Im Mai des Jahres 2000 wurde anläss­lich des Treppen­haus-Neubaus im Gebäu­de Heiden­hei­mer Straße 71, das früher unter dem Namen „Mauser­haus“ bekannt war, ein außer­ge­wöhn­li­cher Fund gemacht.
Bauher­ren waren Guido und Marlies Wunder­le.
Folgen­de Infor­ma­tio­nen vorab:

Kuno Gold vermerkt 1986 im Heimat­buch: „Der Mühlen­bau­er, damals Mühlarzt geschrie­ben, Johann Fried­rich Mauser, 1807 in Eybach geboren, findet seine zweite Frau in Oberko­chen. Er heira­tet 1836 die Anna Maria Gold aus der Holzwart-Linie und übersie­delt 1840 von Eybach nach Oberko­chen. Der Namer „Mauser“ ist jedoch wieder von Oberko­chen abgezogen.“

1991 hielt ich in einer von fünf langen Sitzun­gen (Grube) in der mir Alt-Oberko­che­ner ihr Wissen zu den alten Oberko­che­ner Hausna­men preis­ga­ben, fest:
„Man sagte früher „zom Mauser naus“, wenn man den Ortsrand Richtung Königs­bronn meinte. Der Name Mauser ist kein echter Hausna­me gewor­den, da man zu Wunder­le nicht Mauser sagt. Aller­dings sagen die Alten gelegent­lich zum Haus selbst auch heute noch immer „s’Mauserhaus“.

An der Kreis­stra­ße weiter draußen Richtung Königs­bronn stand damals links gegen­über WIGO noch das „Mauser­kreuz“. — Vor 2 Jahren wurde das Mauser­kreuz, das von Guido Wunder­le nicht nur gepflegt sondern auch restau­riert wurde, ortsein­wärts an den Rand des Parkplat­zes beim Mauser­haus versetzt.
Vor der Familie Wunder­le hat, wie mir die „Alten“ weiter berich­te­ten, im Mauser­haus eine Familie Fischer gewohnt. Anton Fischer hatte die Bierhal­le in Aalen. Deshalb hieß er in Oberko­chen der „Bierhal­len­wirt“ . Er ist am Bahnüber­gang, ganz in der Gegend vom Mauser­haus, tödlich verunglückt.

Der Hausna­me „Bierhal­len­wirt“ ging auf die Kinder über — z.B. war die Fischers Maria die „Bierhal­len­wirts-Maria“. Heute wird der Name nicht mehr verwendet.

Zu dem Fund unterm Dach, — den Schuhen:

Anläss­lich des Neubaus des Treppen­hau­ses vor 11 Jahren (Mai 2000) kamen zwischen den Dachspar­ren und einer später aufge­brach­ten Isolie­rung etwas versteckt 3 leder­ne Kinder­schu­he zutage. Inter­es­san­ter­wei­se handelt es sich um keine Paare sondern um drei je einzel­ne Schuhe von sehr verschie­de­nen Kinder­schuh­paa­ren. – Um die Jahrhun­dert­wen­de vom 19. zum 20 Jahrhun­dert gab es zumin­dest bei uns in Stutt­gart eine Mode, derzu­fol­ge ein einzel­ner Kinder­schuh, in der Regel der aller­ers­te vom ersten Kind getra­ge­ne Schuh, „galva­ni­siert“ und in der so entstan­de­nen metal­len wirken­den Form aus Einne­rungs­sen­ti­men­ta­li­tät als familiä­res Kultob­jekt oder als prakti­scher Staub­fän­ger aufbe­wahrt wurde. Das Galva­ni­sie­ren von Kinder­schu­hen besorg­te in Stutt­gart der „Zinn-Kurtz“ am Markt­platz.- Der erste Schuh meines Onkels, geb. 1906, dessen Vater Arzt und Raucher war, diente iahrzehn­te­lang trotz entspre­chen­dem Einsatz als schwer zu reini­gen­der aber dafür äußerst attrak­ti­ver Aschenbecher.

Oberkochen
Oberkochen

Die 3 Kinder­schu­he vom Mauser­haus, die uns am 21.2.2011 fürs Heimat­mu­se­um überge­ben wurden, stellen uns vor mancher­lei Fragen.
1) Es muss einen Grund dafür gegeben haben, weshalb die Schuhe überhaupt zwischen den Dachspar­ren versteckt wurden.
2) Es muss ferner einen Grund dafür gegeben haben, dass jeweils nur ein Schuh eines Paars versteckt wurde.
3) Es muss einen Grund gegeben haben dafür, dass es sich durch­weg um Kinder­schu­he handelt.
4) Und mögli­cher­wei­se muss einen Grund gegeben dafür gegeben haben, weshalb es sich um lauter rechte Schuhe handelt. (Beim kleines­ten Schuh nicht sicher belegbar).

Der kleins­te Schuh, der wie die beiden anderen Schuhe, absatz­los gearbei­tet ist, und bei dem es sich um einen Schnür­schuh handelt, ist gerade einmal 13 cm , der mittle­re 15 cm und der größte 23 cm lang. Ein mittle­rer Herren­schuh kann heute mit 30 cm plusmi­nus angenom­men werden. Sämtli­che Schuhe sind sehr stark getra­gen und teils mehrfach geflickt. Von ursprüng­lich 7 Nägeln befin­den sich noch 3 in Origi­nal­po­si­ti­on im Absatz­be­reich. Im Vorder­fuß­be­reich ist das Oberle­der mit groben Stichen mit der dünnen Sohle verbun­den; über den gesam­ten Zehen­be­reich ist das Oberle­der jedoch nicht mehr mit der Sohle verbun­den, das heißt, dass die Zehen „heraus­ge­kuckt“ haben. – . An mehre­ren Stellen wo sich der Schuh „auflös­te“, ist das Oberle­der mit groben Stichen an die Brand­soh­le angenäht. Das Leder ist – wie bei den andern beiden Schuhen „bockel­hart“ .- Eine Alt-Oberko­che­ne­rin wusste, dass man Kinder­schu­he, wenn sie einst zu klein wurden, und das Geld für neue Schuhe fehlte, vorne einfach aufge­schnit­ten hat, auf dass die Zehen wieder Platz haben… Der geschlos­se­ne Teil des kleinen Schnür­schuhs ist mit Heu und heute noch entfernt wohlrie­chen­dem Kuhmist gefüllt.

Der mittle­re Schuh hat Pantof­fel­form. Auch er scheint im vorde­ren Bereich – obwohl eindeu­tig Pantoffel“slipper“ — zumin­dest zweifach geschnürt gewesen zu sein. Die Laufsoh­le ist auf die Brand­soh­le aufge­leimt und durch­ge­lau­fen. Im Absatz­be­reich befin­den sich statt des Absat­zes 15 verschie­den große Nägel. Ein weite­rer befin­det sich dort, wo die Sohle, die sich ablös­te, in die Brand­soh­le übergeht.

Der größte der 3 Kinder­schu­he ist ein absatz­lo­ser geschlos­se­ner besse­rer Leder­schlap­per, der durch eine im Bereich des Einschlupf­öff­nungs­rands ursprüng­lich aufge­näh­te noch gut erkenn­ba­re Leder­zier­leis­te deutlich etwas „Beson­de­res“ war. Das war kein Schuh für „a oifachs Baura­mäd­le“, sagte man mir. Ob ein seitlich rechts zwischen Sohle und Brand­soh­le heraus­kom­men­des kleines und mit dem Deckle­der vernäh­tes Leder­stück Zierfunk­ti­on hatte, oder eine hervor­ra­gend geflick­te Bruch­stel­le ist, lässt sich ohne weite­re Unter­su­chung nicht bestim­men. — Was an der Kappe wie eine Verstär­kung erscheint, könnte auch eine Ziernaht sein. Statt des Absat­zes gibt es auch in diesem Schuh 18 einge­schla­ge­ne verschie­den große und verschie­den stark abgetre­te­ne Nägel.

Guido Wunder­le berich­tet, dass die Mausers als Baujahr für das Gebäu­de Heiden­hei­mer Straße 71 das Jahr 1877 angeben.

Auch die Römer benagel­ten schon Leder­soh­len, um sie langle­bi­ger zu machen. – Das Mauser-Grund­stück ist im Urkatas­ter von 1830 indes noch unbebaut.

Klartext: Wir können maximal bis ins Jahr 1877 zurück­stri­cken mit unserer Phanta­sie, der wir in diesem zeitli­chen Rahmen aller­dings einge­denk der vorge­ge­be­nen Fakten freien Lauf lassen können. – Vor allem würde ein Hinweis inter­es­sie­ren, der uns das Schuh­ver­steck erklär­lich macht.

Wer weiß etwas zu sagen? – Tel. HVO 7377.

Dietrich Bantel

05.04.2016 – „Kinder­schu­he“ – Antwort aus dem Rheinland

Auf unsere Anfra­ge vom 02.04.2016 erhiel­ten wir bereits mit Datum vom 05.04. von Frau Dr. Kristin Dohmen, der Referats­lei­te­rin bei der Denkmal­pfle­ge im Landschafts­ver­band Rhein­land (LVR) eine inter­es­san­te Anfwort. Sie hat in den Jahren 2010 — 2016 im Rhein­land 42 Schuh­funde im Rhein­land erfasst. Fast die Hälfte davon stammt, wie in unserem Fall, von Kindern, meist Klein­kin­dern. Immer sind es, ebenfalls wie in unserem Fall, einzel­ne Schuhe, nie ein Schuh­paar. Die Schuhe sind, ebenfalls entspre­chend der Schuh­funde von Marlies Wunder­le in Oberko­chen, immer stark aufge­tra­gen und die Verste­cke befin­den sich fast immer in der Nähe des Daches. „Zwischen den Sparren“ sei ein inter­es­san­tes Depot. Das Verste­cken von Schuhen scheint ein alter Brauch zu sein, dessen Hinter­grün­de noch nicht völlig aufge­klärt sind, da noch keine schrift­li­chen Hinwei­se auf das „Warum“ gefun­den wurden. – Ich entsin­ne mich, dass mein Paten­on­kel von seinen Eltern einen galva­ni­sier­ten wie aus Bronze ausse­hen­den Kinder­schuh mit Porzel­lan­ein­satz als Aschen­be­cher verwen­det hat, und, dass meine Mutter – wohl in Anleh­nung an diesen nicht weiter erklär­ten „Erinne­rungs-Kult“ – ebenfalls den ersten Schuh unseres ersten Kindes beim „Zinn-Kurz“ in Stutt­gart galva­ni­sie­ren ließ. Wer sich weiter inter­es­siert kann über den Heimat­ver­ein Oberko­chen die Quellen erfah­ren, auf die Frau Dr. Kirstin Dohmen verweist.

D.B.

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