Im Folgen­den soll versucht werden, ein Bild eines Oberko­che­ner Bürgers namens Motschen­bach zu zeich­nen, auf den hin ich in den vergan­ge­nen Jahren mehre­re zig-Male angespro­chen wurde. Das Ziel dieses Berichts wird sein, die zahlrei­chen, teilwei­se furcht­erre­gen­den Gerüch­te um diese Person von den wenigen beleg­ba­ren Fakten zu trennen.

Seit 2005, also seit demnächst 7 Jahren habe ich spora­disch immer wieder mehr oder weniger richti­ge oder falsche und mehr oder weniger wichti­ge oder unwich­ti­ge Infor­ma­tio­nen zum „Motschen­bach“ gesammelt.

Ein erster Irrtum ist schnell klarge­legt: Der Name dieser fast geheim­nis­vol­len Person ist nicht, wie überwie­gend falsch gesagt wird: „Motschen­ba­cher“, sondern „Motschen­bach“. Genau:

Wilhelm Georg Motschenbach

Im Amtsblatt „Bürger und Gemein­de“ vom 30. April 1987, Nummer 18, Seite 349 steht unter „In die Ewigkeit abberu­fen wurden“:

24.4.1987: Wilhelm Georg Motschen­bach Wilhelm Georg Motschen­bach — Staren­weg 9 — 76 Jahre

In der alljähr­lich anläss­lich des Toten­sonn­tags dem Amtsblatt beigeleg­ten Toten­ta­fel des Jahrgangs­bands von 1987 ist Wilhelm Motschen­bach leider nicht aufge­führt, was, wäre er aufge­führt, zumin­dest eine Chance gewesen wäre, ein Foto von ihm aufzu­fin­den. Diese Tatsa­che könnte gleich­zei­tig jedoch auch ein Hinweis darauf sein, dass es, – wie die Stadt später bestä­tig­te, zumin­dest im näheren Umfeld des Wilhelm Motschen­bach, keine Angehö­ri­gen gegeben hat.

Auf der Suche nach weiter­füh­ren­den Unter­la­gen bat ich das Rathaus weiter um Hilfe, und erhielt eine Reihe von nicht unwesent­li­chen Hinwei­sen, (heute wäre das sicher wesent­lich schwie­ri­ger), die mich weiter­brach­ten und an geeig­ne­ter Stelle in diesen Bericht einge­fügt werden.

Als wichtig erfuhr ich zunächst, dass Wilhelm Motschen­bach römisch-katho­lisch war. Also setzte ich mich mit dem katho­li­schen Pfarr­bü­ro in Verbin­dung und erhielt von dort die Auskunft, dass Wilhelm Motschen­bach auf dem Oberko­che­ner Katho­li­schen Fried­hof bestat­tet ist, und zwar „oben rechts vor den Urnen­grä­bern an der Mitte der Mauer gegen die Bahn“.

Oberkochen

Am 22.08.2005 suchten wir das Grab auf und fanden es auf Anhieb an der beschrie­be­nen Stelle. Das kleine Grab (Foto 1) liegt vor dem rechten Drittel der Mauer gegen die Bahn und war zumin­dest damals stark einge­wach­sen. Es ist seither bis zum heuti­gen Tag im Wesent­li­chen unver­än­dert. Überra­schen­der­wei­se standen damals zwei blühen­de Blumen­stöck­lein im Grün. Ganz hinten, fast bei der Mauer, steht ein etwas wuchti­ges ca. 80 cm hohes etwas blöcki­sches Stein­kreuz mit einem im Verhält­nis kleinen metal­le­nen Kruzi­fi­xus darauf. Die zunächst völlig unsicht­ba­re Grabplat­te (Foto 2) fanden wir erst, als wir das wuchern­de Grün an einigen Stellen zumin­dest so weit zurück­ge­drängt hatten, dass wir den Text lesen und die gussei­ser­ne Platte fotogra­fie­ren konnten. Der Text lautet:

Wilhelm Motschen­bach
3.9.1910 – 23.4.1987

„Der Motschen­bach“ war also 76 ½ Jahre alt, als er starb. Bei all den Lebens­spu­ren, die ich vor langen Jahren schon aus seinem Gesicht hatte ablesen können, überrasch­te dieses Alter.

Oberkochen

Weiter will ich ein paar der noch heute kursie­ren­den und immer drasti­scher werden­den haarsträu­ben­den Gerüch­te zitie­ren, die mir bei der Nennung des Namens Motschen­bach berich­tet wurden. Die Leser wollen sie bitte auf ihren beleg­ba­ren Wahrheits­ge­halt prüfen und sich gegebe­nen­falls bei uns melden. Als unwahr stell­te die Mehrheit der Befrag­ten dieje­ni­gen Aussa­gen dar, denen zufol­ge „Der Motschen­bach“ gefähr­lich gewesen sein soll – im Gegen­teil: Er wurde fast durch­weg als „harmlos“ beschrieben.

Aller­dings habe sein Äußeres sehr dazu beigetra­gen, dass man ihn als „gefähr­lich“ hätte einstu­fen können. Einige vergli­chen ihn mit einem moder­nen ziemlich großen „Bilzhan­nes“. Für gewöhn­lich sei er so „herum­ge­lau­fen“, wie auch ich ihn immer wieder im Ort gesehen hatte: Von großer Gestalt, leicht nach vorne gebeugt, immer mit einem dunklen langen Loden­man­tel angetan, einen uralten „blauen Anton“ darun­ter, und die Hosebei­ne in hohen großen Gummi­stie­feln steckend. Auf dem Kopf einen Schlapp­hut, wie die einen sagten, oder eine Art Basken – oder auch Schild­müt­ze, wie andere sagten. Überein­stim­mend erinner­ten sich die Befrag­ten einschließ­lich mir, dass „der Motschen­bach“ einen großen krummen knorri­gen Stock in der Hand hatte. – Ob er, wie ein weite­rer Zeuge sich erinnert, eine „Captain-Flint-artige Augen­klap­pe getra­gen hat, konnte niemand bestä­ti­gen. Ich selbst meine aber mich zu erinnern, dass seine Augen zumin­dest etwas Unregel­mä­ßi­ges hatten. Unwill­kür­lich hatte man ob dieses ungewöhn­li­chen ungepflegt wirken­den Äußeren irgend­wie Angst vor dem Mann, oder er war einem zumin­dest nicht ganz geheuer.

Über diese Beschrei­bung hinaus erinner­ten sich einige der Zeugen, dass „der Motschen­bach“ ganz gelegent­lich auch von dem Stock Gebrauch gemacht hat, und zwar dann, wenn er – was offen­bar der Fall war – von jugend­li­chen Frech­lin­gen geneckt wurde, und vor allem, wenn sie ihm bei diesem Vorgang zu nahe kamen. – Eine vertrau­ens­wür­di­ge ehema­li­ge Schüle­rin und einer ihrer Bekann­ten erinner­ten sich, dass sie „in den Büschen gehockt seien“, und „dem Motschen­bach“ wenig Schmei­chel­haf­tes durchs Grün hinter­her­ge­ru­fen hätten, wenn er vorüber­ging. Dies war einmal der Mutter der Schüle­rin zu Ohren gekom­men, worauf­hin diese der Tochter erklärt hatte, dass das gemein sei, denn dieser Mann habe ein sehr schlim­mes Schick­sal hinter sich, weil er in irgend­ei­nem ostischen Land Frau und Kinder verlo­ren habe. Nach einer anderen Darstel­lung seien seine Frau und seine Kinder im Krieg vor seinen Augen von den Russen ersto­chen worden, wodurch er „verscho­ben“ gewor­den und aus dem Lot gekom­men sei. – Einer dritten Versi­on zufol­ge sei er hochka­rä­ti­ger Wissen­schaft­ler gewesen, und Frau und Kinder seien, weil er Jude war, vor seinen Augen erschos­sen worden – die ganze Familie bis auf ihn, sei „ausge­rot­tet“ worden, – was sehr unglaub­wür­dig erscheint.

Fast alle diese im letzten Abschnitt beschrie­be­nen fürch­ter­li­chen Darstel­lun­gen schei­nen sich im Bereich unbeleg­ba­rer Gerüch­te zu bewegen, denn zumin­dest den Angaben der Stadt zufol­ge ist Wilhelm Georg Motschen­bach in Neuern, Kreis Klatt­au, CSR, geboren und unver­hei­ra­tet gewesen, — kann also zumin­dest weder Frau noch eheli­che Kinder gehabt haben – Dass er mögli­cher­wei­se Schlim­mes mitge­macht hat, erscheint hinge­gen durch­aus wahrschein­lich, lässt sich aber bislang weder belegen noch wider­le­gen. Laut Angaben der Stadt hat er keine Angehö­ri­gen hinterlassen.

Sprechen hat ihn niemand gehört – nur eine Person wusste zu berich­ten, dass sie öfters vernom­men hat, wie er laut „so unver­ständ­li­ches Zeug“ vor sich hinge­spro­chen habe. Gurgel­lau­te. Aber auch das konnte mir niemand bestätigen.

Gewohnt hat „der Motschen­bach“ oben im Dreißen­tal im Staren­weg, wo dieser an die Riede-Wiese stößt. Und gearbei­tet habe er beim Bäuerle in der Gieße­rei oder beim Oppold. Einer relativ jungen Info zufol­ge habe er bei Linden­farb oder Palm einen niedri­gen Job ausge­übt. Auch hier tappen wir noch im Dunkeln.

Da „der Motschen­bach“ über lange Jahre zum Ortsbild gehört hat, wie „der Nickel“, oder die „Antonia“ oder die „Senze“ und viel andere markan­te Oberko­che­ner oder Gastober­ko­che­ner der Sechzi­ger- und Siebzi­ger­jah­re des letzten Jahrhun­derts, wären wir sehr daran inter­es­siert, „Habhaf­tes“ zu Wilhelm Georg Motschen­bach zu erfah­ren, gegebe­nen­falls vielleicht sogar Erinne­run­gen an persön­li­che Begeg­nun­gen mit ihm. In diesem Fall aber bitte nicht per Telefon (notfalls 7377) sondern mit Namen und Unter­schrift schrift­lich an Dietrich Bantel, Am Espen­rain 3, da wir unter keinen Umstän­den Gerüch­te verbrei­ten wollen.

Dietrich Bantel

PS: Zu unserem Bericht 584 „Motschen­bach“: Wir haben zu diesem Bericht so zahlrei­che und aufschluss­rei­che Zuschrif­ten und Anrufe erhal­ten, herzli­chen Dank, dass wir an einem zweiten Bericht arbei­ten, der wohl als Bericht 586 erschei­nen wird.

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