Frisch­ling vom 1. Mai 1950

Unsere wieder­hol­ten Berich­te vom Kinder­fest sowie die beiden Filmaben­de, bei denen das Kinder­fest von einst im Mittel­punkt stand, also das Kinder­fest in seiner ausge­stor­be­nen Art auf »dem Berg«, haben bei unseren Lesern zu einer ganzen Reihe von zum Teil sehr ergötz­li­chen Erinne­run­gen und Berich­ten geführt. Nachdem die Haupt­fi­gur eines aktuel­len Leserechos, eine am 1. Mai genau vor 63 Jahren als Frisch­ling gefan­ge­ne Wildsau ist, die dann vor etwas mehr als 60 Jahren im Kinder­fest­zug in Oberko­chen mitmar­schiert ist, und nachdem die Wildschwei­ne gerade in diesem Jahr 2013 zum Ärger der Landwir­te beson­ders zerstö­re­risch auf unserer Gemar­kung zugan­ge waren und wüteten, möchten wir den Bericht von der »Wildsau im Kinder­fest-Festzug« an dieser Stelle weitergeben.

Frau Esther Englert schrieb uns bereits im Febru­ar dieses Jahres:

»… Immer wieder gern lese ich Berich­te von Alt-Oberko­chen in »Bürger und Gemein­de« unter dem BuG-Vereins­sym­bol »Heimat­ver­ein«, – so wie neulich über die Gebrü­der Hahn und letzte Woche Ihren Bericht über das »Kinder­fest auf dem Berg«. Bei 4 Kindern, die ihre Kinder­fes­te auf dem Berg erlebt haben, ist mir vieles in Erinne­rung und durch Ihren Bericht manches wieder in Erinne­rung gekom­men. Ob meine jüngs­te Tochter auch noch alle Kinder­fes­te dort oben erlebt hat, weiß ich nicht. Ich konnte es auch noch nicht in Erfah­rung bringen.

Ich fand es immer schön, dass auch die meisten Väter den Abschluss und den Heimweg von dort oben mit den Kindern gegan­gen sind. Im Gegen­satz zu den Festen, die dann aus irgend­ei­nem beson­de­ren Anlass mit Festzelt am Sport­platz statt­fan­den, wie z.B. bei der Stadterhebung.

Ein beson­de­res Erleb­nis ist mir auch nun wieder einge­fal­len. Als unser Sohn Rolf 4 Jahre alt war – ich war im 6. Monat mit dem 4. Kind schwan­ger, war er auf einmal unter all den vielen Kindern von der Festwie­se verschwun­den. Familie, Verwandt­schaft, Freun­de und Nachbarn halfen beim Suchen mit, aber das Kind blieb verschwun­den. Herr Kempf, der sich auch auf dem Berg befand, kam auf einmal mit einem Motor­rad daher – ob es ihm gehört hatte, oder ob er es sich von einem seiner schon damals vielen Bekann­ten gelie­hen hatte, weiß ich nicht mehr.

Auf jeden Fall kurvte er erst einmal oben den ganzen Wald ab und fuhr anschlie­ßend ins »Dorf« hinun­ter, immer auf der Suche nach dem Rolf. Er fand ihn dann schließ­lich weinend auf unserer Haustrep­pe vor. Rolf hatte sich wohl verlau­fen und war nach dem offizi­el­len Festab­schluss einer Gruppe von Menschen hinter­her­mar­schiert, von denen er dachte, es sei seine Familie. Wie er aller­dings den Weg durch den Ort gefun­den hatte, war uns immer ein Rätsel. Wir wohnten ja gegen­über vom damali­gen Bahnhof – jetzt Norma – und am Abend vor dem Fest kam dann das »Bähnle« in den Bauhof, das am nächs­ten Tag im Kinder­gar­ten, zumin­dest Carl-Zeiss-Kinder­gar­ten, zur Freude der Kinder einge­setzt wurde. Damit begann schon die Freude auf den nächs­ten Tag.

Der eigent­li­che Grund aber, warum ich mich an Sie wende, sind nicht meine Erinne­run­gen an das Bergfest, sondern das beilie­gen­de Foto. Es war auch ein Kinder­fest, das genaue Datum weiß ich nicht, – ich schät­ze mal 1951 oder 52. Mein späte­rer Mann, Hugo Englert, hatte am 1. Mai 1950 bei einem Ausflug der Singge­mein­de Oberko­chen im Wental (über die Singge­mein­de Oberko­chen werden wir in einem getrenn­ten Beitrag berich­ten), dort diesen Frisch­ling gefan­gen und im Brotbeu­tel nach Hause trans­por­tiert. Er versuch­te es auch ein wenig zu dressie­ren und meine späte­re Schwie­ger­mut­ter, Frau Anna Englert, zog das Tier auf.

Oberkochen

Im Hause Englert wohnte damals noch die Flücht­lings­fa­mi­lie Menzl. Herr Menzl war Lehrer an der damals einzi­gen Schule in Oberko­chen, der Dreißen­tal­schu­le. Da bot es sich an, als Thema für seine Klasse zum Kinder­fest »Jäger« darzu­stel­len. (Man stelle sich vor, mit welcher Liebe, mit welcher Geduld und mit welchem Zeitauf­wand, aber auch mit welchem Stolz damals die gesam­ten Famili­en in die Vorbe­rei­tung eines Kinder­fest­zugs mitein­be­zo­gen waren).

Oberkochen

Der Junge, der das Wildschwein führt – das Geschirr hatte Hugo Englert selbst gebas­telt – ist Willi Rühle, ein Bruder von Frau Limpert. Rühles waren die direk­ten Nachbarn von Englerts. Wo dieser Festzug endete, entzieht sich meiner Kennt­nis, denn ich wohnte ja damals noch nicht in Oberko­chen. Aber ich dachte, dieses Foto könnte Sie vielleicht inter­es­sie­ren. Aller­dings hätte ich es gern wieder zurück.

Esther Englert

Wir vom Heimat­ver­ein freuen uns über jegli­ches Echo auf unsere Berich­te, auch Kritik, oder auch einfach, wenn uns jemand von sich aus eine Erinne­rung oder einen Tatsa­chen­be­richt aus alten Zeiten – wie in diesem Fall schrift­lich – zukom­men lässt. Einen weite­ren Bericht, den uns eine Alt-Oberko­che­ner Leserin, die seit zig Jahren in Itali­en lebt, werden wir demnächst veröffentlichen.

Dietrich Bantel

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