Römerkeller nicht »Villa Rustica« sondern Straßenstation
Kocherursprung = römisches Quellheiligtum?
Dr. Stephan Bender, Limes-Informationszentrum Baden-Württemberg (Aalen), hielt am 7. April des Jahres in kleinem Kreis für Lehrkräfte am Ernst-Abbé-Gymnasium Oberkochen und Vertreter des Heimatvereins Oberkochen einen spannenden Vortrag zum Thema „Neueste Erkenntnisse über die Römer in Oberkochen“. Leider waren der Einladung des EAG nur 3 Lehrkräfte, 1 Schüler und 2 Gäste gefolgt. Eine weitere Veranstaltung in größerem Rahmen ist geplant.
Die geophysikalische Untersuchung, die 2011 das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Umfeld des Römerkellers durchgeführt hatte, ergab, dass von der über 40 Jahre lang vom LAD vertretenen Meinung, der 1971 entdeckte und von Schülern des Gymnasiums unter Leitung von Dietrich Bantel und Kreisarchivar Hildebrand sen. ausgegrabene Oberkochener Römerkeller sei wohl Teil einer »Villa Rustica« (Eckrisalit) gewesen, mit großer Wahrscheinlichkeit abgerückt werden muss. Denn vor 4 Jahren habe man zwar 70 m nördlich des Römerkellers ein kleines Badegebäude, das mit Wasser von der im Bereich der Gärtnerei Klewenhagen gelegenen Quelle des Erlenbachs gespeist worden sein dürfte, entdeckt, aber „erschreckenderweise“ keine weiteren Gebäude.
Die Auswertung der neuesten Forschungsergebnisse lasse eigentlich nur den Schluss zu, dass das einstige Gebäude über dem Keller nicht Teil einer »Villa Rustica« sondern zu einer Straßenstation für Soldaten und Reisende zu Pferd an der Straße zwischen Heidenheim (Aquileia) und dem Reiterkastell Aalen (Ala II Flavia) gehörte (Übernachtung, Körperpflege, Nahrung). Dr. Harald von oder Osten-Woldenburg vom LAD hatte 2011 eine groß angelegte geophysikalische Prospektion (Georadar) durchgeführt und dabei Messlinien von fast 45 Kilometern (!) abgefahren (siehe unseren HVO-Bericht Nr. 479 im Amtsblatt v. 18.03.2011). Die Ergebnisse bis in eine Tiefe von 20 cm (Zerstörung durch Pflug) und jenseits 170 cm (unberührter Boden) sind gleich Null. Die Messergebnisse in 20, 38, 58, 86, 115 und 163 cm Tiefe, die Dr. Bender im Bild zeigte, lassen den Grundriss und bauliche Details des Bades erkennen: das hypokaustierte Caldarium (Warmbad) mit dem Anbau für ein Heißwasserbecken, das Frigidarium (Kaltbad) mit dem Annex für ein Kaltwasserbecken und Spuren des Praefurniums (Heizraum). Besonders wichtig hierbei ist, dass die neuen Ergebnisse ohne Zerstörung des Befunds durch Ausgrabungen zustande gekommen sind. Das Apodyterium (Umkleideraum) und andere Gebäude der Straßenstation waren wohl aus Holz, was auch für mögliche Wasserleitungen gilt. Selbst hölzerne Bauten können zerstörungsfrei nachgewiesen werden, wozu man sich der geomagnetischen Prospektion bedient. Eine solche Untersuchung soll in naher Zukunft beim Römerkeller durchgeführt werden.

Nicht maßstabsgerechte Skizze zur Situation „Römerkeller und Römerbad im Weilfeld“.
Dr. Bender betonte, dass die Limesforschung sich nicht nur auf den Limes alleine beziehen könne. Die Forschungen im Limeshinterland seien zum Verständnis des Limes ebenfalls von Bedeutung. Insofern seien Meldungen von Münz- und Scherbenfunden sowie anderen Fundobjekten aus dem gesamten Limeshinterland von größtem Interesse. Außerdem legte er Wert auf die Feststellung, dass die Übersetzung »Limes = Grenze« nicht passt.
Die im Bereich des Kocherursprungs gefundene römische Silbermünze (Denar), Heimatmuseum Oberkochen, könne, so Dr. Bender, auf ein römisches Quellheiligtum hinweisen. Der Heimatverein solle versuchen, weiteren möglicherweise noch in Oberkochener Privatbesitz befindlichen Münzen nachzuspüren und dabei nicht aus dem Auge verlieren, dass Quellen von den Römern häufig auch architektonisch „inszeniert“ wurden. Es sei mit dem Hinweis auf Coventina’s Well am Hadrianswall und Bad Niedernau bei Rottenburg mit der Möglichkeit zu rechnen, im Bereich des antiken Kocherursprungs auch auf größere Münzmengen zu stoßen. Allerdings ist Graben bei hohen Strafen untersagt. Auch der Fund einer römischen Terra-Sigillata-Scherbe in der Höhle im Schmiedestein hoch über dem Kocherursprung durch Bantel/Hildebrand sen. vor 44 Jahren sei, so Dr. Bender, in diesem Gesamtzusammenhang von Bedeutung.
Dietrich Bantel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Fundort der Münze nicht ganz klar sei. Neben dem Ursprung des Schwarzen Kochers müsse auch der Quelltopf des Roten Kochers (Gelände Firma Leitz) in Betracht gezogen werden. Hier besteht weiterer Recherchebedarf. Auch kann beim Schwarzen Kocher ein mögliches römisches Quellheiligtum ein Stück flussabwärts gelegen haben, da der Quellaustritt sich allein in den letzten 50 Jahren um etwa 5 bis 7 Meter Richtung Süden in den Hang „hineingefressen“ habe. Deshalb wird es eine weitere Aufgabe des Heimatvereins sein, durch Geologen feststellen zu lassen, wie sich die Landschaft am Kocherursprung während der letzten 2000 Jahre verändert hat.
Die Betrachtungen dürften an Gemarkungsgrenzen nicht Halt machen, wie der Referent betonte, und sprach auch die römischen Funde auf dem Unterkochener Kirchberg und die zwischen Ziegelhütte und Königsbronn entdeckte Villa Rustica an. Alles weise auf rege Siedlungstätigkeit und beträchtlichen Verkehr im Brenz-Kocher-Tal in römischer Zeit hin. Leider ist im Gegensatz zu früheren Feststellungen von Kreisarchivar Hildebrand sen. der Verlauf der römischen Straße zwischen HDH und AA, die es auf jeden Fall gegeben haben muss, nirgends wirklich nachgewiesen worden, auch nicht zwischen Oberkochen und Aalen.
Außerdem darf nicht vergessen werden, dass Kaiser Caracalla anlässlich seines Feldzugs gegen die Germanen 213 n. Chr. auf seinem Weg vom Apollo-Grannus-Heiligtum in Faimingen zum Limesübergang bei Dalkingen durch das Brenz-Kocher-Tal marschiert sein dürfte. Auch daran erinnerte der kurzweilige und vielseitige Vortrag, der mehr Zuhörer verdient gehabt hätte.
Dietrich Bantel