Intro

Dieses Jahr, am 10. Dezem­ber 2017, finden wieder einmal Bürger­meis­ter­wah­len statt. Das ist oft, aber nicht immer, eine spannen­de Angele­gen­heit. Wird der „alte“ problem­los wieder­ge­wählt oder traut sich ein einhei­mi­scher oder fremder Bewer­ber (mit oder ohne Unter­stüt­zung der örtli­chen Partei­en) seinen Hut in den Ring zu werfen? Ja – die Ausschrei­bungs­frist endete am 13. Nov. 2017 und es melde­te sich der Oberko­che­ner Max Wirth als weite­rer Bewer­ber. Somit wird die Wahl wider Erwar­ten doch kein Selbst­läu­fer werden. In diesem Zusam­men­hang bietet es sich einfach mal die Gelegen­heit auf alle Bürger­meis­ter zurück­zu­schau­en. Beim Recher­chie­ren gewann ich den Eindruck, dass in der neueren Zeit die wohl wichtigs­te Wahl, die im Jahr 1953 war.

Der Bürger­meis­ter

ist das Oberhaupt einer Gemein­de. Das baden-württem­ber­gi­sche Kommu­nal­recht folgt dem so genann­ten Modell der Süddeut­schen Ratsver­fas­sung. Diese gibt dem direkt gewähl­ten Bürger­meis­ter eine relativ starke Stellung gegen­über dem Gemein­de­rat. Er ist Vorsit­zen­der des Gemein­de­ra­tes und Leiter der Gemein­de­ver­wal­tung und vertritt die Gemein­de nach außen. Die starke Stellung des Bürger­meis­ters drückt sich auch darin aus, dass er dem Gemein­de­rat vorsitzt. Er berei­tet damit die Sitzun­gen des Gemein­de­rats und der Ausschüs­se vor und vollzieht die Beschlüs­se. Weiter­hin muss er gesetz­wid­ri­gen Beschlüs­sen des Gemein­de­rats wider­spre­chen. Der Wider­spruch hat aufschie­ben­de Wirkung. In dringen­den Angele­gen­hei­ten des Gemein­de­rats, bei denen die Eilbe­dürf­tig­keit eine Sitzung des Gemein­de­ra­tes nicht zulässt, entschei­det der Bürger­meis­ter anstel­le des Gemein­de­rats. Zudem leitet er die Gemein­de­ver­wal­tung, bestimmt die Organi­sa­ti­on der Gemein­de­ver­wal­tung und legt im Einver­neh­men mit dem Gemein­de­rat die Geschäfts­ver­tei­lung der Beigeord­ne­ten fest. Des Weite­ren ist er Vorge­setz­ter, Dienst­vor­ge­setz­ter und obers­te Dienst­be­hör­de der Gemein­de­mit­ar­bei­ter. In BW gab es früher die Bezeich­nung „Schul­tes oder Schult­heiß“ für den Ortsvor­ste­her. Seit 1. Dezem­ber 1930 lautet die offizi­el­le Bezeich­nung „Bürger­meis­ter“. Schult­heiß ist auch die Basis­form eines der meist vorkom­men­den Famili­en­na­mens in Deutsch­land. Varia­tio­nen davon sind: „Schulz, Schul­ze, Schul­te, Schult, Schultz, Schult­ze, Schul­zeck, Schul­ten, Schuldt, Schul­t­hess, Schol­tes, Schotes, Schult­heiss, Schult­heis, Heiss, Heiß“. Daneben die aus dem Schle­si­schen kommen­den Varian­ten Scholz, Schol­ze etc. Im Schwä­bi­schen wurde aus dem Wort Schult­heiß der Schultes.

Die Amtsket­te

legimi­tiert den Träger als das was er ist und reprä­sen­tiert: Der Bürger­meis­ter der Stadt Oberko­chen. Dieses Symbol der Stadt Oberko­chen wurde anläss­lich der Stadt­er­he­bung im Jahr 1968 von örtli­chen Einzel­händ­lern, Indus­tri­el­len, Freibe­ruf­lern und Banken gestif­tet. Diese Amtsket­te ist ein pracht­vol­les und kostba­res Exemplar, das die Freude und den Stolz der Bürger­schaft über ihre Stadt wider­spie­gelt. So etwas kann man natür­lich nicht von der Stange kaufen. Daher wurde sie extra angefer­tigt. Der aktuel­le Bürger­meis­ter Traub legt sie nur bei ganz beson­de­ren Anläs­sen an. Was fühlt man wenn man sie anlegt? Nun, zunächst mal rund 1 Kilogramm Gewicht. Das viele Gold und Silber wiegt schwer und es könnte einem quasi symbo­lisch deutlich machen, dass das Amt des Bürger­meis­ters sowohl schön als auch manch­mal schwer ist und somit Freude macht als auch eine Bürde darstellt.

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Bürger­meis­ter Gustav Bosch mit Amtsket­te (1948−1977)

Welche Quali­tä­ten sollte ein Bürger­meis­ter haben?

Im Laufe der Jahre durch­lie­fen verschie­den „Typen“ von Bürger­meis­tern unsere Gemein­de: Gestan­de­ne Persön­lich­kei­ten, Obrig­keits­hö­ri­ge, Volks­na­he, Visio­nä­re, Verwal­tungs­fach­leu­te und alle Mischun­gen, die möglich sind. Es gibt nur wenige Berufs­grup­pen, die so im öffent­li­chen Fokus stehen und einem großen Leistungs­druck ausge­setzt sind. Auch werden an ihn große Ansprü­che gestellt. Wenn die alle von einem Bürger­meis­ter erfüllt werden, dann ist er schon eine Mischung aus „Super­man und Batman“. Es sind dies: Ein wacher Verstand, Charis­ma, schnel­le Auffas­sungs­ga­be, Autori­tät, Serio­si­tät, Überzeu­gungs­kraft, Authen­ti­zi­tät, starke Persön­lich­keit, perfekt im Umgang mit Menschen, Ehrlich­keit, Gradli­nig­keit, immer das Wohl der Gemein­de im Auge, stark im Moderie­ren, sachli­che Ruhe, Geduld, gute Perso­nal­füh­rung, rheto­ri­sche Fähig­kei­ten, Verwal­tungs­kom­pe­tenz, gut vernetzt sein und nicht zuletzt Belast­bar­keit und Kritik­fä­hig­keit. Denn eines ist klar – Jedem recht­ma­chen, das geht immer schief. Wir sehen, so einen gibt’s ja nirgend­wo – oder etwa doch? Aber – egal welche Persön­lich­keit der Bürger­meis­ter hat – ohne eine gute Stadt­ver­wal­tung und einen gestan­de­nen Gemein­de­rat kann auch er nichts bewirken.

Worin besteht die Lebens­leis­tung eines Bürgermeisters?

Das fragte einst Rudolf Eber im Febru­ar 1978 bei der Verab­schie­dung des Bürger­meis­ter Gustav Bosch und gab zugleich die Antwort: „Eine Stadt benötigt geisti­ge Impul­se und Integra­ti­ons­kraft. Es braucht einen Ansprech­part­ner für alle Schich­ten der Bevöl­ke­rung sowie das Verständ­nis für Alt- und Neubür­ger. Eine hohe Auffas­sung vom Amt ist hilfreich, eine selbst­be­wuss­tes Tragen der Amtsket­te und ein würdi­ges Vertre­ten der Stadt erfor­der­lich. Dies alles und viel mehr ist Gustav Bosch gelun­gen und er hat sich daher um Oberko­chen verdient gemacht.“ Aus diesem Grund wurde ihm auch die Ehren­bür­ger-Urkun­de und das Bundes­ver­dienst­kreuz Erster Klasse verlie­hen. Die Schuhe sind groß, die dieser Bürger­meis­ter hinter­las­sen hat.

Ehren­bür­ger

In diesem Zusam­men­hang will ich mal eine kurze Übersicht über die bishe­ri­gen Ehren­bür­ger geben. Inter­es­sant ist, dass in den über 20 Jahren nach Gustav Bosch nieman­dem eine solche Ehre zu Teil wurde. Der Mann war extrem nachhal­tig und hinter­ließ hohe Hürden und große Fußstap­fen. Dafür haben wir aktuell gleich 5 unter uns weilen­de, mit dieser Ehre ausge­zeich­ne­te Mitbür­ge­rIn­nen. Hat man auch nicht überall. Das zu Lebzei­ten zu erhal­ten ist halt doch schöner als das posthum von „oben“ erleben zu dürfen. ☺ Siehe dazu auch den folgen­den Link:
http://www.oberkochen.de/de/Unsere-Stadt/Ehrenb%C3%BCrger

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Wo arbei­tet der Bürgermeister?

Natür­lich im Rathaus. Früher befand sich das Rathaus an der Stelle wo heute die VR Bank steht, also in der Mitte der damali­gen Gemein­de. Wobei es eine Mitte in einem Straßen­dorf, wie wir es lange waren, doch sehr schwer hat, sich optimal zu entfal­ten. 1962 bekam das Rathaus einen grausi­ge lila-farbe­nen Anstrich, der in der Öffent­lich­keit heftig disku­tiert wurde, sodass sich der Künst­ler Ernst Wanner und die Poeten E.G Erich Günther und G.B. Gustav Bosch zu Erklä­run­gen genötigt sahen.

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Das alte Rathaus 1953 (heute VR Bank)

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Das Rathaus im neuen Kleid

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Das alte Rathaus 1962 (heute VR Bank)

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Rathaus im neuen Kleid (1962 Wanner)

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Poeti­sches von Günther und Bosch

Die damali­ge Oberko­che­ner Bank hat das alte Rathaus 1966 gekauft und abgeris­sen. Dieses Geschäft wurde von den Herren Gustav Bosch und Oscar Stroh­mai­er abgewi­ckelt. Pünkt­lich wurde das neue Rathaus 1967 und die Neue Bank 1968 fertig. Wir sehen, es gab mal eine Zeit, da wurde punkt­ge­nau gebaut und fertig­ge­stellt. Später, der Ort wuchs rasch und wurde 1968, als die am schnells­ten wachsen­de Gemein­de in BW, zur Stadt erhoben, wurde ein neues und deutlich größe­res Rathaus gebraucht.

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Das neue Rathaus 1968

Inzwi­schen, in die Jahre gekom­men, wurde es 2010 und 2011 grund­sa­niert und „gelif­tet“ und sieht wieder schmuck aus.

In dieser Zeit gab es ein Interims­rat­haus im Schwörz.

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Das Interims-Rathaus während der Sanie­rung 2009

Wenn dann nächs­tes Jahr das neue „Hotel am Rathaus“ fertig wird, ist das gesam­te Ensem­ble wieder ansehn­lich und wird viele Jahre seinen Zweck erfüllen.

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Rathaus und Hotel am Rathaus 2017

Das alte Rathaus

Anmer­kung zur Recht­schrei­bung und Sprache – das war damals so üblich und so steht es im Proto­koll. Es ist mühse­lig zu schrei­ben und auch zu lesen. ☺

Verhan­delt vor dem Gemein­de­rat und dem Bürger­aus­schuss, den 15. Septem­ber 1840:

Der Schult­heiß Maier trägt heute vor, daß auf das Ableben des Flurers und Bürgers Matthi­as Widen­hö­fer, dessen Wohnung verkauft werde und sich dieses Haus zu einem Rathaus bezie­hungs­wei­se seiner Größe und frequen­ten Lage halber sich recht hiezu eignen würde, es wäre sich deshalb zu beraten und zu beschlie­ßen, ob es angekauft werden solle oder nicht.

Es wurde einstim­mig beschlos­sen: „Nothwen­dig­keits­hal­ber sei ein Rathaus vonnö­ten und sollte dieses Haus zu diesem Zweck anerkauft werden.“

Der Gemein­de­rat: Maier, Holz, Schmidt, Schuma­cher, Burr, Widen­hö­fer, Gold, Wingert, Sapper

Der Bürger­aus­schuss: Grupp, Widmann, Widen­hö­fer. Kopp, Brunn­hu­ber, Wingert

Das Rathaus wurde dann am 17. Septem­ber 1840 getätigt.

Am 3. Oktober 1840 verhan­del­ten beide bürger­li­chen Colle­gi­en: Um die Wohnungs­ein­rich­tung in dem erst kürzlich erkauf­ten Hauses des verstor­be­nen Matthi­as Widen­hö­fer zu einer Rathstu­be, überhaupt um die erfor­der­li­che Einrich­tung desel­ben haben sich heute die bürger­li­chen Colle­gi­en versam­melt, um sich zu berathen, wie die Einrich­tung getrof­fen werden solle.

Es wurde nun beschlossen:

  1. Daß der obere Hausoehrn vollends zur Stube verwen­det und die Wand dazwi­schen ausge­bro­chen werden solle. Da mit diesem Geschäft kein Akkord getrof­fen werden könne, solle es sowohl von dem Mauerer- und Zimmer­meis­ter in Taglohn in Vollzug gesezt werden.
  2. Die Ähren­kam­mer soll mit einer Doppel­tü­re verse­hen und zur Regis­tra­tur verwen­det werden und
  3. Solle was zur Rathstu­be erfor­der­lich ist, z.B. Stühl, Tisch, Ofen, aufs bäldes­te angeschafft werden, um dassel­be so bald als möglich bezie­hen zu können
  4. Die übrigen Bauten hinge­gen sollen bis aufs nächs­te Frühjahr, weil es jetzt zum Austrock­nen zu spät ist, beruhen gelas­sen werden

Über den Kaufpreis erfah­ren wir aus der Nieder­schrift einer Sitzung vom 18. Mai 1843 folgendes:

Bei Abhör der Schult­hei­ßerey-Rechnung p. 1841/1842 werden deser­tirt, daß das Vermö­gen der Gemein­de im Etatjahr 1840/1841 um 1538 Gulden 4 Kreuzer u.v. 1841/1842 um 375 Gulden 51 Kreuzer abgenom­men habe und dabei angeord­net, daß die Ergän­zung dieser Abnah­me einzu­lei­ten sei. Es wurde nun nach der Rechnung von 1840/1841 Bl 19b ein Rathhaus angekauft um 2526 Gulden daß auf demsel­ben stehen­de Gemein­de­recht werde wieder verkauft um 663 Gulden. Ferner werde verkauft das Sprit­zen­haus um 130 Gulden, dann der Arrest um 44 Gulden. Es verbleibt ein Rest von 1689 Gulden. Um das Rathhaus wurde zur Errich­tung eines Arrests und eines Rats- und Sprit­zen­rau­mes verwen­det 224 Gulden, hiezu der Ankaufs­preis 1689 Gulden, zusam­men 1913 Gulden.

In der Rechnung von 1841/1842 kommen neben einigen Überschrei­tun­gen von Etatsät­zen 272 Gulden 14 Kreuzer vor, welche auf die Hummel­hal­tung verwen­det worden sind, welche Last auf die Gemein­de in Folge daß mit Gottlieb Schee­rer geführ­ten Prozes­ses übernom­men worden ist. Somit insge­samt 2185 Gulden 14 Kreuzer.

Unter diesen Umstän­den verschwin­det die Vermö­gens­ab­nah­me, es erscheint im Gegen­t­heil noch eine Zunah­me von mehr denn 200 Gulden. Hiernach beschlie­ßen die beiden Colle­gi­en eine Ergän­zung des Fonds durch Umlage unter die Steuer­con­tri­buen­ten nicht eintre­ten zu lassen, vielmehr die K,Kreisregierung zu bitten, den Ankauf des Rathhau­ses aus den Mitteln des Fonds geneh­mi­gen zu wollen.

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Das alte Rathaus 1948 (heute VR Bank) mit Hinweis­schild zur „Grube“

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Hinweis­schild „zur Grube“

Julius Metzger fügte 1967 an:

In den über 126 Jahren, die das Haus der Gemein­de als Rathaus diente, waren folgen­de Hausher­ren: Siegmund Jonathan Maier, Micha­el Wingert, Johan­nes Bezler, Alois Butscher, Franz Anton Bucher, Richard Frank, Otto Heiden­reich, Richard Frank, Rudolf Eber und Gustav Bosch.

In den Jahren 1880 bis 1890 begon­ne­ne Entwick­lung der Indus­trie, und vor allem die Ansied­lung der Firma Carl Zeiss nach dem II. Weltkrieg, haben aus dem alten Bauern­dorf einen Indus­trie­platz gemacht und viele Verän­de­run­gen im Gesamt­bild des Ortes mit sich gebracht. Das alte Rathaus konnte die Verwal­tung schon lange nicht mehr aufneh­men. Anfang der 50er Jahre mußte zuerst die im Rathaus unter­ge­brach­te Amtsdie­ner­woh­nung geräumt und zu Dienst­räu­men umgebaut werden. Später nahm das von der Forst­ver­wal­tung erwor­be­ne alte Forst­haus weite­re Amtsräu­me auf. Seit einigen Jahren dienen angemie­te­te Räume in der Heiden­hei­mer Str. 12 ebenfalls der Verwal­tung. Da die Erstel­lung eines neuen Rathau­ses auf dem Platz des alten Rathau­ses aus verschie­de­nen Gründen nicht möglich war, beschloß eine weitschau­en­de Gemein­de­ver­wal­tung den Neubau am Eugen-Bolz-Platz. Wir verlas­sen das alte Haus in dem Bewuß­sein, daß dieser Abschied für das innere Zusam­men­wach­sen der neuen Gemein­de Oberko­chen entschei­dend ist und damit dem Wohle Oberko­chens und all seiner Bürger dienen möge.

Alle Bürger­meis­ter in chrono­lo­gi­scher Reihen­fol­ge von Gold bis Traub

Am 10. Novem­ber 1802 wurde die Gefürs­te­te Probs­tei Ellwan­gen, und damit der ellwän­gi­sche Ortsteil von Oberko­chen, württem­ber­gisch. Die im Amt befind­li­chen Schult­hei­ßen, der ellwän­gi­sche Johann Sebas­ti­an Gold und der württem­ber­gi­sche Kaspar Schee­rer, führten es dann gemein­sam weiter bis ins Jahr 1819. Gold schied dann alters­hal­ber aus und Schee­rer behielt das Amt bis 1831.

Sein Nachfol­ger als Schult­heiß wurde bis 1849 der Chirurg Sigmund Jonathan Maier (geb. 1793 gest. 1852). Es folgte der Maurer­meis­ter Micha­el Wingert (geb. 1826 gest. 1899), der das Amt bis 1889 innehat­te. Ihm folgte sein Schwie­ger­sohn Johan­nes Bezler (geb. 1861 gest. 1901), der bis 1891 dienen konnte.

Bis zu diesem Schult­heiß wurden alle auf Lebens­zeit bestellt. Das erste von der Bürger­schaft im Jahr 1891 in freier Wahl, aber auch noch auf Lebens­zeit, gewähl­te Bürger­meis­ter war Alois Butscher (geb. 1876 gest. 1903). Es folgte Franz Anton Bucher (geb. 1874 gest. ???), dem aber nur eine kurze Amtszeit von 1903 bis 1905 beschie­den war. Am 1. April 1905 wurde Richard Frank ebenfalls noch auf Lebens­zeit gewählt. Er hatte ein ruhiges ausglei­chen­des Wesen, das sicher beson­ders hilfreich in den Krisen­jah­ren war. Davon hatte er reich­lich zu bewäl­ti­gen: Den I. Weltkrieg Infla­ti­on, Arbeits­lo­sig­keit, die Wirren­der 30er Jahre und die Zeit nach dem II. Weltkrieg. Jedoch führten die politi­schen Umwäl­zun­gen zu einer, im Jahr 1933, von den Nazis erzwun­ge­nen Verset­zung in den Ruhestand. Ab jetzt wurde wieder, ohne eine Wahl, ein Bürger­meis­ter „von oben“ einge­setzt. Der damali­ge Bürger­meis­ter hieß Otto Heiden­reich (geb. 1899 gest. 1961) und wurde dann auch zwangs­läu­fig nach Ende des Krieges 1945 abgesetzt. Bis März 1946 führte dann Alt-Bürger­meis­ter Richard Frank (geb. 1879 gest. 1966) die Gemein­de nochmals, bis der Gemein­de­rat 1946 Rudolf Eber (geb. 1914 gest. 1999) auf 2 Jahre wählte. Rudolf Eber hatte sich sicher Hoffnun­gen gemacht, bei der ersten freien Wahl nach dem Krieg erfolg­reich sein zu können, zumal er den Ort durch 2 schwie­ri­ge Nachkriegs­jah­re geführt hatte. Aber, wie das oft so ist, auswär­ti­ge Bewer­ber sind oft im Vorteil und Gustav Bosch kam aus Stutt­gart, sah und siegte. Die Bürger­schaft durfte nach den Nazis und dem verlo­re­nen Krieg erstmals wieder am 1. Febru­ar 1948 einen Bürger­meis­ter wählen und entschied sich für Gustav Bosch (geb. 1914 gest. 1979). 1953 wurde er wieder­ge­wählt und übte das Amt Insge­samt 30 Jahre lang in Oberko­chen aus und prägte die Gemein­de wie kein anderer. Die beiden Dokumen­te aus dem Jahr 1953 mögen das verdeutlichen.

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inter­es­san­te Wahlauf­ru­fe 1953

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Gedicht von Erich Günther nach der Bürger­meis­ter­wahl 1953

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Bürger­meis­ter Bosch’s Danke nach der Wahl 1953

Geschich­ten, die nur mit ihm und mit dem damali­gen Zeitgeist möglich waren, kursie­ren heute noch in der Erinne­rung der Alten und an den Stamm­ti­schen. Auch die damali­gen Restau­rant­be­sit­zer könnten da noch viel über die Nach(t)-Sitzungen berich­ten, die so nur möglich waren, weil der Bürger­meis­ter die Sperr­stun­de aufhe­ben konnte. Es gab in Oberko­chen damals so viel zu bespre­chen, da reich­te der Tag nicht aus und es mussten manche Nächte geopfert werden, um das Wohl der Bevöl­ke­rung zu gewähr­leis­ten ☺. Wie sagte einst ein Chef zu mir: „Müller, der Tag hat 24 Stunden. Wenn das nicht genügt, nehmen Sie eben die Nacht dazu ☺.“ Gustav Boschs Tage hatten immer mehr als 24 Stunden. Er war für unsere Gemein­de in der damali­gen Zeit in Glücks­fall, da es niemals zuvor und danach in unserer Gemein­de solch eine Vielzahl an Anfor­de­run­gen in kurzer Zeit gab, die im Rahmen des Wieder­auf­baus nach dem Krieg gemeis­tert werden. Er war ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen über den sehr viele Geschich­ten in Oberko­chen kursie­ren, deswe­gen kann es an den Stamm­ti­schen auch nie langwei­lig werden. Meine Hochzeit wollte er höchst­per­sön­lich selbst vorneh­men, da meine damali­ge Frau Lai-ied die erste Thailän­de­rin in unserer Gemein­de war. Damals wussten noch die wenigs­ten wo Thailand überhaupt liegt. Aber 1978 war er nicht mehr im Amt und so wurden wir von Oberamt­mann Feil getraut. Herr Bosch konnte auch sehr bestimmt auftre­ten und zitier­te einst die Herren Bruno Balle und Sepp Merz aufs Rathaus, um ihnen die Leviten ob ihrer öffent­li­chen Gesangs­dar­bie­tun­gen zum Thema „Heide“ zu lesen. Auf sein Heide-Projekt ließ er gar nicht kommen und da verstand er absolut keinen Spaß. Danach wurde Harald Gentsch (geb. 1944) im Jahr 1978 gewählt und beklei­de­te das Amt bis 1994. Der Wahlkampf war ein beson­de­rer, denn der exter­ne Bewer­ber ging von Tür zu Tür, stell­te sich persön­lich vor und gewann die Wahl eindrucks­voll mit 3.114 Stimmen gegen­über 1.839 Stimmen des lokalen Bewer­bers Paul Hug. Dieser Bürger­meis­ter war ein jovia­ler Typ, sehr volks­nah und dem Gesang verbun­den. In seine Amtszeit fiel auch der Beginn des Gas-Zeital­ters in unserer Stadt, aber auch die Straßen­sa­nie­run­gen mit der unglück­li­chen „Pflas­te­rung“ in den Ortsdurch­gangs­stra­ßen und des Dreißen­tals und unser Heimat­buch. Heute kann man ihn durch­aus hin und wieder am Stamm­tisch „Graf Eberhard“ in der „Grube“ sehen und hören, wenn er seine Stimme erhebt. Der derzeit amtie­ren­de, und zur Wahl anste­hen­de Amtsin­ha­ber, ist der gebür­ti­ge Unter­ko­che­ner Peter Traub (geb. 1962). Er setzte sich 1993 mit 54,8% gegen die Mitbe­wer­ber Werner Tereba (0,9%) und Klaus Hermann (44,3%) durch. 2001 und 2009 wurde er bestä­tigt. Bei der letzten Wahl gingen nur 30,8% der Wähler zur Urne und bestä­tig­ten ihn mit 94,3%. In seine Amtszeit fallen u.a. folgen­de wichti­ge Projek­te: Die Ansied­lung der Carl Zeiss SMT AG, die trotz starker Stand­ort­kon­kur­ren­ten gelang und heute für die Stadt sehr wichtig ist. Der Erhalt und Ausbau der Schulen sowie der Neubau der Kinder­gär­ten am Guten­bach und im Wiesen­weg ebenso wie der Erhalt des Scheerer’schen Mühlen­are­als als Teil eines histo­ri­schen Ortskerns, die Straßen­sa­nie­rung, die zu einer deutli­chen Aufwer­tung des Stadt­bil­des führte, die Entschei­dung für das Hallen­bad und das jüngst entschie­de­ne Südko­rea Projekt YG‑1, das derzeit reich­lich für Furore sorgt. 2017 hatte es in sich.

Bilder aller Bürger­meis­ter, soweit diese auffind­bar waren

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Bürger­meis­ter Micha­el Wingert (1849−1869)

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Bürger­meis­ter Johan­nes Bezler (1889−1901)

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Bürger­meis­ter Richard Frank (1905−1933 und 1945–1946)

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Bürger­meis­ter Otto Heiden­reich (1933−1945)

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Bürger­meis­ter Rudolf Eber (1946−1948)

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Bürger­meis­ter Harald Gentsch (1978−1994)

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Bürger­meis­ter Peter Traub (li.) mit Heraus­for­de­rer Klaus Hermann

Die Verpflich­tungs­for­mel lautet wie folgt:

„Ich gelobe Treue der Verfas­sung, Gehor­sam den Geset­zen und gewis­sen­haf­te Erfül­lung meiner Pflich­ten. Insbe­son­de­re gelobe ich, die Rechte der Gemein­de gewis­sen­haft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwoh­ner nach Kräften zu fördern.“

Und so wird einer der beiden Bewer­ber die Formel sprechen dürfen.

Mit lokal­po­li­ti­schen Grüßen vom Sonnen­berg – Wilfried Billie Wichai Müller

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