Der 30. Mai 2011 wird als der „Tag der Regiments­kas­se“ in die Geschich­te des Heimat­mu­se­ums eingehen.

Anfang des Monats hatten wir einen Anruf von Herr Dieter Fröhlich, Oberko­chen, erhal­ten, ob wir an einer alten mögli­cher­wei­se aus dem 30-jähri­gen Krieg stammen­den reich geschmück­ten eiser­nen Schatz­tru­he inter­es­siert seien – er selbst und seine Frau Brigit­te, geb. Bezler (Kratzer), sowie der Rest der Familie hätten sich entschlos­sen, das ausge­fal­le­ne echt musea­le Objekt dem Heimat­mu­se­um zu stiften. Das klang wie im Märchen.

Am vergan­ge­nen Montag war es dann so weit. Unser Vorstands­mit­glied Micha­el Müller sowie die Herren Fröhlich und Kunisch brach­ten das kostba­re Stück ins Museum. Es war so schwer, dass man zu zweit mächtig zu tun hatte, die Truhe ins 1. OG zu schaf­fen. Ihr Stand­ort war schon festge­legt: Raum 4, Neuzeit ab der 1. urkund­li­chen Erwäh­nung Oberko­chens, 1335, dort, wo in einer Pultvi­tri­ne die alten Dorfor­dun­gen des 16. Jahrhun­derts und das Aalener Proto­koll von 1749 ausge­stellt sind, und vor allem auch die Kurve, die die Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung des Orts ab dem 30-jähri­gen Krieg zeigt. Oberko­chen hatte vor dem 30-jähri­gen Krieg 500, nach demsel­ben noch 100 Einwoh­ner. Es dauer­te ca. 200 Jahre, bis Oberko­chen wieder auf 500 Einwoh­ner angewach­sen war. — Das seit der Refor­ma­ti­on, 1553, konfes­sio­nell geteil­te Dorf hatte um die Zeit um 1720/1730 herum, etwa die Zeit, zu der die Truhe gefer­tigt wurde, etwa 200 katho­li­sche und 100 protes­tan­ti­sche Einwohner.

Dieser gewich­ti­ge Vorläu­fer eines Kassen- oder Geldschranks weist die äußeren Abmes­sun­gen von 63 cm Länge, und jeweils 40 cm Höhe und Tiefe auf. Im Deckel befin­det sich ein äußerst kompli­ziert gearbei­te­tes 5‑faches Schloss (3 Schlös­ser an der Längs­sei­te mit den Angeln und je ein Schloss auf der linken und eines auf der rechten Seite. Der Schloss-Mecha­nis­mus ist durch eine aus dem Deckel heraus­nehm­ba­re relie­fier­te silbri­ge Deckplat­te geschützt. Dieses Relief ist mit zwei Pferden und barock geschwun­ge­nen Ornamen­ten, die noch Spuren einer roten Bemalung aufwei­sen, geschmückt. In der Vorder­front der Truhe ist ein wunder­vol­les doppel­ach­si­al­sym­me­tri­sches Ranken­or­na­ment­re­li­ef einge­ar­bei­tet, das im weites­ten Sinn an gespie­gel­te könig­li­che Lilien erinnert.

Dr. Thiel vom Landes­denk­mal­amt vermit­tel­te uns Herrn Blumer, einen LDA-Restau­ra­tor, der schon bei unseren Alaman­nen Hervor­ra­gen­des fürs Oberko­che­ner Museum geleis­tet hat. Herr Blumer bezeich­net unsere Truhe als „Regiments­kas­se“, eine Art Tresor der Barock­zeit. Sämtli­che 5 Schlös­ser funktio­nie­ren gleich­zei­tig über einen einzi­gen Schlüs­sel, dessen Origi­nal nicht mehr existiert, jedoch von Horst Grupp in ein paar Nacht­schich­ten in hervor­ra­gen­der Weise auf einfa­che Art funkti­ons­tüch­tig nachge­baut wurde. Von den zusätz­li­chen Klapp­rie­geln, die extra mit Mader­schlös­sern gesichert wurden, fehlt eines, was der faszi­nie­rend dekora­ti­ven Wirkung der Truhe keinen Abbruch tut. Wörtlich schreibt Herr Blumer: „Makel­los kosten derar­ti­ge Truhen derzeit ca. 2000,– bis 3000,– Euro. Vor einigen Jahren konnte man (vom Kaufpreis, der wesent­lich höher lag), lässig einige Tage in den Luxus­ur­laub fahren. Das ist leider vorbei. Antiqui­tä­ten (die rein dekora­tiv sind) will kein Mensch mehr (Staub­fän­ger). „Unsere“ Regiments­kas­se wird vom LDA wie gesagt ins 18. Jahrhun­dert datiert.

Ein Vereins­mit­glied des HVO besitzt das 1913 erschie­ne­ne Fachbuch „Der Schlos­ser“ – Biblio­thek des Handwerks – von J.E. Meyer, Donau­eschin­gen – Verlags­an­stalt vormals G.J. Manz – Regens­burg. Aus diesem Werk ist erkenn­bar, dass „unsere“ Regiments­kas­se um 1720 /1730 herum entstan­den ist – wohl im süddeut­schen Raum. Das heißt, dass die Fröhlich’sche Truhe nicht ganz so alt ist, wie zunächst vermu­tet. Aber immer­hin lagen wir mit „barock“ alters­mä­ßig doch ziemlich gut.

Zum Begriff „Regiment“ weiß Wikipedia/Google: Eine Kompa­nie besteht aus ca. 60 bis 250 Solda­ten, ein Batail­lon sind 300 – 1200 Solda­ten. Ein Regiment setzt sich aus 3 — 4 Batail­lo­nen zusam­men, sodass davon ausge­gan­gen werden kann, dass die Truhe einst den Lohn über einen bestimm­ten Zeitraum hinweg für plusmi­nus 3000 Solda­ten beinhal­tet hat. — Die Begrif­fe „Söldner“ und „Sold“ sind neuer­dings im Gegen­satz zu dem Begriff „Soldat“ laut Wikipe­dia ohne nähere Ausfüh­run­gen eher etwas negativ besetzt.

Zur Geschich­te der Regiments­kas­se wissen wir leider nicht allzu­viel. Hier ließe sich eine wunder­schö­ne Geschich­te erfin­den. Herr Fröhlich teilt uns indes mit, dass ihm ein ihm bekann­ter und wohlge­son­ne­ner Heiden­hei­mer Geschäfts­mann (Herr Fröhlich ist gebür­ti­ger Heiden­hei­mer) die Truhe kurz vor dessen Tod vor 18 Jahren überlas­sen hat.

Herzli­chen Dank für die herrli­che Berei­che­rung unseres Museums!

Nachtrag:
Soeben erfah­ren wir vom LDA, dass unsere eiser­ne Truhe auch durch eine zweite Exper­ti­se in den Anfang des 18. Jahrhun­derts, in diesem Fall sogar noch früher, nämlich „um 1700“ datiert wird. Nun kann also mit Sicher­heit davon ausge­gan­gen werden, dass die Regimentstru­he mindes­tens 300 Jahre alt ist.

Oberkochen

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