Ihre Tochter, Frau Gabi Feifel, besuch­te vor einiger Zeit am »Offenen Sonntag« das Heimat­mu­se­um und brach­te nicht nur ihren Mann sondern auch eine kleine aber sehr schwe­re Maschi­ne mit, die sie dem Heimat­ver­ein als Geschenk überreich­te. Niemand hätte sagen können, welchem Zweck dieses kostba­re Stück einst gedient hatte. — Auch wir wollen das erst später im Bericht verraten.

Frau Feifels Mutter, Katha­ri­na Gold, geb. Kutow­ski, lebte damals noch — sie war genau 99 Jahre alt. Ihre Tochter brach­te nützli­cher­wei­se ein paar die Maschi­ne betref­fen­de Notizen aus dem Jahr 2009 mit, die sie der Museums­auf­sicht zusam­men mit der Maschi­ne übergab.

Zitat aus den Notizen:
»Lebens­lauf von meiner Mutter Katha­ri­na Gold geb. Kutow­ski. Meine Mutter wurde am 9.12.1909 als zweit­jüngs­te Tochter in Zopott bei Danzig geboren. Sie hatte noch 4 Geschwis­ter. Sie hat während des 2. Weltkriegs auf einer Ostsee-Werft in einem Lohnbü­ro gearbei­tet und dort meinen Vater Josef Gold, einen Sohn Oberko­chens, der dort dienst­ver­pflich­tet war, kennen­ge­lernt. Die beiden haben sich verliebt und am 19.1.1941 gehei­ra­tet. Im Septem­ber dieses Jahres wurde Bruder Hubert geboren. Der Vater war in russi­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Anfang 1945 wurde die Familie heimat­ver­trie­ben. Wir mussten die schöne Heimat, unsere gelieb­te Ostsee, verlas­sen. Ich war damals 36 Jahre alt. Wir gingen nach Oberko­chen und fingen dort wieder von vorne an — in einer kleinen Wohnkü­che im Mahd 4.

Im Dezem­ber 1947 wurde meine Schwes­ter Gabrie­le geboren.

Meine Mutter hatte einen starken Willen und war sehr fleißig und rege. Sie war immer für uns da, weil sie hatte Heimar­beit angenom­men und hat für die Leute Strümp­fe aufge­mascht, wofür sie eben diese seltsa­me Maschi­ne erwor­ben hatte, die nun im Heimat­mu­se­um gezeigt werden kann.

10 Pfennig hat es einmal gekos­tet, eine Masche wieder hochzuziehen.

Seiden­strümp­fe waren teuer — die »Wegwerf­ge­sell­schaft« war noch nicht erfun­den. Deshalb war meiner Mutter Neben­be­ruf bald wie zu einer Art Haupt­be­ruf gewor­den und schon nach kurzer Zeit hatte sie in Oberko­chen den Name »d’Strom­pf­gold« weg.

Man muss sich wundern, dass sie so alt gewor­den ist, weil sie hat schon manches durch­ge­stan­den. 1977 hat sie im Febru­ar ihren Sohn durch einen Autoun­fall und im Mai ihren Mann an Krebs verlo­ren. Sie selbst hatte 1987 auch eine schwe­re Krank­heit. Sie hat aber die Freude am Leben nie verlo­ren. Sie war immer zufrie­den. Heute hat sie 3 Enkel und 4 Urenkel und zu ihrem 100. Geburts­tag wollen alle Verwand­ten, die wir noch haben, kommen. Geschwis­ter und Freun­de und Alter­ge­nos­sen, die sie immer gepflegt hat, sind halt leider keine mehr da. Ich hoffe, dass es ein schönes Fest wird.« Soweit der Bericht der Tochter Gabi Feifel. — Ende Zitat.

Das Geheim­nis ist nun gelüf­tet:
Die Maschi­ne ist eine Laufma­schen­flick­ma­schi­ne.

Oberkochen

Frau Katha­ri­na Gold hat ihren 100. Geburts­tag tatsäch­lich erlebt. In »Bürger und Gemein­de« vom 4.12.2009 ist darüber auf Seite 1005 ausführ­lich berichtet.

Nur 2 Monate nach ihrem 100. Geburts­tag, am 12.2.2010, starb Frau Gold. Ihren »Beruf« des Strumpf­re­pa­rie­rens übte sie von 1950 bis ins Jahr 2000 aus, haupt­säch­lich aber bis 1970. Annah­me­stel­len waren die Fa. Bolz (jetzt »Fässle«) und die Firma Fischer (jetzt »Grafit­ti) in Oberko­chen. Der Hausna­me ihres Mannes Josef Gold ist »Holzwarts­be­cka-Josef.« — Die Geschich­te um die Laufma­schen­flick­ma­schi­ne endet wie im Märchen. Die Familie des »Holzwarts­be­cka-Josef« wohnte später in der Aalener Straße 21, dem Gebäu­de, das von der Stadt zur Erwei­te­rung des Heimat­mu­se­ums erwor­ben wurde. Das heißt: Nach langen Wander­jah­ren kehrt die Laufma­schen­flick­ma­schi­ne der »Strom­pf­gold«, wieder in ihre alte Heimat, die Aalener Straße 19/21 zurück.

Herzli­chen Dank für die außer­ge­wöhn­li­che Maschi­ne und ihre Geschichte.

Ein weite­rer Dank
Ein Geschenk ganz anderer Art vermach­te uns unser Mitglied Rolf Stelzen­mül­ler. Es hat sich im Ort bereits herum­ge­spro­chen, dass Rolf Stelzen­mül­ler sein Fotoge­schäft nicht weiter­führt. Erstens hat er die Alters­gren­ze schon überschrit­ten und zweitens ist die digita­le Konkur­renz zu groß gewor­den und die Beschaf­fung der notwen­di­gen moder­nen Gerät­schaf­ten lohnt sich für ein Geschäft dieser Größe nicht — das trauri­ge aber unaus­weich­li­che Schick­sal tausen­der ähnli­cher deutscher Betrie­be. Für die Freun­de der tradi­tio­nel­len Fotogra­fie und in mancher Hinsicht für ganz Oberko­chen ist diese Geschäfts­auf­ga­be ein echter Verlust. Auch der Heimat­ver­ein hat Rolf Stelzen­mül­ler für seine jahrzehn­te­lan­ge treue Unter­stüt­zung und Förde­rung des Heimat­ver­eins, haupt­säch­lich in der Zeit des Aufbaus des Heimat­mu­se­ums, großen Dank abzustat­ten. Als letztes großes Geschenk überlässt uns Rolf Stelzen­mül­ler nicht nur einen großen Stapel alter bis uralter von seiner Firma mit Fotos bestück­ten Prospek­ten in Form von Beleg­ex­em­pla­ren für Werkzeug-Katalo­ge für die Firmen Bäuerle, Leitz, Schmid, Gold und Oppold, sondern, als wahren einma­li­gen Schatz, seine komplet­te Sammlung von Fotogra­fien aus Oberko­chen, vor allem Alt-Oberko­chen. Die Sammlung umfasst auch noch Glasplat­ten und großfor­ma­ti­ge Zellu­loid-Negati­ve aus der Zeit der Firma Rudolf Kristen, die Rolf Stelzen­mül­ler übernom­men hat. Hinzu kommen zwei große Alben mit Foto-Sammlun­gen von Alt- Oberkochen.

Oberkochen

Von Isidor Retten­mei­er, der der eigent­li­che »spiri­tus rector« der Stelzenmüller’schen Foto-Sammlung ist, erhiel­ten wir außer­dem noch eine CD, auf der sich ein von einer Tonband­auf­nah­me von 1980 überspiel­tes Inter­view mit inzwi­schen längst verstor­be­nen Altober­ko­che­nern befin­det. Herzli­chen Dank also auch nach Ellwangen.

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte