Seit langen Jahren verfol­ge ich, wie sich Alfred Ficht­ner, Ausschuss-Mitglied beim Heimat­ver­ein Oberko­chen, mit unbeirr­ba­rer Geduld und Sorgfalt bemüht, die im Schwar­zen Kocher, unserem Kocher, ausge­stor­be­nen »Stein­kreb­se« wieder heimisch zu machen. Hier sein jüngs­ter Bericht über seine Bemühungen:

Dietrich Bantel

Krebse für den Kocher

Schon in meiner Kindheit u. Jugend haben sie mich faszi­niert: die Panzer­rit­ter des Süßwas­sers, die Krebse. Wir verbrach­ten unsere Freizeit am Wasser, in den Flußau­en und in den damals noch reich­lich vorhan­de­nen Schilf­di­ckich­ten – in der Natur, nicht an der Tasta­tur elektro­ni­scher Spiele. Im löchri­gen Wehr einer alten Jagst­müh­le waren Fluss­kreb­se versteckt. Es war eine unserer Mutpro­ben: wer sich getrau­te, den Finger in die Höhle zu stecken und nach dem Zupacken des Krebses ruhig blieb, der war »cool«.

Oberkochen

Krebs­mut­ter (auf Hand)

In den Jahren nach dem Krieg, wo Wachs­tum und Arbeits­plät­ze wichti­ger waren als saube­res Wasser, wurden die Krebse immer selte­ner. Schon mit Beginn der Indus­tria­li­sie­rung hatte man versucht, mit dem Ausset­zen der unemp­find­li­che­ren ameri­ka­ni­schen Arten Kamper- u. Signal­krebs dem Verschwin­den des Edelkreb­ses etwas entge­gen­zu­set­zen, mit fatalen Folgen: die einge­schlepp­te Krebs­pest vernich­te­te ganze Bestän­de. Hinzu kommt der vermehr­te Dünger­ein­trag aus der Landwirt­schaft und das Abschwem­men der Acker­kru­me aus viel zu vielen Maisfel­dern, das die Gewäs­ser verschlammt.

Noch im frühen 19. Jahrhun­dert gab es in Nord- u. Süddeutsch­land in fast allen Flüssen und Seen enorme Krebs­be­stän­de. Dr. J. Hofmann zitiert in seinem Büchlein »Die Fluss­kreb­se« einen Bericht von J. Lahnstei­ner von 1960 über die Krebse im Zeller See:

»Die Zeller Krebse galten als eine hervor­ra­gen­de Delika­tes­se. Von ihrer Zahl hat man eine Vorstel­lung, wenn um 1760 jährlich 14000 an den Erzbi­schof von Salzburg gelie­fert und eine ungleich höhere Stück­zahl frei verkauft wurde. Noch besse­ren Verdienst ergab der verbo­te­ne Handel außer Land. Die Zeller Krebse kamen trotz schar­fer Kontrol­le nach Tirol, nach Augsburg und Regens­burg, ja sogar über die Tauern nach Mantua. Heute sind die Krebse im Fluss­ge­biet der Salzach durch die im Jahre 1878 aufge­tre­te­ne Seuche (der Erreger Aphano­my­ces astaci, die Krebs­pest) restlos ausgestorben.«

Das Krebsen war einstens ein wichti­ger Zweig der Fische­rei, um die Verdienst­aus­fäl­le nach den Verlus­ten durch die Krebs­pest wenigs­tens teilwei­se auszu­glei­chen, wurden in viele Gewäs­ser Aale einge­setzt.
Leider auch in das Fluss­sys­tem der Donau, wo es sie nie gegeben hat.

In den 70er Jahren gab es einen Züchter von Edelkreb­sen in der Nähe von Augsburg. Es gelang mir einen Müller an der Brenz für einen Besatz­ver­such mit Edelkreb­sen zu begeis­tern. In meinem Teich vermehr­ten sich die Krebse präch­tig, in den Reusen in der Brenz wurde nie ein Krebs gefan­gen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass die Aale schon in die Brenz vorge­drun­gen waren. Leider erschwert dieser unsin­ni­ge Besatz mit Aalen heute eine Wieder­an­sied­lung mit Krebsen.

Als ich 2005 einen Abschnitt des Schwar­zen Kochers pachten konnte, ging ich auf Krebs­su­che – es gab keine mehr. Ich wusste, dass ein sommer­kal­tes Gewäs­ser wie der Kocher auf unserer Gemar­kung für Edelkreb­se zu kalt ist, Fluss­kreb­se können sich hier nicht häuten und somit nicht wachsen. Der Kocher hat, was ihn zu einem so wertvol­len Biotop macht, im Hochsom­mer auf Höhe der Schwörz­hal­le nie mehr als 9°C. Hier und in den Seiten­bä­chen waren sicher einmal Stein­kreb­se zuhau­se. Der Stein­krebs ist der kleine­re Verwand­te des Fluss­kreb­ses, noch anspruchs­vol­ler was die Wasser­qua­li­tät betrifft und in seinem Bestand stark bedroht.

Nun wollte ich Stein­kreb­se!
Die Natur­schutz­be­hör­de beim Landrats­amt verwies mich an einen Biolo­gen an der Fische­rei­for­schungs­stel­le BW in Langenar­gen. Hier erfuhr ich, dass es im oberen Kocher­tal noch 3 Bäche mit Stein­kreb­sen gibt, einen Bach im Oberschwä­bi­schen und einen im Schwarz­wald. Einen Züchter von Stein­kreb­sen gibt es in Deutsch­land leider nicht.

In den letzten Jahren haben sich einige Fisch­züch­ter wieder mit der Krebs­zucht beschäf­tigt, man findet Fluss­kreb­se auf den Speise­kar­ten der Edelgas­tro­no­mie, wobei sicher ein Teil dieser Krebse Galizier sind und aus der Türkei kommen. Stein­kreb­se sind für die Küche uninter­es­sant, sie werden nur 10 bis 12 cm groß, sind aber leider immer noch nicht ganzjäh­rig geschützt.

Ich erhielt die Geneh­mi­gung der Entnah­me von eiertra­gen­den weibli­chen Krebsen »wenn der Bestand dies erlaubt.«

Nach der Kontakt­auf­nah­me mit dem Gewäs­ser­wart des Fische­rei­ver­eins Abtsgmünd wurde ich freund­lich unter­stützt, erfuhr aber auch, dass in einem Bach der Bestand erloschen ist und ein Bächlein nur wenige Krebse beher­bergt. Es gibt also nur einen Bach, der einen guten Bestand an Stein­kreb­sen hat. Man stelle sich vor, im Oberlauf dieses Gewäs­sers kippt ein Gülle­wa­gen um – dann ist auch hier der Stein­krebs verschwunden.

Inzwi­schen habe ich über Hinwei­se durch Bekann­te noch 3 Bäche mit einem kleinen Bestand gefun­den. Letzten Sommer hat ein Biolo­ge aus Langenar­gen anläss­lich einer Stein­krebs-Unter­su­chung im Ostalb­kreis den von mir ausge­wähl­ten Abschnitt im Kocher begut­ach­tet und teilt meine Einschät­zung der Möglich­keit einer Wiederansiedlung.

Meine Versu­che, Stein­kreb­se in geschütz­ter Umgebung schlüp­fen zu lassen und bis zu einer Größe aufzu­zie­hen, bei der die Verlust­ra­te nach dem Ausset­zen gerin­ger erscheint, sind dieses Jahr gelun­gen. Die beim Schlüp­fen Mitte Juni wenige Milli­me­ter großen Krebschen haben sich schon mehrmals gehäu­tet und waren beim Ausset­zen Anfang Novem­ber bis zu 5 cm groß. Diese Aufzucht möchte ich in den nächs­ten Jahren wiederholen.

Oberkochen

ca. 12 Wochen alt

Krebse stehen auf der Speise­kar­te des Fisch­rei­hers, der Wasser­am­sel, des Eisvo­gels, des Bisams, des Otters, der großen Forel­len und der Ratten. Durch die Lebens­wei­se der Krebse, sie kommen erst in der Dämme­rung und in der Nacht aus ihren Verste­cken, ist der Bestand durch ihre Feinde nicht gefähr­det. Die größte Gefahr geht vom Menschen aus: Abwas­ser, Müll, Pesti­zi­de, übertrie­be­ner Ordnungs­sinn durch Heraus­rei­sen aller Wasser­pflan­zen und den Enten. Die gibt es am Kocher nur so zahlreich weil sie gefüt­tert werden. Schon mehrmals habe ich beobach­tet wie Mitbür­ger ihr altes Brot in den Kocher werfen, was ja eigent­lich verbo­ten ist!

Oberkochen

Das Runde­le: »auf der Reise zum Kocher«

Sollten »Altober­ko­che­ner« noch etwas über frühe­re Vorkom­men von Kebsen im Kocher oder in der näheren Umgebung wissen, würde ich mich über einen Anruf unter 5291 sehr freuen.

Alfred Ficht­ner

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