem Hof, rief er: »Kocht dr Kessel, ischt ‘z G’schirr ällas nagricht — ond d’ Sau ischt au no net hausa (aus dem Stall)«. Ein Glas Schnaps und dann kann’s beginnen. Mit gutem Zureden und »Hussa — Hussa« (Schweinelockruf) wurde die Sau aus dem Stall gebettelt. Ihr Schicksal ahnend schrie und quietschte sie herzzerreißend. Oft mußte man das sich recht sträubende Opfer handgreiflich auf den Hof zerren. Am Hinterfuß mit einem Strick an den Türgloben gebunden, wurde sie zunächst mit dem stumpfen Teil des Merschesl betäubt. Nun stach der Metzger das Opfer in den Hals, um das wertvolle Blut ablassen zu können. Mit einer extra für diesen Zweck vorhandenen Messingblutpfanne (in Bild 2 sichtbar) wurde das Blut aufgefangen, in einen Eimer geschüttet und 5 Minuten geschlagen (gerührt), damit ja keine Gerinnung eintrat. Das tote Schwein wurde in den Brühtrog gewergelt, mit Brühharz bestreut und mit kochendem Wasser abgebrüht. Mittels einer von Kopf bis Schlegel hin und her gezogenen Kette löste sich der größte Teil der Borsten. Den Rest beseitigte man mit einer Kratze. Jetzt mußten starke Männer die schwere Sau auf den Schragen heben. Ab diesem Zeitpunkt durften auch die größeren Kinder den Erwachsenen beim Rasieren des Schweines helfen. Wenn dies nach Meinung der Mutter nicht so ganz sauber war, meinte der Metzgers Paul: »A paar Härla müssat drableiba, dös putzt’s F… naus. Nach dem Aufhängen an den Galgen (Bild 2) war die Schwerstarbeit für die Männer getan. Der Metzger zog einen großen langen Schnitt vom Schlegel bis zur Brust und schon quollen die Gedärme heraus. Nach der Herausnahme von Herz, Leber, Lunge, Gurgelkopf und Zung wurde das ganze Rückgrat herausgespalten. Das Schwein hing in 2 Teilen und man konnte die Qualität feststellen. Anders wie heute war das Fett, der dicke Speck, das Kriterium. Fett mußte das Schwein sein. Es soll vorgekommen sein, daß das Metermaß benutzt wurde, um festzustellen, wer die »schönste Sau« (= fetteste) hatte, denn dann kam der Bäuerin das Lob zu, die halt doch das bessere Geschick im Füttern hatte. Der Fleischbeschauer war mittlerweile auch eingetroffen, um die Sau auf Verzehrtauglichkeit zu untersuchen. Mit einem mitgebrachten Mikroskop nahm er die Trichinenschau vor. Mit dem Stempel dekorierte er das Schwein als Zeichen der Tauglichkeit. Jetzt erst durfte der Metzger den Kopf abschneiden und mit den Innereien, dem Bauchlappen und dem Speck im Wurstkessel garkochen. In den bereits durch das Haus ziehenden Sauerkrautgeruch mischte sich ab jetzt der typische Saumetzgegeruch. Nun war ein Warten, bis die ersten Schüsseln mit Speck und Innereien in die Küche kamen. Der Metzgers Paul putzte in der Zwischenzeit den Magen und die Därme. Das geschah mit einer besonderen Sorgfalt. Man durfte sich gar nicht vorstellen, daß in diese Därme die so überaus gute Leberwurst und Blutwurst gefüllt wurde. Die Blase hat der Paul mit dem Mund aufgeblasen, zugebunden und ans Stadeltor gehängt. Manchmal wurde sie auch mit Blutwurst gefüllt, das war dann der »Blunsen«. In gebührendem Abstand vom Paul feixten die Kinder: »Metzger mit deim weiße Schürzle, mach mr au a Leberwürschtle, aber net zu dick, daß i net erstick, ond au net zu kurz, sonst gibt’s koin lange … Endlich, endlich ist das Kesselfleisch fertig. Jetzt ist der absolute Höhepunkt des Festes. Um den Tisch stehen und sitzen die Hungrigen. Jeder zielt und schielt auf ein gutes Bröckele. Die Kinder bevorzugen Mageres und Nierle, die Älteren fast immer Speck. Wehe, es hat sich selber einer was »gelangt«. Der Paul hat ausgeteilt. Der Most gehört natürlich auch dazu und auch mal ein Schnaps. Geruch und Stimmung muß man einfach erlebt haben. Nun gings ans Wurstmachen. Der Metzger jammerte, wovon er noch eine gute Wurst machen soll. Doch der Künstler schaffte es immer. Leber- und Blutwürste, roten und weißen Schwartenmagen zauberte er mit hervorragendem Geschmack aus dem von Gästen und Hausgenossen geschnittenen Speck, den Schwarten, dem Rüssel und Resten. Für die Leberwurst wurden die Zutaten durch den Fleischwolf getrieben. In der großen Teigschüssel wurde die Leberwurst angerührt mit Salz, Pfeffer, Muskat und Majoran gewürzt und wenn man Glück hatte, durfte man die Leberwurstmasse versuchen (= kosten). Beim Abschmecken der Blutwurst war der Kreis der Verkoster klein. Das Kochen der Würste bedurfte größter Sorgfalt. Wurde der Kessel zu heiß, platzten die Würste. Dafür wurde aber die »Kesselbrühe« gehaltvoller. Die fertigen Würste breitete man auf Stroh aus, damit sie rundherum auskühlen und trocknen konnten. Das Fleisch richtete der Metzger portionsgerecht her. In früheren Jahren war Rauchfleisch die Hauptsache. Später hat man Fleisch und Wurst in Gläsern und Büchsen eingedünstet. Blut- und Leberwürste wurden zur besseren Haltbarkeit auch angeräuchert. Hartwürste wurden auch ab und zu gemacht, wenn Rindfleisch aus eigener Schlachtung oder durch Kompensation zur Verfügung stand. Und weil dies sehr selten war, war es etwas Besonderes. Schwärmen kann man auch noch von der echten Metzelsuppe (Brotsuppe mit Kesselbrühe), dem guten Kraut und dem ersten Braten. Am Nachmittag des Schlachttages wurde der Speck für das Schmalz geschnitten. Verwandte und Bekannte halfen da gerne mit und da konnte es recht unterhaltsam werden bei Erzählungen und Liedersingen. »Schmalz auslassen« war wieder eine weniger angenehme und auch wegen des heißen Fettes gefahrvolle Tätigkeit, die nur von der Mutter besorgt wurde. Gutes Schmalz zu bereiten war wichtig. Die »Grieben« (Rückstände des ausgelassenen Specks) waren als Brotbelag sehr gefragt und als Beigabe zu »g’röaschte Grombira« und Schneckennudeln delikat. Die »Sulzen« wurden 2 oder 3 Tage später bereitet.
Dann war da noch das Kesselbrühe-Austragen für die Kinder sehr wichtig. Jedes wollte in das für gutes Trinkgeld bekannte Haus geschickt werden. Die »Kesselbrühe« bestand aus Brühe, in der Fleisch und Würste gekocht waren, dazu eine Blut- und Leberwurst, Speck und einem Stück Fleisch. Regelmäßig wurden Schwesternhaus, Pfarrhaus, Hebamme, Dote (= Patin) bedacht, unregelmäßig Lehrer, Verwandte, Bekannte und Ortsarme. Fragt sich, wieviel für den Vorrat blieb?
In jedem Oberkochener Bauernhaus wird ja so eine Saumetzg ähnlich abgelaufen sein und jeder wird seine eigenen Erinnerungen an diese besonderen Tage haben. Vielleicht steigt auch manchem noch der Geruch in die Nase, der in diesen Tagen im Hause steckte und manche Geschichte aus der »schlechten Zeit« wird wach mit sogen. schwarzen Schweinen, solchen mit 2 Schwänzla und den erfolglosen Hausdurchsuchungen.
Frage zu Bild 8:
Wie wurde das seltene Fensterglas im oberen Stockwerk der »Krone« hergestellt?

Nachtrag zu Bild 2 (Oberkochen 1898)
Die meisten Oberkochener nannten das erwähnte Pulverhäusle »Böllerhäusle«, keinesfalls jedoch Schießhäusle, wie es jüngst in einer Tageszeitung betitelt wurde. Außerdem wurde die kleine Kapelle im letzen Jahre (1987) nicht links vom Böllerhäusle, sondern exakt auf dessen einstigem Standort errichtet.
Nachtrag zu Bild 4 (Kandel)
Es haben sich Oberkochener gemeldet, die dem Wort »Kandel« die Männlichkeit ab- und die Weiblichkeit zusprechen. So kann es also der und die Kandel heißen. Die Mehrheit neigt offenbar zu die Kandel.
Nachtrag zu Bild 6 (Kirchenglocke)
Es gibt eine andere Quelle, nach der das Bild 1922 entstanden sein soll, anläßlich der Vervollständigung des Geläutes. Für Hinweise sind wir stets dankbar.
Dietrich Bantel