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Albert Holz als Emil-Leitz-Chef im Gespräch mit C.-D. Weick (Archiv Müller)

Auch für die Möglich­keit diesen Bericht zu schrei­ben geht mein Dank an Albert Holz, den ich nun schon seit meiner Leitz-Zeit kenne, die 1969 begann und 2016 endete. Er hat einiges zusam­men­ge­tra­gen um den Brunkel aus dem Dunkel der Zeit und der allge­mei­nen Verges­sen­heit hervor­zu­ho­len. Dazu kommt noch ein Vetera­nen­tref­fen mit Hubert Wunder­le (der woiß fascht älles) aus dem Kapel­len­weg 14/1 und Kurt Elmer aus dem Kapel­len­weg 18 auf der Holz’schen Veran­da in der Katzen­bach­stra­ße sowie Beiträ­ge aus meinem Freun­des­kreis. Besten Dank an die Damen und Herren.

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Aktuel­les Projekt „Neue Mitte“

Heute spricht die Stadt­ver­wal­tung von der „Neuen Mitte“ (dieser Begriff wird inzwi­schen von einigen Gemein­den für gleich­ge­la­ger­te Projek­te verwen­det) und tut damit das ihre um dieses alte Quartier aufzu­fri­schen und wieder Leben einzu­hau­chen. Natür­lich polari­siert das Schee­rer-Areal. Das ist aber auch ein Zeichen von Kommu­ni­ka­ti­on, Gespräch – egal ob emotio­nal auf der Straße, am Stamm­tisch oder in sachli­cher Atmosphä­re. Haupt­sach‘ es wird d‘rüber g’schwätzt. Und hier sei auch mal dem Mühlen­ver­ein gedankt, der sich sehr engagiert im Brunkel einbringt und kultu­rel­les Leben in den alten Gemäu­ern entwi­ckelt. Es ist ein guter Ort um sozia­les Leben wieder anzusie­deln, weil es zu den uralten Teilen von Oberko­chen gehört. Um es gleich voraus­zu­schi­cken. Es gibt auch hier reich­lich Bildma­te­ri­al sodass ich, wie so oft, auf die Website vom Heimat­ver­ein verwei­sen muss. Noch ein Wort zum Kocher in der Schee­rer-Gegend. Wenn hier die sog. Neue Mitte entsteht, dann gehört aus meiner Sicht auch dazu, dass der Kocher­ab­schnitt zwischen Bahnhof­stra­ße und Schee­rer-Mühle deutlich aufge­wer­tet wird. Dort wo der Kocher zugäng­lich ist, sollte er sich auch im Sonntags­kleid und nicht in abgeris­se­nen Klamot­ten präsentieren.

Brunkel – manch­mal auch Bronkel

Das klingt alt und dunkel und bedeu­tet wohl „Bronn­quell“, also Brunnen­quel­le. Wir verste­hen darun­ter den Flurbe­reich einge­grenzt von Bahnli­nie, Kocher / Kocherkanal.

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Karten­aus­schnitt zum Brunkel-Gebiet

Die dazuge­hö­ri­gen Straßen sind die verzweig­te Mühlstra­ße, mit Wohlwol­len ein kleiner Teil der Bahnhof­stra­ße, sowie der Kapel­len­weg bis zur Röchling­s­tra­ße. Früher gehör­te sicher auch die alte Kuhstei­ge dazu, die längst als Viehtrieb­weg aufs Härts­feld verges­sen wurde, das Gebiet zwischen Bahnli­nie und Waldrand, da die Bundes­stra­ße B19 in dieser Zeit noch nicht existier­te. Der Kapel­len­weg war wohl ein geschot­ter­ter Verbin­dungs­weg zwischen der Kapel­le St. Ottilie (Ölberg) und der Wiesen­ka­pel­le. Dort befand sich auch eine Quelle, die sich an der Kapel­le vorbei in den Kocher ergoss. Bereits 1650 wurde die Ölberg-Kapel­le (die der Hl. Ottilie geweiht war, Patro­nin der Blinden und Helfe­rin bei Augen‑, Ohren- und Kopflei­den) urkund­lich erwähnt. Sicher ein Zufall, dass sich Jahrhun­der­te später ein weltbe­kann­tes Optik­un­ter­neh­men in Oberko­chen nieder­ließ. Kein Zufall aber dass das Optische Museum eine Replik dieser Heili­gen­fi­gur sein eigen nennt.

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Ottili­en­ka­pel­len und Haus Kapel­len­weg 3, früher Schrei­ne­rei Mannes, CZ-Kinder­gar­ten und UJAG (Archiv Müller)

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Wiesen­ka­pel­le (Archiv HVO)

Geprägt

wurde dieses Viertel durch die Quelle(n), die sumpfi­gen Wiesen, die Kapel­len, den katho­li­schen Fried­hof, die Schee­rer-Mühle, das Armen­haus, den Baracken (hier sei auf den Bericht 316 von D. Bantel verwie­sen, der die damali­ge Situa­ti­on anschau­lich verdeut­licht) und dem roman­ti­schen Teil des Kochers und der umlie­gen­den Obstwie­sen. Der Katas­ter­aus­zug von 1823 zeigt eine sehr dünne Besie­de­lung, die sich Laufe der Zeit deutlich änderte.

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Katas­ter­aus­zug Teilbe­reich Brunkel (Archiv Holz)

Die wichtigs­ten Adres­sen im Brunkel waren und sind teilwei­se bis heute

Kapel­len­weg Haus Nr. 3 – Hier entstand die Werkstatt vom „alten“ Willi­bald Mannes, in der auch während des Krieges Kriegs­ge­fan­ge­ne arbei­te­ten. Hinter dem Haus befand sich der Holzla­ger­platz und der Abbund­platz befand sich zwischen Kocher und Kanal (Abbin­den = maßge­rech­tes Anrei­ßen, Bearbei­ten, Zusam­men­pas­sen und Kennzeich­nen von Schnitt- und Rundholz für Tragwer­ke, Bautei­le und Einbau­tei­le). Ca. 1948 erfolg­te der Umzug ins neue Haus. Später zog der Carl Zeiss Kinder­gar­ten hier ein, der sich vorher in den Baracken auf dem Carl Zeiss Gelän­de befand. Anschlie­ßend fand die UJAG (Vorgän­ge­rin der EnbW) mit einem Ausstel­lungs­raum in diesem Gebäu­de ihr Zuhause.

Kapel­len­weg Haus Nr. 7 – Das war in den 60er Jahren nicht nur die Wohnadres­se meines Schul­freun­des Hartmut Kratzsch und seines Bruders Gernot, sondern vorher schon die Adres­se von Ulrich Irion, der aller­ers­ten Apothe­ke in Oberko­chen, die dort am 1. Okt. 1950 ihre Türen öffne­te. Das Haus wurde ca. 1947 von Kaspar Scherer in Auftrag gegeben und von der Baufir­ma Wingert u.a. von Hubert Wunder­le und Josef Bihlmai­er (später sein eigener Herr in Lauch­heim) gebaut und an die Familie Irion vermie­tet, bis diese ca. 1952 die Volkmars­berg-Apothe­ke im Dreißen­tal bauen ließ.

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Das frühe­re Apothe­ker-Haus (Archiv Müller)

Kapel­len­weg Haus Nr. 8 – Das Armen­haus, früher auch Hirten­haus genannt, wurde im Oktober 1956 abgebro­chen. Es unter­stand beiden örtli­chen Kirchen­ge­mein­den. Die ersten Hinwei­se auf eine gemein­sa­me Armen­kas­se gehen auf das Jahr 1650 zurück. Heute wohnt mein alter Leitz-Arbeits­kol­le­ge Hubert Glaser mit Frau auf diesem Grundstück.

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Das alte Armen­haus im Kapel­len­weg 8 (Archiv Rathaus)

Kapel­len­weg Haus Nr. 10 – Das Haus der Hebam­me There­sia Holz geb. Elmer (siehe Bericht 657)

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Kapel­len­weg 10, das frühe­re Haus der Hebam­me Holz (Archiv Müller)

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Der Bahnler Albert Holz sen. im Gespräch (Archiv Holz)

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Der Bahnler Albert Holz sen. auf dem Rad (Archiv Holz)

Kapel­len­weg Haus Nr. 14 – Hier steht das einsti­ge Küfer­haus von Küfer­meis­ter Anton Wunder­le. Wie oft wurde hier der Küfer­spruch gespro­chen? „Feuer und Wasser muss es biegen.“ Das sangen die Küfer früher beim entschei­den­den Formungs­pro­zess, dem Fassbrand. Auch der Sohn Hubert lernte das Küfer­hand­werk von der Pike auf. Drei Jahre Lehrzeit in Aalen und dann hat er nach dem Motto „Wenn der Vater mit dem Sohne“ in Oberko­chen mit dem väter­li­chen Meister zusam­men gearbei­tet. Das Küfer­hand­werk konnte dann aber irgend­wann keine Familie mehr ernäh­ren und Hubert musste sich nach neuen Arbeits­fel­dern umschau­en. Nach 3 Jahren auf dem Bau konnte er zum ungläu­bi­gen Staunen des Archi­tek­ten den Rohbau seines eigenen Hauses problem­los selber hinstel­len. Danach ging es bis zur Rente zum „Zeissa Karle“. Ein typisch schwä­bi­scher Mann der Tat.

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Küfer­meis­ter Adolf Wunder­le bei der Arbeit (Archiv Wunderle)

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Anton Wunder­le und Josef Schnei­der bei einem mosch­ti­gen Anlass (Archiv Wunderle)

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„Wunder-liches“ Weißg’schirr aus Fichten­holz (Archiv Wunderle)

Kapel­len­weg Haus Nr. 18 – Hier finden wir das Haus der Hafner­fa­mi­lie Elmer. Nach dem Krieg nannte die Familie einen Goliath-Dreirad­lie­fer­wa­gen ihr Eigen. Vermut­lich das Modell GD 750, dass zwischen 1949 und 1955 auf dem Markt war. Der damals junge Kurt durfte das Gefährt mit einem Sonder­füh­rer­schein fahren.

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Goliath GD 750 — so ähnlich dürfte er ausge­se­hen haben

Kapel­len­weg Haus Nr. 21 – Über dieses Haus wurde schon ausführ­lich von D. Bantel in Baracken-Bericht 316 geschrie­ben. Deshalb ganz kurz. Es handelt sich hier um die frühe­re Baracke 3, die nach dem Krieg (von li. nach re.) von den Famili­en Neuber, Holden­ried, Krok und Dr. Roos bewohnt wurde. Hinter der Baracke befand sich damals ein Tauben­schlag der Holden­rieds, die damals auch Ziegen gehal­ten haben. Ca. 1948 wurde das Haus aufge­stockt. Im Jahr 1959 wohnten dort nachfol­gend aufge­führ­te Perso­nen bzw. Famili­en: Brandt, Czerner, Harpeng, Helmle, Hillmer, Hinter­mai­er, Pinkav, Schie­we, Tischer, Wendel­ber­ger, Winkler und Ziemons. Heute dient das sog. 12-Famili­en-Haus als Flücht­lings­un­ter­kunft. Die Baracke 4, die daneben in Richtung Wiesen­ka­pel­le stand, war später Bestand­teil der Bäuerle-Landwirt­schaft und beher­berg­te wohl an die 80 Schwei­ne, die aus Freiheits­drang hin und wieder bei der Familie Mannes um Famili­en­an­schluss oder nur um schnö­des Futter bettelten ☺.

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Baracken­plan im Brunkel aus Bericht 316 (Archiv HVO)

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Das heuti­ge Haus für unsere Flücht­lin­ge und das alte Verwal­ter-Haus (Archiv Müller)

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Mit Blick auf die Bahnli­nie mit dem Seitz’schen Haus von links nach rechts: Hr. Schie­we, Hr. und Fr. Hillmer bei den wirklich wichti­gen Dingen des Lebens (Archiv Holdenried)

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Holden­rieds… mit Kinder und Tauben (Archiv Holdenried)

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Holden­rieds… mit Kinder und Ziegen (Archiv Holdenried)

Kapel­len­weg Haus Nr. 23 – Das Haus des Gutsver­wal­ters Ludwig Schmid. Dazu hat mir Anne Besemer geb. Schmid (ein fesches Mädel, ich kenne sie aus ihrer Zeit als Ferien­ar­bei­te­rin bei Leitz) folgen­des geschrie­ben: „Mein Vater wurde am 11.11.1954 als Gutsver­wal­ter der Firma Bäuerle einge­stellt. Die Firma betrieb den Gutshof, der damals der größte in Oberko­chen war, weil der/die Firmen­in­ha­ber wohl große Freude an Natur und Tieren hatte/n. Zum Gut gehör­ten ein Schweine‑, ein Hühner und ein Kuhstall. Zudem bewirt­schaf­te­te mein Vater 125 Ha. Acker­land. Es gab viel Grünland, starke Hänge und keine Arron­die­rung. Dadurch war die Bearbei­tung mit dem wenigen, aber verläss­li­chen Perso­nal extrem schwie­rig. Für uns als Familie bedeu­te­te das, dass mein Vater keine Ferien machte und 7 Tage die Woche arbei­te­te. Mein Vater leite­te das Gut mit großer Leiden­schaft, als wäre es sein eigener Besitz (vielleicht verstand die ältere Genera­ti­on den Begriff Verant­wor­tung anders als wir heute). Rückbli­ckend muss ich trotz­dem sagen, dass mein Bruder und ich eine schöne Kindheit hatten, weil wir viel draußen spielen konnten und der Umgang mit Tieren für uns etwas Norma­les war. Im Jahr 1979 gab die Firma das Gut auf und die Stadt übernahm das Gut für 2 Jahre. Die Aufga­be des Gutes war für meinen Vater sehr schwer und es machte ihn sehr traurig. Ich denke, dass er in den Jahren davor viel für die Natur in Oberko­chen hat machen können.“

Kapel­len­weg Haus Nr. 24 – Das „Geburts­haus“ der Oberko­che­ner Disco MLE im Keller der Familie Seitz. Dazu gab es im Oktober den Bericht 664 vom „Jagger“ (dem Sohn vom Jäger Jäger).

Kapel­len­weg Haus Nr. 28 – Das Mannes-Haus, das die Heimat von Willi­bald und Marie­an­ne Mannes und ihrer 3 ausge­spro­chen hübschen Töchter Monika, Barba­ra und Chris­ti­ne. wurde. Hier konnte Willi­bald jun. seinen Neigun­gen nachge­hen und sein künst­le­ri­sches und techni­sches Poten­ti­al ausle­ben. Treppen, Bücher, Semina­re, Bilder, Kommu­nal­po­li­tik – das war seine Welt. Heute lebt er, über 90jährig, in seinem Haus ein zufrie­de­nes Pensio­närs­le­ben und trotz seiner Alters­be­schwer­den wirkt er recht glück­lich und zufrie­den und „arbei­tet“ immer noch an seinen Projek­ten. Auch im Haus meiner Eltern befin­den sich eine Treppe und eine schöne Glastür, die von seiner Werkstatt geschaf­fen wurde. Sein Haus war auch für mich ein großer Anzie­hungs­punkt, wohnte dort doch meine erste Schüler-Liebe: Seine 2te Tochter Barba­ra. Es machte mich schon happy wenn ich ihren Schul­ran­zen nach Hause fahren und bei der Oma oder Mutter abgeben durfte. Das dazuge­hö­ri­ge Gelän­de befin­det sich derzeit im Umbruch und es entsteht wieder etwas Neues. Zu diesem Gebäu­de hat mir meine liebe Schul­freun­din Bärbel Mannes ihre Erinne­run­gen geschickt: „Mein Eltern­haus im Kapel­len­weg war das letzte Wohnhaus in dieser Straße. Gegen­über war ein Bauern­hof mit einem Schwei­ne­stall, aus dem wir des Öfteren die Schwei­ne grunzen hörten und es dort mitun­ter auch ordent­lich stinken konnte. Eine Zeitlang gab es auch Pferde, die hin und wieder Reißaus nahmen und im Galopp durch den Kapel­len­weg geschos­sen sind. In meiner wunder­vol­len Kindheit in den 50ern, die ich im Brunkel verbrin­gen durfte, gab es viele Kinder im Kapel­len­weg. Und da es kaum Verkehr auf der Straße gab, denn die Asphal­tie­rung endete hinter Vater’s Werkstatt, konnten wir auf der Straße spielen und machten davon auch reich­lich Gebrauch mit Fußball, Feder­ball, Fangen und Verste­cken. Sonntags ging es oft auf dem geschot­ter­ten Weg direkt zum Stadi­on um Sport­fes­te oder Fußball­spie­le anzuschau­en. Oberko­chen war einmal eine Adres­se im baden-württem­ber­gi­schen Fußball­ge­sche­hen. Dabei traf man sich im Clubhaus um alles nach zu bespre­chen. Für uns Kinder sprang dabei meist eine Libel­la heraus. Gerne erinne­re ich mich auch an die Schee­rer-Wiese. Dort gab hin und wieder ein kleiner Zirkus sein Stell­dich­ein. Wenn wir dort mitge­hol­fen hatten, was immer hoch inter­es­sant und aufre­gend war, bekamen wir manch­mal Freikar­ten geschenkt. Ich bin ein Kind des Brunkels und habe dort gerne gelebt.“ Wenn wir über Willi­bald Mannes sprechen, müssen wir auf sein Lebens­werk näher einge­hen. Ich will das auf folgen­de Weise tun. In diesem Bericht gebe ich eine grobe Zusam­men­fas­sung und in der Inter­net­ver­si­on auf der Website des Heimat­ver­eins gibt es detail­lier­te Aufstel­lung über sein Lebens­werk, die wir Barba­ra Mannes verdanken:

„Willi­bald wurde am Fronleich­nams­tag 1925, dem 11. Juni, in Oberko­chen geboren. Nach Volks­schu­le und Zimmer­leh­re, die er 1941 beende­te, musste auch er in den Krieg ziehen und kehrte 1946 in seinen Heimat­ort zurück und begann als Zimmer­ge­sel­le im väter­li­chen Betrieb. Es folgten Meister­prü­fung und die Befähi­gung als Gewer­be­schul­leh­rer sowie die Eintra­gung als Archi­tekt. Sein eigen­stän­di­ges Archi­tek­tur­bü­ro bestand bis 2006. Eine reiche Lehrtä­tig­keit machte ihn weit über die Grenzen in Europa als „den“ Treppen­bau­er bekannt. Dazu kam eine umfang­rei­che schrift­stel­le­ri­sche Tätig­keit beglei­tet von der Erstel­lung von Lehrfil­men zum Treppen­bau. Umfang­rei­che Tätig­kei­ten in Ausschüs­sen, Gründung von Freun­des­krei­sen und Initia­tor zahlrei­cher Ausstel­lun­gen im deutsch­spra­chi­gen europäi­schen Raum zeigten sein Wirken im Bereich des kunst­werk­li­chen Treppen­baus. Dazu kommen noch 33 Jahre kommu­nal-politi­sche Tätig­keit als Gemein­de­rat seiner Heimat­ge­mein­de. Dieses gesam­te Lebens­werk fand auch Ausdruck in zahlrei­chen Ehrun­gen und Auszeich­nun­gen die er erfah­ren durfte. Wir können als Oberko­che­ner auch ein wenig stolz darauf sein, einen Mitbür­ger in unseren Reihen zu haben, der mehr in sein Leben hinein­ge­packt hat als norma­ler­wei­se möglich ist.“

Tabel­la­ri­scher Lebens­lauf von Willi­bald Mannes (zum PDF bitte klicken)

Die Schee­rer-Scheu­er – vielen ist vermut­lich unbekannt ist, dass diese Scheu­er das Meister-Stück (aber ohne Konstruk­ti­on, es ging nur um den Aufbau) des jungen Willi­bald Mannes war und daher ist es schon ein Vermächt­nis, das erhal­ten werden muss.

Das Dr. Sußmann-Haus in der Bahnhofstr. 15 – Die Lage ist grenz­wer­tig, aber wir nehmen es mal zum Brunkel dazu. Hier betrieb Dr. Eberhard Sußmann, als erster nieder­ge­las­se­ner Arzt nach dem Krieg von1945 bis 1984 eine Arztpra­xis (siehe dazu den ausführ­li­chen Bericht 576). Als Kinder standen wir immer voller Staunen vor seiner Garagen­tür, die sich durch „Zaube­rei“ automa­tisch öffne­te und schloss.

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Das Sußmann’sche Haus (Archiv Müller)

Das Mehrfa­mi­li­en­haus in der Bahnhofstr. Haus Nr. 19 – Auch dieses Haus nehmen wir dazu. In diesem Haus wohnten einige Bahnler wie z.B. der bekann­te und belieb­te Hans Frank mit seiner Familie.

Der katho­li­sche Fried­hof wurde 1851 an die Bahnli­nie verlegt. Reste in Form von Grabplat­ten aus alter Zeit, als der Fried­hof noch im Ort nahe der Kirche war, finden sich an der Grund­mau­er der Kirche am Mühlber­ge­le und im Hof der Sakris­tei. Die erste Verstor­be­ne, die dort beerdigt wurde war Katha­ri­na Betzler.

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Eingang zum Katho­li­schen Fried­hof (Archiv Müller)

Die Wiesen­ka­pel­le wurde 1750 unter Pfarrer Scher­ren­ber­ger errich­tet und war fast 200 Jahre lang ein gelieb­tes Heilig­tum der Gemeinde.

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Die Wiesen-Kapel­le mit Engelsteig­weg (Kreuz­weg­sta­tio­nen) um 1847 (Archiv HVO)

Gravie­ren­de Veränderungen

erfolg­ten während und nach dem Krieg durch Ansied­lun­gen unter­schied­lichs­ter Art. Die Fa. Bäuerle unter­hielt Baracken zur Unter­brin­gung von Zwangs­ar­bei­tern und Kriegs­ge­fan­ge­nen. Es entstand der Landwirt­schaft­li­che Betrieb, das Sägewerk und die Schrei­ne­rei der Firma Bäuerle (Hier verdien­te ich 1967 und 1968 in den Ferien mein erstes Geld. Dort lernte ich von den Arbei­tern körper­li­che Arbeit, aber auch wie man sich zwischen den Holzsta­peln verdrü­cken konnte und wie man über das Stempeln etwas dazuver­die­nen konnte ohne anwesend zu sein. Es herrsch­te in bestimm­ten Berei­chen eine allzu große Locker­heit und schein­bar wenig Kontrol­le. Die Arbeit an der Gatter­sä­ge war laut, nicht ungefähr­lich, aber spannend. Da die Langholz­wa­gen immer wieder Proble­me mit der Zufahrt zum Sägewerk hatten, musste die Wiesen­ka­pel­le weichen.

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Die Baracke 4 (der späte­re Saustall) und die Wiesen-Kapel­le vor dem Abbruch (Archiv HVO)

Der Abbruch erfolg­te im Jahr 1951 und als Ersatz wurde auf Kosten der Indus­tri­el­len­fa­mi­li­en Albert und Otto Bäuerle die Maria-Schutz-Kapel­le im Weingar­ten gebaut.

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Die Maria-Schutz-Kapel­le im Weingar­ten im Winter 1958 (Archiv Rathaus) (vom Mahd aus gesehen)

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Die Maria-Schutz-Kapel­le im Weingar­ten (Quelle: www.kath-kirche-oberkochen.de/Kapellen.html)

Des Weite­ren wurde im Brunkel die Zimme­rei Mannes gegrün­det und erleb­te nach dem Umzug in die neuen (uns heute bekann­ten Gebäu­de) einen rasan­ten Aufschwung und wurde zu dem Zentrum der Treppen­bau­kunst in Deutsch­land. Auch die erste Apothe­ke am Ort von Ulrich Irion fand sich im Brunkel. Die Küferei und Moste­rei Wunder­le hatte dort ihre Heimat wie auch das Töpfer­hand­werk der Elmers. Wir denken auch an Johann Schoch, der als Bohrer­ma­cher in der Mühlstr. 5 sein Auskom­men suchte. Des Weite­ren waren angesie­delt der Schnei­der Fischer, der Schus­ter Benz, Frisör Schus­ter, die Hebam­me Holz (siehe Bericht 657), Gärtner, Toten­grä­ber, Bahnbe­am­te, Postbo­ten, Polizis­ten sowie der der erste Carl Zeiss Kindergarten.

Der offene abgestell­te Güterwaggon

auf Höhe des Kaltwalz­wer­kes (heute Wälzholz) war das Domizil des Modell­ei­sen­bahn­clubs Oberko­chen (vorher stand der Waggon auf den Gleisen auf Höhe der Firma Bäuerle), bei dem auch unser Mieter Hermann Schim­mel Mitglied war. Wir waren damals ungefähr 12 Jahre jung und hatten manch­mal ganz schönen Blödsinn im Kopf – alters­ge­mäß halt. Vermut­lich fühlten wir uns wie Jesse James bei einem Zugüber­fall. Näher will ich darauf nicht einge­hen und Namen und Taten tun hier nichts zur Sache. Eines Tages fanden wir bei unseren Streif­zü­gen im Brunkel den Waggon unver­schlos­sen, wir öffne­ten die Tür, stiegen hinein und sahen eine im Bau befind­li­che Modell­ei­sen­bahn, die wir mit kindli­cher Begeis­te­rung bestaun­ten. Über weite­re Taten in diesem Umfeld legen wir den Mantel des Schwei­gens. Jeden­falls hat mein Vater in einem inten­si­ven Gespräch mit dem Bahnhofs­vor­ste­her Feil dafür gesorgt, dass unser Verge­hen famili­en­in­tern geregelt wurde – dafür sei nachträg­lich gedankt. Der Verein konnte 1960 mit Stolz darauf verwei­sen Europas größte Modell­ei­sen­bahn zu besit­zen. Heute gehört dieses Privi­leg dem Minia­tur­wun­der­land in Hamburg.

Chris­toph Stumpf

wurde während seiner Studen­ten­zeit von 1972 bis 1976 öfters als Aushilfs­brief­trä­ger im Bezirk 6 einge­setzt. Der Weg begann gleich hinter dem Postamt im Kappelen­weg und endete nach 10 km auch wieder dort. Als Brief­trä­ger erlebt man natür­lich einiges und so berich­tet Chris­toph über zwei Erlebnisse.

Episo­de 1: Bei meiner ersten Zustel­lung traf ich im damali­gen Carl Zeiss Kinder­hort im Kapel­len­weg 3 ein, wurde von den Kindern gemus­tert und von einem vorwit­zi­gen Buben begrüßt: „Du bisch aber net oanser Boscht­moa. Der sieht andersch aus ond hoat a Botsch­kapp‘ auf.“ Da erklär­te ich dass ich für Herr Hohei­sel die Urlaubs­ver­tre­tung sei. Die Kinder waren zufrie­den und freuten sich. Frau Gläske ließ die Kinder das „Brief­trä­ger­lied“ schmet­tern und ich war gerührt, wusste gar nicht was ich sagen sollte und verab­schie­de­te mich bis zum nächs­ten Mal.

Episo­de 2: Ein paar Schrit­te weiter warte­te schon der Müller­meis­ter und Ökonom Hans Schee­rer auf die Post. Wir kannten uns schon lange, da wir Buben doch schon immer, von dem Mühlen­rad faszi­niert, dort öfters gespielt hatten. Er hatte immer Zeit und ich habe ihn nie in Eile erlebt und so war immer Zeit für ein Schwätz­chen, argwöh­nisch von seiner Schwes­ter Lisbeth beobach­tet. Nachdem ich ihm sagte, dass ich Wirtschafts­wis­sen­schaf­ten studie­re stell­te sich heraus, dass er über profun­de volks­wirt­schaft­li­che Kennt­nis­se verfüg­te. Im Laufe der Zeit erläu­ter­te er mir seine Theorie über den Zusam­men­hang zwischen der Verän­de­rung der Getrei­de­prei­se und der weltwirt­schaft­li­chen Gesamt­ent­wick­lung. Das Highlight war aber sein Unimog aus der ersten Produk­ti­ons­se­rie und ich denke, dass er genau wusste was für einen „Schatz“ er da sein eigen nennen durfte. Kurz gebaut, mit sehr hoher Boden­frei­heit auf schma­len Rädern, ein kanti­ges sparta­nisch ausge­stat­te­tes Fahrer­haus, in dessen Mitte sich der Kühler als Heizung befand, auf dessen Obersei­te ein Thermo­me­ter montiert war, dass die Kühlwas­ser­tem­pe­ra­tur anzeigt – jetzt komme ich aber ins Schwär­men. Dann entschwand er sozusa­gen als Brunkel­sches Gesamt­kunst­werk auf seinem Unimog und fuhr davon. Ein Wort noch zu seinem Hofhund, einem Spitz. Ein schlau­er Hund, denn er erkann­te mich als Aushil­fe an und ließ mich in Ruhe. War aber eine Uniform oder ein gelbes Postau­to zu sehen tat er seine Pflicht und ging laut bellend sofort zum Angriff über. Meister Schee­rer lächel­te und sagte nur leise „brav“.

Ein kleiner Versuch

den Brunkel zu verschö­nern wurde 1959 unter­nom­men. Die Stadt spendier­te einen Brunnen, der inzwi­schen etwas „arg verges­sen“ ausschaut. Da müsste etwas Neues entste­hen was den Brunkel im Kleinen reprä­sen­tiert mit 2 Bänkchen zum Ausruhen.

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Neuer Brunnen im Brunkel mit den VIP’s v.l.n.r: Anton Balle, Johan­nes Feil, Josef Krok, Willi­bald Mannes, NN,NN, Gustav Bosch, NN mit Haus Nr. 3 im Hinter­grund (Archiv Rathaus)

Nicht zu vergessen

der etwas eigen­tüm­li­che Kreisel mit dem Baum in der Mitte. Bei der Straßen­sa­nie­rung vor einigen Jahren stand wohl das Fällen dieses Baumes zur Diskus­si­on. Das ging und geht natür­lich nicht, denn hier stand in vergan­ge­nen Zeiten unter dem Kreuz öfters einer der vier Fronleichnam-Altäre.

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Fronleich­nams-Altar am Brunkel-Kreisel (Archiv Holz)

Symbo­le sollten, so weit möglich, immer erhal­ten bleiben. Auch der Engelsteig­weg ist nahezu aus dem Bewusst­sein der Bürge­rIn­nen verschwun­den. Er begann auf Höhe des Kapel­len­wegs Haus Nr. 16 / 18 und verlief in Richtung Schwörz mit allen 12 Kreuz­weg­sta­tio­nen. Der heuti­ge Kreuz­weg findet sich zwischen städti­schem Fried­hof und der Maria-Schutz-Kapel­le im Weingar­ten, den seiner­zeit Pfarrer Snoeren nach der Restau­ra­ti­on der Statio­nen dort errich­ten ließ.

Verbleibt noch das Scheerer-Areal

zu dem noch einiges zu berich­ten ist. In der Bevöl­ke­rung lange Zeit ein Zankap­fel, über den lange inten­siv und querbeet kontro­vers disku­tiert wurde. Jetzt erfährt dieser Teil des Brunkels eine Aufwer­tung wie uns sicher die feier­li­che Eröff­nung mit dem an diesem Wochen­en­de statt­fin­den­den Weihnachts­markt zeigen wird. Eines Tages werden die Diskus­sio­nen Vergan­gen­heit sein und man wird froh sein, diesen Bereich geschaf­fen zu haben. Über die Bedin­gun­gen der Vermie­tung wird in Zukunft sicher noch zu sprechen sein. Ich habe dieses Viertel schon immer geliebt und bin da oft zu Fuß, mit dem Fahrrad und später auch (bis heute) mit meiner Kamera herum­ge­zo­gen – immer auf der Suche nach inter­es­san­ten Motiven. Aus meiner Kindheit ist mir natür­lich noch Hans Schee­rer mit seinem Unimog in Erinne­rung geblieben

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Vermut­lich Scheerer’s Unimog im Jahr 1954 vor der Bäcke­rei Ficht­ner im Dreißen­tal (Archiv Rathaus)

– ein Fahrzeug, das heute noch von vielen heiß und innig geliebt wird. Oberko­chen wurde erstmals 1335 urkund­lich erwähnt und die erste Mühle geht auf das Jahr 1358 zurück. Aus dem Mühlen­buch sind also fast alle Müller von Beginn an ersichtlich:

bis 1389 – Besit­zer unbekannt
1390 – Ravnest, Johann
1427 – Höfer, Johann
1478 – Wünsch, Konrad
1527 – Schnepf, Hans / Ravnest, Jeremi­as
1691 – Ravnest, Georg / Ravnest, Wigli­aus / Blezin­ger, Johann Georg
1750 – Blick­lein, Chris­ti­an
1760 – Kienin­ger, Franz
1765 – Schee­rer, Joachim / Schee­rer, Franz
1800 – Grupp, Joachim
1830 – Stadel­mai­er, Josef
1877 – Schee­rer, Kaspar (Großva­ter von Hans Schee­rer)
1908 – Schee­rer, Kaspar (Vater von Hans, Elisa­beth und Emil Schee­rer)
1963 – Schee­rer, Hans und Elisa­beth
1990 – Schee­rer, Elisa­beth-Pauli­ne
2001 – Schult­ze, Sebas­ti­an (Großnef­fe von Hans und Elisa­beth Schee­rer)
Gentsch, Harald als Verwal­ter des Areals, da Sebas­ti­an nicht volljäh­rig war
2003 – Stadt Oberko­chen erwarb das Areal
2004 – Übernah­me durch neu gegrün­de­ten Mühlenverein

Der Brunkel, ein Misch­ge­biet aus Wohn- und Gewer­be­häu­sern, so sieht es aktuell aus, ist wieder mal im Umbruch und wird sich weiter­hin durch Altes und Neues, Moder­nes und Überkom­me­nes, Erhal­tens­wer­tem und zur Erneue­rung Anste­hen­dem auszeich­nen, er wird mit Durch­gangs­ver­kehr leben müssen und er wird im Laufe der Jahre die letzten leben­den „Origi­na­le“ verlie­ren. Auch deswe­gen schrei­be ich heute über den Brunkel bevor wieder alles in Verges­sen­heit gerät weil wir irgend­wann die Alten nicht mehr befra­gen können. Der neuen Begeg­nungs­stät­te wünschen wir alles Gute und viele schöne spannen­de Begeg­nun­gen und erfolg­rei­che Veranstaltungen.

Herzli­che Grüße vom Sonnen­berg an den Brunkel und die gesam­te freund­lich unter­stüt­zen­de Leser­schaft
Ihr Wilfried Billie Wichai Müller 

Nachtrag zu Bericht 667 über d’r Brunkel

1) Ich traf des Tritt­lers Done mit seiner lieben Mone und er ergänz­te noch, dass die Wiesen im Brunkel einst als Versuchs­feld für eine Eisbahn dienten. Es wurden kleine Erdwäl­le errich­tet, das innere Feld mit Wasser geflu­tet – nur konnte man danach nicht Eislau­fen, weil jeder Grashalm von einer Eishül­le umgeben war und das ganze vermut­lich mehr wie eine eisiges Stalag­mi­ten­feld aussah. Schön war es bestimmt, aber eben nicht zu gebrau­chen. Heute haben wir zwar eine Eisbahn, aber mangels dazu passen­der Winter sieht man sie nicht.

2) Natür­lich wurde der unabsicht­lich versteck­te ☺ Bild-Fehler zur Kapel­le im Weingar­ten von Ludwig Burghard sowie Rudi und Helga Fischer entdeckt. Es handelt sich tatsäch­lich um den Blick vom Mahd aus. Vielleicht sollten wir öfters einen Fehler verste­cken, denn das erhöht deutlich die nachträg­li­che Kommunikation ☺ ?

3) Des Weite­ren wurde aufge­deckt, dass der Küfer­meis­ter auf dem Bild mit den Fässern der Adolf Wunder­le ist.

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