Mit diesem Bericht können – Entschul­di­gung – leider bloß die „Älteren“ etwas anfan­gen. Dieje­ni­gen aber, die etwas damit anfan­gen können, – bei denen leuch­tet ein Licht der Erinne­rung an eine längst vergan­ge­ne Zeit auf: Eine Zeit, zu der die „Zeiss­ler“ noch frühmor­gens, haupt­säch­lich aus Aalen kommend, in unglaub­li­chen Mengen am Bahnhof Oberko­chen aus dem Zug ausstie­gen, oder besser demsel­ben förmlich „entquol­len“, und sich, wie in einer alles beherr­schen­den Flut in die Bahnhofs­stra­ße ergie­ßend, Richtung Zeiss beweg­ten. Dann bogen die Massen kurz recht­wink­lig für wenige Meter nach links in die Heiden­hei­mer­stra­ße ein. Gleich dort, wo von der Heiden­hei­mer Straße die Dreißen­tal­stra­ße recht­wink­lig abbiegt, – am „Rössle“ damals also, – stand ein riesen­gro­ßes dürres die Arme und sich selbst bewegen­des aber unent­behr­li­ches Hinder­nis mitten auf der Straße. Hierbei handel­te es sich um den durch­aus überlan­gen und in seiner Zeit fraglos zum Dorf gehören­den Polizei­wacht­meis­ter Nickel, der in lässig-einsa­mer Überle­gen­heit entschied, wann die wenigen arbeit­ge­ber­mä­ßig bereits auto-besit­zen­den Zeiss­ler, gegen­über dem fast endlo­sen Arbeit­neh­mer­strom die Vorfahrt hatte. Immer wieder nützte „der lange Nickel“, im entspre­chend kurzen Falle von Abgasen umzin­gelt, seine Macht aus, und ließ den Fußgän­gern etwas länger als es den Autos lieb war, die „Vorfahrt“. „Der lange Nickel“ wohnte übrigens, wie alle „alten“ Oberko­che­ner Polizei­wacht­meis­ter, im Haus der Familie Karl Seitz in der Blumen­stra­ße 19.

Im Rahmen eines Schmal­film-Wettbe­werbs, (Doppel-Acht, Farbe), der 1967, also noch zu Dorfens Zeiten, privat zwischen den Herren Dr. Eberhard Sußmann, Dr. Herbert Gebert, Dietrich Hoffmeis­ter und mir veran­stal­tet wurde, habe ich in meinem Film „den Nickel“ kurze Zeit mit erhobe­nem Arm, noch immer größe­re Fußgän­ger­mas­sen, aber deutlich schon mehr Autos dirigie­rend, für meinen Film erwischt.

Außer­dem gibt es einen aus dem Jahr 1952 von Herrn Albert Schlei­cher („Kino-Schlei­cher“) gedreh­ten 16mm-Schwarz-Weiß-Film, den ich 1987 im Gründungs­jahr des Heimat­ver­eins von Herrn Schlei­cher für den HVO erhielt. Dieser Film ist ein echtes Dokument. Auch er ist inzwi­schen natür­lich digita­li­siert. Als wir diesen Film zuletzt im Jahr 2012 im Rahmen einer öffent­li­chen Veran­stal­tung des HVO im Schil­ler­saal vorführ­ten, habe ich die Gelegen­heit wahrge­nom­men, den oben beschrie­be­nen „Zug der Zeiss­ler“ genau anzuse­hen. Dabei fiel mir auf, dass plötz­lich, durch die Menschen­mas­sen hindurch, ein von mir lange, auch schon über „BuG“, gesuch­tes „Objekt“ zu sehen war – und zwar die „Bude der „ENEPEZ“, die mir 1962, als ich nach Oberko­chen kam, sofort aufge­fal­len ist. Sie war an ein freies Wandstück zwischen dem EG-Wohnbe­reich und dem Stall des Hauses Bahnhof­stra­ße 4 des Landwirts Anton Schell­mann gestellt, und in dem Film nicht länger als gerade mal eine Sekun­de lang zu sehen. Wir haben die DVD damals an dieser Stelle kurz auf „Stand“ gestellt, sodass ich mit meiner Kamera ein Foto vom Film machen konnte – offen­bar das einzi­ge, das von der „Enepez“ besteht – 2012 (!) aufgenommen…

Oberkochen

In den frühen Neunzi­gern traf ich in der „Sonne“ mit meinem „Sechs­er­klub“ einmal auf den Oberko­che­ner „Enepez-Club“. Dieser war, obwohl mit spezi­el­ler Kleider­ord­nung verse­hen, wie mir berich­tet wurde, dennoch ohne größe­ren Bezug zu der echten Oberko­che­ner Enepez-Bude beim Skifah­ren in der Schweiz spontan gegrün­det worden, weil man dort, bei Davos, bei der Abfahrt immer an einer kleinen an einen Fels gepäpp­ten Bude vorkam, die die Älteren unter ihnen an die Oberko­che­ner „Enepez“ von einst erinner­te – vermut­lich mehr um des „Schnä­p­les“ als um der „Enepez“ willen, aber immer­hin doch im Geden­ken an ihre Bude.

Die richti­ge Oberko­che­ner „Enepez“, eine eher kräfti­ge Person, habe, so wurde mir jeden­falls berich­tet, gar nicht in Oberko­chen gewohnt, aber in großer Geschäfts­tüch­tig­keit an der richti­gen Stelle zur richti­gen Zeit die richti­ge Bude aufge­stellt. In dieser konnte man so im Vorbei­ge­hen Süßig­kei­ten, Rauch­wa­ren, vor allem Zigaret­ten (angeb­lich sogar einzeln), und Tsche­wing-Gum, wie man sagte, auch Bubble-Gum, und kleine­re Heftchen, (keine Schund­heft­chen !) und eine Zeitung erwer­ben. Ob „es“ auch Alkoho­li­kas gab, habe ich noch nicht nachge­fragt und weiß es deshalb nicht. – Wenn das Wetter es erlaub­te, pfleg­te sie in dörfli­cher Kleidung, oft einen Schurz umgebun­den, auf einem Schemel vor ihrer Bude zu hocken. Die „Enepez“ war auf jeden Fall ein super-oberko­chen-typisches Unikum, das nicht verges­sen werden sollte, und das, auch wenn sie möglich­wei­se keine Oberko­che­ne­rin war, unser Ortsbild in seinem zeitty­pi­schen Umfeld prägte. Wir würden uns freuen, wenn „alte Wissen­de“ noch weiter Wissens­wer­tes zum Fall „Enepez“ in der Bahnhof­stra­ße beitra­gen könnten, – zum Beispiel bis wann „es“ die „Enepez“ gab, und vielleicht sogar, wo sie wohnte.… – und vielleicht doch noch ein Foto…?

Dietrich Bantel

„Enepetz“, hinten mit „tz“, nicht mit „z“

Unser Bericht von der „Enepetz“ (BuG 18.03.2016) stieß auf umgehen­des Echo. – Ein HVO-Mitglied, das nach dem Krieg schon „früh“ nach Oberko­chen gekom­men ist, und das alles „aufhebt“, hatte bereits in seinem Oberko­che­ner Einwoh­ner­buch von 1959 heraus­ge­fun­den, dass „die Enepetz“ keines­falls auswärts gewohnt hat, weil sie in jenem Buch, das schon einen gewis­sen Selten­heits­wert hat, auf Seite 41 in perso­na aufge­führt ist, – und zwar hinten mit „tz“ und nicht bloß mit „z“ geschrieben.

Enepetz, Wilhel­mi­ne (Ludwig), Kaufmanns-Wwe, Dreißen­tal­stra­ße 8

„Die Enepetz“ hat also noch 1959 – 7 Jahre nach dem Schlei­cher-Film – im Haus von Karl und Gertrud Mahler gewohnt. – So ein altes Einwoh­ner­buch ist wirklich Gold wert. Eigent­lich bedau­er­lich, dass sich ein Einwoh­ner­buch heute, laut Auskunft des Bürger­meis­ter­amts Oberko­chen, aufgrund wachsen­der Totalun­voll­stän­dig­keit „nicht mehr lohnt“, weil die Bürger zuneh­mend etwas dagegen haben, dass sie in einem solchen Nachschla­ge­werk aufge­führt werden. Der Heimat­ver­ein Oberko­chen hat ein solch altes Einwoh­ner­buch von Oberko­chen von 1959 erst vor 3 Jahren von Hartmut Fickert, dem schnel­len Ex-Biath­lon-Meister von Oberko­chen, Sohn von Harald Fickert, übereig­net erhal­ten – ein Zeichen dafür, dass das Archiv des HVO dringendst überar­bei­tet und aktua­li­siert werden muss.

Sollten uns weite­re Erkennt­nis­se zur „Enepetz“ bekannt werden, so werden wir diese in „BuG“ unter „Vereins­nach­rich­ten“ und hier auf unserer Homepage veröffentlichen.

Dietrich Bantel

Nochein­mal „Enepetz“

Aus BuG 1964, Beiblatt: „Die Toten der Jahre 1963/64“, entneh­men wir die Lebens­da­ten und das Foto von Wilhel­mi­ne Berta Friede­ri­ke Enepetz, geb. Muravs­ky – 24.1.1900 — 27.12.1963. – Einer unserer Leser glaubt sich zu erinnern, dass die „Enepetz“ nach dem Krieg aus dem „Balti­kum“ (Riga, Haupt­stadt von Lettland) kam. Er musste immer eine „weiße Eule“ für den Opa dort holen und wusste auch, dass Kinder oft etwas Süßes von ihr geschenkt bekamen. Sie sei arm gekom­men, dennoch immer gepflegt geklei­det in oder vor ihrer Bude gehockt, – und arm gestor­ben. – Ein anderer Anrufer teilte uns mit, dass der im Bericht erwähn­te „lange“ Polizist Ludwig mit Vorna­men „Otto“ hieß.

Oberkochen

Dietrich Bantel

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