Die Sage vom »Schäfer vom Wollen­berg« ist eine unserer bekann­tes­ten lokalen Sagen. Wir haben schon früher darauf hinge­wie­sen, dass jede Sage zumin­dest die Spur eines histo­ri­schen Hinter­grunds aufweist. Dass dem so ist, haben bereits im Jahr 1979 zahlrei­che Schüler des Gymna­si­ums Oberko­chen belegt, die in wochen­lan­ger Arbeit zusam­men mit ihrem Lehrer eine in der Sage vom »Griebi­gen Stein« angespro­che­ne Fortset­zung dieser Höhle Richtung Pulver­turm, wie in der Sage berich­tet, entdeckten.

Wir gehen also nicht ohne Grund davon aus, dass auch jene Sage, derzu­fol­ge der ominö­se Mord des Schäfers vom Wollen­berg an seiner Frau, der diesel­be aus nichti­gem Anlass ins 50 m tiefe Wollen­loch gesto­ßen hatte, einen histo­ri­schen Hinter­grund aufweist. Der Schäfer leugne­te der Sage zufol­ge zunächst den Mord, bis über den aus der Ziegel­bach­quel­le ausge­schwemm­ten berühm­ten Pantof­fel der Ermor­de­ten auf eine unter­ir­di­sche Wasser­ver­bin­dung vom Wollen­loch nach dort geschlos­sen werden konnte – womit auch der Mörder feststand. Dieser entzog sich der Strafe laut Sage durch Flucht ins benach­bar­te bayeri­sche Ausland.

Dieser Sage nachzu­ge­hen, vor allem aber den Beweis der unter­ir­di­schen Wasser­ver­bin­dung zwischen Wollen­loch und Ziegel­bach­quel­le zu erbrin­gen, war die Absicht des Oberko­che­ner Wollen­loch­klubs nach dem Zweiten Weltkrieg. Leider beende­te ein tödli­cher Unfall und die daraus resul­tie­ren­den hohen und damit für den Klub nicht mehr bezahl­ba­ren Sicher­heits­auf­la­gen des TÜV das Unter­neh­men »Wollen­loch­klub«.

Einem mit dem entspre­chend feinen wissen­schaft­li­chen Näschen ausge­stat­te­ten Heimat­kund­ler würde es mit entspre­chend nachhal­ti­gem Einsatz sicher­lich gelin­gen, die Akten zu diesem Mordfall, der sich vor circa 250 plusmi­nus 50 Jahren ereig­net haben muss, aufzu­spü­ren. Das war die Zeit, zu der in der »Bilz« die öster­rei­chi­schen Einwan­de­rer angesie­delt wurden. Fest steht, dass zur Zeit, da der Mord am Wollen­loch geschah, der Wollen­berg nicht oder nur spärlich bewal­det war, wie alle Berge über unseren Tälern. Und fest steht ferner, dass die Hänge und Höhen über dem Kocher­tal damals noch landwirt­schaft­lich genutzt wurden. Der Fachmann spricht auch von »Waldwei­de«. Es ist zum Beispiel belegt, dass auch die »Heide« zu dieser Zeit noch bewirt­schaf­tet war. Wir haben dort noch in den Sechzi­gern des letzten Jahrhun­derts beim Pilze­su­chen auf heute völlig überbau­tem Boden sogenann­te »Lesestein­hau­fen« festgestellt.

Auch von der Waldflur »Bilz« ist in der fragli­chen Zeit eine landwirt­schaft­li­che Nutzung belegt.

Chris­toph Schurr schreibt in seinem 1986 heraus­ge­ge­be­nen fundier­ten Werk »Aus der Geschich­te der Realge­nos­sen­schaft Oberko­chen« (»Vom Nutzungs­recht zum Waldbe­sitz«) auf Seite 62: »Um 1750 waren die Wälder der Ostalb in einem erschre­cken­den Zustand. Der immense Holzbe­darf der Kohlen­mei­ler, der starke Druck der Waldwei­de, verstärkt durch die im herzog­li­chen Jagdre­vier des Heiden­hei­mer Forsts (1810÷11 – König Fried­rich – Bilz, Bilzhaus, Bilzhan­nes) weit überhöh­ten Wildbe­stän­de, hatten die Wälder ruiniert.« – An anderer Stelle unserer heimat­kund­li­chen Bericht­erstat­tung ist ein Zitat überlie­fert, demzu­fol­ge es auch in den Oberko­che­ner Wäldern vor der syste­ma­ti­schen Waldwirt­schaft, die erst im 19. Jahrhun­dert einge­führt wurde, keinen Baum gegeben hat, der stärker als »armdick« war.

Allein die Tatsa­che, dass die Sage von einem Schäfer auf dem Wollen­berg berich­tet, belegt, dass auch der südlich des Tiefen­tals gelege­ne Wollen­berg, heute ein reines Waldge­biet, einst landwirt­schaft­lich genutzt wurde. Im engen Zusam­men­hang ist auch die an den Wollen­berg angren­zen­de Ziegel­hal­de (Ziegel­bach­quel­le) zu sehen. Der Wollen­berg wurde ursprüng­lich Hoala­berg (Hohler Berg) genannt, was wohl mit den beiden Höhlen »großes und kleines Wollen­loch« und anderen Karst­er­schei­nun­gen zusam­men­hängt. Der heuti­ge Name Wollen­berg entstand erst mit der Schaf­zucht auf dem Berg, wobei wohl die im Gebüsch und Gestrüpp hängen­ge­blie­be­ne Schaf­wol­le namen­ge­bend gewirkt hat.

Zwei neue Funde, die der Oberko­che­ner Günther Schrei­ber im Rahmen seiner Gemar­kungs­gren­zen-Begehun­gen im Auftrag des Landes­denk­mal­amts (»Klein­denk­ma­le«, s. Punkt 16 d. Homepage) und in Zusam­men­ar­beit mit dem Heimat­ver­ein Oberko­chen zum Zwecke der Auffin­dung und Aufnah­me von Grenz­stei­nen in den letzten beiden Jahren im gesam­ten Oberko­che­ner Gemar­kungs­ge­biet, also auch im Bereich Wollenberg/Ziegelhalde, getätigt hat, belegen diese landwirt­schaft­li­che Nutzung des Wollen­bergs in hervor­ra­gen­der Weise. Wir berich­te­ten über diese Grenz­stein­ar­beit und verwei­sen auf Herrn Schrei­bers bereits angekün­dig­ten Vortrag zu diesem Thema am 8. Novem­ber des Jahres.

Oberkochen

Beide Funde, ein kleines Hufei­sen (Abbil­dung 1), gefun­den am 03.05.2010 im Steil­hang der Ziegel­hal­de auf Oberko­che­ner Gemar­kung, das vom Landes­denk­mal­amt als »neuzei­tich, plusmi­nus 18 Jahrhun­dert« einge­stuft wurde, und neuer­dings, am 30.07.2012 das durch­aus beacht­lich große klassisch geschwun­ge­ne Horn eines Ziegen­bocks (ca. 30 cm lang, Abbil­dung 2) wurden beide in dem genann­ten Bereich getätigt, das Horn wurde sogar in noch größe­rer Nähe zum Wollen­loch, gefun­den. Es ist zunächst als kleines Stein­bock­horn, bald jedoch von Horst Riegel, unserem Vereins­bio­lo­gen und ‑chemi­ker, klar als Ziegen­bock­horn klassi­fi­ziert worden.

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Wir werden bemüht sein, auch den zweiten Fund, das Ziegen­bock­horn, durch Fachleu­te etwas präzi­ser datie­ren zu lassen, denn mit einer genaue­ren Datie­rung wäre auch der histo­ri­sche Hinter­grund der Sage vom »Schäfer vom Wollen­berg« weiter einge­kreist. Doch kann schon vorab mit einiger Sicher­heit gesagt werden, dass das Horn tatsäch­lich in die Zeit der Nochbe­wirt­schaf­tung des Wollen­bergs und der Wollen­berg­hän­ge, also ins 18. oder sehr frühe 19. Jahrhun­dert fällt: Das Horn ist durch das lange Liegen auf einer Seite, mit der es von allem Anfang an bis zum Tag des Auffin­dens durch Herrn Schrei­ber unver­än­dert im Gelän­de lag, stark in die Fläche auserodiert.

Das Horn und das Hufei­sen belegen in anschau­li­cher Weise, dass auch die Sage vom »Schäfer vom Wollen­berg« einen histo­ri­schen Hinter­grund hat. Den Schäfer, der dort Schafe und Ziegen hütete, hat es auf dem Wollen­berg wirklich gegeben.

Dietrich Bantel

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