Drei junge Mitglie­der des Oberko­che­ner Heimat­ver­eins, Beate Hopfen­sitz, Micha­el und Stefan Gold, sind — angelei­tet von Dr. Christ­hard Schrenk — auf der Suche nach Oberko­che­ner Archi­va­li­en im Stutt­gar­ter Staats­ar­chiv in aller­lei Berei­chen, vorwie­gend im 19. Jahrhun­dert, fündig gewor­den. Auf der Haupt­ver­samm­lung des Heimat­ver­eins am 10. März 1989 berich­te­ten sie, beispiel­haft für ihre Arbeit, über eine inter­es­san­te »acta« aus dem 18. Jahrhun­dert, das Proto­koll eines Streits zwischen dem Württem­ber­gi­schen Kloster Königs­bronn und dem Stift Ellwan­gen über Wasser­schä­den im Birkach unweit des Seegar­ten­ho­fes, wo die Terri­to­ri­en beider Herrschaf­ten aneinandergrenzten.

In unserem heuti­gen Bericht Nr. 65 geht es um diesen Rechts­streit, in welchen ein Oberko­che­ner Bürger namens Thomas Grupp im Jahre 1736 verwi­ckelt wurde. Die Verhand­lun­gen liefen dann von 1738 bis 1739; sie waren somit genau vor 250 Jahren abgeschlossen.

Um die Zeit zu illus­trie­ren:
Von 1733 — 1737 regier­te Herzog Karl Alexan­der; nach dessen Tod der bekann­te Herzog Karl Eugen (von 1737 — 1793). Es war die Zeit des oberschwä­bi­schen Kirchen­ba­rocks (ca. 1715 — 1780) und vor allem die Zeit des sogenann­ten »Absolu­tis­mus«, während welcher der Fürst die von jegli­chem Parla­ment losge­lös­te (»absolu­te«) Herrschaft ausüb­te. Den Unter­ta­nen war, lt. Defini­ti­on des Begriffs »Absolu­tis­mus« jede staats­bür­ger­li­che Aktivi­tät verwehrt.

In Stutt­gart entstan­den das Neue Schloß, die Lustschlös­ser Solitu­de und Monrepos und viele andere Prunk­bau­ten. Die Baulust Karl Eugens ging über die finan­zi­el­le Leistungs­kraft seines kleinen Landes hinaus, — er baute über das Volk hinweg.

Gestrit­ten hat offen­bar nicht der Thomas Grupp. Vielmehr schei­nen die Ellwan­ger die Wasser­ge­schich­te zum Anlaß genom­men zu haben, sich mit den Königs­bron­nern zu reiben; mit negati­vem Erfolg, — wie man sehen wird.

Dietrich Bantel

Oberkochen

Die Königs­bron­ner inter­ro­ga­to­ria (Befra­gung)
Im Jahre 1736 hatte das Kloster Königs­bronn durch einen Graben das Wasser des Seegar­ten­sees in das sogenann­te Birkach (siehe Karten­aus­schnitt) gelei­tet, um den See trocken­zu­le­gen. Gegen diesen »Canal­bau« protes­tier­te die Ellwan­gi­sche Regie­rung, weil — wie man meinte — Ellwan­gi­schen Unter­ta­nen von Oberko­chen Schaden an ihren an das Birkach stoßen­den Äckern entstan­den sei. Zu diesen Ellwan­gi­schen »Grava­mi­na« (Beschwer­den) wurden 1739 »der Württem­ber­ger Bürger­meis­ter Seytzin­ger zu Oberko­chen nebst beiden dißsei­ti­gen (d.h. Königs­bron­nern) Bürger­meis­tern daselbst­en, beywe­send zweyer hiesi­gen Richtern« vom Amtsschrei­ber Strei­del »Pflicht­mä­ßig vernommen«.

Die Befra­gung befaßt sich zunächst mit den Besitz­ver­hält­nis­sen im Birkach: »Wem das unter­halb dem Seegar­ten­hof gelege­ne sogenann­te Bürck­ach mit hoch- und niede­rer Juris­dic­tion zustän­dig seye« und welche Ansprü­che die Oberko­che­ner Gemein­de auf dieses Gebiet habe und geht dann auf den Schaden ein: »Ob denen Oberko­cher: und beson­ders Thomas Gruppen Äcker in dem vorndi­gen (vorigen) Spat-Jahr durch das aus gedach­tem Bürck­ach angel­of­fe­ne gewäßer Schaden causiert (verur­sacht) und wie viel Morgen Felds ohnge­fehr überschwemmt worden?«. »Was wohl die Ursach dieses großen Gewäß­ers seyn möge, ob sich solches öfters einfin­de, oder etwa der durch den Egarten­see gehen­de Waßer­gra­ben daran schul­dig seye?«.

Aus der Frage, »ob Verwal­ter (des Kloster­am­tes Königs­bronn) jemals verlangt, das Waßer des Ziegel­bron­nens, an statt es von Natur nach Königs­bronn laufet, zu stämmen, und in den Kocher­fluß zu leiten«, läßt sich wohl schlie­ßen, daß die Existenz der Wasser­schei­de damals noch unbekannt war. Schließ­lich wird noch unter­sucht, ob der Königs­bron­ner Verwal­ter die Oberko­che­ner um die »Mitwaydt«, das Weide­recht im Birkach bringen wollte, »auch ob solches vermit­telst des unter­halb der Ziegel­hüt­ten an dem Egarten­see ein Stück weit geführ­ten Zauns, würklich geschehen«.

Die Königs­bron­ner Bürger­meis­ter Hanß Jerg Kopp und Stephan Widmann, sowie der Oberko­che­ner Schult­heiß Seytzin­ger geben zu Proto­koll, daß für diesen Distrikt im Birkach »undis­put­ir­lich« das Kloster Königs­bronn mit »aller Juris­dic­tion und Obrig­keit« zustän­dig sei, »als daß davon deßen Saal: und Lager­buch clare Maaß gebe«. Schult­heiß Seytzin­ger erinnert sich, in diesem Salbuch (d. einem Güter­ver­zeich­nis entspricht) gelesen zu haben. »der Probst von Ellwan­gen habe daselbst­en im Bürck­ach … nichts zu befeh­len noch zu gebie­then«. Nach dem Salbuch habe die Oberko­che­ner Gemein­de neben dem Kloster nur Anspruch auf Holz und Weide »und was darauff erwachse«.

Im vergan­ge­nen »Spath-Jahr« habe »das Waßer auff dem Bürck­ach, weil es lang anein­an­der gereg­net, sich ziemlich versamm­le«, dabei sei auch Thomas Grupps Acker überschwemmt worden. Der Acker hätte aber nicht den gerings­ten Schaden erlit­ten. Die Bürger­meis­ter versi­chern »bey Ihrem Aydt« … »daß nicht wohl Ein Morgen in allem unter Waßer gesetzt worden, davon doch der meiste Theil denen Egarthen Bauren: und nicht nach Oberko­chen gehört habe, Und wüßten sie von dem Thomas Gruppen, daß Er dißfalß nie keine Klage geführt, vielmehr in sein Schult­hei­ßen Gegen­warth vor dem Saalamt Königs­bronn sich freywil­lig erklärt. Er wolte solches unter­schrei­ben, wann Er seines Herrn Beamten Straff nicht besor­gen müßte«.

»Bey nassen Jahren seye das Bürck­ach, sonder­lich unter­halb in dem Grundt, gemei­nig­lich mit Waßer geschwellt, weilen der Boden selbi­ger Refier an sich selbst viele Brunn­quel­len habe, und deswe­gen zu Frühlings- und Herbst­zeit­hen in denen dorti­gen Gemeind­tä­ckern bald auß jeder Furche eine Bronn­ader hervor­quel­len könne«. Die Ursache für die Überschwem­mung sei das lang anhal­ten­de Regen­wet­ter gewesen, »der Wasser­gra­ben auß dem Egarthen-See aber hätte ledig­lich nichts darzu beyge­tra­gen, alß der gantz unschul­dig und in Sonder­heit heuer durch den gantzen Frühling und Sommer trocken gelegen«.

Hinsicht­lich der Umlei­tung des Ziegel­brun­nen in den Kocher wissen sie zu berich­ten, daß selbst eine Ablei­tung des Brunnens in das Birkach kaum »14 Tage conti­nuirt und das Absehen durch­aus nicht gehabt, den Bronnen vor bestän­dig in das Bürck­ach laufen zu machen«, wie viel weniger würde die Ablei­tung in den Kocher gelin­gen, »indem selbi­ger (der Ziegel­brun­nen) seinen natür­li­chen Lauff nacher Königs­bronn zu, von selbst­en behaup­te, und sich anders­wo­hin nicht wohl zwingen laße«.

Weder der Schult­heiß noch die Bürger­meis­ter hätten gehört, »daß man der Oberko­cher Gemeind den Waydt-Genuß im Bürck­ach hätte abspre­chen wollen: Sie seyen auch versi­chert, daß die Ellwan­gi­schen selbst derglei­chen Sorge nie gehabt«. Und was den Zaun betrifft: »Dießes Zauns zu gedenk­hen, seye fast nicht der Müh werth« und »eine Klage wider solchen Zaun nichts alß einen beflis­se­nen Unfrie­den und Feindt­see­lig­keit zu erken­nen geben würde.«

Die Bürger­meis­ter S. Chris­ti­an Widmann und Georg Wolfgang Kopp, die von dem Kloster Königs­bronn zu einem »ohnpar­theyischen Augen­schein« verpflich­tet wurden, bestä­ti­gen abschlie­ßend am 3. Nov. 1739 »Urkundt­lich unßerer eigen­hän­di­gen Nahmens-Unter­schrift«, daß ungeach­tet des bishe­ri­gen Regen­wet­ters nur ein halbes Jauchert Acker­land etwas unter Wasser gelegen habe, die übrigen dorti­gen Äcker jedoch nicht den gerings­ten Schaden erlit­ten hätten. »So können wir überhaupt nicht absehen, wie die Prosses­so­res eine erheb­li­che Klage zu führen Ursach haben«.

Oberkochen

Der Streit ging aus wie das Hornber­ger Schie­ßen, denn auf dem Deckblatt der »acta« findet sich noch folgen­de, später geschrie­be­ne »nota: Bey der in anno 1749 abgehal­te­nen Confe­renz mit Ellwan­gen hat diesert­we­gen kein weite­res grava­men (Beschwer­de) existirt, indem weder der trocken­ge­leg­te See noch der canal nieman­den keinen weite­ren Schaden verur­sa­chet, und die contestir­te juris­dic­tion (bezeug­te Rechts­spre­chung) auff dem Birkach ohnehin dem Closter Königs­bronn vindi­cirt (zugespro­chen) worden«.

Dr. Jochen Kämmerer

Nachtrag zum Bericht Nr. 65:
Die Königs­bron­ner Inter­ro­ga­to­ria.
Ein für das Verständ­nis des Ganzen wichti­ger Satz ist leider ungedruckt geblie­ben. Die Einlei­tung muß heißen:

Im Jahre 1736 hatte das Kloster Königs­bronn durch einen Graben das Wasser des Seegar­ten­sees in das sogenann­te Birkach gelei­tet, um den See trocken­zu­le­gen. Gegen diesen »Canal­bau« protes­tier­te die Ellwan­gi­sche Regie­rung, weil — wie man meinte — Ellwan­gi­schen Unter­ta­nen von Oberko­chen Schaden an Ihren an das Birkach stoßen­den Äckern entstan­den sei. Zu diesen Ellwan­gi­schen »Gravarni­na« (Beschwer­den) wurden 1739 »der Würtem­ber­ger Schult­heiß Seytzin­ger zu Oberko­chen nebst beiden dißsei­ti­gen (d.h. Königs­bron­nern) Bürger­meis­tern daselbst­en, beywe­send zweyer hiesi­gen Richtern« vom Amtsschrei­ber Strei­del »Pflicht­mä­ßig vernommen«.

Dietrich Bantel

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