1830 wurde Württem­berg zum ersten Mal amtli­cher = (könig­li­cher) ‑seits vermes­sen. Genau haben diese Arbei­ten aller­dings 22 Jahre gedau­ert, nämlich von 1818 bis 1840. Zahllo­se Karto­gra­phen waren in dieser Zeit damit beschäf­tigt, das Land detail­ge­nau zu Papier zu bringen.

Durch Vermitt­lung und Entge­gen­kom­men von Herrn Roland Hersa­cher, damals noch beim Lande­ver­mes­sungs­amt Aalen beschäf­tigt, (einigen unserer Mitglie­der ist er noch von seinem Vortrag im Schil­ler­haus am 8.1.2007 bekannt) konnten wir vor einigen Jahren die wichtigs­ten dieser 180 Jahre alten Ur-Karten zur Oberko­che­ner Gemar­kung in Origi­nal­grö­ße (45÷45 cm) hervor­ra­gend kopiert für den Heimat­ver­ein erwer­ben. Von diesen wieder­um sind von beson­de­rer Bedeu­tung die beiden Karten, auf denen der Ort selbst darge­stellt ist.

Dies sind die Karten XXVI-68 und XXVII-68 von 1830. Diese Jahres­zahl wird für gewöhn­lich als das Jahr für die Fertig­stel­lung des Gesamt­werks angege­ben. Man spricht von der „Urkar­te von 1830“. Unser Foto zeigt einen Ausschnitt aus den beiden anein­an­der­ge­füg­ten Karten, die das gesam­te Ortsbild ergeben. Die 130 Gebäu­de, die Oberko­chen damals aufzu­wei­sen hatte, sind von Süd nach Nord durch­num­me­riert. Die Nummern entspre­chen den Hausnum­mern der damali­gen Zeit. Paral­lel zu dieser Gelän­de­auf­nah­me fand eine Aufnah­me der Grund­be­sit­zer und vor allem auch der Gebäu­de und der Namen sowie der Vorna­men der Haus- und Grund­be­sit­zer (getrennt) statt. In einem inter­es­san­ten Fall ist zusätz­lich der Hausna­me eines Besit­zers (mit Frage­zei­chen) angege­ben. Diese Karte läuft unter der Bezeich­nung „Urkatas­ter von 1830“.

Unser Mitglied Joachim Fischer aus Backnang überließ dem Heimat­ver­ein eine von ihm in PC-Schrift umgesetz­te Handschrift die zuzüg­lich zu den Vorna­men auch noch die Berufs­be­zeich­nun­gen der Hausbe­sit­zer aus dem Jahr 1830 angibt. Diese Liste veröf­fent­li­chen wir heute und sind sicher, dass sie für viele Oberko­che­ner, vor allem Altober­ko­che­ner, von immensem Inter­es­se ist.

Herr Fischer ist heimat­kund­lich außer­or­dent­lich stark aktiv und hat in diesem Zusam­men­hang einige spannen­de Fragen aufgeworfen.

Herrgotts­häf­ner

Zu diesem Gebäu­de (25) weiß Herr Fischer verbind­lich und beleg­bar zu sagen, dass noch im Jahr 1799 in diesem Haus 25 einer seiner Vorfah­ren, Johan­nes Nikolaus Fischer, anläss­lich der Taufe seines Sohnes urkund­lich als „Hergotts­bäck“ geschrie­ben steht. Das heißt, dass der Begriff „Hergotts­häf­ner“ erst entstand, als kein Bäcker mehr, sondern ein Hafner auf dem Haus saß, und das Attri­but „Herrgott“ von dem auf den Bäcker nachfol­gen­den Hafner übernom­men wurde. In unserer Auflis­tung von 1830 wird im Gebäu­de 25 bereits ein Johan­nes Fischer, Hafner, geführt.

Über den markan­ten großen Chris­tus am Herrgotts­häf­ner­haus, der den Luftan­griff vom 11.4.1945 an der südli­chen Straßen­fas­sa­de außen am Gebäu­de auf fast unerklär­li­che Weise heil überstan­den hat, und dessen Alter auf plusmi­nus 300 Jahre geschätzt wird, werden wir in abseh­ba­rer Zeit getrennt berichten.

Bilzhan­nes

Völlig überra­schend taucht in dieser Liste im daneben liegen­den Gebäu­de 26 – Rathaus — als Besit­zer Matthi­as Wieden­hö­fer, Flurer auf, der für seinen Vorgän­ger Hans Maier, Flurer, bedingt durch dessen so kurz vor der könig­li­chen Jagd 1810/1811 so unpäss­lich erfolg­ten Tod, kurzfris­tigst vom Gemein­de­rat zum Flurer bestellt wurde. Für die Jagd muss jedoch bereits der Bilzhan­nes Hans Maier, gemel­det worden sein. So muss der Neuling Matti­as Wieden­hö­fer über die könig­li­chen Akten zu den Namen Bilzhan­nes gekom­men und unter diesem Namen berühmt gewor­den sein. Mit dem Auftau­chen des Namens Matthi­as Wieden­hö­fer, wohnhaft im Haus 26 Oberko­chen (Rathaus) im Urkatas­ter, ist unsere These belegt, dass der „Bilzhan­nes“ im Jahr 1830, 50 Jahre alt, einen festen Wohnsitz in Oberko­chen hatte und, wie von uns ebenfalls festge­stellt, keines­falls in der damals schon entste­hen­den Ruine des Bilzhau­ses in der Bilz mehr gewohnt hat. Die Ruine mag er hin und wieder zum spora­di­schen Aufent­halt benutzt haben. Matthi­as Wieden­hö­fer hatte als öffent­lich bestell­ter Flurer eine kleine Wohnge­le­gen­heit inner­halb des Rathauses.

Storcha­bäck

Herrn Fischer fällt auf, dass es bislang trotz inten­sivs­ter Nachfor­schun­gen noch nieman­den gegeben hat, der expres­sis verbis bestä­tigt hat, dass er mit eigenen Augen auf diesem Gebäu­de je ein Storchen­nest und noch viel weniger einen Storch gesehen hat. – Auch ich selbst habe nur Aussa­gen wie „es heißt“, es soll dort…“ „man erzählt..“ — „i kenn oin, der oin kennt, der angeb­lich a Nescht gsäha hat…“ – Jeden­falls ist belegt, dass es nach dem 2. WK dort mit Sicher­heit kein Nest gegeben hat. Auffal­lend ist, dass das ominö­se Storchen­nest auf keinem unserer zahllo­sen Archiv-Fotos konser­viert ist, auch nicht solchen aus dem 19. Jahrhun­dert. Das Motiv „Storchen­nest plus 2 Kirch­tür­me“ hätten sich selbst sparsa­me Fotogra­fen nicht entge­hen lassen. – Herr Fischer denkt, dass auch eine Name oder ein verän­der­ter Name dahin­ter­ste­cken könne, — zum Beispiel „Stork“.

Feigen­gas­se

Warum die Feigen­gas­se Feigen­gas­se heißt , wollte Herr Fischer von mir wissen, denn ein Feigen­baum hätte in Oberko­chen nie ein Chance gehabt. Leider konnte ich die Frage nicht beant­wor­ten. – Vielleicht haben sich nach dorten in den Hinter­halt die „Feigen“, die Feiglin­ge, verzo­gen, wenn’s vorne in der Haupt­stra­ße um die Wirtschaf­ten herum heiß herging. Wer weiß es?

Dreißen­tal

Im Zusam­men­hang mit obigen Oberko­che­ner Ungelöst­hei­ten möchte ich zusätz­lich den Namen „Dreißen­tal“ einbrin­gen. Altober­ko­che­ner berich­te­ten mir, dass der Name auf einen Vogel namens „Dreiße“ oder „Dreise“ zurück­ge­he, den ich jedoch vergeb­lich als existie­rend zu belegen versuch­te. Auch im Inter­net ist die „Dreiße“ nicht zu finden. — Dagegen gibt es Ortsna­men wie „Dreißen“ u.a. – aber jeweils ohne Herkunfts­be­le­ge. Überra­schend ist die Erklä­rung für den Namen, den Walther Keinath im Orts-und Flurna­men­buch von Baden-Württem­berg bringt (SAV 1926/1961) Zitat: „Ebenso heißen drei Grabhü­gel nach rundli­cher Erhöhung die „Drei Eisen“ (mhd: Eiz = Geschwür, Eiter­beu­le“.) „Eiz“ kann auch „Erhebung, Hügel“ bedeu­tet. „Drei Eizen“ sind also 3 Erhebun­gen im Gelän­de. Von „Drei Eizen“ über „Drei Eisen“ nach „Dreißen“ ist es nicht weit. – Kelti­sche Grabhü­gel auf Oberko­che­ner Gemar­kung, die in über 2000 Jahren total einge­eb­net sind, wären nicht undenk­bar, zumal sich unter den alaman­ni­schen Gräbern in der Kelten­stra­ße im unteren Dreißen­tal ein ca. 1000 Jahre älteres kelti­sches Urnen­grab befindet.

Es gibt noch viele Unklar­hei­ten. Wer mehr und Besse­res weiß, möge sich melden. (Tel. 7377).

Dietrich Bantel

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