Diese ausge­fal­le­ne Frage beschäf­tig­te mich während der letzten Wochen, – seit mich eine in Bremen gebür­ti­ge Oberko­che­ne­rin vor ein ungelös­tes Problem stellte:

Da ich ja vom Heimat­ver­ein sei, wisse ich die Antwort auf ihre Frage ja wohl sicher, – oder könne, falls nicht, zumin­dest die Lösung zu dieser Frage beibringen:

Die Frage:
Wie kommt es, dass sich ausge­rech­net in Aalen an der Außen­front des Reichs­städ­ter Markts ein sich gegen den Platz gewand­tes und sich über zwei Stock­wer­ke erstre­cken­des metal­le­nes Kunst­werk zum Thema »Die Bremer Stadt­mu­si­kan­ten« befindet?

Ehrli­cher­wei­se räumte ich ein, dass mir von der Existenz dieses Kunst­werks rein gar nichts bekannt sei, was ich damit zu entschul­di­gen versuch­te, dass ich einer­seits ja den Heimat­ver­ein von Oberko­chen und nicht den von Aalen oder gar den von Bremen vertre­te, und anderer­seits als jahrzehn­te­lan­ges Famili­en­ober­haupt von vier weibli­chen Wesen mit dem Einkau­fen razzfazz gar nichts zu tun gehabt habe, und deshalb eigent­lich so gut wie nie auf den Reichs­städ­ter Markt nach Aalen komme. Teil 1 meiner Ausre­de wurde akzep­tiert, Teil 2 milde belächelt mit dem Ergeb­nis, dass obige Frage erneut an mich gerich­tet wurde, mit der Bitte, ob ich mich vielleicht dennoch um eine Antwort kümmern würde?

Da mir die irgend­wie doch spannen­de Frage gerau­me Zeit lösungs­los blieb, wandte ich mich anfangs Juni mit dem folgen­den Schrei­ben an das Kultur­amt der Stadt Aalen. Ich ging schach­spiel­mä­ßig davon aus, dass das Kultur­amt der Stadt Aalen den mögli­chen Makel, diese Frage nicht beant­wor­ten zu können, sich nicht leisten können würde. Notfalls würde man dort die richti­gen Weichen stellen, so lange, bis die gewünsch­te Antwort auf dem Tisch läge.

Jeden­falls hätte man hier in Oberko­chen so gehan­delt. Hier der Brief:

An das Kultur­amt der Stadt Aalen
Sehr geehr­te Damen und Herren !

Als Ehren­vor­sit­zen­der des Oberko­che­ner Heimat­ver­eins, den ich 1987 gegrün­det habe, werde ich seit gerau­mer Zeit, – obwohl inhalt­lich echt sehr peripher und quasi nur im »studi­um genera­le« davon betrof­fen, – von einer in Oberko­chen ansäs­si­gen gebür­ti­gen Breme­rin nachdrück­lich mit der Frage konfron­tiert, was die »Bremer Stadt­mu­si­kan­ten« ausge­rech­net auf dem per Foto in dieses Schrei­ben einge­füg­ten Aalener Gebäu­de »Reichs­städ­ter Markt — Müller« zu suchen haben.

Klartext:
Von wem ist diese Draht­plas­tik, oder in wessen Auftrag, wann und aus welchem Grund ist jene just an diesem Aalener Gebäu­de angebracht worden?

Nachdem selbst mein verehr­ter Bruder im hohen Amte des Ehren­el­fer­rats der Oberko­che­ner Narren­zunft »Schlag­ga­wä­scher«, der Aalener Histo­ri­en- und Histör­chen­pro­fes­sor Prof. Dr. Eugen Hafner, wie er mir telefo­nisch auf meine schrift­li­che Anfra­ge mitteil­te, trotz seines enormen Wissens um die Aalener Geschich­te und Geschich­ten und vor allem trotz persön­li­cher Nachfra­ge in der Umgebung dieses ominö­sen Wandschmucks (Kunst am Bau) das Kunst­werk nicht einmal entde­cken, noch viel weniger etwas zu seiner Geschich­te heraus­fin­den konnte, sehe ich mich, um dem heimat­kund­li­chen Adel meines hiesi­gen Amtes halbwegs gerecht zu werden, gezwun­gen, mich mit der Bitte um Aufklä­rung an das Kultur­amt der Stadt Aalen zu wenden.

Die uns persön­lich bekann­te Oberko­che­ner Breme­rin verbringt zuneh­mend schlaf­lo­se Nächte, da ihr bislang niemand in Aalen in dieser in unmit­tel­ba­rem Zusam­men­hang mit der Geschich­te ihrer Heimat­stadt Bremen stehen­den und bislang ungelös­ten Frage, die auf Schwä­bisch ganz einfach lautet: »Wie kommt der Spinat aufs Dach?« weiter­hel­fen konnte.

In der Hoffnung, keine Fehlbit­te getan zu haben, verblei­be ich Ihr Dietrich Bantel, Ehren­bür­ger der Stadt Oberkochen.

Vom Kultur­amt der Stadt Aalen erhielt ich prompt noch am 4.6.13 von Frau Karin Haisch folgen­de Antwort:

Sehr geehr­ter Herr Bantel,
leider ist mir auch nicht bekannt, von wem das Bild stammt. Ich habe Ihre Anfra­ge weiter­ge­lei­tet, vielleicht können Ihnen Dr. Schurig oder Frau Euten­ei­er (Stadt­ar­chiv Aalen) weiter­hel­fen. – Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen konnte. Viele herzli­che Grüße, Karin Haisch — Schul‑, Sport- und Kultur­amt der Stadt Aalen

Ebenfalls noch am selben Tag, dem 4.6.13, erhielt ich von Herrn Stadt­ar­chi­var Dr. Roland Schurig persön­lich eine ausführ­li­che Antwort auf meine Frage.
Hier das Schreiben:

Grüß Gott Herr Bantel,
gerne helf ich Ihnen in der fragli­chen Angele­gen­heit weiter. Die Draht­plas­tik »Bremer Stadt­mu­si­kan­ten« zierte ab 1959 die westli­che Giebel­sei­te der Garten­schu­le. Das alte Knaben­schul­ge­bäu­de wurde in diesem Jahr grund­le­gend renoviert. Auch die »Kunst am Bau« sollte nicht zu kurz kommen. So wurden die beiden Aalener Künst­ler Hägele und Wanner aufge­for­dert, Entwür­fe für ein Kunst­werk einzu­rei­chen, das die Fassa­de schmü­cken sollte. Der Vorschlag von Ernst Wanner, das Märchen­mo­tiv »Bremer Stadt­mu­si­kan­ten« fand den beson­de­ren Gefal­len des Stadt­bau­am­tes. Es empfahl dem Gemein­de­rat, der sogenann­ten Draht­plas­tik den Zuschlag zu ertei­len. Weshalb Wanner dieses Motiv einreich­te, ist nicht bekannt. Die Verbin­dung von Grund­schu­le und Märchen­the­ma ist aller­dings zum damali­gen Zeitpunkt so abwegig nicht.

Nach dem Bau der heute noch bestehen­den Greut­schu­le wurde die Garten­schu­le 1980 abgebro­chen. Die Plastik blieb jedoch erhal­ten und wurde an der Fassa­de des kurz darauf errich­te­ten Einkaufs­zen­trums »Reichs­städ­ter Markt« angebracht. Sie sollte an den Stand­ort des alten Schul­hau­ses erinnern. Dreißig Jahre später mag dies wohl nicht mehr so ganz gelin­gen (siehe vorne).

In der Hoffung, zur Wieder­fin­dung der Nacht­ru­he Ihrer geschätz­ten Bekann­ten einen kleinen aber doch wesent­li­chen Beitrag geleis­tet zu haben bin ich mit herzli­chen Grüßen Ihr Dr. Schurig.

Anmer­kung: Der Gedan­ke, dass dieser inter­kom­mu­na­le Austausch auf kultu­rel­ler Ebene zwischen Aalen und Oberko­chen unter virtu­el­ler Mitein­be­zie­hung Bremens durch eine Oberko­che­ner Bürge­rin initi­iert wurde, besticht — - — man muss sich ja nicht immer gleich auf der aller­obers­ten Ebene austauschen.

Gemein­sam­keit war schon immer ein guter Weg. Und »Gemein­sam­keit« scheint mir auch in dem Grimm’-schen Märchen­mo­tiv der Bremer Stadt­mu­si­kan­ten zu stecken. Mehr noch: »Gemein­sam­keit macht stark und erfolg­reich«. Dieses Motiv passt unter den Vorzei­chen des Stich­worts »Inklu­si­on« in unsere derzei­ti­ge moder­ne Schul­land­schaft, wo dem Stich­wort »Inklu­si­on« immer mehr Bedeu­tung geschenkt wird.

Oberkochen

Und die Moral von der Geschicht:

Es ist gleich­gül­tig, wer die Räuber und Konsor­ten fertig macht. Entschei­dend ist, dass das Pack durch

1. die störri­sche Unnach­gie­big­keit und Ausdau­er des Esels
2. die Wachsam­keit und die Vertei­di­gungs­be­reit­schaft des Hundes
3. die unerwar­te­te schuss­waf­fen­lo­se Angriffs­lust der Katze
4. den anfeu­ern­den, den Räubern schreck­ein­flö­ßen­den Schlacht­ruf des Hahns

in einer konzer­tier­ten gemein­sa­men Aktion in die Flucht geschla­gen und unschäd­lich gemacht werden.

Dietrich Bantel

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