Das recht markan­te Gedicht von Bürger­meis­ter Gustav Bosch aus den Sechzi­ger­jah­ren des letzten Jahrhun­derts hat einen weite­ren meiner ehema­li­gen Schüler veran­lasst, zur Feder zu greifen und dem Heimat­ver­ein aus Berlin 2 Episo­den zuzusen­den, die auf die Zeit seiner Ausbil­dung am Oberko­che­ner Rathaus zu den Tagen von Gustav Bosch zurück­ge­hen. (D.B.)

Kommu­na­le Nachbarschaftspflege

In den Jahren 1969/1970 war ich im Rahmen meiner Ausbil­dung als Stadt­in­spek­tor­an­wär­ter bei der Stadt­ver­wal­tung Oberko­chen beschäftigt.

Beabsich­tig­te eine Kommu­nal­ver­wal­tung seiner­zeit die Erhöhung von Abgaben, wurde im Vorfeld der Beratung eine Umfra­ge bei den umlie­gen­den Gemein­den über deren Stand der Abgaben­hö­he durch­ge­führt. Lag die geplan­te Erhöhung des Steuer­he­be­sat­zes oder der Gebüh­ren und Beiträ­ge unter­halb des ermit­tel­ten Durch­schnitts der Nachbar­ge­mein­den, hatte der Stadt­käm­me­rer ein überzeu­gen­des Argument gegen­über dem Gemein­de­rat und den Abgabepflichtigen.

Auch bei der Stadt Oberko­chen sollte im Jahre 1970 den Stadt­sä­ckel etwas praller gefüllt werden. Mit der Reali­sie­rung der Umfra­ge wurde ich betraut. Die Anfra­gen wurden umgehend gefer­tigt und versandt. Leider sind mir dabei zwei folgen­schwe­re Fehler unter­lau­fen. Erstens hatte ich die Schrei­ben als Auszu­bil­den­der selbst unter­zeich­net, und zweitens hatte ich wohl nicht den richti­gen –forma­len– Ton getroffen.

Jeden­falls reagier­te der eine oder andere Adres­sat etwas befremd­lich; ließ es aber dabei bewen­den, bis auf einen, der hieß Burr und war Bürger­meis­ter in Königs­bronn. Er forder­te eine schrift­li­che Entschul­di­gung. Selbst ein ausführ­li­ches fernmünd­li­ches Gespräch mit dem damali­gen Stadt­käm­me­rer Bahmann konnte ihn nicht umstimmen.

Der Vorgang wurde zur Chefsa­che, und mir blieb eine Unter­re­dung mit Bürger­meis­ter Bosch nicht erspart. Entge­gen meiner Erwar­tung hielt er sich mit mahnen­den Worten zurück und erläu­ter­te mir die formge­rech­te Gestal­tung eines dienst­li­chen Schrei­bens. Sein Vortrag endete mit den kerni­gen Sätzen: „Auf eine schrift­li­che Entschul­di­gung kann er lang’ warten. Sollte ihm die telefo­ni­sche Entschul­di­gung nicht genügen, so soll er uns am Arsch lecken!“

Weder vor noch nach der bürger­meis­ter­li­chen Unter­wei­sung hat mich jemals diese zwar litera­risch verbrief­te, jedoch in Amtsstu­ben unübli­che Grußfor­mel so beein­druckt und zufrie­den gestellt.

Oberkochen

Im alten Rathaus konnte Wolfram Schrö­der nicht mehr seine Ausbil­dung zum gehobe­nen Verwal­tungs­dienst ableis­ten. Er war einer der ersten Stadt­in­spek­tor­an­wär­ter im neu errich­te­ten Rathaus am Eugen-Bolz-Platz.

Grippe­pro­phy­la­xe

Im Herbst 1969 begab sich Bürger­meis­ter Bosch kurze Zeit nach Dienst­be­ginn wieder nach Hause in die pflege­ri­sche Obhut seiner Gattin, um die sich anbah­nen­de Grippe auszu­ku­rie­ren. Als verant­wor­tungs­be­wuss­ter Vorge­setz­ter gab er in Sorge um die Gesund­heit seiner Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter den telefo­ni­schen Rat, man möge vorbeu­gend gegen die Viren einen Grog trinken.

Die Beleg­schaft reagier­te prompt und fand sich zur „Schluck­imp­fung“ im Gemein­schafts­raum ein. Die Herstel­lung der Medizin nahm nur wenig Zeit in Anspruch. Das Mischungs­ver­hält­nis Rum : Wasser beruh­te auf Augen­maß und wurde großzü­gig ausge­legt. In der Messe eines Viermas­ters der mittel­al­ter­li­chen spani­schen Handels­flot­te hat es sicher nicht anders gerochen als an jenem Vormit­tag im vorge­nann­ten Raum.

Da mir rumhal­ti­ge Geträn­ke nicht schmeck­ten, konnte ich mit heite­rem Sinn verfol­gen, wie gehor­sam und beflis­sen, aber auch wie tatkräf­tig und gesund­heits­be­wusst die kommu­na­len Amtsträ­ger ihren Dienst versahen.

Das Zwölf-Uhr-Läuten der Kirchen­glo­cken beende­te die vorbeu­gen­de Maßnah­me. Es war Mittags­pau­se. Die Mehrzahl der Anwesen­den begab sich auf den Weg nach Hause, um das Mittags­mahl einzu­neh­men. Als ich mich zum Dienst­be­ginn um 13:30 Uhr wieder im Rathaus einfand, war die Beleg­schaft ausge­dünnt. Mit dem Beginn des Publi­kums­ver­kehrs um 15:00 Uhr trudel­ten noch ein paar Trink­fes­te ein, um sich mannhaft den Anfor­de­run­gen der Bürger­sprech­stun­de zu stellen. Der Rest ward an diesem Tag nicht mehr gesehen. Statt­des­sen riefen die Ehefrau­en an und beschei­nig­ten ihren Ehemän­nern Dienstunfähigkeit.

Die Weisheit der Frauen trug sicher­lich dazu bei, dass im Hinblick auf eine mögli­che Konfron­ta­ti­on mit allzu kriti­schen Bürgern dem Amt an diesem Nachmit­tag ein Image­scha­den erspart blieb.

Dieser Vorgang war für mich ein Lehrstück. Die Geschwin­dig­keit der Umset­zung einer dienst­li­chen Weisung hängt wesent­lich vom Inhalt und weniger von der Form der Weisung ab.

Wolfram Schrö­der

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