Von einem unserer Leser erhiel­ten wir kürzlich auf digita­lem Wege einen alten Erlaub­nis­schein zum Leseholz­samm­len übersandt. Das über ein halbes Jahrhun­dert alte vom Oberko­che­ner Forst­amt im Jahr 1956 ausge­stell­te Dokument war als Formu­lar damals schon damals 9 Jahre alt (Formu­lar N. 13 — 1947 gedruckt) und ist noch in Fraktur geschrie­ben, weshalb wir den Text in „Lesba­res“ übersetzen.

Inhalt­lich und formal gehört das Dokument einer längst vergan­ge­nen Zeit an, wenngleich das Amtsdeutsch auch heute noch vielfach zum Lächeln oder gar zum Lachen animiert.

Forst­amt Oberko­chen
Erlaub­nis­schein zum Leseholz­sam­meln
Gültig nur für eine Person.
Jennel, Kurt, Oberko­chen, Mühlstr. 11
(Anmer­kung: der Famili­en­na­me ist falsch geschrie­ben. Es handelt sich um Kurt Jähnel)
oder an seiner Stelle eine der mit ihm in häusli­cher Gemein­schaft leben­den, über 14 Jahre alten Person,
je am Mittwoch und Samstag in den nachste­hen­den Staatswaldungen:

Oberkochen

IV Eselbuch (s. u.)

Leseholz zu sammeln, wobei die nachste­hen­den Vorschrif­ten zu beach­ten sind:

  1. Sollte der Holztag auf einen Feier­tag fallen, so gilt die Erlaub­nis für den vorher­ge­hen­den Werktag.
  2. Zum Leseholz gehört nur dürres, am dicken Ende nicht mehr als 7 cm starkes Holz, und zwar dürres Holz, das am Boden liegt, sowie dürres Ast-und dürres Boden­holz, das abgebro­chen werden kann, ebenso abgefal­le­ne Nadelholzzapfen.
  3. Den Erlaub­nis­schein hat die obenge­nann­te Person, bezie­hungs­wei­se ihr Stell­ver­tre­ter, im Walde und beim Heimschaf­fen des Lesehol­zes stets bei sich zu tragen, auch auf Verlan­gen dem Forst­be­am­ten vorzuzeigen.
  4. Verbo­ten ist: 
    1. das Leseholz­sam­meln in den Monaten Mai und Juni überhaupt und in der übrigen Zeit an anderen Tagen oder in anderen Waldun­gen als den obenbe­zeich­ne­ten sowie in der Zeit von Sonnen­un­ter­gang bis Sonnenaufgang;
    2. das Sammeln an Plätzen und in Bestän­den, die durch Verbot oder Warnungs­zei­chen geschlos­sen sind, und in Schlä­gen, in denen die Holzhau­er arbei­ten, oder in denen das gefäll­te Holz noch nicht abgeführt, oder das Sammeln des Abraums noch nicht vollzo­gen ist;
    3. das Zusam­men­bin­den des Holzes mit Wieden, es muss hierzu ein Strick von Hause mitge­bracht werden;
    4. das Abfüh­ren des Holzes aus dem Inneren des Waldes und das Heimfüh­ren auf hierzu herge­brach­ten bespann­ten Fuhrwer­ken, sofern nicht von dem Forst­amt die Erlaub­nis erteilt wurde, zur Abfuhr des Lesehol­zes auf bestimm­ten und im Leseholz­schein beschrie­be­nen Wegen leich­te Fuhrwer­ke zu verwen­den. In Erman­ge­lung dieser Erlaub­nis ist das Heimfüh­ren des an die Waldgren­ze oder an die Wege getra­ge­nen Holzes auf Handwä­gel­chen, Handkar­ren oder Handschlit­ten gestattet;
    5. das Heimschaf­fen des gesam­mel­ten Lesehol­zes durch andere Perso­nen als den recht­mä­ßi­gen Inhaber des Erlaub­nis­scheins, ferner das Heimschaf­fen an anderen Tagen als am Holztag sowie in der Zeit von Sonnen­un­ter­gang bis Sonnenaufgang;
    6. der Verkauf des Leseholzes;
    7. das Überlas­sen des Leseholz­zet­tels an Kinder unter 14 Jahren oder an fremde, nicht zur Familie oder zur Hausge­nos­sen­schaft gehöri­ge Personen;
    8. die Ausübung der Leseholz­nut­zung durch eine Person, welche diesen Erlaub­nis­schein nicht bei sich führt;
    9. das Mitneh­men von Hunden

Wer den vorste­hen­den Vorschrif­ten zuwider­han­delt, hat die Abnah­me des Erlaub­nis­scheins und unter Umstän­den forst­po­li­zei­li­che Strafe zu erwar­ten: das erste­re kann insbe­son­de­re auch im Falle von Ungebühr oder Wider­setz­lich­keit gegen die Forst­be­am­ten verfügt werden.

Dieser Erlaub­nis­schein bleibt, falls nicht vorher Wider­ruf erfolgt, gültig bis zum 31. XII. 1956.

Oberko­chen, den 17.1.1956 – Forst­amt i.A. Eigen­broth
Stempel: Staatl. Forst­amt Oberkochen

Anmer­kun­gen:

Karl Schurr erwähnt den „Eselbuch“ auf Seite 247 des Heimat­buchs in seinem Artikel zu den Flurna­men in Oberko­chen gleich zweimal:

Eselbuch heißt der Rücken und die nach SO geneig­te Hochflä­che vom Rodstein Richtung Ochsen­berg. Der Name steht für den Distrikt IV des Staats­wal­des (s.o.)

Eselbuch erinnert an den noch heute reich­lich vorhan­de­nen Buchen­wald. Esel benutz­te man als Tragtie­re für die dort auf vielen noch erkenn­ba­ren Meiler­plät­zen erzeug­te Holzkohle.

In diesem Zusam­men­hang sei auch der Eselweg erwähnt, der von der alten Kreis­stra­ße beim frühe­ren Bettel­brun­nen abzwei­gend zum Zweren­berg und aufs Härts­feld hinaufführt.

Reinhold Vogel, 26 Jahre „im Geschäft“, stellt fest, dass es diese Holzle­se­schei­ne seit seiner Zeit, also seit über einem Viertel­jahr­hun­dert, wahrschein­lich schon länger, im Forst nicht mehr gibt.

Eigent­lich schade um Begrif­fe wie „Holztag“, „Warnungs­zei­chen“, „Ungebühr, „Handschlit­ten“, bespann­te Fuhrwer­ke, „Wider­setz­lich­keit“ „das Heimschaf­fen“ oder Formu­lie­run­gen wie “ „hiezu“ oder „die Ausübung der Leseholznutzung“.

Dietrich Bantel

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