Nochmal zu Wilhelm Spieg­ler (1912 — 1988)

Vor wenigen Tagen erhiel­ten wir aus der „Neuen Welt“ einen Brief der Enkelin eines Alt-Oberko­che­ners herüber in unsere „alte Welt“. Frau Gerda Willis kommt – wie einst ihre verstor­be­ne Mutter – aus Sao Paulo in Brasi­li­en immer wieder hierher auf Besuch nach Oberko­chen. So bleibt auch der innere Kontakt zu ihrem Großva­ter Wilhelm Spieg­ler aufrecht erhal­ten, der noch im 1937 erschie­ne­nen Einwoh­ner­buch des Kreises Aalen aufge­führt ist, mit der Anschrift „Oberko­chen – Bergstra­ße 303 , Mecha­ni­ker-Meister“. Die damali­ge „Bergstra­ße“ war – wie wir in unserem Bericht 645 vom 16.10.2015 darge­stellt haben, die heuti­ge Volkmars­berg­stra­ße. Wilhelm Spieg­ler, kann man mit Fug und Recht als umtrieb­sa­men „Difte­le“ im besten Sinn, also einen prakti­schen Erfin­der­geist, bezeich­nen. Wir haben über ihn in unserer heimat­kund­li­chen Amtsblatt-Serie schon vor ca. 17 Jahren aus der Feder seiner mit ihm nach Brasi­li­en ausge­wan­der­ten Ehefrau Irma Spieg­ler, der Mutter von Frau Gerda Willis, in 5 Berich­ten ausführ­lich berich­tet. (Berich­te 372 – 375 , 26. Juli bis 29. Septem­ber 2000).

Dem liebe­voll-freund­li­chen Heimat-Brief von Frau Willis war in Kopie ein älteres in der Deutschen Zeitung von Sao Paulo erschie­ne­nes Gedicht beigelegt, das uns nachdenk­lich stimm­te, weil es äußerst aktuel­le brisan­te Zusam­men­hän­ge im Welten­ge­sche­hen, Oberko­chen einge­schlos­sen, aufzeigt.

Oberkochen

Ein General­an­griff auf die „Ausbeu­ter“. – Müssen wir uns indes nicht allesamt getrof­fen fühlen, die wir uns doch irgend­wie der sogenann­ten „kulti­vier­ten Welt“ zurech­nen – zumin­dest materi­ell? Alle, die wir in vergleichs­wei­se unglaub­lich guten bis komfor­ta­blen Häusern leben (manche haben derer 2, oder beden­ken­los sogar 3, 4 oder noch mehr, oder sie leben wie aufge­bla­se­ne Fürsten im Luxus ertrin­kend in golde­nen Badewan­nen) – wir alle sind doch angespro­chen. Wir alle sind – zumin­dest mehrheit­lich – ausge­stat­tet mit Energie aller Art und vielen Geräten, die uns den Alltag erleich­tern, – so wie wir’s halt jeweils bezah­len können: Fließend Wasser gibt es in fast belie­bi­gen Mengen. Wir sind umgeben von Geschäf­ten, in denen man fast alles kaufen kann, was man braucht oder auch nicht braucht. Wir bewegen uns, nicht zu verges­sen, in der Regel fort mit einem oder mehre­ren Autos pro Familie, und sind hier klar der Meinung, dass „es“ anders ja gar nicht geht.… – Und wir umgeben uns darüber­hin­aus zuneh­mend mit unüber­schau­bar viel unnöti­gem Klimbim. Und andere Massen geben astro­no­mi­sche Eurosum­men aus, um ihr Äußeres auf ein vermeint­li­ches Ideal hin zu beschneiden.

Um auf das obige Gedicht einzu­ge­hen: Sind wir nicht allesamt Katastro­phen-Verur­sa­cher sekun­dä­rer Natur? Und müssen wir uns somit nicht alle – nicht nur die aktiven und meist­ver­die­nen­den „Erst-Ausbeu­ter“ – angespro­chen fühlen von diesem „Aufschrei der Erde“ in diesem deutschen Gedicht aus Brasi­li­en? Ist es fair, wenn wir uns gesichts­los hinter den „Weisen“ verste­cken, die vom „Baum der Erkennt­nis“ essen, und denen, die sich als „Erstaus­beu­ter“ der Erkennt­nis­se der Wissen­schaft bedie­nen? Sind wir nicht alle gedan­ken­lo­se Nutznie­ßer der in diesem Gedicht angepran­ger­ten Ausbeu­tung unserer Erde. Verur­sa­chen nicht wir alle abseh­bar die Zerstö­rung dessen, was wir einst durch das von Gott verbo­te­ne „Knabbern am Baum der Erkennt­nis“ geschaf­fen, oder mögli­cher­wei­se besser „angerich­tet“ haben – und sind somit „mitschul­dig“ am Zustan­de­kom­men des „jüngs­ten Tags“.

Völlig anderer­seits und total kontro­vers steht diesem bibli­schen Forsch- und Denkver­bot – nämlich dem „Essen vom Baum der Erkennt­nis“ – die Frage entge­gen: Wer außer Gott hat das Recht, dem Menschen das Denken und das Forschen zu verbie­ten? Oder umgekehrt: Wie fragwür­dig ist es, das göttli­che Gebot, Erkennt­nis­se zu erlan­gen, rundweg zu ignorie­ren? Eine religi­ons-philo­so­phi­sche Frage von aller­höchs­ter Brisanz.

Mein vor 44 Jahren verstor­be­ner Vater hatte lange Zeit ein Buch auf seinem Nacht­tisch liegen, das den Titel hatte: „Der Mensch – eine Fehlkon­struk­ti­on“. – Zu welchem Fazit immer jenes Buch kam: Die aus der Sicht der Bibel auffal­lend fehler­haf­te Eigen­schaft, denken zu können, zu dürfen und zu müssen, hat uns – man kann es drehen wie man will – doch Gott selbst mit in die Wiege gegeben. Jedoch ist das „einer­seits nicht vom Baum der Erkennt­nis essen dürfen“ und das „anderer­seits mit dem von Gott gegebe­nen Verstand denken und forschen zu dürfen“, eine unlös­ba­re „contra­dic­tio in se“, – ein Wider­spruch in sich selbst, aus dem das Fazit der finalen Apoka­lyp­se – nicht morgen, frühes­tens übermor­gen – schlüs­sig hervor­ge­hen könnte.… – ganz einfach, weil wir alle, das Ehepaar Susi und Dietrich Bantel einge­schlos­sen, mehr oder weniger gedan­ken­los, zumin­dest aber ohne habhaf­te Konse­quen­zen aus diesen Tatsa­chen zu schlie­ßen, so quasi selbst­zu­frie­den, und mit wenig nützli­chem schlech­tem Gewis­sen, weiter­wurs­teln in unserem gewohn­ten Alltag – mitsamt all unseren ungeleb­ten idealen Vorstellungen…

Mir fällt da Hermann Löns (1866 – 1914) ein, dessen Grab bei Falling­bos­tel inmit­ten der Lünebur­ger Heide steht. In stiller Vision hat er auf seinen Grabstein seine Erkennt­nis aufbrin­gen lassen:

Lass Deine Augen offen sein,
geschlos­sen Deinen Mund –
und wandle still.
So werden Dir gehei­me Dinge kund.

Diese Weisheit eines sensi­blen Dichters, die sich schon vor 100 Jahren gegen das Erboh­ren von Erdöl in seiner Lünebur­ger Heide-Heimat wendet, weil diese Ausbeu­tung eine Zerstö­rung der Natur und somit der Anfang vom Ende sei, — die hört man wohl… Doch: Stille Weise taugen wenig. Denn:
„Es lockt der Mammon“.

Da nützt auch nicht – und wenn es noch so verlo­ckend klingt – wenn unser ehren­wer­ter Landes­va­ter in der Stutt­gart Zeitung vom 1. Febru­ar d.J. öffent­lich verkün­det, dass er für Angeli­ka Merkel betet, auf dass sie gesund bleibe, um noch die Zukunft Europas sichern zu können. Teuer kommt uns, ob durch­dacht, ob nicht durch­dacht, in jedem Falle alles.…

Das hat mit Politik fast nichts zu tun – denn solches sagt uns ein gesun­des aber dennoch ohnmäch­ti­ges Gefühl für unsere Heimat. – Das Rad der Geschich­te ist nicht zurück­dreh­bar… Und außer­dem: Der schnö­de Mammon – eines von tausend Proble­men, gegen das auch kein TTIP-Tipp-Kraut gewach­sen ist – wuchert munter weiter.

Ende der kleinen leicht in Erwar­tung des Ascher­mitt­woch gestreif­ten Lekti­on in Heimat­kun­de, die sich aus dem Gruß einer Oberko­che­ne­rin aus Brasi­li­en in ihre alte Heimat Oberko­chen heraus­form­te – geschrie­ben am Fasnets-Diens­tag 2016.

Dietrich Bantel

Echo aus Bella Italia

Itali­en reagiert auf Bericht 651

Vor vielleicht 10 Tagen habe ich deinen Artikel in B+G gelesen und seither immer wieder daran gedacht. So ist es und es ist schlimm für die Zukunft unserer Kinder und Kindes­kin­der. Aber was können wir tun?

Inzwi­schen sind nochmals 2 Wochen ins Land gegan­gen und ich habe viel darüber nachge­dacht. Ja, wir leben so in den Tag hinein und produ­zie­ren jede Menge Abfall (man bekommt ja langsam fast alles in Plastik verpackt! Was wohl sehr der Indus­trie und dem immer größer werden­dem Angebot von allem mögli­chen und nicht gebrauch­ten anzurech­nen ist…) Ob vielleicht doch die Kapital-Markt-Gesell­schaft nicht die richti­ge ist?

Du hast schon recht, man hat zwei Auto und meint, es geht nicht anders…
Das Gedicht habe ich übrigens abgeschrie­ben und ausge­druckt. Vielleicht hilft es, immer wieder daran zu denken. Man kann ja mit sich selber mal im Kleinen anfan­gen und besser überle­gen, was man wirklich braucht und auf manches verzich­ten. In Berlin soll ein Lebens­mit­tel­la­den aufge­macht haben, in dem nichts mehr vorver­packt ist. Aber wie solle das gehen? Muss man mit Schüs­sel­chen und Kannen zum Einkau­fen gehen, wie in der Nachkriegs­zeit (und wohl auch vor dem Krieg)? Ich kann mich gut erinnern wie das war: brauch­te man Essig, dann nahm man die leere Flasche zum Einkau­fen mit, wollte man Rollmöp­se kaufen, dann wurden diese aus einem großen Fass in ein mitge­brach­tes Gefäß gefüllt, Sauer­kraut natür­lich auch, und die Nudeln wurden von der Verkäu­fe­rin gewogen und in Tüten gefüllt. Es war selbst­ver­ständ­lich, dass man auch eine Einkaufs­ta­sche dabei hatte. Milch holte man an der Milch­sam­mel­stel­le mit der Milch­kan­ne – klar und Kartof­feln brach­te im Herbst der Bauer, Eier von den eigenen Hühnern wurden in Kalk gelegt, Gelbe Rüben im Sand vergra­ben und alles was sonst der Garten hergab wurde einge­macht, damit auch im Winter was da war.

Und jetzt liest man, wie eine Schule, die das Mittag­essen für die Kinder bisher aus einer nahe gelege­nen Küche in Kübeln bekam, die ausge­spült und wieder verwen­det wurden, umgestellt hat auf einzeln (Plastik!)-verpackte Gerich­te, die aus 300 km Entfer­nung herge­karrt und aufge­wärmt werden müssen – nur weil sie wenige Cent weniger kosten.

Auch deinen Bericht über die Frau Enepetz (Bericht 653) habe ich inzwi­schen gelesen, sehr gut erinne­re ich mich an sie und ihr Zeitungs­häus­le gegen­über der Schell! Auch ich war der Meinung, dass sie nicht in Oberko­chen wohnte, eine Oberko­che­ne­rin war sie ja nicht. In dieser Zeit stand ich ebenfalls jeden Morgen um 7 Uhr im Laden der Bäcke­rei Wannen­wetsch, sortier­te die frisch gebacke­nen Hörnle, Mohnta­schen und Schne­cken­nu­deln in Erwar­tung des „Zeiss-Stromes“ vom Bahnhof her. Mein Urgroß­va­ter Wannen­wetsch war Bäcker und kam aus Zang. In den 70iger Jahren des 19. Jahrhun­derts hat er ins Hasen­gäß­le einge­hei­ra­tet und Bäcke­rei und Landwirt­schaft betrie­ben, sein Sohn, mein Großva­ter hat es übernom­men und da seine Söhne ums Leben gekom­men waren, wurde die Bäcke­rei während des Krieges und in den Nachkriegs­jah­ren an den Bäcker Brammen und seinen Sohn vermie­tet. Später konnte diese meine Tante zusam­men mit einem Bäcker­meis­ter weiter führen. Mein Bruder Herbert (Hätte­re) war in der Lehre, als die Tante Marie Wannen­wetsch verstarb und ich an ihrer Stelle zum Einsatz kam, solan­ge bis mein Bruder seine Lehre beendet hatte. Dort habe auch ich noch jeden Samstag offenes Sauer­kraut verkauft, Mehl abgewo­gen und Eier in mitge­bracht Behäl­ter gelegt – und die Leute vom Kies kennen gelernt!

Aber wollten wir zurück in diese Zeit? Aber ein bißchen mehr Rücksicht auf die Natur stünde uns allen gut an ….

Für heute viele liebe Grüße an dich und Susi und ein schönes Oster­fest mit euren Lieben,
Luitgard und Fritz Hügle, – Barbe­ri­no, Italien

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