Bürger­meis­ter Bosch hatte Recht:

Unser heuti­ger Bericht 599 bezieht sich auf den Vortrag »Klein­denk­ma­le in Oberko­chen«, den der Ehren­vor­sit­zen­de des HVO zusam­men mit Helmut Gold am 12.4. im Schil­ler­haus gehal­ten hat. Der erste Teil des Vortrags war unter­teilt in »Klein­denk­ma­le inner­halb Etters« und »Klein­denk­ma­le außer­halb Etters«.

Nach dem Vortrag, in dem auch noch die 16 Kreuze auf Oberko­che­ner Gemar­kung gezeigt und bespro­chen wurden, wurde von einigen Besuchern festge­stellt, dass die Bezeich­nun­gen »inner­halb und außer­halb Etters« im alten Oberko­chen nicht gebräuch­lich gewesen seien.

Nach kurzem Hin und her stell­te sich dann aber heraus: Einige Besucher kannten den Begriff »Etters« tatsäch­lich, und waren auch der Ansicht, dass man so früher in Oberko­chen auch für »inner­halb und außer­halb des geschlos­se­nen Orts« gesagt habe.

Um das zu belegen, veröf­fent­li­chen wir heute erneut die ältes­te Darstel­lung Oberko­chens, — eine Deckfar­ben­ar­beit aus dem Jahr 1847, die von einem bis heute nicht völlig fraglos festste­hen­den Maler stammt.

Oberkochen

Es muss in den späten Sechzi­gern des letzten Jahrhun­derts, auf alle Fälle wohl noch vor der Stadt­er­he­bung 1968, gewesen sein, als Bürger­meis­ter Bosch mit der Bitte zu mir kam, ich möge ihm einen fähigen Drucker vermit­teln, der ihm das, von der Besit­zer-Familie Trick ausge­lie­he­ne kleine Origi­nal-Bild von Oberko­chen, der ältes­ten bekann­ten Darstel­lung des Orts, optimal repro­du­zie­ren könne. Eine solche Repro nennt man Faksi­mi­lie (von den latei­ni­schen Wörtern »fasere« = »machen« und »similis« = »ähnlich« abgelei­tet). Bürger­meis­ter Bosch erklär­te mir, da ich damals noch ein Frisch­ling in Oberko­chen war, alles, was er über das Bild wusste. Unter Anderem auch, dass auf dem Bild sowohl beide Kirchen sowie die beiden Kapel­len noch in ihrem alten Zustand vor den bekann­ten Umbau­ten zu sehen sind, vor allem rechts im Vorder­grund auch die um 1950 abgebro­che­ne Wiesen­ka­pel­le. Dann wies er mich ausdrück­lich auf den sogenann­ten »Etteres­zaun« hin, der 1847 noch um das Dorf ging, und vor allem in der linken Hälfte des Bildes beson­ders gut zu sehen sei. (Siehe Markierungen).

Ich hatte das Wort »Etter« bis dahin noch nie gehört und war vom Wissen des Bürger­meis­ters wieder einmal beein­druckt. Die Ottili­en­ka­pel­le, so fuhr Bgm Bosch fort, habe 1847 eindeu­tig »inner­halb Etters«, die Wiesen­ka­pel­le hinge­gen »außer­halb Etters« gelegen. Der ziemlich robus­te »Etters­zaun« sei mehr oder weniger als symbo­li­scher Rest von einer Ortsum­gren­zung anzuse­hen, wie man sie im Mittel­al­ter um kleine­re Orte aufge­rich­tet habe anstel­le von »Stadt­mau­ern«, die man sich nicht habe leisten können, zur Abgren­zung und zum eigent­lich zu dieser Zeit nur noch zeichen­haf­ten Schutz der mit Gebäu­den überbau­ten Ortsflä­che gegen­über dem gemein­de­ei­ge­nen Grund außer­halb der Ortbe­bau­ung. Im Übrigen wies mich Bgm Bosch auch auf die drei »Kreuz­weg-Statio­nen« hin, die als Teil vom ganzen Wallfahrts­weg anzuse­hen seien, der zu der damals weit »außer­halb Etters« gelege­nen über den Ort hinaus bekann­ten Wallfahrts­ka­pel­le mit dem sogenann­ten »Wiesen­herr­gott« (»Geissel­hei­land« — heute in der Katho­li­schen Kirche St. Peter und Paul) geführt habe.

Nach gerau­mer Zeit lagen die in der Tat dem Origi­nal so ähnlich gewor­de­nen Repros vor, dass sie von diesem nicht zu unter­schei­den waren. Diese Faksi­mi­les hat Bürger­meis­ter Bosch dann über viele Jahre hinweg aus beson­de­ren Anläs­sen als Geschenk an verdien­te Bürger und Gäste der Stadt gegeben.

Leider ist das Origi­nal bei der Famil­lie Trick nicht mehr auffind­bar — selbst dort hängt nur noch ein Faksimiledruck.

Zurück zum Etter.
Heute hat man’s einfach: Man öffnet seine digita­le Kiste, gibt im Inter­net bei »Google« den Suchbe­griff »Etter« ein, — und schon hat man des Rätsels Lösung schwarz auf weiß und auch noch mit Abbil­dun­gen auf dem Schirm.
Dort kann findet man haarge­nau das ein halbes Jahrhun­dert alte Wissen von Bürger­meis­ter Bosch.

Etter (Zitat Google v. 15.04.2012)
»Etter (auch: Öder) weibl., auch männl, ist eine süddeut­sche Bezeich­nung für die Umgren­zung eines mittel­al­ter­li­chen Ortes. Im Gegen­satz zu Städten mit Stadt­mau­ern waren Dörfer zumeist von Hecken oder Holzzäu­nen umgeben. In der Dreifel­der­wirt­schaft waren auch die drei Flurtei­le Sommer­feld, Winter­feld und Brache jeweils mit einem Zaun oder einer Hecke umgeben, da sie in den Zeiten ohne Frucht­be­stand als Viehwei­de dienten. Im Etter waren auch ein oder mehre­re Tore erforderlich.

Der Verlauf des Etters und seine Tore hatten auch juris­ti­sche Bedeu­tung. Er bilde­te im Mittel­al­ter und der frühen Neuzeit oft die politi­sche Grenze zwischen dem recht­li­chen Zustän­dig­keits­be­reich einer geschlos­se­nen Hofmark (Hofmark inner­halb Etters, Gerichts­bar­keit inner der Etter) und dem Zustän­dig­keits­be­reich des Landge­richts des Landes­herrn. Hier wurden etwa Straf­tä­ter von Hofmarks­amt­män­nern an Landge­richts-Amtsmän­ner übergeben.

Im Zusam­men­hang mit der Etter wird auch oft der Begriff Falltor erwähnt. So steht bei J.A. Schmel­ler »Das Falltor, das, der Faler, Zauntor über Fahrwe­ge, das von selbst zufällt. Beson­ders ein solches wodurch der einge­zäun­te Bezirk um ein Dorf von dem freyen Felde außer­halb dessel­ben wegen des Weide­vie­hes abgeschlos­sen werden kann. Bey Dörfern, die eine geschlos­se­ne Hofmark bilde­ten, durften ehemals die Beamten des Landes­fürs­ten oft nur bis an das Falltor kommen, um einen Crimi­nal­ver­bre­cher, wie ihn der Hofmarks­rich­ter dahin liefer­te… in Empfang zu nehmen.

Etter bezeich­net heute auch das Kernge­biet einer Ortschaft (etwa hei »Bauland­prei­se im Ortset­ter«)« Ende Zitat Google (Wikipe­dia).

Zu unserer Abbil­dung:
Wir erken­nen durch die Pfeile die Stellen, an denen der »Etters­zaun« beson­ders gut darge­stellt ist. Teilwei­se, wie z.B. vorne im Bild links, ist er in schlech­tem Zustand. Wir erken­nen ferner, dass, wie bei »Google« beschrie­ben, auch Busch- oder Baumrei­hen, mögli­cher­wei­se sogar geschich­te­te Trocken­stein­mau­ern, die Begren­zun­gen darstel­len oder zusätz­lich betonen. An der Stelle, wo sich der in zwei Richtun­gen weisen­de Pfeil befin­det, ist durch­aus denkbar, dass sich dort einst ein »Falltor« befun­den hat, denn an dieser Stelle verlässt der Kapel­len­weg den inneren Etters und der äußere Etters beginnt. Da in der Mitte des 19 Jahrhun­derts ein »Falltor« nicht mehr benötigt wurde, ist es wohl entfernt worden; der Zaun jedoch, der links und rechts an das »Falltor« anschloss, blieb zumin­dest bis zu diesem Zeitpunkt erhal­ten. — Zur Frage: Von wo aus hat der Maler gemalt? Wenn wir davon ausge­hen, dass die Wiesen­ka­pel­le, die einst talab­wärts schräg gegen­über dem Gebäu­de Mannes am Kapel­len­weg (ehem. Sägwerk Fa. Bäuerle) stand, und die Katho­li­sche Kirche etwa mittig zwischen der alten Evange­li­schen Kirche und der Wiesen­ka­pel­le steht, kann der Berg hinter dem Dorf eigent­lich nur die »Heide« sein, — das Tal, das sich vom rechten Bildrand aus weg vom Dorf zieht, muss das Kocher­tal Richtung Unter­ko­chen sein. Der Volkmars­berg wäre vom rechten Bildrand angeschnit­ten. — Wer weiß mehr?

Im »Schwä­bi­schen Handwör­ter­buch« Mohr/Siebert finden wir: »Etter = Zaun oder Umzäu­nung im allgem., der früher das Dorf umgeben­de Zaun: Grenze zwischen Wohnort (Dorf/Stadt) und Feldflur. Inner­halb; außer­halb Etters.«

Bei Hermann Wax — 1. Aufla­ge, unserem ansons­ten zuver­läs­si­gen Macher des »Schwä­bi­schen Lexikons«, finden wir »Etter« nicht aufge­führt. — In der 3. Aufla­ge finden wir dann eine Erklä­rung, die Mohr/Siebert entspricht.

Dietrich Bantel

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