Für diesem Bericht war die Recher­che nicht sehr aufwen­dig, ich musste nur mich selber befra­gen ☺. Es ist daher ein sehr persön­li­cher Bericht und soll veran­schau­li­chen, wie meine Berufs­welt früher ausge­se­hen hat. Und wenn beim Lesen Eure eigene frühe­re Berufs­welt ins Bewusst­sein zurück­kehrt, hat der Bericht seinen eigent­li­chen Zweck erfüllt. Dieser Bericht erscheint erst jetzt am 1. Septem­ber 2017, an meinem sog. Regel­ar­beits­en­de mit 65 Jahren und 6 Monaten. Tatsäch­lich bin ich zum 31. Mai 2016 in den Unruhe­stand gewech­selt, weil es die aktuel­le Gesetz­ge­bung möglich machte, diesen Schritt ohne perma­nen­te finan­zi­el­le Verlus­te zu gehen. Aus heuti­ger Sicht habe ich das nicht bereut, da sich die Werte mit steigen­dem Alter verschie­ben – und das ist auch gut so. Zudem stellen wir wohl alle mal fest, egal ob wir z.B. in der Indus­trie, im Handel oder als Pädago­ge arbei­ten, dass das irgend­wann „nicht mehr unsere Arbeits­welt ist“ und wir uns in ihr zuneh­mend unwohl fühlen. Ausnah­men bestä­ti­gen auch hier die Regel und Selbstän­di­ge haben da sicher eine eigene Sicht der Dinge.

Mein Leben war schon immer stark von Musik geprägt und so gibt es auch einen musika­li­schen Bezug zu meiner Lebens­ar­beits­zeit. Sie begann am 1. Septem­ber 1969 „Im Summer of 69 mit Brian Adams“, der inzwi­schen doch tatsäch­lich auch schon in Oberko­chen zur Eröff­nung des Carl Zeiss Casinos ein Konzert gab, und sie endete am 31. Mai 2016 mit dem Beatles-Song „When I am 64“ – dem Geburts­tag im Jahr meiner Verren­tung. Ein furcht­ba­res Wort, auch Rente klingt nicht toll. Wie wäre es mit „Übergang in den unter­be­zahl­ten Wohlfühl­mo­dus“ oder „Zeiten­wech­sel bei dem ich den Takt angebe“. Will sagen, die neue Zeit sollte von dem geprägt sein was wirklich wichtig ist, ohne große Kompro­mis­se einge­hen zu müssen und ohne allzu sehr gestresst zu sein, durch die Funkti­on als Famili­en-Fiaker ☺. Aber da besteht ja bei mir mangels Auto keine Gefahr. Hatte ich vorher mehr Geld und weniger Zeit, habe ich nun mehr Zeit und weniger Geld – also machen wir das Beste daraus. Ich werde relativ oft gefragt: „Was machst Du denn ohne Arbeit?“ Mit der Frage kann ich überhaupt nichts anfan­gen. Ich habe immer etwas zu tun – jetzt nur deutlich weniger effizi­ent. Und solan­ge die Leser­schaft oder ich noch Ideen haben, über was man schrei­ben könnte, geht mir auch die Schreib-Arbeit nicht aus. Einfach Dinge tun die Spaß machen oder auch nichts tun, in den Tag hinein­le­ben oder aktiv sein, ganz wie es beliebt. Schrei­ben, lesen, Musik hören und in meine gelieb­te Schweiz fahren. Das Fahrrad aus dem Keller holen und einfach losfah­ren mit nur einer Entschei­dung: Oberko­chen-Nord, Oberko­chen-Süd, aufs Härts­feld, Richtung Wolfert­s­tal oder über den Volkmars­berg oder mal wieder in Eichen­dorffs „Leben eines Tauge­nichts“ blättern.

Doch wie war die Zeit der Arbeit von den 60ern bis heute? Ich kann da nur sagen: Aufre­gend. Spannend. Abenteu­er­lich. Anstren­gend. Erfül­lend. Langwei­lig. Aufrei­bend. In meinem Arbeits­le­ben hatte ich zwei Arbeit­ge­ber: Die Firma LEITZ, für die ich weltweit unter­wegs war und die BRD Bundes­re­pu­blik Deutsch­land, für die ich mein Land mit dem Zerstö­rer D 186 mit Namen MÖLDERS weltweit reprä­sen­tie­ren durfte. Mein Motto war immer: Man kann (fast) alles lernen und wenn ich gefragt wurde ob ich mir das zutraue, habe ich immer Ja gesagt. Im Sommer 69 war die Schule für mich unrühm­lich zu Ende gegan­gen. Ich wusste, welche beruf­li­chen Wege ich nicht begehen wollte, aber ich wusste nicht, welchen Weg ich einschla­gen sollte. Also beschloss Vati, dass ich mich beim LEITZ vorstel­len sollte und lernte dort Horst Bengel, seines Zeichens Perso­nal­chef, kennen. Ein paar Worte zu ihm. Er war ein Mensch wie es ihn heute wohl in dieser Positi­on nicht mehr gibt. Er siezte uns mit dem Vorna­men (finde ich heute noch eine gute Lösung). Noten waren das eine, das war für ihn aber nie die entschei­den­de Maxime, sondern sein persön­li­cher Eindruck war ihm viel wichti­ger. Und so hatte auch ich, trotz meiner unter­ir­di­schen Leistun­gen in den beiden letzten Schul­jah­ren, meine Chance im Leben, die ich auch nutzte. Ich verdan­ke ihm also, im Nachhin­ein betrach­tet, einen guten Start ins Berufs­le­ben. Des Lebens Ernst begann für Wilfried also am 1. Sep 1969. Man erklär­te uns, dass Lehrjah­re keine Herren­jah­re seien. Das mag schon sein, dafür waren es schöne wilde spannen­de Jahre. Wir neuen Lehrlin­ge fanden uns mit einem Lehrvertrag

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Mein 4seitiger Lehrver­trag von 1969

ausge­stat­tet beim Leitz ein, wurden von Hr. Bengel begrüßt und auf die Abtei­lun­gen verteilt. Zuerst mussten wir in einer großen wochen­lan­gen Sonder­ak­ti­on liegen­ge­blie­be­ne Dokumen­te in der Regis­tra­tur ablegen. Dort wies uns Frau Ruth Strese in das A bis Z der Ablage ein. Das war schon ungeheu­er aufre­gend ☺ – es konnte nur noch besser werden. Beliebt war auch der Spruch: „Da hast Du einen Katalog, schau‘ dir den mal an.“ Und damit wurde erwar­tet, dass du mal eine Woche Ruhe gabst. Im Laufe der Jahre kamen wir in Abtei­lun­gen, die bei den Lehrlin­gen beliebt und in andere, die weniger beliebt waren. Damals unter­schied man noch zwischen einer „Kfm. AV“ mit den Kolle­gen Hugo Neuhäu­ser und Thomas Schorcht und einer „techn AV“ mit dem Wolfgang Kretschmer und den Kaufmann-Mädels. Im Einkauf verlieb­te ich mich hoffnungs- und chancen­los in die bereits ausge­lern­te Monika Bewers­dorff, im Inlands-Vertrieb lernte ich die Kolle­gen Gerhard Koch, Gerhard Balle, Anton Feil und Eugen Honold kennen. Im Export die weitge­reis­ten Herren Werner Schmitz, Bruno Kienin­ger und NN Wohlge­muth. Im Lager regier­ten der VW-Cabrio-Fahrer Clemens Balle und „Ike“ Müller, der in jedem Regal eine Bierfla­sche deponiert hatte. In der Preis­stel­le traf ich Peter Schier, Paul Wingert und Hartmut Schurr. Hans Düver führte mit ruhiger Hand die weiß gewan­de­ten Konstruk­teu­re an ihren Zeichen­bret­tern, Siegfried Zweig war Betriebs­lei­ter, Adolf Reber und Albert Weber herrsch­ten in der Buchhal­tung, aus der mir noch Ursula Fechner, Josefi­ne Weick und Karl-Heinz Rau in Erinne­rung geblie­ben sind. Alle, die nicht nament­lich erwähnt wurden, mögen mir das nachse­hen, aber es sind so viele Kolle­gen­In­nen gekom­men und gegan­gen – da bräuch­ten wir das gesam­te Blätt­le um alle aufzuzählen.

Hier sei eine Geschich­te aus der Zeit der „Hot Pants“ einge­fügt: In der Finanz­buch­hal­tung arbei­te­ten damals 2 hübsche junge Mädels namens Chris­ta Hammer und Monika Köder. Eines Tages erschie­nen beide mit Hot Pants im Büro. Das war ein Eklat. Es gab zwar keinen Dress­code, aber das war für Adolf Reber, den damali­gen Finanz­chef dann doch zu viel und nicht zu tolerie­ren. Die Mädels wurden zu unserem Leidwe­sen über Mittag nach Hause geschickt um sich etwas schick­li­cher zu kleiden. Unver­ges­sen Marian­ne Acker­mann, bei der glaub­ten wir, dass sie schon seit der Gründung 1876 da sein müsse. Die Mädels vom Schreib­zim­mer mit der hübschen Anna Asen. Bei Emil Leitz gab es den Claus-Dieter Weick sowie Gustav Jeck. Die berühm­te Rechnungs­ab­tei­lung unter der Treppe mit Hilde­gard Schwarz und Waltraut Wendel­ber­ger. Der illus­tre Versand mit Roland Fürst, Frau Rrrrr­risch­ofs­ky und Margot Munz. Und über allem schweb­te der „Rote General“ Edith Sievers, die zusam­men mit den altge­dien­ten Meister-Kolle­gen wie z.B. Gottfried Stern­ba­cher, Josef Wingert, Edmund Schus­ter sowie Edmund Gold schon eine beson­de­re Kaste darstell­ten. Alle waren den ganzen Tag über beschäf­tigt „Umsatz zu machen“. Hektisch wurde es ab 15 Uhr. Da begann jeder, der wichtig war, herum­zu­te­le­fo­nie­ren: Was haben wir noch? Was kommt noch aus der Ferti­gung? Notfalls wird vorfak­tu­riert, um das Tages­ziel zu errei­chen. Nicht zu verges­sen, den mitun­ter ungemüt­li­chen Theo Ochs aus dem Stahl­la­ger oder den alten Schmad­lack aus der Härterei.

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Die Herren Kümmer­le, Reber und Wirth bei einem Tag der offenen Tür

Die obers­ten Chefs waren Karl Kümmer­le, Karl Wirth und Albert Holz, die mit Sekre­tä­rin­nen wie meiner Nachba­rin Helga Rassel und zeitwei­se auch mit männli­chen Assis­ten­ten ausge­stat­tet waren. Es herrsch­te ein rauer Ton, den wir Neulin­ge nicht gewohnt waren, aber den wir schnell einord­nen konnten. Albert Holz pfleg­te immer zu sagen: „Beim Leitz herrscht ein rauer aber ein herzli­cher Ton“ – und so war es auch lange Jahre, bis der herzli­che Ton verschwand und der raue Ton die Oberhand gewann.

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Eine alte Stellen­an­zei­ge sagt etwas über die frühe­re Atmosphä­re bei Leitz aus

Es hatte etwas von einer Art Familie, die immer wieder beschwo­ren wurde und die es eine lange Zeit auch wirklich gab. Geprägt von dem berühm­ten Spruch: „Beim Leitz schafft m’r und beim Zeiss isch m’r“ gaben wir unser Bestes und machten Umsatz. Zunächst versuch­ten uns aller­dings die lieben alten Kolle­gen zu „richten und zu spannen“ (wie man es bei der Sägen­fer­ti­gung auch macht). Der eine wurde losge­schickt um in der Schrei­ne­rei den „Böschungs­ho­bel“ zu holen, die andere musste aus der Fibu das „Zinsge­fäl­le“, die „Bilanz­sche­re“ oder die „Buchhal­terna­se“ besor­gen, mancher musste die „Feier­abend­scha­blo­ne“ im Lohnbü­ro abholen. So hatten die Alten ihren Spaß mit uns Jungen. Wir revan­chier­ten uns dann am 1. April mit April­scher­zen oder in der Kanti­ne um den Verschluss an der Maggi­wür­ze zu manipu­lie­ren. In späte­ren Jahren wurden die Lehrlin­ge immer mutiger und auch frecher. Peter Schier war in Lehrlings­krei­sen berüch­tigt für seine Ausfüh­run­gen zum Thema: „Wie schreibt man eine 1, eine 4 und eine 7 damit diese eindeu­tig erkenn­bar sind?“ Zudem erklär­te er gerne, dass er keine Fehler begehe. Darauf erwider­te eines Tages ein Lehrling, dann könne er ja „in die Wilhel­ma gehen und sich gegen Geld anschau­en lassen“. Mein lieber Herr Gesangs­ver­ein – das war damals heftig. Peter Schier verschlug es die Sprache und der Lehrling wurde meines Wissens nach Abschluss der Lehrzeit nicht übernom­men. Eine Beson­der­heit war natür­lich der „Ho Chi Minh Pfad“, den wir Lehrlin­ge zu begehen hatten. In der Kanti­ne wurde kein Bier mehr verkauft und so mussten wir den altge­dien­ten kaufmän­ni­schen Haude­gen das Bier unter Gefahr für Leib und Leben ☺ auf der Mega-Baustel­le vom Zeiss, unter­halb der Brunnen­hal­de, holen und uns ja nicht erwischen lassen.

Relativ schnell musste ich auch lernen, dass derje­ni­ge, welcher am Abend mit den Kolle­gen einen oder zwei trinken geht, am Morgen pünkt­lich da zu sein hat, auch wenn eins der 13 Bierchen schlecht war ☺. Dieser Fauxpas ist mir nur einmal passiert, ansons­ten habe ich mich immer an dieses ungeschrie­be­ne Gesetz gehal­ten. Die Lehrlings­trup­pe zwischen 1969 und 1972 war eine einge­schwo­re­ne Truppe, die sich auch heute noch gelegent­lich trifft. Bei unserem letzten Treffen führte ich die Truppe durch die heuti­ge Firma. Aber die Verän­de­run­gen waren inzwi­schen so groß, dass nur noch Namens­schil­der etwas aussagten.

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die alte Leitz-Kantine

Als wir aber dann in das alte Kanti­nen­ge­wöl­be kamen (das hat sich bis heute kaum verän­dert), brachen die Emotio­nen auf und wir sahen uns wieder zwischen den alten Kolle­gen­In­nen an den Tischen sitzen und Schnit­zel mit Kartof­fel­sa­lat essen.

Wir teilten die Arbeits­zeit, aber auch das Wochen­en­de. Unver­ges­sen ein berühmt-berüch­tig­ter Ski-Ausflug nach Gunzes­ried zum Jahres­wech­sel 1972/73 sowie der unver­ges­se­nen Lehrlings­aus­flug nach Oberst­dorf, der unsere Beglei­ter (Horst Bengel und Marian­ne Acker­mann sowie Albert Kohler) an ihre Grenzen der Belast­bar­keit führte.

Überhaupt hat man früher mehr die Freizeit zusam­men geteilt als heute. Sei es am Freitag­abend zum gemein­sa­men Kegeln im Läuter­häus­le, an dem auch immer einige Emil Leitz-Vertre­ter wie Hans Klischat, Erich Zeller und Bruno Wingert teilnah­men oder am Samstag zusam­men auf den Schwof bis aufs Härts­feld und das Ries zu fahren, um in Schloss­berg schnell vor den „Katzen­stre­ckern“ Reißaus zu nehmen. Auch Ausflü­ge in die Disko­thek „Bottich“ nach Unterrom­bach waren angesagt. Manche Strecken wurden nachts, mangels eines Autos, auch zu Fuß zurück­ge­legt (z.B. vom „Bottich“ oder vom „Läuer­häus­le“ nach Oberko­chen). Aufre­gend und anstren­gend waren auch die Faschings-Feten beim TSV-Handball in der Turnhal­le im Katzen­bach, der Ball in Königs­bronn und der MTV-Fasching in Aalen. Einfach unver­gess­lich schön. Eine sehr aktive Freizeit-Truppe bilde­ten die Kolle­gen Koch, Weick und Maschke, bei deren Ausflü­gen oft ein Lied gesun­gen wurde mit dem Refrain „mein Freund Dieter, mein Freund Sieger (Siegfried) und auch Ich“. Arbei­ten und Feiern war die Devise und beides inten­siv. So wurde im Vertrieb erwar­tet, dass man engagiert auch am Samstag freiwil­lig und ohne Überstun­den aufzu­schrei­ben in der Firma vorbei­schau­te, um wichti­ge Sendun­gen noch schnell selbst fertig­zu­ma­chen und auf die Express­sta­ti­on am Bahnhof zu bringen. Übrigens, Überstun­den bei den Angestell­ten waren bei Karl Kümmer­le verpönt. Denn wer länger arbei­te­te zeigte einfach nur, dass er mit seiner Arbeit nicht fertig wurde. Danach ging es natür­lich zum Frühschop­pen um noch die Woche Revue passie­ren zu lassen. Die inoffi­zi­el­len Weihnachts­fei­ern hatten es auch in sich und als Lehrling im 1. Lehrjahr staun­te ich da schon sehr und ab dem 2. Lehrjahr machte ich schon kräftig mit. Heute gar nicht mehr vorstell­bar geschwei­ge denn umsetz­bar. Am Hl. Abend und an Silves­ter musste damals noch bis 12 Uhr gearbei­tet werden. Dieses Manko wurde eines Tages unter Mithil­fe der IGM besei­tigt, denn es war für die Famili­en mitun­ter unange­nehm, wenn der Herr Papa erst spät oder sehr spät, gelegent­lich auch etwas deran­giert, sich unter dem Weihnachts­baum zu Hause einfand. Während der Lehrzeit wurde ich Mitglied der IGM, des DGBs, wurde Jugend­ver­tre­ter und habe bis heute eine gute Bezie­hung zu Anton Gutheiß, den ich ob seiner klaren Anspra­che immer sehr geschätzt habe. Menschen mit Ecken und Kanten waren mir schon immer lieber als weich­ge­spül­te Karrie­ris­ten. Nach der Lehre, die ich mit sehr guten Noten abschloss,

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Mein Kaufmann­ge­hil­fen­brief von 1972

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Jungkauf­leu­te Hägele, Müller und Hunger auf dem Weg ins „Fässle“

wurde ich in der Dispo­si­ti­on zur Beschaf­fung von Kreis­sä­ge­blät­tern beschäf­tigt, die Leitz damals noch überwie­gend bei Wigo in Neres­heim und bei Leuco in Horb zukauf­te. Ab 1. Januar 1973 bekam ich mein erstes Angestelltengehalt.

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Mein erster Arbeits­ver­trag von 1973

Am 31. März 1973 verließ ich meine Lehrfir­ma, weil ich nicht bereit war den Grund­wehr­dienst ohne Einfluss­nah­me auf die Fachrich­tung und den Dienst­ort abzuleis­ten. Außer­dem wollte ich raus aus dem engen Kocher­tal. Also verpflich­te­te ich mich für 4 Jahre zur Marine und begann am 1. April eine lange Zugrei­se an den entfern­tes­ten Ort inner­halb Deutsch­lands – nach List auf Sylt. Hier gibt es noch eine Geschich­te zum Thema „Respekt vor Unifor­men“: Mein Schul­freund Micha­el Ludwig war Offizier bei der Marine. Eines Tages trafen wir uns, beide in Uniform, auf dem Bahnhof Oberko­chen mit dem gleichen Ziel – Kiel. Als Offizier hatte er Anrecht auf die 1. Klasse und ich als Matro­se auf die 2. Klasse. Er lud mich zu sich in den Kurswa­gen 1.Klasse ein, nach dem Motto „Das regeln wir dann schon“. Natür­lich kam der Schaff­ner, sah Milu’s Uniform, grüßte zackig, wünsch­te uns Herren eine gute Reise ohne die Karten zu kontrol­lie­ren oder gar etwas zu beanstan­den. Tja, Kleider machten eben Leute.

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Meine alte MVS Marin­ever­sor­gungs­schu­le in List auf Sylt – heute ein Spekulationsabjekt

List ist mir bis heute ein Ort geblie­ben, den ich bis heute liebe und hin und wieder nachschaue wie sich dort alles so entwi­ckelt. In diesem Zusam­men­hang will ich kurz erklä­ren warum es Ebbe und Flut gibt: „Ganz einfach, das Meer schaut alle 6 Stunden nach ob der Mensch immer noch da ist ☺“. Hier verbrach­te ich 9 Monate um zum Maat (Fachrich­tung 63 Versor­gung) ausge­bil­det zu werden. Danach schloss sich ein Prakti­kum auf dem „Zerstö­rer Mölders D186“ an

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Mein schwim­men­der Arbeits­platz 1974 bis 1977 Zerstö­rer Mölders

und nach 12 Monaten hatte ich die Ernen­nung zum Maat in der Tasche. Ich bezog mit einem Freund ein Apart­ment in Kiel um nicht an Bord leben zu müssen. Inter­es­sant, dass die aktuel­le Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin das heute quasi per Verord­nung durch­setzt. Vom 3. Jan 1974 bis zu meinem Ausschei­den am 31. März 1977 tat ich meinen Dienst auf dem Zerstö­rer Mölders und legte mit der „Alten Lady“ in 39 Monaten exakt 81.975,6 Seemei­len zurück. Das Schiff kann heute im Marine­mu­se­um in Wilhelms­ha­ven besich­tigt werden. Dabei durfte ich Städte und Länder kennen­ler­nen, die mir sonst unerreich­bar geblie­ben wären: “New York, Norfolk, Fort Lauderd­a­le, Barba­dos, San Juan, St. Thomas, die Azoren und die Kapver­di­schen Inseln, Valen­cia, Ports­mouth und London, Edinburgh, Brest, Toulon, die Shetlands, Guanta­na­mo auf Cuba, Bergen und die Fjorde, Frede­riks­havn und Zeebrüg­ge“ und immer wieder der Heimat­ha­fen Kiel mit seiner Kieler Woche. Das Leben hat Spaß gemacht, der militä­ri­sche Einsatz kam über einen Übungs­cha­rak­ter und reprä­sen­ta­ti­ve Aufga­ben nicht hinaus.

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Feier­abend auf hoher See

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Famili­en­aus­fahrt mit dem Zerstö­rer von Kiel nach Timmen­dor­fer Strand

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Wilfried als Obermaat

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Mein Marine Dienst­zeug­nis von 1977

Kurzum eine geile Zeit und gutes Geld in der Tasche. Hier will ich noch kurz einfü­gen was ich damals bei der Marine verdien­te und das war nicht von schlech­ten Eltern: 5.000 DM netto für den 4‑Jahresvertrag, monat­lich 1.600 DM nahezu brutto für netto (da der Bund die Sozial­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge übernahm), am Ende eine Übergangs­bei­hil­fe in Höhe von über 10.000 DM und während der nachträg­li­chen 6monatigen Ausbil­dung noch 80% des letzten Monats­ge­hal­tes sowie die Schul­kos­ten zur Ausbil­dung zum Organi­sa­tor in Düsseldorf.

In der Zwischen­zeit hatte ich in Thailand La-ied, meine Frau für’s Leben, gefun­den – also genau bis zum Jahr 2000

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Hochzeits­fo­to 1978 Wilfried und La-ied

und damit entschie­den, die Marine­zeit nach 4 Jahren zu beenden. Spannend fand ich auch, dass La-ied’s Opa Ende des 19. oder Anfang des 20. Jhrdts in Bangkok bei der Deutschen Handels­ma­ri­ne abmus­ter­te und in Bangkok blieb, mit einer Thaifrau eine Familie gründe­te und vier Kinder in die Welt setzte. Der Kreis schloss sich damit, dass La-ied in das Land ihres Großva­ters zurück­kehr­te. Was nun Herr Müller? Diese Frage entschied ich nach mehrwö­chi­gem Überle­gen aus dem Bauch heraus und melde­te mich bei einer Fachschu­le für Organi­sa­ti­on in Düssel­dorf an. Diese begann im Sommer 1977 und dauer­te 6 Monate im Vollzeit­un­ter­richt montags bis samstags. Da hieß es wieder zu lernen wie man effizi­ent lernt. Neben­bei machte ich noch die REFA-Ausbil­dung und die Ausbildereignungsprüfung.

Weiter­hin auf mein gutes Karma vertrau­end schrieb ich 3 Bewer­bun­gen (nach Hamburg, Stutt­gart und Oberko­chen). Und siehe da, inzwi­schen gab es bei Leitz eine Organi­sa­ti­ons­ab­tei­lung, in der eine Stelle frei gewor­den war. Nach einem Vorstel­lungs­ge­spräch beim Manage­ment und dem Geschäfts­füh­rer Karl Kümmer­le waren sich beide Seiten rasch einig, zumal Leitz damals die Linie verfolg­te, Ehema­li­ge mit Weiter­bil­dungs­hin­ter­grund bevor­zugt einzustellen.

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Großrum­bü­ro in den 70ern

Ich kam zurück, obwohl ich das ursprüng­lich nicht vorhat­te, und suchte mir eine Wohnung. Meine Freun­din aus Thailand war inzwi­schen auch nach Deutsch­land gekom­men und wir heira­te­ten im Sommer 1978 und alles war perfekt. Mein Chef war mein ehema­li­ger Schul­freund Uwe Meinert. Die Jahre in der Organi­sa­ti­on vergin­gen mit unter­schied­li­chen Aufga­ben wie Ablauf­or­ga­ni­sa­ti­on, Unter­stüt­zung unserer Tochter­fir­men, Formu­lar­ge­stal­tung, Preis­lis­ten- und Prospek­ter­stel­lung, Einrich­tung einer Hausdru­cke­rei, Beschaf­fung von moder­ner Bürotech­nik, Kontakt zu Liefe­ran­ten und Verbän­den, Einrich­tung einer maschi­nell gestütz­ten Poststel­le, Austausch von Telefon­an­la­gen, inner­be­trieb­li­che Ausbil­dung der Kfm. Azubis usw. usf. Das Arbeits­le­ben war spannend und es machte Freude die aufkom­men­de Moder­ni­tät in der Firma mit einfüh­ren zu dürfen. Dazu einige kleine Episoden.

Episo­de 1: Als ich meine Tätig­keit begann, sah ich dass es Türschil­der gab auf denen geschrie­ben stand: Fr. xyz, Frl. abc oder Hr. NN. Das wollte ich doch moder­ni­sie­ren und strich kurzer­hand das Fräulein – wir waren ja auch keine Herrlein, nur weil wir unver­hei­ra­tet waren. Da biss ich aber bei Frl. Marian­ne Acker­mann auf Granit. Bei allen konnte ich das ändern, aber bei ihr stand bis zu ihrem Ausschei­den das FRL wie in Stein gemeißelt.

Episo­de 2: Eine andere Geschich­te war die Anschaf­fung der ersten 4 Siemens-Fax-Geräte für Oberko­chen, Unter­schneid­heim, Lana und Riedau. Dazu war die herrschaft­li­che Inves­ti­ti­ons­sum­me von über 20.000 DM notwen­dig und bei jeder Betriebs­füh­rung musste dieses Wunder der Technik vorge­führt werden. Albert Holz fragt mich heute noch gelegent­lich nach meiner Faxnum­mer – aber die Welt hat sich geändert, diese Techno­lo­gie ist nur noch eine Randerscheinung.

Episo­de 3: Anfangs gab es ein Diktier­zim­mer für alle. Hier musste termi­niert werden wer wann seine Briefe auf Platte diktie­ren durfte, die dann im zentra­len Schreib­zim­mer zu Papier gebracht wurden. Uwe und ich führten dann ein mobiles Kasset­ten-Diktier­sys­tem von Philips ein. Nur unser Perso­nal­chef Horst Bengel weiger­te sich das neue System zu benut­zen. Seine Begrün­dung laute­te: „Meine Sekre­tä­rin hat eine teure Steno-Ausbil­dung genos­sen und diese muss täglich geübt und genutzt werden.“

Episo­de 4: Für Adolf Reber, damali­ger Finanz­chef, mussten wir ständig seinen Triumpf Adler Tisch­rech­ner bei Newerk­la in Aalen reparie­ren lassen. Er addier­te die Einzel­wer­te in einer weltmeis­ter­li­chen Geschwin­dig­keit und als Schluss­ak­kord hämmer­te er auf die Endsum­men­tas­te – das hielt sie nicht aus und er melde­te mindes­tens 2 Mal im Jahr die Taste als Totalschaden.

Episo­de 5: Im Firmen­ka­len­der waren die Unter­schneid­hei­mer Festta­ge im Sommer immer ein beson­de­res HighLight, weil zu diesem Anlass Werks­mann­schaf­ten gebil­det wurden, die gegen­ein­an­der Fußball spiel­ten. Diese Mannschaf­ten waren bunt gemischt sodass auch Hobby-Kicker zum Einsatz kamen. Dr. Bruck­la­cher ließ es sich lange Jahre nicht nehmen sich selbst ins Tor zu stellen (er hatte ja schließ­lich als ehema­li­ger Handball­spie­ler genügend Baller­fah­rung). Aber wie der Zufall so will….. Eines Tages hat er in einer Betriebs­ver­samm­lung den Freizeit­sport mit seiner Verlet­zungs­ge­fahr als eine der Ursachen für die Anzahl der Krank­heits­ta­ge ausge­macht und entspre­chend moniert. Kurze Zeit später, bei besag­tem Fußball­spiel, zog er sich eine Rippen­prel­lung zu. Da er kurz darauf geschäft­lich verrei­sen musste, konnte er (aus seiner Sicht) schlecht kneifen. Er gab sich aber keine Blöße, hat sich ordent­lich banda­gie­ren lassen und die Flugrei­se absol­viert. Hart im Nehmen war er immer schon.

Anfang der 80er begann ich eine Ausbil­dung als Indus­trie­fach­wirt neben der Arbeits­zeit. Ein paar Jahre später wäre das mit einem großen IT-Projekt kolli­diert und wohl nicht möglich gewesen. Auch diese Gruppe trifft sich heute noch gelegent­lich der alten Zeiten wegen. Überhaupt war der techni­sche Fortschritt im Kfm. Bereich, für den ich mit zustän­dig war, gravie­rend. Ende der 60er gab es manuel­le alte Typen­schreib­ma­schi­nen, umständ­li­che Buchungs­au­to­ma­ten, komple­xe Faktu­rie­rungs­au­to­ma­ten sowie handkur­bel­be­trie­be­ne grüne Rechen­au­to­ma­ten der Fa. Walther.

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Kaufmän­ni­sche Walther-Rechen­ma­schi­ne Ende 60er Jahre

Den ersten und einzi­gen Tisch­rech­ner, den man kaum tragen konnte, mit großen Leucht­zif­fern nannte Peter Schier sein eigen und war riesig stolz darauf. Als ich 1978 nach meiner Marine­zeit den Leitz als Organi­sa­tor betrat, war der Markt für Büroma­schi­nen gewal­tig im Umbruch. Wir bekamen genug Geld um die notwen­di­gen, mit Wirtschaft­lich­keits­be­rech­nun­gen unter­leg­ten, Änderun­gen im Haus durch­zu­füh­ren, fuhren auf alle relevan­ten Messen der damali­gen Zeit (z.B. Hanno­ver Messe, Büromes­se in Stutt­gart, Orgatec in Köln) – das war eine tolle Zeit. Hier eine selek­ti­ve Auswahl dieser techni­schen Neuhei­ten: IBM Kugel­kopf­ma­schi­ne C 96 in rot, Siemens Telex T1000, Olivet­ti Speicher­schreib­ma­schi­nen mit Floppy Disc, Druck­ma­schi­ne Rotaprint, erste Nassko­pie­rer von Nashua, erste IBM Daten­ver­ar­bei­tungs­sys­te­me, die ersten PCs zogen ein mit dem Tabel­len­pro­gramm Multi­plan, mobile Diktier­ge­rä­te, Siemens Faxge­rä­te von Dr. Hell, eine Rohrpost­an­la­ge der Aerocom, die ersten Autote­le­fo­ne im C‑Netz für die Herren Kümmer­le und Holz u.ä.m.

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Das erste C‑Netz-Autote­le­fon bei Leitz von Albert Holz

Mitte der 80er Jahre began­nen dann die umfang­rei­chen, inten­si­ven und langwie­ri­gen Vorbe­rei­tungs­ar­bei­ten für eine massi­ve IT-Umstel­lung bei LEITZ sowie die Einfüh­rung des Mobil­funks. Wir fuhren von Seminar zu Seminar um die techni­schen Neuerun­gen zu verste­hen und auf ihre Leitz-Tauglich­keit zu prüfen. Die Einfüh­rung eines sog. CIM-Systems (Compu­ter Integra­ted Manufac­to­ring) in Oberko­chen, Unter­schneid­heim und Riedau hat vielen vieles bis alles abver­langt und 1988 gingen wir in den Echtbe­trieb, mit allen Proble­men die bei jeder EDV-Umstel­lung auftre­ten und die man doch unbedingt vermei­den wollte. Es war anstren­gend, aber wir waren jung, engagiert und hatten trotz all der Anspan­nung bei Tag- und Nacht­ar­beit Spaß an der Arbeit und am Feiern, das im Projekt nie zu kurz kam. 1993 gab es die große PLZ Postleit­zah­len­um­stel­lung. In diesem Zusam­men­hang kurz die Oberko­che­ner Postleit­zah­len – zuerst „14a“, dann „7082“ und danach „73447“. In den Folge­jah­ren durfte ich weltweit in der Leitz-Welt EDV-Umstel­lun­gen organi­sie­ren und die Kolle­gen­In­nen vor Ort betreu­en. Die Leitzwelt ist groß und war für mich immer ein Erleb­nis, zumal ich in dieser Welt, und zwar in der Schweiz, die zweite Frau für’s Leben gefun­den hatte: Schweiz, Deutsch­land, Großbri­tan­ni­en, Frank­reich, Belgi­en, Nieder­lan­de, USA, Kanada, Rumäni­en, Südafri­ka, Moskau, Polen und China.

Noch ein Wort zu Albert Holz, der mir, auf gut schwä­bisch, einmal „den Arsch geret­tet“ hat. Die Geschich­te dazu liest sich wie folgt: Unser damali­ger Geschäfts­füh­rer Kümmer­le sagte immer, dass wir die Leute, die bei der Inven­tur mitar­bei­te­ten, ordent­lich verkös­ti­gen sollen. Das haben wir getan und das jedes Jahr kreati­ver. Eines Tages beschlos­sen wir zum Abschluss der Inven­tur ein Grill­fest am Ölwei­her zu veran­stal­ten. War auch alles topp. Die Inven­tur verlief super und die Grill­fei­er nicht minder, bis sich unser Ferien­ar­bei­ter Wolfgang Seitz (aus dem Kapel­len­weg) verab­schie­de­te und mit dem Mofa/Moped heimfuhr. Er hatte wohl etwas zu viel getankt (nicht Benzin sondern Bier) und fühlte sich wohl magisch vom Linden­baum und Linden­brun­nen angezo­gen und fuhr auf densel­ben und zog sich dabei einen Oberschen­kel­bruch zu. Auf die polizei­li­che Frage wo er denn herkom­me, antwor­te­te er wahrheits­ge­mäß „vom Leitz“. Und damit hatte ich als Inven­tur­ver­ant­wort­li­cher schlech­te Karten. Die Stich­wor­te hießen wohl Perso­nal­ver­ant­wor­tung, Alkohol­aus­schank und was da so alles eine Rolle spielt wenn’s schief geht. Jeden­falls, Albert Holz sorgte dafür, dass die Geschich­te nicht hochkoch­te und mir keine Proble­me entstan­den und brach­te die Kuh mit Rechts­walt Arthur Fischer und dem Vater Seitz vom Eis. Von da an war ich mit solchen Dingen vorsich­ti­ger. Unbeant­wor­tet bleibt aber die Frage ob Wolfgang auch verun­fallt wäre, wenn der Linden­brun­nen schon versetzt gewesen wäre? ☺

Die Arbeit in der Orga war äußerst vielfäl­tig und ich durfte auch in vielen Baupro­jek­ten, bedingt durch Umbau und Anbau, tatkräf­tig im Bereich Gerd Hubel mitar­bei­ten, wenn es um Neu- oder Umbau ging. In all den Jahren hatte ich das große Glück in wirtschaft­lich starken Zeiten mit tollen Kolle­gen­In­nen in wichti­gen Projek­ten mitar­bei­ten zu können. Schwie­rig wurde es erst ab den Jahren der Wirtschafts­kri­se ab 2008. Die wirtschaft­li­che Lage verän­der­te sich, die Projek­te blieben aus und das Erleb­nis- und Anfor­de­rungs­le­vel wurde deutlich flacher. Dadurch verstärk­te sich auch der Wunsch die neue Geset­zes­la­ge zu nutzen und die Lebens­pla­nung umzuge­stal­ten. Ich bin dankbar, dieses Arbeits­le­ben so in dieser Form gelebt haben zu dürfen. Meinen Job gibt es in dieser Form so nicht mehr. Er wurde entspre­chend umgebaut und auf verschie­de­ne Perso­nen verteilt. Natür­lich will ich nicht verschwei­gen, dass es auch schwie­ri­ge Zeiten gab, die mich veran­lass­ten, darüber nachzu­den­ken, die Firma zu wechseln. Mir war aber immer klar gewesen, dass ein Wechsel niemals perso­nen­be­zo­gen sondern immer nur sachbe­zo­gen sein muss, und sich nicht aus dem Affekt heraus ergeben darf. Und so blieb ich von 1969 bis 2016 bei LEITZ mit einer 5jährigen Abwesen­heit zwischen 1973 und 1978, um in dieser Zeit auf den Weltmee­ren herum zu schip­pern und danach nochmals die Schul­bank zu drücken.

Es gab auch eine Zeit bevor die Compli­ance-Regeln in den Firmen Einzug hielten. D.h. in die Bezie­hung zwischen Kunden und Liefe­ran­ten war ein Sponso­ring einge­bet­tet, dass es uns Einkäu­fern ermög­lich­te, kosten­los beson­de­re Events zu besuchen wie z.B. die Leicht­ath­le­tik-WM in Stutt­gart, Boris Becker hautnah bei den Turnie­ren in der Schley­er­hal­le spielen zu sehen, Klassi­sche Konzer­te in der Lieder­hal­le zu genie­ßen, die Nokia Night oft the Proms zu sehen oder das unver­ges­se­ne 2:1 des VFB gegen Manches­ter United in Stutt­gart im Rahmen der Champi­ons League zu erleben. Das geschah immer mit Anstand und ohne Auswir­kun­gen auf bevor­ste­hen­de Geschäf­te. Diese Kultur ist leider auf und der Strecke geblie­ben und die „großen Sauerei­en“ gescha­hen und gesche­hen bis heute sowie­so auf einer weit höheren Hierar­chie wie uns die Automo­bil­in­dus­trie dieses Jahr deutlich vor Augen führt.

1991 wurden zum ersten Mal die „Jazz Lights“ veran­stal­tet, die sich bis heute zu einem wichti­gen Event im Jahres­ka­len­der der Stadt und der Region entwi­ckelt haben. Leitz feier­te während meines Arbeits­le­bens 3 große Jubilä­en. 1976 das 100jährige, 1986 das 110jährige und 2001 das 125jährige. Das nächs­te große Jubilä­um wäre dann das 150jährige im Jahr 2026.

Oberkochen

Leitz-Gebäu­de in den 1940ern

Bemer­kens­wert ist, dass diese Zeit durch gerade mal vier markan­te Persön­lich­kei­ten geprägt wurde: Albert Leitz, Leonhart Stützel, Karl Kümmer­le und Dr. Dieter Bruck­la­cher (der im Herbst 2016 im Alter von 77 Jahren unerwar­tet verstarb) und fast 1/3 dieser Zeit konnte ich mich engagiert einbrin­gen. 47 Arbeits­jah­re lesen sich da sehr schnell, zumal das Ganze ja sehr kompri­miert darge­stellt ist. Trotz­dem lässt sich feststel­len, dass die Zeit durch­aus so rasch vergeht. Nun hat ein neuer Lebens­ab­schnitt begon­nen der weniger fremd- und mehr selbst­be­stimmt ist und mir bisher viel Freude macht, auch wenn das Leben derzeit nicht so verläuft wie ich es gerne hätte. Aber in diesem Lebens­ab­schnitt gilt es, die techni­schen Fortschrit­te zu beach­ten und, wenn sinnvoll, in mein Rentner-Dasein zu integrie­ren. Abschlie­ßend sei noch festzu­stel­len, dass Oberko­chen für mich immer eine Art Hafen war und ist, von dem aus ich in die Welt aufbre­che und immer wieder zurück­keh­re. Er liegt auf dem Breiten­grad 48.7839 und dem Längen­grad 10.1055 auf einer Höhe von 496 M über dem Meer mit seinem Hausberg, dem Volkmars­berg auf einer Höhe von 743 M und ist Start des kleinen Flüss­chens Kocher, der hier seinen 168 km langen Weg in die Welt beginnt.

Am 31. Mai 2016 war es soweit: „S war und isch over“ – Der Organi­sa­tor, Indus­trie­fach­wirt und Obermaat a.D. Wilfried Bille Wichai Müller melde­te sich von Bord der LEITZ und wechsel­te in den Unruhe­stand. Umfang­rei­ches Bildma­te­ri­al und Dokumen­te wie immer auf der Website des Heimatvereins.

Ihr
Wilfried Billie Wichai Müller

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