Vorweg

Der plötz­li­che Tod unseres Didi Bantel wird Auswir­kun­gen haben – in seiner Familie, in unserer Gemein­de und im Heimat­ver­ein. Schlicht und einfach – er wird fehlen. Für alle augen­schein­lich werden es seine Berich­te sein. Ich werde versu­chen meine Inten­si­tät etwas zu erhöhen, aber ohne Unter­stüt­zung durch Euch, liebe LeserIn­nen, wird das nicht zu schaf­fen sein. Deshalb der Aufruf mit der Bitte um Unter­stüt­zung. Sei es durch Ideen, Bilder und Dokumen­te und durch eigene Berich­te, die ich immer gerne unter­stüt­ze. Und an die jünge­ren ergeht die dringen­de Bitte – „schmeis­sat d’hoim net älles auf d‘ Müll“ was Eure Eltern und Großel­tern aufge­ho­ben haben. Vielleicht „koa m’rs no braucha“.

Intro

Beim Recher­chie­ren in alten Amtsblatt­aus­ga­ben fiel mir kürzlich ein Bericht aus dem Jahr 1957 von Bernhard Höfer aus dem Kapel­len­weg 12 in die Hände, der das Thema „Bienen“ in der damali­gen Zeit ausführ­lich behan­del­te und ich beschloss, zusam­men mit Jürgen Brach­hold, einen Bericht über die Bienen zu schrei­ben. (Der komplet­te Artikel von Herrn Höfer ist auf der WebSite hinter­legt und ist, obwohl schon 61 Jahre alt, brennend aktuell).

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Bienen­völ­ker in Oberkochen

1854 gab es 38, 1954 zählte man 80 und 1965 standen 164 Bienen­stö­cke in Oberko­chen. Aktuel­le Recher­chen beim Landrats­amt ergaben, dass es 2017 insge­samt 13 Halter mit 58 Völkern gab.

Oberkochen

Verkaufs­an­zei­ge aus den 50ern

Heimat

schließt auch die Natur um uns herum ein. Wenn wir unsere Heimat bewah­ren wollen, gehört auch Feld, Wald und Flur mit ihren jewei­li­gen Bewoh­nern dazu. Seit 2016 beobach­te ich in meinem Garten folgen­de Verän­de­run­gen: Weniger Vögel, unbesetz­te Nistkäs­ten, fast keine Schmet­ter­lin­ge mehr, deutlich weniger Bienen und andere Insek­ten. In meiner Kindheit gab es so viele Insek­ten, dass man im Haus gelbe Fliegen­fän­ger aufhäng­te und die Autoschei­be nach 2 Stunden Autobahn­fahrt gerei­nigt werden musste. Die Dinge verän­dern sich, beson­ders in Feld, Wald und Flur. Inzwi­schen haben sogar die Medien davon Kennt­nis genom­men und Ulrich Kleber vom Heute-Journal hat ungläu­big zur Kennt­nis genom­men, dass es heute knapp 80 % weniger Insek­ten gibt als früher. Wenn das Problem nicht gelöst werden kann, werden wir die Konse­quen­zen tragen müssen, die größer sein werden, als wir uns vorstel­len können.

Bienen

Heute ist überall vom Verschwin­den der Bienen­völ­ker die Rede und ein Roman mit dem Titel „Die Geschich­te der Bienen“ schob sich in den Bestsel­ler­lis­ten ganz nach vorne. Auch die beiden Kinofil­me „More than Honey“ und „Die Bienen“ sind bemer­kens­wer­te Filmerleb­nis­se. In Buch und Film wird das Verschwin­den der Bienen und die daraus entste­hen­den Folgen beein­dru­ckend beschrie­ben. Da wir aber im Allge­mei­nen ein ziemlich gerin­ges Inter­es­se gegen­über Insek­ten haben, machen wir uns keine Gedan­ken darüber, dass die Bienen für uns Menschen überle­bens­wich­tig sind.

Die Biene ist kein Indivi­dua­list, sondern ein Lebewe­sen, das nur Arbeit und Pflicht inner­halb eines Volkes, dem Bienen­volk, in einem kurzen arbeits­rei­chen Leben kennt. Der Staat besteht aus einer Königin, den Drohnen und den Arbei­te­rin­nen. Es gibt weltweit ca. 20.000 Arten, davon ca. 500 in Deutsch­land. Der Lebens­lauf einer Biene gestal­tet sich wie folgt: Die Biene ist vom 1ten bis zum 2ten Tag Zellen­put­ze­rin, vom 3ten bis 12ten Tag Amme, vom 13ten bis 17ten Tag Wasser­trä­ge­rin und Bauar­bei­te­rin und vom 18ten bis 21ten Tag Wächte­rin. Erst ab dem 22ten Tag ist sie Sammle­rin bzw. Flugbie­ne. Nach 35 Tagen endet ihr Arbeits­le­ben ohne Rente ☺. Die Winter­bie­ne schafft es auf 6 Monate und die Königin, weil bestens beschützt und verpflegt und für das Volk überle­bens­wich­tig, bringt es auf 3 bis 4 Jahre Lebens­zeit. Das Sammel­ge­biet eines Bienen­vol­kes erstreckt sich auf annähernd 50 Quadrat­ki­lo­me­ter. Für 500 Gramm Honig müssen Arbeits­bie­nen rund 40.000 Mal ausflie­gen und dabei eine Flugstre­cke von rund 120.000 km zurück­le­gen. An guten Tagen können die Sammle­rin­nen eines Volkes mehre­re Kilogramm Blüten­nek­tar einflie­gen. Jedes Volk produ­ziert eine durch­schnitt­li­che Ernte­men­ge von 20 — 30 kg Honig im Jahr und benötigt im Gegen­zug ca. 25kg Futter (Zucker­lö­sung) für den Winter. „Bienen erwirt­schaf­ten durch ihre Bestäu­bungs­leis­tung jährlich vier Milli­ar­den Euro in der deutschen Landwirt­schaft“.

Situa­ti­on 1957

Im gesam­ten Bundes­ge­biet lebten damals 2 Millio­nen Bienen­völ­ker und das wurde zu jener Zeit als schlech­tes Zeichen gewer­tet, da 10 Jahre früher 4 Millio­nen Bienen­völ­ker betreut wurden. Eine einzi­ge Biene soll damals täglich 2.000 bis 8.000 Blüten angeflo­gen sein. Wenn man davon ausgeht dass ein Bienen­volk im Sommer aus 40.000 bis 50.000 Bienen besteht, war das eine einzig­ar­ti­ge Leistung von Bienen und Imkern in einer anschei­nend noch recht intak­ten Natur.

Aktuel­le Situa­ti­on in Deutschland

Schon Albert Einstein sagte voraus: „Wenn die Bienen verschwin­den hat der Mensch nur noch 4 Jahre zu leben“. Derzeit gehen wir von ca. 900.000 Bienen­völ­kern aus, die rund 130.000 Imkern betreut werden.

Oberkochen

Quelle: Deutscher Imker­bund (D.I.B.)

Oberkochen

Quelle: Deutscher Imker­bund (D.I.B.)

Jeder Imker hält durch­schnitt­lich 6,9 Bienen­völ­ker. Aber weniger als ein Prozent betrei­ben die Imkerei erwerbs­mä­ßig. Die deutsche Imker­schaft nach Anzahl der betreu­ten Völker:

0 — 25 Völker: 96 % der Imker
26 — 50 Völker: 3 % der Imker
über 50 Völker: 1 % der Imker
Quelle: Deutscher Imker­bund D.I.B.)

Abhän­gig­kei­ten

Ohne Bienen gäbe es nicht nur keinen Honig, auch Obst und Gemüse würden zu Luxus­gü­tern werden. Die Tiere bestäu­ben rund 80 Prozent unserer Nutz- und Wildpflan­zen. Wenn es nicht gelingt, die Bienen­be­stän­de zu halten bzw. weiter auszu­bau­en und die Insek­ten ausster­ben, hätte dies nach Ansicht von Forschern fatale Folgen für den Menschen. Ein Drittel der mensch­li­chen Nahrung hängt heute unmit­tel­bar von der Biene ab. Sie ist der wichtigs­te Bestäu­ber von Pflan­zen und gilt nach Rindern und Schwei­nen als dritt­wich­tigs­tes Nutztier in der Landwirt­schaft. Doch seit Jahren sterben weltweit Milli­ar­den von Bienen ohne sicht­ba­ren Grund. Bislang gibt es viele bekann­te Ursachen für das Massen­ster­ben: starke Vermeh­rung der Varroa­mil­ben (tödli­che Parasi­ten), Klima­wan­del im Allge­mei­nen und die unter­jäh­ri­ge Verschie­bung der Tempe­ra­tur­zy­klen. Eine neue Bedro­hung stellt der kleine Beuten­kä­fer dar, welcher sich über Südeu­ro­pa mittler­wei­le auch Deutsch­land nähert und die Völker inner­halb kurzer Zeit zerstört. Während die Wissen­schaft­ler fieber­haft forschen, geht das Bienen­ster­ben ständig weiter. Als Stich­wor­te seien hier aufge­führt: „Landschafts­ver­sie­ge­lung, Monokul­tu­ren wie Mais und Raps und der damit verbun­de­ne Einsatz von Pesti­zi­den, Ausrot­tung von Wildkräu­tern, Flurbe­rei­ni­gung und nicht zuletzt Glypho­sat, dessen Anwen­dung weiter­hin bis 2022 erlaubt wurde, Abkehr von der Drei-Felder-Wirtschaft und der exten­si­ven Landwirtschaft.“

Findet China auch bald bei uns statt?

Toten­stil­le. Seit 25 Jahren. Kein Vogel fliegt. Keine Biene summt. In einem der wichtigs­ten Obstan­bau­ge­bie­te Chinas, in Sichu­an, lebt nahezu kein Tier mehr. Was bedeu­tet das? Menschen müssen die Arbeit der Bienen überneh­men – andern­falls wächst kein Apfel, keine Birne, keine Beere. China befrie­digt den Bedarf nach Obst und Gemüse nahezu ausschließ­lich über den eigenen Anbau. Unter allen Bestäu­bern spielt die Honig­bie­ne dabei die größte ökolo­gi­sche Rolle. Aber – eine leben­di­ge Biene haben viele Chine­sen aber noch nie gesehen. Durch den drasti­schen Einsatz von Pesti­zi­den wurde der Bestand an Bestäu­ber-Insek­ten in großen Teilen Chinas bereits so stark dezimiert, dass ihre Arbeit biswei­len von Menschen­hand per Handbe­stäu­bung erledigt werden muss.

Oberkochen

Jürgen Brach­hold bei der Arbeit (überlas­sen von J. Brachhold) 

Aktuel­le Situa­ti­on in Oberko­chen (von Imker Jürgen Brachhold)

Im Frühjahr 2012 erschien in der Schwä­bi­schen Post ein Artikel vom Oberko­che­ner Bürger­meis­ter, Herrn Peter Traub, dass es in Oberko­chen keine Bienen bzw. Imker mehr gibt und die Stadt demje­ni­gen, welcher sich diesem Thema annimmt, einen geeig­ne­ten Stand­platz zur Verfü­gung stellt. Dies war der Ausschlag für meine Frau, sich sofort zu einem halbjäh­ri­gen Grund­kurs beim Bezirks­bie­nen­züch­ter­ver­ein Aalen e.V. anzumel­den. Ihre spannen­den Berich­te von den ersten Sonntag­vor­mit­ta­gen am Lehrbi­e­nen­stand in Aalen haben mich dann so neugie­rig gemacht, dass ich von nun an jedes Mal mit dabei war und die Faszi­na­ti­on mit jedem Mal größer wurde. Nach dem Absol­vie­ren des Kurses, welcher ein gesam­tes Bienen­jahr abdeck­te, bekamen wir dann im Septem­ber 2012 unser erstes eigenes Bienen­volk mit nach Hause. Von der Stadt bekamen wir die Möglich­keit, die Bienen direkt zwischen Kraut­gär­ten und Kocher im Schwörz aufzu­stel­len. In den darauf­fol­gen­den Jahren haben wir die Anzahl unserer Bienen­völ­ker konti­nu­ier­lich auf ca. 40 Völker ausge­baut und durch Schulun­gen an der Landes­an­stalt für Bienen­kun­de unser Wissen ständig erwei­tert. Unseren Hofla­den haben wir dann im Juni 2014 eröff­net, um unsere Produk­te anspre­chend vermark­ten zu können. Mittler­wei­le haben wir auch einen zweiten Stand­platz zwischen Hafner­weg und Fried­hof einge­rich­tet. Dies sind ausschließ­lich Stand­plät­ze, welche weitab von inten­si­ver Landwirt­schaft sind und von den Landwir­ten sehr behut­sam bewirt­schaf­tet werden. D.h. dass die Wiesen nur zwei Mal während der Tracht­zeit gemäht und auch jährlich Bienen­wei­den großflä­chig angelegt werden. Für dieses vorbild­li­che Engage­ment an dieser Stelle ganz herzli­chen Dank. Trotz der Brisanz dieses Themas gibt es leider sehr unver­nünf­ti­ge Menschen, welche sich daran erfreu­en können, anderen Kreatu­ren Schaden zuzufü­gen. Im Spätsom­mer 2015 haben Unbekann­te in der Nacht auf der Kocher­brü­cke vor dem Stadi­on großflä­chig Honig auf der Fahrbahn verteilt. Da die Bienen zu dieser Zeit nicht mehr viel in der Natur finden können, haben sich Tausen­de auf den süßen Belag gestürzt. An diesem Sonntag war zudem ein Fußball­spiel angesetzt mit dem entspre­chen­den Verkehrs­auf­kom­men. Wie das für die Bienen ausging kann sich jeder vorstel­len. Die nächs­te Katastro­phe ereil­te uns (und nicht nur uns) im Frühjahr 2017. Der erste warme Tag im Jahr ist für jeden Imker der Anlass, die einzel­nen Bienen­stö­cke auf Flugbe­trieb zu beobach­ten. In diesem Jahr beweg­te sich an beiden Stand­plät­zen überhaupt nichts. Es war nicht eine Biene zu sehen. Im ersten Moment glaub­te ich noch, dass es vielleicht doch noch zu kalt sei, weil es eigent­lich nicht sein kann, dass alle Völker tot sind. Die Gewiss­heit kam dann ein paar Tage später, nachdem ich die Kästen geöff­net habe. Nicht eine einzi­ge Biene hatte überlebt. Im ersten Moment ist man voller Zweifel, ob einem selbst ein so gravie­ren­der Fehler unter­lau­fen ist, dass der gesam­te Bestand ausge­löscht wurde. Nach Gesprä­chen mit Imker­kol­le­gen stell­te sich dann heraus, dass es nicht nur uns so hart getrof­fen hat, sondern auch andere Imker hohe Völker­ver­lus­te zu bekla­gen hatten. Es wäre jetzt sehr einfach, dieses Problem allei­ne den Landwir­ten in die Schuhe zu schieben.

Ich denke eher, dass dies eine Verqui­ckung ungüns­ti­ger Umstän­de war:

  • Der Varroa­mil­ben­be­fall war im Herbst 2016 sehr hoch
  • Die hohen Tempe­ra­tu­ren im August/September 2016 waren für die erfolg­rei­che Milben­be­hand­lung mit organi­scher Ameisen­säu­re nicht geeignet
  • Auf Grund der hohen Tempe­ra­tu­ren hat der Wald hier bei uns fast bis Ende Septem­ber „gehonigt“, was dazu geführt hat, dass die Völker das Futter für den Winter nicht richtig abgenom­men haben
  • Eine brutfreie Zeit im Dezem­ber gab es auf Grund der zu hohen Tempe­ra­tu­ren auch nicht, sodass die Bienen keine Erholungs­pha­se gehabt haben

Dies reicht jedoch nicht aus, um diesen immensen Schaden anzurich­ten, was bedeu­tet, dass noch andere Fakto­ren hier im unmit­tel­ba­ren Umkreis das Bienen­ster­ben beein­flusst haben müssen. Durch Zukauf von Bienen­völ­kern bei Imker­kol­le­gen im Raum Hohen­lo­he (dort waren kaum Ausfäl­le zu verzeich­nen) haben wir unseren Bestand im Mai 2017 wieder auf 35 Völker aufge­baut. Solche massi­ven Verlus­te treten in jünge­rer Zeit immer wieder auf und machen das ganze Thema Bienen bzw. Imkerei immer kompli­zier­ter und finan­zi­ell noch anspruchsvoller.

Heute am 08.März 2018 (der Tag, an dem ich diesen Bericht schrei­be) war an allen Kästen etwas Flugbe­trieb und auch der erste Pollen wurde schon einge­tra­gen, was auf ein gutes Bienen­jahr hoffen lässt.

Oberkochen

Bienen­stö­cke in Oberko­chen (überlas­sen von J. Brachhold) 

Was können wir als Stadt und als Mitbür­ge­rIn für die Insek­ten tun?

Wir können ihnen im Garten ein Bienen­ho­tel aufstel­len. Kräuter und Pflan­zen in Garten und Balkon für die Wildbie­nen anbie­ten, uns als Stadt­im­ker engagie­ren, Honig aus der Region kaufen, Bienen­pa­ten­schaf­ten anneh­men, bienen­freund­li­che Pflan­zen anstatt blank geputz­ten Rasen pflan­zen und weniger mähen. Die Stadt ist da schon mit gutem Beispiel voran­ge­gan­gen und es sieht auch schön für das Auge aus. Was wir sonst so tun können? Da gibt der Inter­ak­ti­ons­plan auf der WebSite Auskunft.
Bienen­ak­ti­ons­plan ← hier klicken

Was den Bienen gut tut, ist auch gut für uns. In diesem Sinne heute mit summen­den Grüßen von Wilfried Billie Wichai Müller vom Sonnen­berg und der Imker­fa­mi­lie Brach­hold beim Carl-Zeiss-Stadion.

Wilfried Billie Wichai Müller, 
Familie Brach­hold „Honig & Mehr“, Beim Carl Zeiss Stadi­on 1

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