Oberkochen

Passbild­fo­to vom Golden­bau­er Franz Grupp — Foto Kristen (Stelzen­mül­ler), Siebzigerjahre

Will man als gebür­ti­ger Stutt­gar­ter von einem alten Oberko­che­ner berich­ten, dann ist das aus mancher­lei Gründen nicht ganz einfach.

Dennoch will ich versu­chen, ein Bild vom „Golden­bau­er“ zu skizzie­ren, das ledig­lich aus Dingen, die mir meist ohne beson­de­ren Anlass, zumeist in Gesprä­chen, in denen es um Anderes ging, unauf­ge­for­dert zugetra­gen wurden. Hinzu kommt, dass meine Frau und ich den Golden­bau­er (14.8.1892 — 1.11.1974) noch persön­lich kennen­ge­lernt haben, da wir mit seiner Hägele-Verwandt­schaft in der Garten­stra­ße lange Zeit guten Kontakt hatten. Frau Hägele, die Lena, ist eine 1925 gebore­ne Tochter zum Goldenbauer.

Ich muss ehrlich geste­hen, dass es einige Zeit dauer­te, bis ich 1962 als vom Oberschul­amt Stutt­gart nach Oberko­chen versetz­ter Schul­meis­ter kapiert hatte, dass Linas Vater, den jeder­mann „Golden­bau­er“ nannte, nicht „Gold“ heißt, sondern „Grupp“, obwohl ihr Vater Franz Grupp klar der Golden­bau­er Franz Grupp ist. „Golden­bau­er“ ist einer der zahllo­sen alten sogenann­ten „Hausna­men“, die „man“ in Oberko­chen hatte und noch hat, – bei „Gold“ und „Grupp“ schon allein deshalb, weil es so viele verschie­de­ne von ihnen gibt, – so viele, dass ein „Reigschmeck­ter“ wie ich diesel­ben, wenn überhaupt, eh nur nach langer Zeit vonein­an­der unter­schei­den kann. Zum Thema „Hausna­men“ habe ich – zusam­men mit ein paar Altober­ko­che­nern – ab 1991 bis heute in einen dicken Leitz­ord­ner alles Materi­al zusam­men­ge­tra­gen, das mir zugäng­lich war. – Irgend­wann wird die Zeit gekom­men sein, zu nur noch dieser Ordner Auskunft zu den alten Hausna­men geben kann. Diesem Ordner ist zu entneh­men, dass der Name „Golden­bau­er“ entstan­den ist, als besag­ter Landwirt Franz Grupp auf den Hof der Landwirts­leu­te Karl und Katha­ri­na Gold, also in den „Golden­hof“, hinein­ge­hei­ra­tet (neig’heiricht“) hat. So wurde aus dem Bauer Franz Grupp der „Golden­bau­er“. – Das war im Jahr 1919. Die Golde­ne Hochzeit wurde 1969 im „Hirsch“ gefei­ert, – doch davon später.

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Zeich­nung vom Golden­bau­er­hof — Heiden­hei­mer Straße 36. Die Zeich­nung entstand lange vor dem Abriss des Gebäu­des und wurde von Engel­bert Grupp/Goldendbauer gefertigt.

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Ölbild vom Golden­bau­er­hof vor dem Abriss — gefer­tigt von Karl Elmer

Franz Grupp, der „Golden­bau­er“, war aus 2. Ehe eines von insge­samt – heute unglaub­lich aber wahr – 19 leibli­chen Kindern (von denen 2 früh verstor­ben sind) des legen­dä­ren „Gruppa Franzl“ über den wir in unserem HVO-Bericht 243, „Oberko­chen – Geschich­te, Landschaft, Alltag“ im Amtsblatt vom 2.6.1995 ausführ­lich berich­tet haben. Außer­dem sei an dieser Stelle auf den „Gruppen-Abend“ verwie­sen, den der Heimat­ver­ein am 13.6.1996 mit 120 (!) Besuchern im Schil­ler­saal samt Caféte­ria abgehal­ten hat.

Wie hatten wir die Familie Hägele kennengelernt?

In den mittle­ren 60-er Jahren hatte mich Theo Hägele, Linas Mann, der Vater meines Schülers Robert Hägele, sowie Schwie­ger­sohn vom Franz Grupp / „Golden­bau­er“ am Telefon folgen­der­ma­ßen kontak­tiert: „Herr Bantel, Sie unter­rich­ten doch auch Konscht am Gymna­si­um. Ich ruf Ihnen im Auftrag der Alters­ge­nos­sen 1928 an. Wir haben nächs­tes Jahr unser Vierzie­ger­fest. Sie machen da doch auch so, und wir hätten halt gerne, dass Sie uns eine schöne „Kulis­se“ in den neuen Bürger­saal machen, damit das Fest ein Gesicht bekommt.“ – Wir trafen uns dann in der Garten­stra­ße, wo die Hägeles wohnen, und ich sagte, dass ich das klar mache. Das war dann aller­dings gar nicht so einfach, weil der Herr Bürger­meis­ter Bosch es gar nicht gerne sah, dass ich in den Löchern der Hart-Styro­por­plat­ten der funkel­na­gel­neu­en Bürger­saal­de­cke meine aus leich­ten Weich-Styro­por gesäg­ten Figuren hundert­pro­zen­tig unschäd­lich aufhäng­te. Die Alters­ge­nos­sen 1928 waren aller­dings begeis­tert von der Kulis­se und haben uns damals als Gegen­leis­tung und wertvol­len Dank das Dach unseres noch in Bau befind­li­chen Hauses mit sogenann­ten „Frank­fur­ter Pfannen“ gedeckt, – so gut, dass es noch heute – fast 50 Jahre danach – dicht ist. – Eine Supererinnerung.

Auf diesen „Vorgang“ geht unsere Freund­schaft mit der Familie Hägele und somit die mit der Golden­bau­ers­fa­mi­lie zurück. Theo ist schon vor Jahren gestor­ben, und Lena, seine Frau, haben wir vor nicht allzu­lan­ger Zeit anläss­lich ihres 90 Geburts­tags besucht. Jahre­lang sind wir zu größe­ren Famili­en­fes­ten einge­la­den worden. So lernten wir auch Frau Käthe Bahmann, eine andere Tochter des Golden­bau­ers, mit Familie kennen. Und die Anna, und natür­lich den jungen Golden­bau­er Engel­bert samt Frau Rita. Vor allem aber auch den alten Golden­bau­er Franz Grupp höchst persön­lich, – und weite­re Verwand­te. Das waren alles echte Alt-Oberko­che­ner, die uns als eine der Ersten, obwohl wir „Reigschmeck­te“ waren, voll „integrier­ten“, – was damals zu „Dorfens Zeiten“ noch nicht selbst­ver­ständ­lich war. Und heute?

Anläss­lich eines Geburts­tags gab’s „hinter­her“ meist einen ziemlich süffi­gen Zwetsch­ge­n­schnaps. Als Lena mir einmal nach dem zweiten einen dritten anbot, und ich nicht nein sagte, bemerk­te der alte Golden­bau­er, dass der jetzt aber „was koscht“. Auf meine Frage, wieviel denn, kam wie aus der Pisto­le geschos­sen die Antwort „ha, gieabat se mr halt’n halba Pfennig“, – worauf ich sagte, dass ich einen solchen gerade nicht dabei habe, dass ich die Summe dann aber verläss­lich überwei­se oder vorbei­brin­ge oder sonst­wie übermitt­le. Das vorsätz­li­che Zerstö­ren von Geld war – zumin­dest damals noch – gesetz­lich, sogar bei Strafe, verbo­ten. – Aber verspro­chen ist verspro­chen. Ich sägte also mit der Laubsä­ge mit einem Metall­sä­ge­blätt­chen tatsäch­lich einen Pfennig in 2 Hälften, packte eine von ihnen schön geschenk­mä­ßig ein, schrieb ein paar Zeilen dazu und übersand­te diese samt dem halben Pfennig mit der Bundes­post in die Heiden­hei­mer­stra­ße 36. – Beim nächs­ten Fest erfuhr ich, was für eine Riesen­freu­de ich dem Golden­bau­er mit meinen halben Pfennig gemacht hatte. Seine Schwie­ger­toch­ter Rita berich­te­te mir nach seinem Tod viele Jahre später, dass ihr Schwie­ger­va­ter den halben Pfennig bis zu seinem Lebens­en­de an einem wie heili­gen Platz in einem kleinen Regal aufbe­wahrt und die Geschich­te mit dem dritten Schnaps und seiner Bezah­lung immer und immer wieder verzählt hat.

Wenn die Feste zu Ende waren und man sich vom Golden­bau­er verab­schie­de­te, sagte dieser jedes­mal: „Auf Wieder­sehn – wenn nicht in dieser Welt, vielleicht in Biele­feld“ – wobei sein altvä­ter­lich-weißer leicht nach oben angedreh­ter Kaiser Wilhelms- oder Erster-Weltkriegs-Bart leicht lustig in die Höhe zeigte.

Eine äußerst bemer­kens­wer­te Geschich­te ereig­ne­te sich anläss­lich der Golde­nen Hochzeit des alten Golden­bau­er-Ehepaars. Wir hatten übers Amtsblätt­le „Bürger und Gemein­de“ Wind davon bekom­men und beschlos­sen, für die Golden­bau­ers einen kurzen Film „nach dr Kirch“ zu drehen. Ich hatte damals noch die alten sogenann­ten „Doppel-Acht-Filme“, bei denen man beim Wechseln nach den ersten 7,5 Metern immer sakrisch aufpas­sen musste. – Wir hatten uns, zusam­men mit anderen, die auf das Paar warte­ten, vor der Kirche aufge­baut, und alles lief planmä­ßig – nur eine kurze Szene, – aber immer­hin. – Als ich den Film dann nach einiger Zeit entwi­ckelt zurück­be­kam, bemerk­te ich, dass mir irgend­wann beim Wechseln tatsäch­lich ein Grana­ten-Fehler unter­lau­fen sein musste: Der wunder­schö­ne Film mit dem Golde­nen Hochzeits­paar, der natür­lich Selten­heits­wert gehabt hätte, war doppelt belich­tet, – der andere Film, der auf der gleichen Filmebe­ne überschnit­ten mit der Hochzeit lief, war ausge­rech­net die vom Fernse­hen abgefilm­te Mondlan­dung am 21. Juli 1969.… – Während das Jubel­paar die Kirchen­stu­fen herun­ter­schrei­tet, startet im Hinter­grund in der offenen Kirchen­tür der Kirche St. Peter und Paul die Eagle-Apollo 11 in einer Feuer­wol­ke mondwärts. Wir haben uns damals so geärgert, dass wir den Film bis heute nie wieder angeschaut haben, – denn in diesem Fall waren ja 2 dokumen­ta­ri­sche Filme im Eimer, – anderer­seits könnte es ja, soweit überhaupt verwert­bar, auch lustig sein. Keine Ahnung. Wir müssen den Film tatsäch­lich einmal wieder laufen lassen.

Weiter zur Person des Franz Grupp / Goldenbauer:

Ich fand dann irgend­wann heraus, dass um seine Person, um die Person des „Golden­bau­ers“ also, irgend­et­was Ungewöhn­li­ches sein musste, von dem ich als „Reigschmeck­ter“ nichts wusste, denn immer wieder empfand ich eine gewis­se Zurück­hal­tung bei manchen Perso­nen, wenn ich im Gespräch den alten „Golden­bau­er“ erwähn­te – bis irgend­wann jemand die Katze aus dem Sack ließ. Die ziemlich massiv polari­sie­ren­de Katze hieß nämlich: „Drittes Reich und Natio­nal­so­zia­lis­mus“. Extrem klar wurden die Gründe für die diver­sen Engel, die bei der Nennung des Namens „Golden­bau­er“ durch den Raum schweb­ten, als ich 1986 das mir damals zugäng­li­che Materi­al für meinen großen Artikel zum Dritten Reich fürs Heimat­buch (Seiten 169 bis Seite 210) zusam­men­trug. Über das Dritte Reich hatte bis dahin in Oberko­chen noch niemand je eine Zeile riskiert geschwei­ge denn veröf­fent­licht. Das immer noch wohl erhal­te­ne „Pro“ und „Contra“ zu dieser Zeit zeich­ne­te sich jedoch 1986 bei „den Einen“ durch von mir wörtlich notier­te Kommen­ta­re ab wie: „des war a Hondert­pro­zen­ti­ger“ oder „des war a Erzna­zi“, sogar: „der hat – wenn i mi net däusch (eine beson­ders typische „Erinne­rungs­äu­ße­rung“) – au oine auf da Heuberg braocht“ – Und bei „den Anderen“ war zu hören: „Der hat sei Sach scho räacht on sauber gmacht“ oder:„der hat nermads nix doa“, aber viel fürs Dorf, – oder: „der hat halt au so Pöschdla ghet, woana mr halt en dr Bardei hat dren sei müaßa…“

Dass der Golden­bau­er „Ortsbau­ern­füh­rer“ war, war mir aller­dings schon einige Zeit bekannt. Als solcher ist er auch im 1937 erschie­ne­nen Einwoh­ner­buch von Stadt und Kreis Aalen aufge­führt. (BuG-HVO-Bericht Oko-GLA- Nr. 645 vom 18.09.2015, Seiten 868 bis 871). Diesem Werk ist zu entneh­men, dass Franz Grupp mit dem Titel Oberbrand­meis­ter auch Feuer­wehr­kom­man­dant der Oberko­che­ner Feuer­wehr war. Ferner ist er in diesem Werk im Oberko­che­ner Gemein­de­rat unter Bürger­meis­ter Heiden­reich als Beigeord­ne­ter und stell­ver­tre­ten­der Bürger­meis­ter mit der Berufs­be­zeich­nung Landwirt aufgeführt.

An der Art der Erstre­ak­tio­nen im Minen­spiel der Oberko­che­ner und an den Kurzkom­men­ta­ren, die mir damals, also damals vor fast 30 Jahren, zum Stich­wort „Golden­bau­er“ abgege­ben wurden, war klar die einsti­ge politi­sche Gesin­nung auch meiner Gesprächs­part­ner zu erkennen.

Das ist auch der Grund, weshalb ich 1986, als ich am ersten Bericht zum Thema „Oberko­chen im Dritten Reich“ arbei­te­te, beschloss, mit der Nennung von Namen sehr vorsich­tig zu sein: Das Oberko­chen der Achzi­ger­jah­re war auch 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch lange nicht so weit, dass ich hätte die Namen der damals „Aktiven“ nennen können, ohne dass es in Oberko­chen gehei­ßen hätte: „Jetzt muss da ausge­rech­net ein Nichtober­ko­che­ner daher­kom­men um die Namen dieser Famili­en, nachdem endlich etwas Gras über die Sache gewach­sen ist, erneut in den Dreck ziehen. Es war auch so schwer genug, das Materi­al für diesen Bericht fürs erste Heimat­buch zusam­men­zu­be­kom­men, – „sine ira et studio“ (ohne Zorn und Eifer) – denn die alten Gräben hatten sich anläss­lich meiner damals erstma­li­gen Nachfor­schun­gen und Inter­views bei 26 Perso­nen, von denen heute bereits 20 verstor­ben sind (!), weit geöff­net. Anderer­seits war es damals – wie aus diesem Zahlen­ver­hält­nis leicht zu erken­nen ist – bereits aller­höchs­te Zeit gewesen, zumin­dest Grund­le­gen­des zum Dritten Reich in Oberko­chen schrift­lich festzu­ma­chen. – Heute, 70 Jahre nach Kriegs­en­de, ist es an der Zeit, die mir schon 1986 bekann­ten Namen, derer, die 1933 den Gemein­de­rat „absetz­ten“, zu benen­nen. – Alles andere wäre nach so langer Zeit Geschichts­ver­fäl­schung. Ich kenne die Namen seit 1986. Sie stehen in den Gemein­de­rats­pro­to­kol­len von 1933… Auswär­ti­gen Verfas­sern für das auf 2018 neu geplan­te Heimat­buch steht in dieser Bezie­hung dennoch eine schwie­ri­ge Arbeit ins Haus.

Meine in diesem Bericht erfolg­ten Anmer­kun­gen zum „Golden­bau­er“ mögen manchem Leser vielleicht bedeu­tungs­los erschei­nen, – irgend­wie sind sie aber typisch für Oberko­chen. Fakt ist: Die Alt-Oberko­che­ner haben sich um ihre Geschich­te 70 Jahre lang so gut wie gar nicht geküm­mert. Der Heimat­ver­ein wurde im Wesent­li­chen – bis auf den „lieben Bär, der aber nicht zur Vorstand­schaft gehör­te, von Nichtober­ko­che­nern gegrün­det und aufge­baut. Herr Bahmann war der einzi­ge Oberko­che­ner (vom Härts­feld) in der ersten Vorstand­schaft von 1987. – Niemand wollte so richtig ran an dieses „heikle“ Thema. „Die einen“ nicht aus diesem, „die anderen“ nicht aus jenem Grund. – Die noch vorhan­de­nen „contras“ und die „pros“ began­nen sich abzuzeich­nen. Weshalb also nicht darüber schrei­ben? – Aus Bequem­lich­keit oder aus falscher Scham? Gerade dieses gefühls­mä­ßi­ge bis vorsätz­li­che „Hinweg­wis­sen“ des Themas „Drittes Reich“ erschien mir typisch für die politi­sche Geschich­te wie auch das Dörfli­che, vor allem für die Zeit von 1933 bis 1945 und unmit­tel­bar danach…

Wenn dann andere schrei­ben, dann ist es natür­lich auch wieder nicht so richtig recht, vielleicht, weil spezi­ell diese Geschich­te von den meisten Alten irgend­wie als überflüs­sig betrach­tet und hinweg­ge­wusst wird, vielleicht, weil „vorbei“ halt „vorbei“ sei. Aber Geschich­te bleibt Geschichte.

Hinzu­ge­fügt seien einige wenige Notizen von Engel­bert Grupp zu seinem Vater, dem „Golden­bau­er“ Franz Grupp:
Geboren im Eltern­haus im Katzen­bach. Kleine Landwirt­schaft. Soldat von 1912 — 1914, und im 1. Weltkrieg von 1914 — 1918. Somme­schlacht. Bei Entlas­sung Unter­of­fi­zier und Vizefeld­we­bel. Staats­dienst abgelehnt. 1919 Heirat mit Nachba­rin Katha­ri­na Gold in Oberko­chen. 5 Kinder.

Beson­de­re Beach­tung gebührt Bürger­meis­ter Gustav Bosch, der es verstan­den hat, anläss­lich des Todes von Franz Grupp im Jahr 1974 mit außer­or­dent­lich feinsin­nig abgewo­ge­nen Worten das Leben des Verstor­be­nen angemes­sen zu würdigen.

Im Amtsblatt vom 8.11.1974 heißt es:
Bürger­meis­ter Bosch legte einen Kranz mit den Farben der Stadt an seinem Grabe nieder und führte dazu u.a. aus:

„Wir stehen am Grabe eines Mannes, dem Bürger­schaft und Stadt­ver­wal­tung Dank schul­de­ten und dem die letzte Ehre zu erwei­sen sie für ihre vorneh­me Pflicht hielten. Möge auch die Zeit der unmit­tel­ba­ren öffent­li­chen Wirksam­keit des Verstor­be­nen weit zurück­lie­gen: er (Bgm Bosch) meine vor allen anderen Ehren­äm­tern die Tätig­keit als Beigeord­ne­ter und Stell­ver­tre­ter des Bürger­meis­ters in den schick­sals­träch­ti­gen Jahren 1934 bis 1945. Gerade wegen dieses Zeitab­schnit­tes müsse man die schwe­re Last jener Aufga­be im rechten Lichte sehen. Mit vielen der an diesem Grabe Versam­mel­ten glaube er zu wissen, daß der Verstor­be­ne dieses Amt in jener Zeit nicht gesucht habe. Es sei ihm aus seiner Haltung, die eine solda­ti­sche und vater­län­di­sche war, zugefal­len, und er habe es nach bestem Wissen und Gewis­sen zum Wohle der Gemein­de und ihrer Bürger in menschen­mög­li­cher Gerech­tig­keit verwal­tet. Die enge Verbin­dung mit dem Berufs­stand und allen seinen Organi­sa­ti­ons­zwei­gen, die tiefe Verwur­ze­lung in der Heimat­ge­mein­de, ihren Verei­nen und bürger­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen, vor allem im kirch­li­chen Leben – vor und nach den politi­schen Wende­mar­ken und ungebro­chen, solan­ge es ihm die Gesund­heit erlaub­te –, mit vielen Vertrau­ens­be­wei­sen in leiten­den Funktio­nen hätten gezeigt, was dieser Mann seinen Mitbür­gern wert war. Man möchte wünschen, daß das ehren­amt­li­che Element auch in der neuen Stadt jetzt und künftig so aufrich­ti­ge und aufrech­te Männer fände, wie er einer gewesen war. Volk und Staat, Bürger­schaft und Stadt, lebten aus der Kraft ihres Opfers – vor allem in Zeitläuf­ten der Erschüt­te­run­gen, der Zusam­men­brü­che und des Neube­ginns, wie der Verstor­be­ne sie an hervor­ra­gen­der, verant­wor­tungs­vol­ler und in höchs­tem Maße unbeque­mer Stelle hier habe bestehen müssen – und wie sie nach den Erfah­run­gen der neueren Geschich­te keiner Genera­ti­on erspart zu bleiben schie­nen. Gott schen­ke ihm die ewige Ruhe und lasse ihm das ewige Licht leuchten“.

Wir sehen vergleichs­wei­se – auch aus den abgewo­ge­nen Worten von Bürger­meis­ter Gustav Bosch – wie einfach es heute für eine im Wesent­li­chen gleich­gül­ti­ge Masse gewor­den ist, über Vergan­ge­nes zu urtei­len oder gar zu richten. Besser sollten wir vorsich­tig erken­nen, dass das, was wir in unserer eigenen Zeit als Gegen­wart erleben und gestal­ten, von Folge­ge­nera­tio­nen einem ebenso kriti­schem Urteil und ebenso peinli­cher Hinter­fra­gung unter­lie­gen wird, wie die Zeiten unserer Väter und Großvä­ter dem Urteil unserer so kritik­freu­di­gen Zeit unter­lie­gen. Wir sollten also doch besser ziemlich leise sein…

Dietrich Bantel

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