Dem Bericht voranstellen wollen wir, gerade im Jahr 2017, ein Wort Dr. Martin Luthers, das ich auf der WebSite der Walther-Hensel-Gesellschaft e.V. gefunden habe http://walther-hensel-gesellschaft.de/ueber-walther-hensel/finkensteiner-bund.html.
„Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes, nicht ein Menschengeschenk. So vertreibt sie auch den Teufel und macht die Leute fröhlich; man vergisst dabei alles Zornes, Unkeuschheit, Hoffahrt und anderer Laster. Ich gebe nach der Theologie der Musika die nächste Stelle und höchste Ehre.“
Esther Englert, die mich auch schon im Bericht 662 „Wohnen nach dem Krieg…“ tatkräftig unterstützt hat, hatte die Idee zu diesem Bericht und erstellte daraus folgenden Bericht, für den ich ihr sehr herzlich danke. Ich habe ihn lediglich etwas nachrecherchiert, ergänzt und überarbeitet:
Im Rahmen der Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung aus den Gebieten im Osten wie z. B. Böhmen, Mähren, der Wischauer Sprachinsel, der Iglauer Sprachinsel, Schlesien, Ostpreußen usw. usf. (siehe dazu auch Bericht 662) hatte es auch einige Vertriebene aus den unterschiedlichsten Gründen nach Oberkochen verschlagen. Unter ihnen befand sich auch Walther Tittor aus Böhmen, ein musikalischer und sangesfreudiger Zeitgenosse. Er sammelte männliche und weibliche Sänger um sich, getragen von dem Wunsch, das heimatliche Volksliedgut der alten Heimat zu pflegen und zu erhalten. Im Oktober 1947 fand die erste Chor-Probe und damit die Geburtsstunde der Oberkochener Singgemeinde statt. Einige Mitglieder, wie auch Hr. Tittor, gehörten früher dem Finkensteiner Bund an. Dieser Sangesbund erlebte seine erste Singstunde 1923 in Finkenstein bei Mährisch-Trübau und zur Gründung 1924 berief man sich auf diesen Ort als Namensgeber. Das Ziel war, das heimische Volkslied den jugendlichen Liederkreisen nahe zu bringen.
Hier nun der Bericht von Esther Englert:

Aufgenommen Herbst 1954 vor dem Martha-Leitz-Haus
v.R.v.l.n.r.: Rösler, Esther Englert, Erika Hergesell, Adele Hergesell, Anni Genntner, Inge Lindowsky, Hüttel(?), NN, Hils, Heinrich, Sekretärin PersChef CZ Schäffauer
m.R.v.l.n.r.: Wolter, NN, Düver, Helga Neuber, Thea Neuber, Neuber, Richter, Elsbeth Bernhardt, NN, Heinrich, NN, davor Laidler, Werner Neuber
h.R.v.l.n.r.: Babylotte, NN, Günther Bernhardt, Richter, Hugo Englert, NN, Vinzenz Richter, Heinrich, Hartmut NN, Horst Bulla, Lehrer Menzel, Neuber
„Anfänglich gab es in Oberkochen einen kleinen Kreis von 12 SängerInnen, die mit einfachsten Mitteln arbeiten mussten. Noten wurden selbst geschrieben, Chorsätze mussten mühsam beschafft werden. Durch die Verlagerung der Zeiss-Werke erweiterte sich der Chor rasch und gab seine zunächst eng gezogene landsmannschaftliche Grenze auf.

Radioprogrammheft 1957 (Archiv Müller)

Stimmen der Heimat 1951 (Archiv Müller)

Stimmen der Heimat 1951(Archiv Müller)
Der Süddeutsche Rundfunk übertrug damals schon Chorgesänge im Radio und so dauerte es nicht lange bis sich die Qualität dieser Sangesvereinigung bis Stuttgart verbreitete und ab 1949 konnte man die hiesige Sing-Gemeinde öfters im Radio hören.

Weihnachtsliedersingen 1949 (Archiv Müller)
1954 verließ Walter Tittor Oberkochen aus beruflichen Gründen und übergab den Dirigentenstab an Werner Neuber. Unter seiner Leitung entwickelte sich der Chor deutlich weiter. Es wurden nun auch Kunstliedsätze, alte Madrigale und zeitgenössische Kompositionen einstudiert. Inzwischen gehörte der Chor zum ständigen freien Mitarbeiterkreis des Süddeutschen Rundfunks und des Südwestfunks.
Die Schwäpo erläuterte in einem Bericht in den 50er Jahren, dass er sich erheblich von anderen Chören unterschied. Es gab keine Hilfen durch Klavier oder andere Instrumente, jedes Lied wurde sofort, so gut es ging, vom Blatt gesungen und dann erst erfolgte die Schulung der einzelnen Stimmen, durch die der Chorgesang seine Abrundung und Wärme des Wohlklangs erhielt und sich dadurch in die Spitzengruppe ähnlicher Vereinigungen erhob.
Am 22. November 1956, dem Cäcilientag, dem „Tag der Hausmusik“, lud Werner Neuber zu einem offenen Liedersingen in die Dreißentalhalle ein. Heute würde man das vielleicht „interaktives Singen“ nennen. Das Publikum, anfangs zögerlich, stimmte dann doch kräftig mit ein. Und weil das Ganze erfolgreich war wurde es 1957 wiederholt. Im selben Jahr fand in der evangelischen Kirche ein Adventsliedersingen statt, das dann einige Jahre lang fester Bestandteil in beiden Kirchen wurde. Der Chor kam in der Folgezeit weit herum und gab Konzerte u.a. in der Klosterkirche Königsbronn, in der Wallfahrtskirche Unterkochen, in der Stadtkirche Ellwangen und in der Salvatorkirche Aalen. Der erste große Auftritt, mit „Meisterwerken des Chorgesangs und Frühlingsvolksliedern deutscher Landschaften“ fand am 7. Mai 1949 im Martha-Leitz-Haus (auf dem heutigen Zeiss-Gelände) statt.

Martha-Leitz-Haus (Archiv Bihlmaier Ottmar)

Frühlingsfeier im Martha-Leitz-Haus 1949 (Archiv Müller)
Der nächste große Auftritt fand auf der „Deutschen Gartenschau“ im August 1950 auf dem Killesberg in Stuttgart innerhalb der Veranstaltung des „Tages der Vertriebenen“ statt, bei der sich 100.000 Vertriebene versammelten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.




Auftritt 1950 in Stuttgart (Archiv Müller)
Der Auftritt des Chores war erfolgreich mit dem Dirigenten Walter Tittor und dem verstärkten Orchester der Künstlergilde unter der Gesamtleitung von Fritz Mareczek, einem bekannten Stuttgarter Kapellmeister, der aus Brünn stammte. Viele Chöre und Abordnungen der Landsmannschaften hatten an diesem, politisch so wichtigen Tag, dort ihre Auftritte. Diese Feierstunden für die Vertriebenen fanden noch einige Jahre lang statt, so auch in der berühmten Villa Berg unter dem Motto „Und beiderseits ist Deutschland“. Aber auch im Schleicher’schen Kino traten wir auf, denn letztendlich war das Kino früher auch der noch nicht vorhandene „Bürgersaal“.


Im Schleicher’schen Kino in Oberkochen (Archiv Müller)
Ich selbst wurde wohl 1952 Mitglied der Singgemeinde, auf den ich durch meine spätere Schwägerin aufmerksam wurde. Das Singen hat mir schon immer große Freude bereitet und die Art des Chores und das Liedgut gefielen mir ausnehmend gut. Mein späterer Mann, Hugo Englert, war ebenfalls Mitglied in diesem Chor. Und wie das manchmal so ist, beeinflusste in diesem Fall der Chor sogar unseren Hochzeitstermin: Freitag, 2. Juli 1954. Sehr ungewöhnlich für die damalige Zeit, denn das war ja ein normaler Arbeitstag und kein Tag für eine standesamtliche und kirchliche Trauung. Und so musste ich auf dem Rathaus für diesen Trauungstermin kämpfen. Aber der 3. Juli war bereits verplant – ein 3tägiger Ausflug Richtung Österreich begann an diesem Tag und wurde so zu unserer Hochzeitsreise. Dann fiel noch das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft mit der legendären Herberger-Elf am 4. Juli in Bern gegen Ungarn auf dieses Wochenende. Ein Mitsänger hatte ein kleines Transistorradio dabei, vor dem wir uns alle versammelten und so konnten wir auf dem Gaisberg bei Salzburg Herbert Zimmermann über den Äther schreien hören: „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooooor. Aus Aus Aus – das Spiel ist aus – Deutschland ist Weltmeister“. Nachdem wir von dieser, für mich und meinen Mann, ganz besonderen Reise zurück waren, nahm der Chor wieder seine Alltagsarbeit mit seinen Übungsstunden wieder auf. Diese Arbeit wurde durch viele Auftritte im Rundfunk, in Kirchen der Umgebung und in Oberkochen ergänzt. Dabei handelte es sich meistens um geistliche Abendmusik oder um Advents- bzw. Weihnachtsmusik. Ich habe diese Ereignisse so aufgeführt wie ich sie den Zeitungsausschnitten entnehmen konnte.“

Salvatorkirche Aalen 1963 (Archiv Schwäpo)
Ein großer Auftritt erfolgte 1963 in der Salvatorkirche in Aalen. Den kompletten Schwäpo-Artikel vom 21. Mai 1963 finden Sie in der HVO-Version auf der Website des Heimatvereins. Hier ein kurzer Auszug, der deutlich macht wie gut dieser Chor einstmals war:
„Nach langer Zeit wurde uns endlich wieder am Sonntagabend in der Salvatorkirche nach Art der Motettenabende eine kirchenmusikalische Feierstunde geboten…….Viele Musikfreunde begrüßten sehr dieses erstes Auftreten der Oberkochener Singgemeinde in Aalen; ist doch den meisten dieser Chor durch seine zahlreichen Rundfunkaufnahmen im SDR und im SWF ein lieber Freund geworden……hat sich dieser Chor in den letzten Jahren immer mehr der anspruchsvollen und schwierigsten Chorliteratur alter und moderner Meister angenommen und sich dabei zu einem prächtigen Kammerchor entwickelt……Hat es doch dieser Chor schwer in Oberkochen das entsprechende Publikum und Anerkennen zu finden, umso erfreulicher ist sein Auftritt in Aalen…..Man muss der Singgemeinde Oberkochen und ihrem Leiter Werner Neuber herzlich danken für diesen schönen Abend. Es scheint für diesen Chor keine stimmlichen oder technischen Schwierigkeiten zu geben und man darf ihn nach dieser enormen Leistung zu den Spitzenchören unseres Raumes rechnen.“





Salvatorkirche Aalen 1963 (Archiv Müller)
Die einzelnen Zeitangaben erheben keinen Anspruch auf Korrektheit, aber im Großen und Ganzen müsste das stimmen (Wilfried hat das eine und andere im Internet nachrecherchiert und entsprechend ergänzt). Nachdem ich in den folgenden Jahren 3 Kinder zur Welt brachte, musste das Singen immer weiter zurückstehen und nach dem 3ten Kind war ich gezwungen aufzuhören, weil ich die familiären Verpflichtungen und das Singen nicht mehr unter einen Hut brachte. Im Chor gab es nach und nach verschiedene Wechsel, eine Zeitlang sangen einige LehrerInnen der Dreißentalschule mit, die dann aber auch wieder tw. versetzt wurden. Unser Dirigent Neuber, der inzwischen sein Studium erfolgreich beendet hatte, wurde an das Schillergymnasium in Heidenheim berufen. Das hatte zur Folge, dass die Chorproben nunmehr in Heidenheim stattfanden und die Singgemeinde wurde in „Collegium Vokale“ umbenannt. Diesem Ensemble gehörten auch Lehrer des Gymnasiums Oberkochen an und auch mein Sohn sang eine Zeitlang gerne mit. Herr Neuber gründete dann in Heidenheim einen Kammerchor, der gelegentlich zusammen mit dem Oberkochener Chor auftrat. Im November 1973 wurde in der Versöhnungskirche Oberkochen noch ein Adventskonzert gegeben. 2005 fand dann ein letztes gemeinsames Konzert statt. Über die Zeit vergingen die Jahre, Dirigent und Chor wurden älter, die Stimmen auch und so hat sich wohl der eine oder die andere aus dem aktiven Gesangsleben zurückgezogen. Aus der Ferne habe ich mich immer über das Geschehen in meinem alten Chor informiert. Wann der Chor letztendlich aufgelöst wurde, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen.

Todesanzeige aus Heidenheimer Zeitung Werner Neuber (Archiv Müller)
Als ich hörte, dass Herr Neuber 81jährig verstarb setzte ich mich mit seiner Frau und seiner Familie in Verbindung um ein Treffen mit seiner Frau und seiner Tochter bei mir in Oberkochen zu vereinbaren, aber dazu kam es nicht mehr, da Frau Neuber ganz plötzlich ebenfalls verstarb. Es war und ist mir bis heute wichtig, dass die Singgemeinde nicht in Vergessenheit gerät und daher haben Wilfried und ich die Gelegenheit genutzt, auf der Plattform des Heimatvereins Oberkochen und im Amtsblatt diese Erinnerungen festzuhalten.
Highlights aus 20 Jahren anspruchsvollem Chorgesangs:
Diese Liste zeigt deutlich die öffentliche Wertschätzung durch Besucher und Medien, die der Chorgesang besonders in den 50er und 60er Jahren genoss.
07. Sep 1949 | Frühlingsfeier im Martha-Leitz-Haus | |
06. Aug 1950 | Teilnahme am Tag der Vertriebenen auf der Deutschen Gartenschau in Stuttgart mit dem SDR | |
Aug 1951 | SDR „Stimmen der Heimat“ | |
Mrz 1954 | Wechsel des Dirigentenstabes von Walter Tittor an Werner Neuber | |
Mrz 1956 | SDR „Frühjahrsliedersingen“ in Eberbach am Neckar | |
Jul 1956 | SDR Aufnahme anlässlich Feierstunde in der Stuttgarter Liederhalle zum „Tag der Vertriebenen“ | |
Okt 1956 | Auftritt in der SDR Villa Berg unter dem Titel „…beiderseits ist Deutschland“ | |
Nov 1956 | erstes offenes Liedersingen in der Dreißentalhalle Oberkochen | |
Dez 1956 | internes Weihnachtssingen mit Solo von Adele Seifert | |
Okt 1957 | offenes Liedersingen „10 Jahre Singgemeinde Oberkochen“ | |
Dez 1957 | Adventsmusik in der evangelischen Kirche Oberkochen | |
26. Feb 1958 | SDR Auftritt | |
Jun 1958 | SDR Aufnahmewagen vor dem Oberkochener Kino | |
18. Nov 1958 | Gestaltung des „Tages der Hausmusik“ in der Dreißentalhalle | |
1958 | Volksmusiksingen im Jugendwohnheim | |
1959 | Johannes-Passion in der Wallfahrtskirche Unterkochen | |
April 1959 | Feierstunde mit Musikbeiträgen zur Eröffnung des Progymnasiums | |
Dez 1959 | Adventsmusik in der evangelischen Kirche Oberkochen | |
1960 | Adventsmusik in der Pauluskirche Heidenheim | |
Apr 1961 | geistliche Abendmusik in der Christuskirche Heidenheim und in der Klosterkirche Königsbronn | |
Dez 1962 | Weihnachtliches Liedersingen in Bayreuth und offenes Liedersingen mit dem Kammerchor des Schillergymnasiums Heidenheim | |
1963 | Auftritt in der Salvatorkirche Aalen | |
1964 | Weihnachtskonzert in der katholischen Kirche St. Peter und Paul Oberkochen | |
1967 | geistliche Abendmusik in Ellwangen und Oberkochen | |
1969 | Konzert zur Eröffnung des Volksbildungswerkes Oberkochen | |
1969 | Konzert „Kammermusik aus 3 Jahrhunderten“ auf der Kapfenburg | |
1969 | Frühlingslieder in der Stadthalle Aalen unter SDR Leitung | |
1973 | Adventskonzert in der Versöhnungskirche Oberkochen | |
2005 | letztes gemeinsames Konzert in Dunstelkingen |

Kurzes Einsingen während einer Rast (Archiv Müller)
Wir können diesen Bericht nicht abschließen ohne kurz auf Wolfgang Neuber einzugehen. Deshalb hier ein Artikel mit der Überschrift „Ein Klangzauberer tritt ab“ von Bettina Schröm aus der Heidenheimer Zeitung vom 7.12.2012 anlässlich seines Todes, der darüber berichtet, dass er auch in Heidenheim außergewöhnliches geleistet hat:
Ein großartiger Mensch, ein temperamentvoller, einer, wie man ihn im Leben nicht zweimal trifft. Als Werner Neuber im Oktober 2012 „seinen“ Chor noch einmal in Heidenheim zusammenrief, hatte er einen Krankenhausaufenthalt hinter sich und war sichtlich geschwächt. Es war alles ein wenig anders als bei den üblichen Treffen. Ein Konzert sollte nicht stattfinden, man sang Lieblingsstücke aus dem Repertoire, und Neuber hielt eine, ja, Abschiedsrede. Ein persönlicher Moment zwischen Chor und Dirigent. Dass der Abschied doch so schnell kommen würde, damit haben die Sängerinnen nicht gerechnet. Denn auch bei diesem letzten Treffen, sorgte Neuber dafür, dass es nicht zu sentimental wurde. Sein verschmitztes Lächeln hatte er immer noch, wollte sich auch nicht mit allem zufrieden geben, was da so gesungen wurde. Kommentare wie „Das Schwarze sind die Noten“, an die wird man sich immer mit einem Schmunzeln erinnern. Denn bevor er der Freund des Chores wurde, war er der Lehrer gewesen. „Der Neuber“, bei dem man vorsingen musste, um dann aufgenommen zu werden, in ein Ensemble, das 1960 auf Initiative von Schülerinnen gegründet worden war und über Jahrzehnte zu den erfolgreichsten seiner Art gehörte: Der Kammerchor des Schiller-Gymnasiums Heidenheim, ein Mädchenchor aus der Provinz, der weltweit auftrat und auch in großen Wettbewerben bestand. Streng war er, der Lehrer am Pult, und doch begeisternd, eine Instanz, einer, dem es um die Musik ging, um einen ganz bestimmten Klang, auf den er mit unendlichem Fleiß und nicht minder großem Temperament zuarbeitete. Musizieren bedurfte bei Neuber nie einer sekundären pädagogischen Begründung. Neuber machte Musik – so gut wie nur irgend möglich. Der Musik wegen. Und er nahm jeden ernst, der das mit ihm versucht hat, ob es sich nun um singende Teenager, Orchestermitglieder, Leistungskursschüler oder die erfahrenen Sänger des „Collegium Vocale“ handelte. Neubers gemischten Erwachsenenchor. Beide Ensembles hatte der junge, aus Böhmen stammende, Musiker in seinen ersten Heidenheimer Jahren gegründet. Das Wichtigste in Kürze: Am 27. Mai 1931 wurde er als Kind begeisterter Amateurmusiker geboren. Eigentlich wollte er Geiger werden, doch eine kränkelnde Sehne stand diesem Wunsch entgegen. Er wurde Lehrer in der auf einem Mädchengymnasium in der schwäbischen Provinz. Es war für beide ein Glücksfall, für die Schule und den Lehrer, der in Heidenheim heimisch und 6facher Vater wurde. Dass es Schülerinnen waren, die um die Gründung eines kleinen Chores gebeten hatten, dass man zunächst samstags, vor der ersten üblichen Stunde probte, dass Neuber sich selbst erst einmal das Repertoire erarbeiten musste – das alles wurde oft berichtet und ist dennoch immer wieder verwunderlich. Verwunderlich angesichts dessen, was man in den Folgejahren gemeinsam erreichte. Denn Neuber, der mit seinem Erwachsenenchor bereits häufiger Gast bei den Rundfunkanstalten gewesen war, begann mit den Mädchen Wettbewerbe zu singen, begann Erfolge zu sammeln, zu reisen. Man war in Frankreich und Finnland, in Südafrika, Kanada, Israel, England. Man gewann beim Deutschen Chorwettbewerb und beim Wettbewerb der europäischen Rundfunkanstalten. Neben der Logistik, die ungeheuer aufwändig gewesen sein muss, erschloss sich Neuber das Repertoire wie kaum ein anderer. Neben den Klassikern ließ er Reger, Kodaly, Distler, Nystedt singen – moderne anspruchsvolle Literatur für Frauenchor. Und Mädchen, die am Samstagabend noch in Heidenheimer Diskotheken zu finden waren, standen sonntags („wer feiern kann, muss auch aufstehen können“) zur morgendlichen Probe im Musiksaal. Mehrere Generationen von Schülerinnen, jahrzehntelang – vielleicht ist das sein größer Erfolg. Sie wollten sogar dann noch singen, als der Lehrer schon gar nicht mehr Lehrer war. Auch der Ehemaligenchor „Capella Cantorum“ ist 1990 auf Initiative der Sängerinnen entstanden. Man traf sich wieder, probte wieder, auch neue Stücke. Wechselte, anfangs unvorstellbar, zum „Du“, saß gemeinsam bei einem Glas Wein. Und für einen „mittelprächtigen Landchor“ klang es auch gar nicht schlecht. Der Klang war Neubers fixe Idee, wie kaum ein anderer hat er es genutzt, als Chordirigent diesen Klang nicht mit dem Dirigentenstab sondern mit den Händen zu formen. Dafür wurde er auch überregional immer wieder engagiert, war viel unterwegs, als Dirigent, als Rezensent. Und immer wieder fungierte er als Auskunftsstelle in Repertoirefragen. Das ruhelose, letztlich auch nur durch den ungeheuren Rückhalt der Familie getragene Leben hat Spuren hinterlassen. Lange schon kämpfte Neuber immer wieder mit der Gesundheit. Jetzt hat er es nicht mehr geschafft. Als bei seiner letzten Chorprobe bereits alle Stühle zur Seite geräumt waren, hat er noch ein Notenblatt verteilt mit einem wehmütig-schlichten Chorsatz, der über Jahrzehnte zum Standardrepertoire des Chores gehört hatte: „Wenn ich ein Vöglein wär“. Ein leises Abschiedslied, das noch lange nachklingen wird.
Abschließend noch eine Anmerkung vom 1. Februar 1957 in einem Bericht der Stadtverwaltung im Amtsblatt Oberkochen unter dem Titel: „Das Vereinsleben im Jahre 1956:“ „.….sieht man beide gesangpflegenden Vereine, jeden in seiner Art und zusammen, so versteht man den Wunsch nach einer Konzerthalle sehr wohl.“ Tja in Oberkochen gab es mitunter öfters hochfliegende Wünsche.
Gehen Sie singen! Es tut der eigenen Seele und den örtlichen Vereinen „ChorVision“ und „Katholischer Kirchenchor“ gut. Der evangelische Kirchenchor hat sich leider aufgelöst. Außerdem „kommt m’r so au unter d’Leut“.
Musikalische Grüße senden Esther Englert aus dem Adalbert-Stifter-Weg und Wilfried Billie Wichai Müller vom Sonnenberg. Das ist wieder ein gelungener Bericht, weil Frau Englert etwas zu erzählen hatte. In diesem Sinne wünsche ich mir einige Telefonanrufe unter dem Motto: Ich hätte da eine Idee…….
Für die Übergabe aller Bild- und Textdokumente sage ich Frau Englert und Frau Bieg-Schray von der Schwäpo allerherzlichsten Dank.
Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg
In diesem Zusammenhang eine Bitte an die Oberkochener Haushalte:
Werfen Sie keine alten Fotos und Dokumente einfach weg, weil Sie vielleicht denken: Das interessiert sowieso niemanden. Das täuscht sehr oft. Im Zweifel rufen Sie an und wir schauen die Dinge gemeinsam an. Dankeschön.