1971 brach­te Herr Dr. Reiff, damals Leiter des Carl-Zeiss-Lehrlings­heims in der Jenaer Straße 2, einen Mammut­zahn zu mir ins Gymna­si­um. Herr Dr. Reiff, der in Tübin­gen in Geolo­gie promo­viert hatte, entdeck­te den Zahn in einem Kieshau­fen am Straßen­rand. Er meinte, der Zahn wäre vermut­lich mit Kies aus dem Donau­tal hierher gekommen.

Die letzten Mammuts lebten vor 10.000 fahren in Sibiri­en. Bei uns sind sie schon früher ausge­stor­ben. Mammuts waren Jagdbeu­te der Neander­ta­ler und der frühen Sibiri­en-Menschen. Das mag zu ihrem Verschwin­den beigetra­gen haben. Mammuts waren der Eiszeit gut angepasst: nach dem Rückgang des Eises konnten sie sich nur schlecht den neuen Bedin­gun­gen stellen. Der Zahn muss deshalb mindes­tens 15.000 Jahre alt sein.

Da der Zahn etwas mürbe war, riet Dr. Reiff. das Fossil länge­re Zeit in eine alkoho­li­sche Lösung von Siegel­lack zu legen. Die Lösung würde in den Zahn eindrin­gen und ihn so verfes­ti­gen. Ich folgte dem Rat. Herr Mannes war von dem Zahn begeis­tert. Er ließ eine Halte­rung ferti­gen, damit man den Zahn aufrecht stellen konnte.

Elefan­ten, und damit auch das Mammut, haben eine ganz beson­de­re Gebiss-Situa­ti­on: Neben den Stoßzäh­nen, die unseren oberen Schnei­de­zäh­nen entspre­chen, (beim Afrika­ni­schen Elefan­ten und beim Mammut haben männli­che und weibli­che Tiere Stoßzäh­ne, beim Indischen Elefan­ten meist nur die Bullen) besit­zen sie je 6 Backen­zäh­ne in jeder Hälfte von Unter- und Oberkie­fer, von denen aber jeweils nur ein Zahn aktiv ist. Der Zahnwech­sel ist im Urania-Tierreich, Band Säuge­tie­re S. 388 von 1992 wie folgt beschrie­ben: Der außer­or­dent­lich großen Beanspru­chung durch die harte Nahrung ist das Elefan­ten­ge­biss sehr gut angepasst. In jeder der beiden Hälften des Oberkie­fers und des Unter­kie­fers ist im Normal­fall nur ein einzi­ger Kauzahn in Funkti­on. Wenn diese Mahlzäh­ne fast abgekaut sind, schiebt sich von hinten unten jeweils ein neuer intak­ter zur Oberflä­che und drückt dabei langsam den abgenutz­ten Zahnstum­mel nach vorn aus seinem Zahnbett. Schließ­lich fällt er ganz aus, und der neue Zahn verrich­tet allein die Kau- und Mahlar­beit. Das geht so lange, bis er selbst nach sechs bis zehn Jahren wieder herun­ter­ge­kaut ist. Dann wird er auf die gleiche Weise gewech­selt. Im Ganzen sind während des Lebens eines Elefan­ten – es beträgt maximal sechzig Jahre – in jeder Oberkie­fer und Unter­kie­fer­hälf­te sechs derar­ti­ge Zahnwech­sel möglich.

Dazu zwei Anmer­kun­gen:
1. Im Oberkie­fer kommt der Folge­zahn selbst­ver­ständ­lich von oben!
2. Die sechs Jahre sind ein Mittel­wert. Die ersten beiden Zahnwech­sel erfol­gen in kürze­ren, die späte­ren in länge­ren Abstän­den. Das hängt mit dem Wachs­tum der Jungele­fan­ten zusam­men. Sind alle Zähne aufge­braucht, ist ein Elefant in der Natur nicht mehr in der Lage, seine Nahrung richtig aufzu­ar­bei­ten. Er verhun­gert. Im Tiergar­ten könnte man ihn durch breiige Nahrung noch länge­re Zelt am leben erhalten.

Elefan­ten sind reine Vegeta­ri­er: sie brauchen im Mittel etwa 120 kg Grünfut­ter pro Tag. Gefres­sen werden Kräuter und Gräser. Blätter von Bäumen und Sträu­chern, einschließ­lich kleine­rer Zweige und Äste.

Der Mahlzahn zeigt die für Pflan­zen­fres­ser typische Raspel­struk­tur. Die Grate (Querleis­ten) bestehen aus dem härte­ren Zahnschmelz, die Vertie­fun­gen aus weiche­rem Zahnbein (Dentin) und Zahnze­ment. Der Oberko­che­ner Mammut­zahn muss von einem veren­de­ten erwach­se­nen Tier stammen. Die beiden kleine­ren Zähne sind wahrschein­lich Zahnstum­mel, die beim Zahnwech­sel ausfal­len. Diese beiden kleine­ren Zähne hat Frau Edelmann-Strei­cher aus Aalen, die am Gymna­si­um Instru­men­tal­un­ter­richt gab, der Schule geschenkt. Fundum­stän­de und Fundort sind mir nicht bekannt.

Frau Edelmann-Strei­cher traf übrigens in der Schule mit Herrn Dr. Reiff zusam­men: Er war ihr Cousin, von dem sie seit Kriegs­en­de nichts mehr gehört hatte! Herr Dr. Walther Reiff (geb. 1905) hatte in Tübin­gen Geolo­gie studiert und eine Hochschul­lauf­bahn angestrebt.

Herr Dr. Reiff war der letzte Heimlei­ter des Lehrlings­heims. Dieses wurde geschlos­sen. Herr Dr. Reiff zog mit seiner Familie nach Südwürt­tem­berg (1973). Das Gebäu­de wurde 1992 abgebro­chen und machte Platz für das Alten­heim Jenaer Straße 2. Herrn Hopfen­sitz danke ich für die Fotos. Frau Czerner für die Eruie­rung einiger Fakten.

Oberkochen

Horst Riegel, Febru­ar 2014

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