Wer das Wort „Kuhschuh“ zum ersten Mal hört, denkt sicher „wie bitte“?

Mir begeg­ne­te das Wort zum ersten Mal im Zusam­men­hang mit einem im Jahr 1971 gefun­de­nen rosti­gen Stück Eisen, das mir auf einem Acker beim Rmerkel­ler aufge­fal­len war. Es erinner­te mich entfernt an ein halbier­tes überbrei­tes Hufei­sen, weil es seitlich entlang der äußeren Rundung tatsäch­lich auch Löcher aufwies, wie man sie von Hufei­sen her kennt. Da ich nicht weiter wusste, zeigte ich den Fund meinem Freund „Bär“ (Martin Gold, verst.) vom Heimat­ver­ein. Der „liebe Bär“ meinte, dass aus meiner Frage leicht zu erken­nen sei, dass ich ein „Städter“ bin, denn hier im Dorf Oberko­chen könne mir meine Frage jeder beant­wor­ten, der auch nur entfernt mit Landwirt­schaft zu tun hat, – und das sogar einge­denk der Tatsa­che, dass Oberko­chen 3 Jahre zuvor „Stadt“ gewor­den war: Das sei ein „Kuhschuh“, sagte der Bär, – und ich solle zuhau­se in meinem schlau­en Lexikon nachku­cken, was ein „Kuhschuh“ sei. – In meinem fast ½ Meter dicken 8‑bändigen großen Duden von 1969 hörten die Unter­be­grif­fe zu „Kuh“ bei „Kuhschel­le“ und „Kuhschwanz“ auf. Also: Fehlan­zei­ge bei „Kuhschuh“. Auf diese Weise bestä­tig­te mir andern­tags der liebe Bär mein vages Wissen, dass man früher nicht nur Pferde für die Feldar­beit einsetz­te, sondern auch Kühe, und, dass man, um die Kuhhu­fe vor schnel­ler Abnut­zung zu schüt­zen, diesel­ben mit Eisen beschla­gen habe, was sich auch bei der Feldar­beit bewährt hat, da die Eisen den Rindern vor allem beim Ziehen von landwirt­schaft­li­chen Geräten eine zusätz­li­chen Halt gaben. – Leider ist mein sehr schöner alter Kuhschuh vom Weilfeld verlo­ren gegangen.

Bei Rindern handelt es sich – im Gegen­satz zu den Pferden – um Paarhu­fer; das heißt, dass Rinder­fü­ße zwei Zehen haben, die „Klauen“ genannt werden, weshalb eine Varia­ti­on der bei Pferden üblichen Hufei­sen nicht benutzt werden konnte. Im Klartext bedeu­te­te das nämlich, dass man, um ein Rind zu „beschla­gen“ pro Fuß, (vorne mancher­orts „Hand“), 2 Eisen benötigt. Diese Eisen bezeich­net man als „Schuh“, – daher „Kuhschuh“. Da die Innen­sei­ten der Kuh-Klauen zum Einschla­gen von Hufnä­geln nicht geeig­net sind, befan­den sich an den jewei­li­gen Innen­sei­ten der Eisen jeweils ein senkrecht zum Beschlag­ei­sen stehen­der Nocken, den man „Feder“ nennt, und der beim Beschla­gen weiter oben über der Zehen­wand in den Huf gezogen und einge­hängt wird. Den eigent­li­chen Halt besor­gen die Hufnä­gel, – und zwar deren 4 bis 6, in der Regel 5 an der Zahl. Die Hufnä­gel unter­schei­den sich von norma­len Nägeln dadurch, dass sie im Querschnitt quadra­tisch sind, und sich vom Kopf weg bis zu Halsan­satz pyrami­den­seg­ment­för­mig verjün­gen. Diese Form findet sich als exakte negati­ve Einpass-Gegen­form in den Kuhschu­hen und bleibt, auch wenn das Eisen ewige Zeit im Acker gelegen hat, gut erkenn­bar. Kuhschu­he dürfen nur auf gesun­de Klauen aufge­na­gelt werden. Im letzten Jahrhun­dert kamen auch Kunst­stoff-Kuhschu­he auf, die auf die Klauen aufge­klebt wurden.

Wie beim Pferd müssen auch beim Rind die Hufe vor dem Beschlag gerei­nigt und ebenge­ar­bei­tet werden. Die Kuhschu­he werden kalt angepasst und aufge­schla­gen. Mangels Fotos habe ich versucht, die Situa­ti­on zeich­ne­risch darzu­stel­len, wobei ich eine Zehe beschla­gen, die andere unbeschla­gen zeige.

Oberkochen

Zeich­nung eines Rinder­fu­ßes von unten gesehen – linke Seite unbeschla­gen, sauber geebnet, rechte Seite mit Kuhschuh beschlagen

Auf das Thema Kuhschuh kam ich, weil unser Mitbür­ger Hans-Günter Arndt, der in unmit­tel­ba­rer Nachbar­schaft des Heimat­mu­se­ums wohnt, mir vor ein paar Wochen einen Kuhschuh fürs Museum übergab, den er im Herbst dieses Jahres am Aufstieg zum Zweren­berg in einer Wildschweinsuh­le gefun­den hat. Die Erde war durch Sauen aufge­bro­chen, und das „Kuhschuh“-Eisen lag obenauf. Dem Fund beigege­ben war ein von dersel­ben Wildsau freige­wühl­tes Stück typischer Altober­ko­che­ner Töpfer­wa­re, grün glasiert, ungefähr 150 Jahre alt, wie wir sie in jedem Acker auf unserer Gemar­kung, – auf der es laut OL Mager um 1840 in Oberko­chen ca. 30 Famili­en gab, die vom Töpfer­hand­werk lebten, – zahlreich finden.

Oberkochen

Kuhschuh mit 5 Nagel­lö­chern. Der Ansatz der Feder ist gerade noch leicht erkennbar.

Kuhschu­he, – beide gefun­den auf Oberko­che­ner Gemar­kung. Es handelt sich keines­falls um ein Paar, – ja, es scheint noch nicht einmal gesichert, ob es sich bei dem Eisen mit 2 Löchern überhaupt um einen Kuhschuh handelt. Wir bitten „Wissen­de“ gegebe­nen­falls um Aufklärung.

An dieser Stelle muss darauf hinge­wie­sen werden, dass Wildsauen sich auf Oberko­che­ner Gemar­kung bereits zum zweiten Mal als archäo­lo­gi­sche Mitar­bei­ter erwie­sen haben. – Wir erinnern an die von einer Wildsau freige­bud­del­te 600 Jahre alte Kanonen­ku­gel, über die wir in unserem Oberko­chen Beitrag Nr. 643 in „Oberko­chen – Geschich­te, Landschaft, Alltag“ in „Bürger und Gemein­de“ vom 29.8.2015 berich­tet haben. – In diesem Zusam­men­hang sind auch die archäo­lo­gisch tätigen Maulwür­fe vom Pulver­turm nicht zu verges­sen. (BuG v. 15.11.1979 – Dr. Wagner, LDA)

Zurück zum Zweren­berg:
Dass der Zweren­berg einst besie­delt und bewirt­schaf­tet war, ist bekannt. Belegt ist die Siedlung „Ze Wer(d)enberg“ („ze“ = „zu“, = ze Weren­berg, = z’Werenberg, woraus dann „Zweren­berg“ wurde. Alte Ostälb­ler wohnen noch heut »z’Aola«, also »zu Aalen«. Siedlungs­spu­ren auf dem Zweren­berg sind belegt; Herr Werner Diebold machte mich vor vielen Jahren auf sie aufmerk­sam. – Den Ziehweg, der sich zwischen dem Weilfeld (Römer­kel­ler) und dem anschlie­ßen­den Stefans­wei­ler Feld auf den Zweren­berg hinauf­zieht, nannte man früher den „Esels­weg“.

Besie­delt und bewirt­schaf­tet war, wie ebenfalls bekannt, früher auch die „Heide“. Wir sammel­ten, wo heute Häuser stehen, noch in den Sechzi­ger­jah­ren zwischen langen Reihen von überwal­de­ten Lesestein­hau­fen, die sich am Rand von ehema­li­gen Äckern befan­den, Pilze. – So verwun­dert es nicht, dass ich vor ungefähr 2 Jahren auf dem Weg, der von der Heide Richtung Aalbä­um­le führt, einen ähnli­chen Kuhschuh gefun­den habe, – ein linkes Stück, im Gegen­satz zu dem von Herrn Arndt gefun­de­nen eher wohl rechten Stück (?). – Vielleicht aber können wir über aufmerk­sa­me Leser ein vollstän­di­ges echtes, und vor allem besser erhal­te­nes Kuhschuh­paar für unser Museum ergattern?

Einst­wei­len sind wir froh, dass wir zum Thema „Kuhschu­he“ in unserem Museum nun diese beiden Altober­ko­che­ner Beleg­stü­cke zeigen könnten.

Dietrich Bantel

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