Dem Bericht voran­stel­len wollen wir, gerade im Jahr 2017, ein Wort Dr. Martin Luthers, das ich auf der WebSite der Walther-Hensel-Gesell­schaft e.V. gefun­den habe http://walther-hensel-gesellschaft.de/ueber-walther-hensel/finkensteiner-bund.html.

„Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes, nicht ein Menschen­ge­schenk. So vertreibt sie auch den Teufel und macht die Leute fröhlich; man vergisst dabei alles Zornes, Unkeusch­heit, Hoffahrt und anderer Laster. Ich gebe nach der Theolo­gie der Musika die nächs­te Stelle und höchs­te Ehre.“

Esther Englert, die mich auch schon im Bericht 662 „Wohnen nach dem Krieg…“ tatkräf­tig unter­stützt hat, hatte die Idee zu diesem Bericht und erstell­te daraus folgen­den Bericht, für den ich ihr sehr herzlich danke. Ich habe ihn ledig­lich etwas nachre­cher­chiert, ergänzt und überarbeitet:

Im Rahmen der Vertrei­bung der deutsch­stäm­mi­gen Bevöl­ke­rung aus den Gebie­ten im Osten wie z. B. Böhmen, Mähren, der Wischau­er Sprach­in­sel, der Iglau­er Sprach­in­sel, Schle­si­en, Ostpreu­ßen usw. usf. (siehe dazu auch Bericht 662) hatte es auch einige Vertrie­be­ne aus den unter­schied­lichs­ten Gründen nach Oberko­chen verschla­gen. Unter ihnen befand sich auch Walther Tittor aus Böhmen, ein musika­li­scher und sanges­freu­di­ger Zeitge­nos­se. Er sammel­te männli­che und weibli­che Sänger um sich, getra­gen von dem Wunsch, das heimat­li­che Volks­lied­gut der alten Heimat zu pflegen und zu erhal­ten. Im Oktober 1947 fand die erste Chor-Probe und damit die Geburts­stun­de der Oberko­che­ner Singge­mein­de statt. Einige Mitglie­der, wie auch Hr. Tittor, gehör­ten früher dem Finken­stei­ner Bund an. Dieser Sanges­bund erleb­te seine erste Singstun­de 1923 in Finken­stein bei Mährisch-Trübau und zur Gründung 1924 berief man sich auf diesen Ort als Namens­ge­ber. Das Ziel war, das heimi­sche Volks­lied den jugend­li­chen Lieder­krei­sen nahe zu bringen.

Hier nun der Bericht von Esther Englert:

Oberkochen

Aufge­nom­men Herbst 1954 vor dem Martha-Leitz-Haus
v.R.v.l.n.r.: Rösler, Esther Englert, Erika Herge­sell, Adele Herge­sell, Anni Gennt­ner, Inge Lindowsky, Hüttel(?), NN, Hils, Heinrich, Sekre­tä­rin PersChef CZ Schäff­au­er
m.R.v.l.n.r.: Wolter, NN, Düver, Helga Neuber, Thea Neuber, Neuber, Richter, Elsbeth Bernhardt, NN, Heinrich, NN, davor Laidler, Werner Neuber
h.R.v.l.n.r.: Babylot­te, NN, Günther Bernhardt, Richter, Hugo Englert, NN, Vinzenz Richter, Heinrich, Hartmut NN, Horst Bulla, Lehrer Menzel, Neuber

„Anfäng­lich gab es in Oberko­chen einen kleinen Kreis von 12 Sänge­rIn­nen, die mit einfachs­ten Mitteln arbei­ten mussten. Noten wurden selbst geschrie­ben, Chorsät­ze mussten mühsam beschafft werden. Durch die Verla­ge­rung der Zeiss-Werke erwei­ter­te sich der Chor rasch und gab seine zunächst eng gezoge­ne lands­mann­schaft­li­che Grenze auf.

Oberkochen

Radio­pro­gramm­heft 1957 (Archiv Müller)

Oberkochen

Stimmen der Heimat 1951 (Archiv Müller)

Oberkochen

Stimmen der Heimat 1951(Archiv Müller)

Der Süddeut­sche Rundfunk übertrug damals schon Chorge­sän­ge im Radio und so dauer­te es nicht lange bis sich die Quali­tät dieser Sanges­ver­ei­ni­gung bis Stutt­gart verbrei­te­te und ab 1949 konnte man die hiesi­ge Sing-Gemein­de öfters im Radio hören.

Oberkochen

Weihnachts­lie­der­sin­gen 1949 (Archiv Müller)

1954 verließ Walter Tittor Oberko­chen aus beruf­li­chen Gründen und übergab den Dirigen­ten­stab an Werner Neuber. Unter seiner Leitung entwi­ckel­te sich der Chor deutlich weiter. Es wurden nun auch Kunst­lied­sät­ze, alte Madri­ga­le und zeitge­nös­si­sche Kompo­si­tio­nen einstu­diert. Inzwi­schen gehör­te der Chor zum ständi­gen freien Mitar­bei­ter­kreis des Süddeut­schen Rundfunks und des Südwestfunks.

Die Schwä­po erläu­ter­te in einem Bericht in den 50er Jahren, dass er sich erheb­lich von anderen Chören unter­schied. Es gab keine Hilfen durch Klavier oder andere Instru­men­te, jedes Lied wurde sofort, so gut es ging, vom Blatt gesun­gen und dann erst erfolg­te die Schulung der einzel­nen Stimmen, durch die der Chorge­sang seine Abrun­dung und Wärme des Wohlklangs erhielt und sich dadurch in die Spitzen­grup­pe ähnli­cher Verei­ni­gun­gen erhob.

Am 22. Novem­ber 1956, dem Cäcili­en­tag, dem „Tag der Hausmu­sik“, lud Werner Neuber zu einem offenen Lieder­sin­gen in die Dreißen­tal­hal­le ein. Heute würde man das vielleicht „inter­ak­ti­ves Singen“ nennen. Das Publi­kum, anfangs zöger­lich, stimm­te dann doch kräftig mit ein. Und weil das Ganze erfolg­reich war wurde es 1957 wieder­holt. Im selben Jahr fand in der evange­li­schen Kirche ein Advents­lie­der­sin­gen statt, das dann einige Jahre lang fester Bestand­teil in beiden Kirchen wurde. Der Chor kam in der Folge­zeit weit herum und gab Konzer­te u.a. in der Kloster­kir­che Königs­bronn, in der Wallfahrts­kir­che Unter­ko­chen, in der Stadt­kir­che Ellwan­gen und in der Salva­tor­kir­che Aalen. Der erste große Auftritt, mit „Meister­wer­ken des Chorge­sangs und Frühlings­volks­lie­dern deutscher Landschaf­ten“ fand am 7. Mai 1949 im Martha-Leitz-Haus (auf dem heuti­gen Zeiss-Gelän­de) statt.

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Martha-Leitz-Haus (Archiv Bihlmai­er Ottmar)

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Frühlings­fei­er im Martha-Leitz-Haus 1949 (Archiv Müller)

Der nächs­te große Auftritt fand auf der „Deutschen Garten­schau“ im August 1950 auf dem Killes­berg in Stutt­gart inner­halb der Veran­stal­tung des „Tages der Vertrie­be­nen“ statt, bei der sich 100.000 Vertrie­be­ne versam­mel­ten, um auf ihre Situa­ti­on aufmerk­sam zu machen.

Oberkochen
Oberkochen
Oberkochen
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Auftritt 1950 in Stutt­gart (Archiv Müller)

Der Auftritt des Chores war erfolg­reich mit dem Dirigen­ten Walter Tittor und dem verstärk­ten Orches­ter der Künst­ler­gil­de unter der Gesamt­lei­tung von Fritz Marec­zek, einem bekann­ten Stutt­gar­ter Kapell­meis­ter, der aus Brünn stamm­te. Viele Chöre und Abord­nun­gen der Lands­mann­schaf­ten hatten an diesem, politisch so wichti­gen Tag, dort ihre Auftrit­te. Diese Feier­stun­den für die Vertrie­be­nen fanden noch einige Jahre lang statt, so auch in der berühm­ten Villa Berg unter dem Motto „Und beider­seits ist Deutsch­land“. Aber auch im Schleicher’schen Kino traten wir auf, denn letzt­end­lich war das Kino früher auch der noch nicht vorhan­de­ne „Bürger­saal“.

Oberkochen
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Im Schleicher’schen Kino in Oberko­chen (Archiv Müller)

Ich selbst wurde wohl 1952 Mitglied der Singge­mein­de, auf den ich durch meine späte­re Schwä­ge­rin aufmerk­sam wurde. Das Singen hat mir schon immer große Freude berei­tet und die Art des Chores und das Liedgut gefie­len mir ausneh­mend gut. Mein späte­rer Mann, Hugo Englert, war ebenfalls Mitglied in diesem Chor. Und wie das manch­mal so ist, beein­fluss­te in diesem Fall der Chor sogar unseren Hochzeits­ter­min: Freitag, 2. Juli 1954. Sehr ungewöhn­lich für die damali­ge Zeit, denn das war ja ein norma­ler Arbeits­tag und kein Tag für eine standes­amt­li­che und kirch­li­che Trauung. Und so musste ich auf dem Rathaus für diesen Trauungs­ter­min kämpfen. Aber der 3. Juli war bereits verplant – ein 3tägiger Ausflug Richtung Öster­reich begann an diesem Tag und wurde so zu unserer Hochzeits­rei­se. Dann fiel noch das Finale der Fußball-Weltmeis­ter­schaft mit der legen­dä­ren Herber­ger-Elf am 4. Juli in Bern gegen Ungarn auf dieses Wochen­en­de. Ein Mitsän­ger hatte ein kleines Transis­tor­ra­dio dabei, vor dem wir uns alle versam­mel­ten und so konnten wir auf dem Gaisberg bei Salzburg Herbert Zimmer­mann über den Äther schrei­en hören: „Aus dem Hinter­grund müsste Rahn schie­ßen – Rahn schießt – Toooooo­or. Aus Aus Aus – das Spiel ist aus – Deutsch­land ist Weltmeis­ter“. Nachdem wir von dieser, für mich und meinen Mann, ganz beson­de­ren Reise zurück waren, nahm der Chor wieder seine Alltags­ar­beit mit seinen Übungs­stun­den wieder auf. Diese Arbeit wurde durch viele Auftrit­te im Rundfunk, in Kirchen der Umgebung und in Oberko­chen ergänzt. Dabei handel­te es sich meistens um geist­li­che Abend­mu­sik oder um Advents- bzw. Weihnachts­mu­sik. Ich habe diese Ereig­nis­se so aufge­führt wie ich sie den Zeitungs­aus­schnit­ten entneh­men konnte.“

Oberkochen

Salva­tor­kir­che Aalen 1963 (Archiv Schwäpo)

Ein großer Auftritt erfolg­te 1963 in der Salva­tor­kir­che in Aalen. Den komplet­ten Schwä­po-Artikel vom 21. Mai 1963 finden Sie in der HVO-Versi­on auf der Website des Heimat­ver­eins. Hier ein kurzer Auszug, der deutlich macht wie gut dieser Chor einst­mals war:

„Nach langer Zeit wurde uns endlich wieder am Sonntag­abend in der Salva­tor­kir­che nach Art der Motet­ten­aben­de eine kirchen­mu­si­ka­li­sche Feier­stun­de geboten…….Viele Musik­freun­de begrüß­ten sehr dieses erstes Auftre­ten der Oberko­che­ner Singge­mein­de in Aalen; ist doch den meisten dieser Chor durch seine zahlrei­chen Rundfunk­auf­nah­men im SDR und im SWF ein lieber Freund geworden……hat sich dieser Chor in den letzten Jahren immer mehr der anspruchs­vol­len und schwie­rigs­ten Chorli­te­ra­tur alter und moder­ner Meister angenom­men und sich dabei zu einem präch­ti­gen Kammer­chor entwickelt……Hat es doch dieser Chor schwer in Oberko­chen das entspre­chen­de Publi­kum und Anerken­nen zu finden, umso erfreu­li­cher ist sein Auftritt in Aalen…..Man muss der Singge­mein­de Oberko­chen und ihrem Leiter Werner Neuber herzlich danken für diesen schönen Abend. Es scheint für diesen Chor keine stimm­li­chen oder techni­schen Schwie­rig­kei­ten zu geben und man darf ihn nach dieser enormen Leistung zu den Spitzen­chö­ren unseres Raumes rechnen.“

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Salva­tor­kir­che Aalen 1963 (Archiv Müller)

Die einzel­nen Zeitan­ga­ben erheben keinen Anspruch auf Korrekt­heit, aber im Großen und Ganzen müsste das stimmen (Wilfried hat das eine und andere im Inter­net nachre­cher­chiert und entspre­chend ergänzt). Nachdem ich in den folgen­den Jahren 3 Kinder zur Welt brach­te, musste das Singen immer weiter zurück­ste­hen und nach dem 3ten Kind war ich gezwun­gen aufzu­hö­ren, weil ich die familiä­ren Verpflich­tun­gen und das Singen nicht mehr unter einen Hut brach­te. Im Chor gab es nach und nach verschie­de­ne Wechsel, eine Zeitlang sangen einige Lehre­rIn­nen der Dreißen­tal­schu­le mit, die dann aber auch wieder tw. versetzt wurden. Unser Dirigent Neuber, der inzwi­schen sein Studi­um erfolg­reich beendet hatte, wurde an das Schil­ler­gym­na­si­um in Heiden­heim berufen. Das hatte zur Folge, dass die Chorpro­ben nunmehr in Heiden­heim statt­fan­den und die Singge­mein­de wurde in „Colle­gi­um Vokale“ umbenannt. Diesem Ensem­ble gehör­ten auch Lehrer des Gymna­si­ums Oberko­chen an und auch mein Sohn sang eine Zeitlang gerne mit. Herr Neuber gründe­te dann in Heiden­heim einen Kammer­chor, der gelegent­lich zusam­men mit dem Oberko­che­ner Chor auftrat. Im Novem­ber 1973 wurde in der Versöh­nungs­kir­che Oberko­chen noch ein Advents­kon­zert gegeben. 2005 fand dann ein letztes gemein­sa­mes Konzert statt. Über die Zeit vergin­gen die Jahre, Dirigent und Chor wurden älter, die Stimmen auch und so hat sich wohl der eine oder die andere aus dem aktiven Gesangs­le­ben zurück­ge­zo­gen. Aus der Ferne habe ich mich immer über das Gesche­hen in meinem alten Chor infor­miert. Wann der Chor letzt­end­lich aufge­löst wurde, konnte ich leider nicht in Erfah­rung bringen.

Oberkochen

Todes­an­zei­ge aus Heiden­hei­mer Zeitung Werner Neuber (Archiv Müller)

Als ich hörte, dass Herr Neuber 81jährig verstarb setzte ich mich mit seiner Frau und seiner Familie in Verbin­dung um ein Treffen mit seiner Frau und seiner Tochter bei mir in Oberko­chen zu verein­ba­ren, aber dazu kam es nicht mehr, da Frau Neuber ganz plötz­lich ebenfalls verstarb. Es war und ist mir bis heute wichtig, dass die Singge­mein­de nicht in Verges­sen­heit gerät und daher haben Wilfried und ich die Gelegen­heit genutzt, auf der Platt­form des Heimat­ver­eins Oberko­chen und im Amtsblatt diese Erinne­run­gen festzuhalten.

Highlights aus 20 Jahren anspruchs­vol­lem Chorgesangs:

Diese Liste zeigt deutlich die öffent­li­che Wertschät­zung durch Besucher und Medien, die der Chorge­sang beson­ders in den 50er und 60er Jahren genoss.

07. Sep 1949 Frühlings­fei­er im Martha-Leitz-Haus
06. Aug 1950 Teilnah­me am Tag der Vertrie­be­nen auf der Deutschen Garten­schau in Stutt­gart mit dem SDR
Aug 1951 SDR „Stimmen der Heimat“
Mrz 1954 Wechsel des Dirigen­ten­sta­bes von Walter Tittor an Werner Neuber
Mrz 1956 SDR „Frühjahrs­lie­der­sin­gen“ in Eberbach am Neckar
Jul 1956 SDR Aufnah­me anläss­lich Feier­stun­de in der Stutt­gar­ter Lieder­hal­le zum „Tag der Vertriebenen“
Okt 1956 Auftritt in der SDR Villa Berg unter dem Titel „…beider­seits ist Deutschland“
Nov 1956 erstes offenes Lieder­sin­gen in der Dreißen­tal­hal­le Oberkochen
Dez 1956 inter­nes Weihnachts­sin­gen mit Solo von Adele Seifert
Okt 1957 offenes Lieder­sin­gen „10 Jahre Singge­mein­de Oberkochen“
Dez 1957 Advents­mu­sik in der evange­li­schen Kirche Oberkochen
26. Feb 1958 SDR Auftritt
Jun 1958 SDR Aufnah­me­wa­gen vor dem Oberko­che­ner Kino
18. Nov 1958 Gestal­tung des „Tages der Hausmu­sik“ in der Dreißentalhalle
1958 Volks­mu­sik­s­in­gen im Jugendwohnheim
1959 Johan­nes-Passi­on in der Wallfahrts­kir­che Unterkochen
April 1959 Feier­stun­de mit Musik­bei­trä­gen zur Eröff­nung des Progymnasiums
Dez 1959 Advents­mu­sik in der evange­li­schen Kirche Oberkochen
1960 Advents­mu­sik in der Paulus­kir­che Heidenheim
Apr 1961 geist­li­che Abend­mu­sik in der Chris­tus­kir­che Heiden­heim und in der Kloster­kir­che Königsbronn
Dez 1962 Weihnacht­li­ches Lieder­sin­gen in Bayreuth und offenes Lieder­sin­gen mit dem Kammer­chor des Schil­ler­gym­na­si­ums Heidenheim
1963 Auftritt in der Salva­tor­kir­che Aalen
1964 Weihnachts­kon­zert in der katho­li­schen Kirche St. Peter und Paul Oberkochen
1967 geist­li­che Abend­mu­sik in Ellwan­gen und Oberkochen
1969 Konzert zur Eröff­nung des Volks­bil­dungs­wer­kes Oberkochen
1969 Konzert „Kammer­mu­sik aus 3 Jahrhun­der­ten“ auf der Kapfenburg
1969 Frühlings­lie­der in der Stadt­hal­le Aalen unter SDR Leitung
1973 Advents­kon­zert in der Versöh­nungs­kir­che Oberkochen
2005 letztes gemein­sa­mes Konzert in Dunstelkingen
Oberkochen

Kurzes Einsin­gen während einer Rast (Archiv Müller)

Wir können diesen Bericht nicht abschlie­ßen ohne kurz auf Wolfgang Neuber einzu­ge­hen. Deshalb hier ein Artikel mit der Überschrift „Ein Klang­zau­be­rer tritt ab“ von Betti­na Schröm aus der Heiden­hei­mer Zeitung vom 7.12.2012 anläss­lich seines Todes, der darüber berich­tet, dass er auch in Heiden­heim außer­ge­wöhn­li­ches geleis­tet hat:

Ein großar­ti­ger Mensch, ein tempe­ra­ment­vol­ler, einer, wie man ihn im Leben nicht zweimal trifft. Als Werner Neuber im Oktober 2012 „seinen“ Chor noch einmal in Heiden­heim zusam­men­rief, hatte er einen Kranken­haus­auf­ent­halt hinter sich und war sicht­lich geschwächt. Es war alles ein wenig anders als bei den üblichen Treffen. Ein Konzert sollte nicht statt­fin­den, man sang Lieblings­stü­cke aus dem Reper­toire, und Neuber hielt eine, ja, Abschieds­re­de. Ein persön­li­cher Moment zwischen Chor und Dirigent. Dass der Abschied doch so schnell kommen würde, damit haben die Sänge­rin­nen nicht gerech­net. Denn auch bei diesem letzten Treffen, sorgte Neuber dafür, dass es nicht zu senti­men­tal wurde. Sein verschmitz­tes Lächeln hatte er immer noch, wollte sich auch nicht mit allem zufrie­den geben, was da so gesun­gen wurde. Kommen­ta­re wie „Das Schwar­ze sind die Noten“, an die wird man sich immer mit einem Schmun­zeln erinnern. Denn bevor er der Freund des Chores wurde, war er der Lehrer gewesen. „Der Neuber“, bei dem man vorsin­gen musste, um dann aufge­nom­men zu werden, in ein Ensem­ble, das 1960 auf Initia­ti­ve von Schüle­rin­nen gegrün­det worden war und über Jahrzehn­te zu den erfolg­reichs­ten seiner Art gehör­te: Der Kammer­chor des Schil­ler-Gymna­si­ums Heiden­heim, ein Mädchen­chor aus der Provinz, der weltweit auftrat und auch in großen Wettbe­wer­ben bestand. Streng war er, der Lehrer am Pult, und doch begeis­ternd, eine Instanz, einer, dem es um die Musik ging, um einen ganz bestimm­ten Klang, auf den er mit unend­li­chem Fleiß und nicht minder großem Tempe­ra­ment zuarbei­te­te. Musizie­ren bedurf­te bei Neuber nie einer sekun­dä­ren pädago­gi­schen Begrün­dung. Neuber machte Musik – so gut wie nur irgend möglich. Der Musik wegen. Und er nahm jeden ernst, der das mit ihm versucht hat, ob es sich nun um singen­de Teenager, Orches­ter­mit­glie­der, Leistungs­kurs­schü­ler oder die erfah­re­nen Sänger des „Colle­gi­um Vocale“ handel­te. Neubers gemisch­ten Erwach­se­nen­chor. Beide Ensem­bles hatte der junge, aus Böhmen stammen­de, Musiker in seinen ersten Heiden­hei­mer Jahren gegrün­det. Das Wichtigs­te in Kürze: Am 27. Mai 1931 wurde er als Kind begeis­ter­ter Amateur­mu­si­ker geboren. Eigent­lich wollte er Geiger werden, doch eine kränkeln­de Sehne stand diesem Wunsch entge­gen. Er wurde Lehrer in der auf einem Mädchen­gym­na­si­um in der schwä­bi­schen Provinz. Es war für beide ein Glücks­fall, für die Schule und den Lehrer, der in Heiden­heim heimisch und 6facher Vater wurde. Dass es Schüle­rin­nen waren, die um die Gründung eines kleinen Chores gebeten hatten, dass man zunächst samstags, vor der ersten üblichen Stunde probte, dass Neuber sich selbst erst einmal das Reper­toire erarbei­ten musste – das alles wurde oft berich­tet und ist dennoch immer wieder verwun­der­lich. Verwun­der­lich angesichts dessen, was man in den Folge­jah­ren gemein­sam erreich­te. Denn Neuber, der mit seinem Erwach­se­nen­chor bereits häufi­ger Gast bei den Rundfunk­an­stal­ten gewesen war, begann mit den Mädchen Wettbe­wer­be zu singen, begann Erfol­ge zu sammeln, zu reisen. Man war in Frank­reich und Finnland, in Südafri­ka, Kanada, Israel, England. Man gewann beim Deutschen Chorwett­be­werb und beim Wettbe­werb der europäi­schen Rundfunk­an­stal­ten. Neben der Logis­tik, die ungeheu­er aufwän­dig gewesen sein muss, erschloss sich Neuber das Reper­toire wie kaum ein anderer. Neben den Klassi­kern ließ er Reger, Kodaly, Distler, Nystedt singen – moder­ne anspruchs­vol­le Litera­tur für Frauen­chor. Und Mädchen, die am Samstag­abend noch in Heiden­hei­mer Disko­the­ken zu finden waren, standen sonntags („wer feiern kann, muss auch aufste­hen können“) zur morgend­li­chen Probe im Musik­saal. Mehre­re Genera­tio­nen von Schüle­rin­nen, jahrzehn­te­lang – vielleicht ist das sein größer Erfolg. Sie wollten sogar dann noch singen, als der Lehrer schon gar nicht mehr Lehrer war. Auch der Ehema­li­gen­chor „Capel­la Cantorum“ ist 1990 auf Initia­ti­ve der Sänge­rin­nen entstan­den. Man traf sich wieder, probte wieder, auch neue Stücke. Wechsel­te, anfangs unvor­stell­bar, zum „Du“, saß gemein­sam bei einem Glas Wein. Und für einen „mittel­präch­ti­gen Landchor“ klang es auch gar nicht schlecht. Der Klang war Neubers fixe Idee, wie kaum ein anderer hat er es genutzt, als Chordi­ri­gent diesen Klang nicht mit dem Dirigen­ten­stab sondern mit den Händen zu formen. Dafür wurde er auch überre­gio­nal immer wieder engagiert, war viel unter­wegs, als Dirigent, als Rezen­sent. Und immer wieder fungier­te er als Auskunfts­stel­le in Reper­toire­fra­gen. Das ruhelo­se, letzt­lich auch nur durch den ungeheu­ren Rückhalt der Familie getra­ge­ne Leben hat Spuren hinter­las­sen. Lange schon kämpf­te Neuber immer wieder mit der Gesund­heit. Jetzt hat er es nicht mehr geschafft. Als bei seiner letzten Chorpro­be bereits alle Stühle zur Seite geräumt waren, hat er noch ein Noten­blatt verteilt mit einem wehmü­tig-schlich­ten Chorsatz, der über Jahrzehn­te zum Standard­re­per­toire des Chores gehört hatte: „Wenn ich ein Vöglein wär“. Ein leises Abschieds­lied, das noch lange nachklin­gen wird.

Abschlie­ßend noch eine Anmer­kung vom 1. Febru­ar 1957 in einem Bericht der Stadt­ver­wal­tung im Amtsblatt Oberko­chen unter dem Titel: „Das Vereins­le­ben im Jahre 1956:“ „.….sieht man beide gesang­pfle­gen­den Verei­ne, jeden in seiner Art und zusam­men, so versteht man den Wunsch nach einer Konzert­hal­le sehr wohl.“ Tja in Oberko­chen gab es mitun­ter öfters hochflie­gen­de Wünsche.

Gehen Sie singen! Es tut der eigenen Seele und den örtli­chen Verei­nen „ChorVi­si­on“ und „Katho­li­scher Kirchen­chor“ gut. Der evange­li­sche Kirchen­chor hat sich leider aufge­löst. Außer­dem „kommt m’r so au unter d’Leut“.

Musika­li­sche Grüße senden Esther Englert aus dem Adalbert-Stifter-Weg und Wilfried Billie Wichai Müller vom Sonnen­berg. Das ist wieder ein gelun­ge­ner Bericht, weil Frau Englert etwas zu erzäh­len hatte. In diesem Sinne wünsche ich mir einige Telefon­an­ru­fe unter dem Motto: Ich hätte da eine Idee…….

Für die Überga­be aller Bild- und Textdo­ku­men­te sage ich Frau Englert und Frau Bieg-Schray von der Schwä­po aller­herz­lichs­ten Dank.

Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

In diesem Zusam­men­hang eine Bitte an die Oberko­che­ner Haushalte:

Werfen Sie keine alten Fotos und Dokumen­te einfach weg, weil Sie vielleicht denken: Das inter­es­siert sowie­so nieman­den. Das täuscht sehr oft. Im Zweifel rufen Sie an und wir schau­en die Dinge gemein­sam an. Dankeschön.

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