Heute wollen wir uns mal auf eine Zeitrei­se zum Essen und Trinken ins Schwä­bi­sche begeben. Ziel unserer Reise ist das Erinnern an Gerich­te und Geträn­ke, an Gerüche und Geschmä­cker unserer Kindheit – diese waren oft einge­bet­tet in bestimm­te Feste und andere Gegeben­hei­ten. Deshalb wollen wir uns das Ganze mal im Jahres­kreis­lauf näher betrach­ten. Sollten wir dabei Hunger bekom­men, dann los – selber kochen oder ein gutes schwä­bi­sches Restau­rant in der Umgebung suchen. Eins noch, über Rezep­te wird hier nicht gespro­chen, die gibt es im Inter­net, in Biblio­the­ken und Buchge­schäf­ten zuhauf. Und Bilder wird es auch nicht viele geben. Grund­sätz­lich gilt aber immer: Gleich, ob wir ein Gourmet sind oder nicht, ob wir gerne exotisch oder boden­stän­dig essen – das Essen der Mutter wird immer etwas beson­ders sein und egal wie oft wir es nachko­chen, es wird nicht exakt gleich schme­cken. Vielleicht gehört da mehr dazu – Liebe, Emotio­nen, der Geschmack der einzel­nen Kompo­nen­ten oder der Geruch der Heimat. Als Grund­la­ge Mutter’s Kochkunst betrach­te ich heute das was sie in der Heimat vor dem Krieg,

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Muttis Helfer: Dr. Oetker

bei Dr. Oetker ☺ und auf dem Härts­feld nach dem Krieg mitbe­kom­men hat. Als sie starb habe ich diese Unter­la­gen natür­lich aufge­ho­ben und wir versu­chen uns nach und nach an bestimm­ten Dingen. Vieles kochen wir besser nicht nach, denn die Erkennt­nis­se über Zucker und Fett sind heute doch andere. Halt, bevor ich es verges­se: Das Motto beim Essen lautet natür­lich „Beim Ässa schwätzt mer net“ und „wie mi’r schafft so isst m’r“ (Vielleicht müsste dann manch einer gar verhun­gern ☺. Na denn – Mahlzeit.

Weihnachts­zeit

Mit Beginn der Advents­zeit hielt als erstes der „Azzvenz­kranz“ (einzi­ges schwä­bi­sches Wort mit 4 z) in der Wohnung Einzug. Als nächs­tes begann man mit der Produk­ti­on von Weihnachts­ge­bäck, immer beglei­tet von vorweih­nacht­li­cher Musik aus dem Radio des Vertrau­ens – dem Südfunk. Da Vati dem Härts­feld entsprang und Mutti aus dem Sudeten­land stammt, und dort histo­risch bedingt öster­rei­chisch-ungari­sche Küche vorherrsch­te, brach­te sie das natür­lich mit ein. Also wurde bei uns eine gemisch­te Nahrungs­zu­be­rei­tung gepflegt, die für jeden etwas bereit­hielt worauf wir teilwei­se heute noch „scharf drauf“ sind. Das Weihnachts­ge­bäck bestand daher überwie­gend aus

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weihnacht­li­ches Spritzgebäck

Spritz­ge­bäck, Nougat­stan­gen und Spitz­bu­ben sowie Vanil­le­kip­ferln und Kokos­bus­serln. Für das Spritz­ge­bäck brauch­te man einen Fleisch­wolf, durch dessen verschie­de­ne Schablo­nen der Teig getrie­ben wurde. Daraus entstan­den dann krumme, gerade, geboge­ne, profi­lier­te, glatte Stücke die der Bub Wilfried nach der Backofen­pha­se mit Schoko­la­den­cou­ver­tü­re aus dem Wasser­bad mit einem Pinsel bestrei­chen durfte. Mit dem Zeige­fin­ger die Teigres­te aus der Schüs­sel holen und abschle­cken – ein Hochge­nuss. Natür­lich wurden solche Mengen herge­stellt, dass gesichert war, auch noch die Fasten­zeit damit zu überste­hen. Manch­mal stöhn­ten wir zu Ostern, dass es jetzt aber genug sei. Nachdem der Nikolaus­be­such mit dem üblichen Gedicht-Aufsa­gen und der einge­hen­den Würdi­gung der Einträ­ge im „Schwar­zen Buch“ und der Nicht­be­rück­sich­ti­gung der Einträ­ge im „Golde­nen Buch“ (die doch sicher viel mehr gewesen sein mussten) überstan­den war, ging es mit Riesen­schrit­ten auf die Feier­ta­ge zu. Am Hl. Abend wurde erst unsere „Deutsche Fichte“ in der guten kalten Stub‘ aufge­rich­tet, später gab es eine kurze asiati­sche Plastik­baum-Phase, die durch die Blaufich­te bzw. die Nordmann­tan­ne abgelöst wurde. Nachdem Mutti begut­ach­tet hatte was Vati aufge­stellt hatte (meistens war der Baum aber krumm, wie Bäume und Menschen eben mitun­ter so sind), ging es in der Küche los. Am Hl. Abend gab es bei uns keine großen Aufwän­de. Es wurde Kartof­fel­sa­lat, Brötchen und Saiten­würs­tel gereicht. Dazu gab es Bier für Mutti und Vati sowie Wasser und Sprudel für uns Kinder. Danach gab es Besche­rung und einen langen Spiele­abend. Belieb­te Geschen­ke für Vati war das sog. SKO-Paket (Socken-Krawat­te-Oberhemd). Dazu gab es Knabbe­rei­en und Sekt. An den Feier­ta­gen gingen die Eltern in die Frühkir­che und wir in die letzte Vormit­tags­mes­se. In der Zwischen­zeit wurde in der Küche gezau­bert: Suppe, Festtags­bra­ten, Spätz­le, Salat, viel Soß‘ und ein Nachtisch aus dem Einweck­glas. Am zweiten Feier­tag ging es hinauf aufs Härts­feld um sich beim Clan-Chef zu zeigen. Die Zeit zwischen den Jahren war geprägt vom winter­li­chen Treiben im „Kessel“ und in der „Schlucht“. Die Winter waren schnee­reich und wir gingen erst heim wenn es dunkel wurde.

Kommen wir zu Silves­ter. Meine Eltern pfleg­ten eine inten­si­ve Freund­schaft zum Ehepaar Lucie und Erich Schrö­der aus der Brunnen­hal­de­stra­ße 20 und dazu gehör­te es, dass man sich Silves­ter immer bei uns traf. An Silves­ter gab es nahezu dassel­be wie am Hl. Abend, nur wurden die „Saiten“ gegen „Nacke­te“ (die schwä­bi­sche Kalbs­brat­wurst) bzw. Thürin­ger Bratwürs­te getauscht. Danach wurde fleißig Rommé gespielt, bis man sich um Mitter­nacht zupros­te­te und sich ein gutes neues Jahr wünsch­te. Hin und wieder gab es Tisch­feu­er­werk. Bleiku­gel­gie­ßen wurde wohl auch mal versucht, hat sich bei uns aber nicht durch­ge­setzt. An Neujahr wurde ich vor dem Mittag­essen zum Neujahrs­wün­schen in die Nachbar­schaft geschickt. Da bekam ich einmal bei Dubiel’s eine Cola einge­schenkt. Da wurde mir so schlecht, dass der Nachmit­tag gelau­fen war. Ich mag dieses Getränk bis heute nicht. Beim Trinken würde ich mich durch­aus als „hoikel“ einstu­fen. Ein gutes Bier, ein vorzüg­li­cher Weißwein und hunds­nor­ma­les Wasser. Das langt mir. Da gab es früher schon furcht­ba­re Weine, saure Weine aus herben Lagen, Glykol­wei­ne und Muttis Liebling­s­trop­fen „Himmli­sches Mosel­tröpf­chen“ sowie „Kröver Nackt­arsch“ und „Roter Dornfel­der“ zum Kochen. Da kann ich nur sagen: Es ist doch vieles besser gewor­den. Noch ein Wort zu dem Begriff „zwischen den Jahren“. Da war Mutti schon sehr abergläu­bisch, denn wegen der 12 Rauhnäch­te zwischen 25. Dez und 06. Jan durfte in dieser keine Wäsche aufge­hängt werden. Das gefiel den wilden Reitern nicht und brach­te großes Unglück. Wie gut dass wir heute einen Wäsche­trock­ner haben. Unser Hund Frida bekam am Hl. Abend (also in der Nacht vor der 1ten Rauhnacht) immer einen ganzen Ring Fleisch­wurst, weil in dieser Nacht die Tiere sprechen und wenn das schon so ist, dann sollte Frida ja gut über uns sprechen ☺

Das nächs­te Highlight war Fasching. Nach der Schule habe ich mich als „Doc Holiday“ verklei­det und gegen meinen Bruder Revol­ver­du­el­le im Flur ausge­foch­ten. Mittags gab es dazu oft öster­rei­chi­sche süße Speisen wie Zwetsch­ge­n­knö­del oder Powidl­datsch­gerln und Faschings­krap­fen. Und dann „wollte mer se reilas­se“. Die Karne­vals­um­zü­ge aus dem Rhein­land, die im Fernse­hen live stunden­lang übertra­gen wurden. Am Ascher­mitt­woch ging es in der ersten Schul­stun­de in die Kirche um sich Asche aufs Haupt streu­en zu lassen und die 40tägige Fasten­zeit begann, die nicht enden wollte.

Frühlings­zeit

Karfrei­tag. An diesem Tag herrsch­te absolu­tes Fleisch­ver­bot, wobei das in meiner Erinne­rung für jeden Freitag galt, aber an diesem beson­ders. Für die Protes­tan­ten der wichtigs­te Feier­tag überhaupt. Die Kirchen­glo­cken flogen nach Rom und die Rätschen übernah­men das Kirch­turm­re­gi­ment. Am Karsams­tag war letzte Chance zum Beich­ten und sich zu überle­gen was man eigent­lich beich­ten solle, um nicht zu viele Rosen­krän­ze und Vater-Unser abarbei­ten zu müssen. Die Oster­fei­er­ta­ge brach­ten wieder bestes Feier­tags­es­sen mit Floisch, Spätz­le und viel Soß‘. Aus meiner Sicht muss der tiefe Teller von einem Schwa­ben erfun­den worden sein, um möglichst viel Platz zu gewin­nen – für d‘ Soß zo de Spätzle.

Für den „Weißen Sonntag“ wurde ein 24teiliges Service gekauft, dass zwar heute nicht mehr benutzt wird, ich es aber noch nicht fertig gebracht habe, es zu entsor­gen. Es wurde selbst gekocht mit Unter­stüt­zung aller weibli­chen Famili­en­mit­glie­der, denn das war ein wichti­ges Fest und auswärts essen gehen war schlicht zu teuer. Kirche-Essen-Trinken-Kapel­le-Essen-Trinken-Kirche – am Abend waren dann alle geschafft und der Magen brauch­te sicher eine Porti­on „Sechs­äm­ter­tro­pen oder Echt Stons­dor­fer“ und Klein-Wilfried war mit seinen Geschen­ken (Bücher, Geld und der ersten eigenen Bifora-Uhr aus Schwä­bisch Gmünd) glück­lich und zufrie­den. Übrigens, die Kommu­ni­ons­ker­zen haben wir heute noch.

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Harald und Wilfried mit ihren Kommunionskerzen

Der Ausbruch des Frühlings wurde gesang­lich mit dem Lied „Der Mai ist gekom­men“ und von den Erwach­se­nen mit dem Genie­ßen der Mai-Bowle begrüßt. Dazu ging es vormit­tags auf den Schul­hof um die übliche Gewerk­schafts­ver­an­stal­tung zu besuchen und danach ging es zur obliga­to­ri­schen Mai-Wande­rung zur Theres‘ nach Niesitz.

Sommer­zeit

Der Sommer war geprägt von Schul­fe­ri­en. Urlaub kannten wir nicht. Und in der Sommer­zeit ging es sonntags immer hinauf aufs Härts­feld. Vati’s Chef, der Hr. Baich­le aus Schnait­heim, hatte dort eine Hütte, die wir benut­zen durften. Und so nahmen wir alles mit was man so für ein gutes Picknick alles brauch­te: kalte Schnit­zel, Brot, Kartof­fel­sa­lat, Bier und Sprudel, ein Fußball, das Feder­ball­spiel und die Bild am Sonntag (wegen des Sports für die Männer und des Kreuz­wort­rät­sels für die Mutti). Später musste die Hütte abgeris­sen werden, da sie nicht das amtli­che Bausie­gel trug und somit „schwarz“ gebaut worden war. Schade, das war eine schöne Zeit. Wenn wir zuhau­se blieben wurden auf einem selbst gebau­ten Grill Schwei­ne­hals­stü­cke gegrillt und mit Kartof­fel­sa­lat zusam­men verzehrt. Wobei es harte Diskus­sio­nen gab: Gehören in einen schwä­bi­schen Kartof­fel­sa­lat Gurken­schei­ben? Natür­lich nicht, bis heute nicht – aber Mutti setzte sich hier gegen ihre Männer durch. Zum Nachtisch schnapp­te sich Vati eine große Porzel­lan­schüs­sel und den Autoschlüs­sel und holte mal schnell 20 Kugeln Eis vom Eisca­fe Italia – wie im Schla­raf­fen­land. Belieb­te Ausflü­ge gingen auch in die Zügel­hüt­te, die damals noch völlig anders aussah. Dort wo heute das Wohnhaus und die Gaststät­te liegen war früher nur das Wohnhaus. Gegen­über im Wald gab es ein Ensem­ble, das mir unver­ges­sen ist: Einen offenen überdach­ten Tanzbo­den aus Holz, der bei Bedarf mit bunten Glühbir­nen verziert wurde (z.B. beim Tanz in den Mai). Auf der gleichen Seite befand sich eine mehrstu­fi­ge Terras­se mit gekies­tem Unter­grund und bunten Metall­ti­schen und ‑stühlen und einem Verkaufstand. Man holte sich seine Sachen selbst und genoss den Aufent­halt. Für uns Kinder gab es rosa-gefüll­te Waffeln mit Bluna oder Libella.

Herbst­zeit

ist Ernte­zeit. Es wurde das Ernte­dank­fest in St. Peter und Paul gefeiert.

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Ernte­dank­fest St. Peter und Paul 1958

Auch war Apfel­zeit, des Deutschen liebs­tes Obst. Vati lehrte mich auch das „Gehäu­se“ (also d’r Butza) mit zu essen, denn das sei sehr gesund (das mache ich heute noch). Alle Äpfel wurden zum Moscht-Hug gefah­ren und dort zerquetscht. Danach, abgefüllt in ein großes Holzfass im Keller, glucker­te er so vor sich hin bis er von uns zum Vesper getrun­ken werden konnte. Das ist auch die Zeit für Wild und das gab es immer in der „Grube“ zum Jahres­tref­fen des Kegel­clubs: Rehbra­ten mit Preisel­bee­re, Spätz­le und Soß‘.

Hausschlach­tung

Ich kann mich nur an eine erinnern, die mal unter Aufsicht des Metzger­meis­ters Ernst Engel­fried durch­ge­führt wurde. Das war damals ein Großkampf­tag und zugleich Festtag für die Familie, Freun­de und Nachbar­schaft. Unser „Badezim­mer“ im Keller (bestehend aus Zinkwan­ne und Wasser­kes­sel) wurde umgebaut, damit sie als Metzger­kü­che brauch­bar war. Am Tag der Tage hieß es früh aufste­hen. Meister Engel­fried schicke die Sau mit dem fachmän­ni­schen Schuss aus dem Bolzen­schuss­ge­rät in den Schwei­ne­him­mel. Die Sau bekam zweimal Besuch vom Fleisch­be­schau­er. Das eine Mal als sie noch lebte um sie auf Krank­hei­ten zu unter­su­chen, das andere Mal als sie schon schön zerteilt herum­hing und bekam dann auf alle Teile einen blauen „Unbedenk­lich­keits­stem­pel.“ Alle Helfe­rIn­nen standen parat. Das Blut musste gerührt werden (Igitt, das war gar nicht mein Fall und erst recht nicht die Würste daraus – sehr grenz­wer­tig). Danach wurde, gebrüht, enthaart, gespal­ten, aufge­hängt und weiter­ver­ar­bei­tet. Die Metzel­sup­pe wurde im Wasser­bot­tich gekocht, in dem sonst immer das Badewas­ser erwärmt wurde. Die Männer haben schwer geschafft, die Frauen haben sich um alles drum herum geküm­mert und ich habe die heiß gelieb­te Metzel-Supp‘ geschlürft. Und dann entstan­den alle die Dinge die mir schmeck­ten: Leber­wurst, grobes- und feines Brät (mit viel Suttre), gerauch­ter Schin­ken und Würste usw. usf. Mutti musste dann wie ein Weltmeis­ter einwe­cken: Portio­nier­te Braten­stü­cke mit ferti­ger Soß‘. Daneben lief die Dosen­pro­duk­ti­on auf vollen Touren. Und den ganzen Winter über schmeck­te es im Keller überir­disch gut.

Über die Eintei­lun­gen hinweg

In unserer Küche am Sonnen­berg gab es zwei Haupt­rich­tun­gen – schwä­bi­sche und sudeten­deut­sche Gerich­te. Hier mal ganz kunter­bunt eine, nicht ganz wertungs­freie, Auflis­tung. Als obers­ter Grund­satz galt – ohne Supp‘ geht gar nix! Denn wie sagt schon der Volks­mund: „A rächta Supp‘ hat no koim Depp‘ g’schadet.“

Schwä­bisch: Lensa mit Schbätz­le (sauguat) ond Soita, Buaba­spitz­la, Griabaschneg­ga (uuiuiui), Kuddla (bloß net), Schwei­ne­lend­chen mit Champi­gnons in Rahmso­ße (sehr gut, leider mit grausig einge­leg­ten Pilzen aus dem Glas!), Hefeknepf‘, Schei­ter­hau­fen, Schnei­der­fleck‘; Broat­kar­toff­la, Milch- und Kartof­fel­supp‘, Schlangan­ger , Bruck­höl­zer, Oierha­ber, Maulda­scha, Pfann­a­ku­acha, Flädles­supp‘, eibrenn­ta Griaßsupp‘,

Vesch­ber: Teller­sül­ze, Rettich­sa­lat, Schwarz­wurscht­sa­lat, Rauch­flo­isch, Schwart­a­ma­ga, Leber­käs (warum gibt’s bloß zwoi Randstück‘?), Ripple (esse ich bis heute gerne), Romadur ond Backstoi­käs‘ (ähnelt schon sehr der chemi­schen Kriegs­füh­rung), Fisch aus der Dose, Dreiecks­kä­se von Kraft, Bückling (beson­ders gerne Milcher) vom Kopp in der Heiden­hei­mer Straße.

Sudeten­deutsch: Schnit­zel Wiener Art mit Peter­si­lie­kar­tof­feln, Nockerln und Rinds­gu­lasch (der Himmel auf Erden), gebra­te­ne Leber (von der Rinds­va­ri­an­te hab‘ ich gerne auch roh genascht), Saure Nierle mit Semmel­knö­del (mmhhhh), Lungen­beuschel, Grieß­klö­schen­sup­pe, Roula­den mit Püree (da konnte man herrlich mit der Soße spielen)

Süßes: Träube­les- und Zwetsch­ga­ku­acha, der unver­gess­li­che Apfel­stru­del nach Muttis Art (versucht und nie erreicht), Rehrü­cken, Gugel­hupf und Nusskranz (für meinen Bruder und mich gab es unter­schied­li­che Glasu­ren – Schoko für mich und Puder­zu­cker­zi­tro­ne für Harald). Überhaupt, der Süße von uns zwei Buben ist mein Bruder. Er bevor­zug­te Gummi­bä­ren und er liebte eine Süßspei­se mit der Bezeich­nung „Reis mit Schnee und viel Zimt“ (Milch­reis­auf­lauf mit einer Baiser­hau­be). Wenn ich von der Schule heimkam und sah, dass es Harald’s Lieblings­ge­richt gab war der Tag für mich gelau­fen. Wie konnte man so etwas nur mittags essen?

Mir ässet nass

Des hoißt, älles muaß in oiner Briah schwem­ma, im Kaffee eidongt oder eibroggt wärra ond d‘ Spätz­le ond d’r Gartof­fel­sa­lat müasset au in d’r Soß‘ schwäm­ma. Meine Freun­din wendet sich immer mit Grausen ab wenn alles in der Soß‘ versinkt ☺ Kartof­fel­sa­lat mit Soß? Grenz­wer­tig zum Anschau­en aber grandi­os im G’schmack! Der Kartof­fel­sa­lat muss soich­na­ass und ja net furzd­rog­ga sein und aus saube­ren dünnen Rädle bestehen, vielleicht no mit Spätles­was­ser zom Glänza broacht – dann isch’r saumä­ßig guat.

Kinder­gar­ten

Zur Grund­aus­stat­tung eines Kinder­gar­ten­kin­des gehör­te die Brezel­ta­sche zum Umhän­gen. Da war man wer. Sah aber aus wie jede/r andere auch. Viele von uns hatten das Ding und daher musste man morgens immer zuerst zum Bäcker Ficht­ner oder zum Storchen­bäck um eine trocke­ne Brezel zu kaufen. Dabei war doch die Ecke ganz rechts beim Ficht­ner viel inter­es­san­ter: Gummi­bä­ren, Bären­dreck, Lusch­ter, Brauses­ten­gel und Ahoi-Brause.

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herrli­che versüß­te Kinderzeit

Für mich ging es immer direkt, ohne Umwege und Brezel, in den KIGA mit einem beleg­ten Brot von zuhause.

Jungmän­ner wie wir

gingen mit dem Taschen­geld oder dem Lehrlings­ge­halt in der Regel zur Anna „en da Ochsa“. Wir mussten schließ­lich sparen. „Buaba was wellet‘r?“ fragte Anna’s einzig­ar­ti­ge unver­wech­sel­ba­re Reibei­sen­stim­me. Die Antwort war klar. Konser­va­tiv – a glois Bier ond en Teller Spätz­le mit Soß. Modern – a glois Bier ond en Teller Pommes mit Salz. Auswärts war der „Union-Grill“ in Aalen angesagt – mit dem Schla­ger der 60er – der Curry­wurst. Das Beste aber war ein Pils, ½ Hähnchen und Pommes im Café Muh (einfach grandios).

A rei’geschmeckte Wurscht

war natür­lich die Thürin­ger Rostbrat­wurst über die noch heute gestrit­ten wird, ob die Oberko­che­ner Versi­on überhaupt eine richti­ge sei. Ob nicht die vom „Zimmer­mann“ besser war als die vom „Lerch“ und ob die beste nicht doch aus Appol­da oder Ascha­ra kommt. Einen Überblick hat sicher der „Wurst­flüs­te­rer“ Rolf Schmau­der, der überall herum kommt und landauf landab die Würste testet. Der weiß es bestimmt. ☺ Und dann noch „Gaffee und Guuchen“, und das auch noch unter d’r Woch‘. Ohne konnten die Dhürin­ger nich gämpfen – weeste.

Vesper­zeit – heili­ge Zeit

Eines gilt es zu beden­ken. Um 9 Uhr ruft man nicht an! Wir sind fleißig, schaf­fet viel und beim Vesch­ber verstan­det mir koin Spaß. Wenn man um 6 Uhr oder um 7 Uhr anfängt brauchet mir oifach vor dem Mittag­essen ein Vesper. Auch wenn heute erst um 8 Uhr oder um 8:30 Uhr mit der Arbeit begon­nen wird – um 9 ist Vesper­zeit. Da findet keine Bespre­chung statt, da wird nicht telefo­niert: Da wird g’veschpert ond g’schwätzt. Da sorgt schon die IGM dafür dass das so bleibt. Und wenn dann doch der Kolle­ge aus der Schwei­zer Vertriebs­toch­ter anruft und es gefühl­te 100 Mal klingeln lässt dann wird er schon mal als „Schoaf­seg­gel“ tituliert. In alter Zeit gab es noch die 4‑Uhr-Vesper aber solang‘ schaf­fet mir nemmä, dass des au no goat.

Fress­wel­le in den 50ern und 60ern

Der Krieg war lange vorbei und verges­sen, die Wirtschaft brumm­te, Ehrhardts Zigar­re dampf­te und der Geldbeu­tel klingel­te. Und da jeder Mann so gesund ausse­hen wollte wie unser Wirtschafts­mi­nis­ter wurde die Fress­wel­le erfun­den. Es wurde gekauft und aufge­tischt was das Zeug hielt: Braten und Spätz­le, Roula­den und Klöße, Hawaii­toast, Schnitt­chen, Schwarz­wäl­der Kirsch, Zitro­nen­schnit­ten und Butter­creme­tor­ten. Es war ein Schmaus – bis der Herr des Hauses so aussah dass sich der Onkel Doktor gezwun­gen sah ihn zur Kur zu schicken. Dabei hat er zwar für 2 geschafft aber halt auch für 2 geges­sen. In diese Zeit gehör­te natür­lich auch der selbst herge­stell­te Eierli­kör, der in Schoko­be­chern serviert wurde, die nach dem Genuss geges­sen werden konnten. Damals schon nachhal­tig. Natür­lich began­nen auch sonntäg­li­che Ausflü­ge mit dem Auto in die nähere Umgebung, denn man konnte sich ja jetzt etwas leisten. Groß mussten die Portio­nen sein und groß die Teller. Hier seien stell­ver­tre­tend für viele die „Atten­ho­fe­ner Schnit­zel­bank“ und der „Pflug“ aufge­führt. Das erste kulina­ri­sche Highlight in meinem Leben war ein Besuch, auf Einla­dung von Opa und Oma, des Restau­rants „Grauleshof“ in Aalen. Ich bestell­te ein Pfeffer­steak mit grünem Pfeffer auf Sahne­so­ße und Pommes. Ein Gedicht – so etwas kannte ich von zuhau­se nicht.

Lebens­be­glei­tend

Ich muss ja schon geste­hen, dass „gut essen“ für mich eine Lebens­qua­li­tät ist. Nahrungs­auf­nah­me genügt mir nicht – ich speise gerne. Dafür lasse ich auch gerne etwas mehr sprin­gen. Die ältes­te Erinne­rung dazu reicht weit in die 60er hinein, als Vati ein paar Monate arbeits­los wurde. Mutti klärte uns auf, das wir jetzt sparen müssten und ich erklär­te ich mit fester Stimme: „Aber bitte nicht am Essen“. Das war doch mal ein klarer Stand­punkt. Als ich 1969 beim Leitz anfing und mein erstes Lehrlings­ge­halt bekam ging ich als erstes allei­ne in den „Falken“ nach Aalen und bestellt mir „½ Dutzend Weinberg­schne­cken, ein Wildschwein­steak mit Spätz­le und Soß‘ und eine Birne Helene“. Was einem wichtig ist, darf auch etwas kosten. Mir graust es jedes Mal wenn ich am alten „Falken“ vorbei­kom­me und die Verschan­de­lung durch das „Casino“ sehe. Hier ist es leider nicht gelun­gen eine Aalener Insti­tu­ti­on am Leben zu erhal­ten. Bis heute betrei­be ich in ganz Süddeutsch­land ein „Zwiebel­roscht­bra­ten-Studi­um“ und habe da eine eigene Ranking-Liste erstellt. Hier gibt es für mich eine klare Unter­schei­dung „aus der Pfann‘ mit g’röschdete und vom Grill mit g’dünschtete Zwiebla“.

So, das war’s für heut‘. Hat’s g’schmeckt? Isch es rächt g’wäsa? Hemmer’s nonder­broacht? Hat m’r s ässa könna? Noa isch‘s recht. In diesem Sinne – gehen Sie mal wieder gut schwä­bisch essen. Da gibt es in der Umgebung reich­lich Gelegenheit.

Kulina­ri­sche Grüße vom Sonnen­berg – Ihr Wilfried Billie Wichai Müller vom Sonnenberg

PS: An dieser Stelle möchte ich mal bei allen meinen LeserIn­nen bedan­ken, die durch Emails oder bei Gesprä­chen auf der Straße kundtun, dass sie das gerne lesen wie und was ich schrei­be. Das freut den Autor, denn das entspricht dem Applaus für den Bühnen­künst­ler. In diesem Sinne, bleiben Sie weiter bei der Stange und schrei­ben Sie mir weiter­hin was sie gut oder auch nicht so gut finden.

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