Im Rahmen unserer heimat­kund­li­chen Serie „Oberko­chen – Geschich­te, Landschaft, Alltag“, haben wir im Amtsblatt „Bürger und Gemein­de“ mehrfach über einen Jabo-Angriff berich­tet, der am 1. April 1945 kurz vor Kriegs­en­de (wohl irrtüm­lich) auf einen KZ-Häftlings­trans­ports beim Durch­gang im/beim Bahnhof Oberko­chen stattfand.

Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Führung hatte angeord­net, dass, da die Alliier­ten immer weiter Richtung Süddeutsch­land vordran­gen, ca. 2000 KZ-Häftlin­ge vom KZ Neckarelz nach Dachau verlegt werden mussten.

Oberko­che­ner und auslän­di­sche Zeitzeu­gen berich­te­ten mir damals:

Bericht 177 v. 13.11.1992 – 5 unbekann­te Opfer – KZ-Häftlings­trans­port 1.4.1945
Bericht 178 v. 27.11.1992 – 5 unbekann­te Opfer – KZ-Häftlings­trans­port 1.4.1945
Bericht 181 v. 31.12.1992 – KZ-Häftlings­trans­port 1945, Zeitzeu­ge aus Luxem­burg
Bericht 280 v. 31.01.1997 – KZ-Häftlings­trans­port 1945, Zeitzeu­ge aus Luxemburg

Anfang Septem­ber 2010 kontak­tier­te mich Arno Huth aus Mosbach-Diedes­heim, der dem Verein KZ-Gedenk­stät­te Neckarelz angehört. Herr Huth hatte von meinen Nachfor­schun­gen zu dem Luft-Angriff vom 1.4.1945 erfah­ren und bat mich, ihm Fotos vom Gedenk­stein für die 5 unbekann­ten Toten auf dem Ev. Fried­hof, ferner Fotos vom Bahnhof und Umgebung, sowie die oben genann­ten Berich­te zu senden. Im Gegen­zug erhielt ich von Herrn Hut seine sämtli­chen Unter­la­gen, die er im Rahmen von Vorbe­rei­tun­gen zur Einrich­tung einer Gedenk­stät­te in Neckarelz über den Oberko­che­ner Jabo-Angriff vom 1.4.1945 zusam­men­tra­gen hatte. Diese stammen von weite­ren Zeitzeu­gen, die den Angriff auf den Häftlings­trans­port in Oberko­chen im Zug erlebt hatten.

Die Berich­te sind für viele Oberko­che­ner, die sich noch lebhaft an den Angriff erinnern, aber auch für jünge­re Leserin­nen und Leser, von so großem Inter­es­se, dass wir uns entschlos­sen haben, die gesam­ten Infor­ma­tio­nen in einer Sonder­bei­la­ge zu BuG zu veröffentlichen.

Ungeklärt ist noch immer, wer „ein Militär­arzt aus dem Lazarett Heiden­heim“ (oder zwei Militär­ärz­te?), sowie wer „eine Diako­nis­se“ war, die erste Hilfe geleis­tet haben. Unklar ist auch, was mit den Verletz­ten geschah, die mögli­cher­wei­se in ein Kranken­haus einge­lie­fert wurden (Aalen? Heiden­heim?) Hier die Berich­te, die wir mit der freund­li­chen Geneh­mi­gung von Arno Huth zum Abdruck erhielten.

Am Morgen des 1. April 1945, Oster­sonn­tag: Abtrans­port mit dem Zug nach Dachau

Louis Lefran­çois berich­tet weiter: „Gegen vier Uhr am Morgen [des 1. April] steigen wir in Gruppen zu jeweils siebzig bis achtzig Mann pro Waggon in den Zug. Wie üblich erhal­ten wir Schlä­ge mit dem Gewehr­kol­ben, um die Bewegung zu beschleu­ni­gen.” Marcel Rolin hinge­gen geht von jeweils vierzig Depor­tier­ten pro Viehwag­gon aus. Ernest Gillen schätzt etwa 2.000 Häftlin­ge, einge­pfercht in 40 geschlos­se­nen Eisen­bahn­wag­gons. Auch Arthur Jacques gibt an, dass die Häftlin­ge um vier Uhr einen Zug bestiegen.

Joseph Journet: „Nach langem Warten kam endlich eine Lokomo­ti­ve mit einigen Viehwag­gons in sehr schlech­tem Zustand, in welchen wir es uns recht und schlecht einrich­te­ten. Ich war im Waggon hinter dem Tender der Lokomo­ti­ve, wobei mir klar wurde, dass ich einen schlech­ten Platz hatte – und zwar angesichts mögli­chen Beschus­ses der Lokomo­ti­ve durch franzö­si­sche Flugzeu­ge […] Trotz­dem waren wir zufrie­den, uns erholen zu können, das war besser als zu Fuß unter­wegs zu sein. […] Der Zug fuhr ziemlich sanft […] los. […] Wir durch­quer­ten einige kleine bedeu­tungs­lo­se Bahnhö­fe, ohne anzuhal­ten.“ – „Die uns beglei­ten­den Verant­wort­li­chen waren der Oberschar­füh­rer Fried­rich Lutz sowie Adolf Michel.“ Joseph Journet erinnert sich, „dass bei einem Bahnüber­gang die Gleit­tü­ren unserer Waggons geöff­net waren. Ich sehe noch, wie zwölf­jäh­ri­ge Mädchen und Jungen mit ihren Armbin­den für die Kommu­ni­ons­fei­er gedrängt an den Bahnschran­ken standen, uns vorbei­fah­ren sahen und mit einer gleich­gül­ti­gen Miene betrach­te­ten, sicher­lich ohne verste­hen zu können, wer wir in unseren Sträf­lings­lum­pen waren.“ Journet musste an seine eigenen beiden Kinder denken.

Docteur Pierre Tisse­au: „In einer Bahnhof­rui­ne warte­te ein Zug auf uns. Geord­ne­te Verla­dung ohne Lärm am frühen Morgen. Als wir uns nieder­ge­las­sen hatten, nahm einer von uns in der Mitte des Waggons zaghaft eine kleine Schach­tel aus seiner Hosen­ta­sche, hielt einen Augen­blick inne, bekreu­zig­te sich und nahm eine Hostie, die er herun­ter­schluck­te. Dann bot er uns welche an.“

Bernard Villet­tes Marsch­grup­pe kam als letztes im Bahnhof „in einem größe­ren Städt­chen an. Die anderen Häftlin­ge waren schon länger da! Großzü­gig überlie­ßen sie uns die beiden Waggons, die sich unmit­tel­bar hinter der Lokomo­ti­ve befan­den… Wir wurden auf Viehwag­gons verteilt, aber wir waren nicht zu beengt: ungefähr fünfzig und dazu ungefähr zehn Wachsol­da­ten. […] Die Türen blieben offen, der Zug fuhr noch nicht los. […] Ich saß entlang der Innen­wand nahe bei der Türe […] Aufgrund des Wartens und der Erschöp­fung schlie­fen wir so recht und schlecht ein. Plötz­lich gegen acht Uhr fuhr der Zug leise los. Die Posten schlos­sen die Türen. Wir hatten Oster­sonn­tag, den 1. April. […] Alle began­nen vor sich hin zu dösen, man musste jede Minute nachho­len, so laute­te die Bedin­gung des Überlebens.“

Pierre Chiffre: „Im Laufe des Morgens setzte sich der Zug in Bewegung. Sitzend, zusam­men­ge­krümmt, nieder­ge­schla­gen, die Decke über den Rücken fuhren wir in Richtung Dachau.“ Nach den Strapa­zen befand sich die morali­sche und körper­li­che Verfas­sung der Häftlin­ge „bereits am Nullpunkt“.

Nach Zacheusz Pawlak waren es geschlos­se­ne Güter­wag­gons: „In jedem Wagen befan­den sich drei deutsche Wachpos­ten, meistens waren es Flieger. Sie blieben in der Mitte des Waggons. Uns brach­te man zu je 25 an den beiden gegen­über­lie­gen­den Waggo­nen­den unter. Wir mussten zu fünfen sitzen. Der Zug fuhr langsam gen Süden. Durch die geöff­ne­te Tür sahen wir mit Freude die zerstör­ten deutschen Städte. So war insbe­son­de­re die Großstadt Ulm so schreck­lich bombar­diert, dass sie eigent­lich gar nicht mehr existier­te. Auf den Bahnhö­fen, die wir passier­ten, waren gelbe oder grüne Schil­der aufge­stellt. Sie bedeu­te­ten Alarm oder Voralarm in dem betref­fen­den Gebiet. Unser Trans­port wurde während des Flieger­alarms häufig angehalten.”

Laut Louis Lefran­çois hielt der Zug nach Dachau mehrmals, wegen Luftan­grif­fen aber außer­halb von Bahnhöfen.

Unbelegt bleibt die Vermu­tung, dass in dem Zug nach Dachau die 398 kranken Häftlin­ge des Trans­por­tes vom KZ Kochen­dorf waren, von dem 44 Häftlin­ge während der Überstel­lung verstar­ben. Dieser Zug mit zum Teil oben offenen Güter­wag­gons war schon am 28. März in Kochen­dorf losge­fah­ren und am 2. April 1945 in Dachau einge­trof­fen, am selben Tag also an welchem die Neckarel­zer Häftlin­ge mit dem Zug eintra­fen. Dass dies aber in einem gemein­sa­men Trans­port ab Schwä­bisch Hall erfolg­te, dafür gibt es aber keine belegen­de Aussa­ge befrei­ter Häftlin­ge. Riexinger/Ernst erwägen jedoch diese Möglich­keit: „Die erste Gruppe der im KZ Dachau regis­trier­ten Häftlin­ge des KZ Kochen­dorf waren die 354 noch leben­den Häftlin­ge des Trans­ports am 2.4.45. 44 Häftlin­ge hatten die Fahrt nicht überlebt. Der Kranken­trans­port führte zudem 75 Häftlin­ge des KZ Auerbach, 1878 Häftlin­ge des KZ Neckarelz, 48 Häftlin­ge des KZ Heppen­heim und 6 Häftlin­ge des KZ Mannheim-Sandho­fen bei sich.“

Oberkochen

Bahnhof Oberko­chen 1949. Blick vom Waldrand über die anstei­gen­den baumlo­sen Wiesen.

Mittag des 1. April 1945: 8 Tote beim Luftan­griff bei Oberkochen

Die meisten ehema­li­gen Häftlin­ge berich­ten über einen folgen­schwe­ren Luftan­griff bei Oberko­chen. Als einzi­ger berich­tet Bernard Villet­te von einem vorher statt­ge­fun­de­nen Blind­alarm, weshalb nicht klar ist, ob dieser tatsäch­lich so statt­fand: „Plötz­lich gab es einen abrup­ten Halt. Die Posten schrien: Flieger­alarm!. Ich sprang aus dem Zug in die Menschen­men­ge, aber es war sehr hoch. Ich wäre beina­he hinge­fal­len und nieder­ge­tram­pelt worden. Wir rannten und beobach­te­ten dabei ständig den Himmel. Alle Posten bilde­ten sofort eine Posten­ket­te, eine Umgren­zung. Sie schrien und gesti­ku­lier­ten, aber wir verstan­den sie nicht. Allmäh­lich begann die Gruppe, sich hinzu­set­zen. Es handel­te sich um einen Fehlalarm… wir hatten gute Lust zu lachen, aber wir hatten kaum die Kraft dazu.“ Die Wachsol­da­ten sammel­ten die Häftlin­ge wieder in Fünfer­rei­hen, zählten und verlu­den sich wieder in den Zug. Bei einem weite­ren „länge­ren Zwischen­halt“ ließ „ein Feldwe­bel in Beglei­tung einiger Solda­ten“ die Häftlin­ge des vorders­ten Waggons ausstei­gen und sie alle Rucksä­cke der Solda­ten des Zuges in einen Gepäck­wa­gen am Ende des Zuges schlep­pen. Die abgeord­ne­ten Häftlin­ge in den Holzschu­hen quälten sich beim Tragen dieser äußerst schwe­ren Säcke über den Schot­ter, während „die Solda­ten lachten angesichts unserer Anstrengungen“.

Zumin­dest auch Arthur Jacques berich­tet, dass der Zug sehr oft anhielt und die Bombar­de­ments sich steigerten.

Pierre Chiffre: „Wie lange fuhren wir schon im Zug? drei oder fünf Stunden oder noch länger. Plötz­lich hielt der Zug. Schreie: Flugalarm!“

Auf der Durch­fahrt zwischen Aalen und Ulm geriet der Zug bei Oberko­chen in einen „Flieger­alarm”. Laut Zacheusz Pawlak „erhiel­ten wir keine Einfahrt in einen kleinen Bahnhof. Wie gewöhn­lich beobach­te­ten wir auch diesmal den Himmel. Trotz leich­ter Bewöl­kung erblick­ten wir zwölf ‘Rotschwän­ze’. Gleich darauf bemerk­te ich, wie sie sich zum Angriff schick­ten. Ein schreck­li­ches Heulen und eine Serie von Schüs­sen zerschnit­ten die Stille. Wir waren das Ziel des Angriffs. Die Deutschen spran­gen zuerst aus dem Waggon und zerstreu­ten sich auf einer Wiese, auf der stellen­wei­se hohe Erlen wuchsen. Über unseren Köpfen erschien ein zweites Flugzeug, das die Deutschen auf der Wiese beschoss. Ich sprang aus dem Waggon und versteck­te mich hinter dem gemau­er­ten Trans­for­ma­tor neben dem Gleis, wobei ich aufmerk­sam die Flugzeu­ge beobach­te­te. Eine gedräng­te Masse von Häftlin­gen in Häftlings­klei­dung ström­te auf die Wiese. Im selben Augen­blick flog ein drittes Flugzeug heran, ging noch tiefer als das vorhe­ri­ge, wobei es fast die Baumwip­fel berühr­te, schoss eine rote Rakete ab und flog dann, ohne einen Schuss abzuge­ben, davon. Das vierte Flugzeug, das zum Angriff bereit war, erhob sich sofort wieder und flog nordwärts ab. Auch die übrigen zum Angriff berei­ten Maschi­nen kehrten um.”

Louis Lefran­çois: „Am Nachmit­tag auf einer Ebene wird der Trans­port, als er einige Dutzend Meter vom Bahnhof entfernt ist, von Jagdflie­gern überrascht. Einen Augen­blick herrscht Kopflo­sig­keit. Die Wachsol­da­ten verlas­sen hastig ihren Posten in den Waggons. Die Bewacher wie auch die Gefan­ge­nen sprin­gen zu Boden, um in den angren­zen­den Wiesen sich zu verstreu­en. Kugeln kommen aus allen Richtun­gen hervor­ge­schos­sen. Die Flugzeu­ge wenden und kehren wieder zurück, um uns in niedri­ger Höhe zu überflie­gen. Ohne diesmal zu feuern, entfer­nen sie sich. Anschei­nend haben sie unsere gestreif­ten Anzüge erkannt.” Es gibt mehre­re Tote, darun­ter auch wenige Wachsoldaten.

Oberkochen

Ausschnitt aus der US-Luftauf­klä­rungs-Aufnah­me vom 08.04.1945. Die Aufnah­me entstand zwischen dem Angriff auf den KZ-Häftlings­trans­port am 01.04.1945 und einem Angriff auf die Oberko­che­ner Ortsmit­te am 11.04.1945, — ebenfalls mit Toten.
Pierre Chiffre: „Die Türen der Waggons wurden aufge­scho­ben, Flüche fielen und befah­len uns, auszu­stei­gen. Wir befan­den uns auf offenem Land, der Zug überrag­te eine riesi­ge Wiesen­land­schaft: unser Waggon hielt fast einen Meter oberhalb einer Böschung. Wer noch in der Lage dazu war, sprang heraus und rannte in Richtung einer Baumgrup­pe ein paar hundert Meter entfernt. Andere wie ich, die nicht mehr konnten, verharr­ten im Waggon. Wir waren noch zu siebt oder acht in dem meini­gen. Ich lag zusam­men­ge­kau­ert […] beim Türrah­men. […] die anderen lagen wahllos im Inneren des Waggons umher. Dieser Stopp und die Räumung des Zuges dauer­ten nur wenige Minuten. Ich sah in die Luft. Hinter den Hügeln tauch­ten vier briti­sche Flugzeu­ge auf. Sie gingen im Sturz­flug auf den Zug hinun­ter und nahmen ihn der Länge nach. Motoren- und Maschi­nen­ge­wehr­lärm. Ich sah deutlich die Flammen der Schüs­se aus den Laufen­den der Maschi­nen­ge­weh­re. Zur selben Zeit mit dem Einschlag der Kugeln schos­sen Holzsplit­ter durch den Zug. Die drei ersten Flieger beschos­sen uns, aber der vierte, der zweifel­los Zeit gehabt hatte, die gestreif­ten Kostü­me der davon­ei­len­den Häftlin­ge wahrzu­neh­men, zielte nicht. Trauri­ger­wei­se gab es Opfer. In meinem Waggon wurden zwei Kamera­den getrof­fen, ein Italie­ner am Unter­leib, er stöhn­te, lag ganz zusam­men­ge­krümmt, ein anderer weniger schwer. Im benach­bar­ten Waggon wurde ein großer Russe, den ich gut kannte, auf Höhe des Magens durch­schos­sen. Als die Flugzeu­ge vorbei waren, ließ ich mich aus Furcht vor ihrer Rückkehr auf die Böschung hinab­fal­len und rückte so gut ich konnte vom Zug weg.“

Joseph Journet: „Am Nachmit­tag stopp­te unser Zug abrupt. Unsere Bewacher ließen uns eilig herun­ter steigen, damit wir uns in einem Tannen­wäld­chen am Rande eines Berges zweihun­dert Meter südlich des Gleises tarnten. Hier sah ich den präzi­sen Beschuss aus den Maschi­nen­ge­weh­ren des ersten der drei franzö­si­schen Flugzeu­ge. Die Lokomo­ti­ve, gegen welche sich der Beschuss gerich­tet hatte, war ein richti­ges Sieb und untaug­lich zum Weiter­fah­ren. Sie hatte all ihren Dampf verlo­ren. Da ich mich im vorde­ren Waggon direkt hinter dem Tender befand, pfiffen uns die Kugeln um die Ohren, als sie problem­los die Wände des Waggons durch­schlu­gen. Eine ging sehr nah an meinem Kopf vorbei, als ich mich gegen die Holzwand lehnte. Die Kugel hinter­ließ ein faust­di­ckes Loch und ließ Holzsplit­ter ausein­an­der stieben. Fünf Häftlin­ge wurden in diesem Waggon getötet. Als wir auf den Bahndamm spran­gen, erblick­ten wir die drei kommen­den Flugzeu­ge […]. Sogleich machten sie kehrt, als sie bemerk­ten, dass es sich um einen Trans­port von gestreif­ten Häftlin­gen handel­te, denn wir waren alle auf der Wiese vor dem Wald verstreut und machten wild auf uns aufmerk­sam. […] Ich ergän­ze, dass die Flugzeu­ge ziemlich niedrig waren und dass dies alles inner­halb von ein paar Minuten geschah. Ich meine, wenn meine Erinne­run­gen genau sind, dass wir vierzehn unserer Kamera­den zurück ließen, die getötet worden waren und vor Ort beerdigt wurden. Ich erinne­re mich nicht mehr an den Namen des Ortes mit den ungefähr fünfhun­dert Einwoh­nern. Es war der Ostaus­gang dieses Dorfes in einer ziemlich hügeli­gen Landschaft, wo wir diesen Beschuss erfah­ren mussten.“

Bernard Villet­te berich­tet von einem vorhe­ri­gen Fehlalarm, auf welchen nun „gegen Mittag“ ein tatsäch­li­cher Angriff erfolg­te. Als er aus dem Zug sprang, „hörte ich den hölli­schen Lärm eines Flugzeu­ges, das im Sturz­flug auf uns zuflog. Ich renne nur zehn oder fünfzehn Meter, die Maschi­nen­ge­weh­re knattern. Alle hatten sich flach auf dem Gras hinge­wor­fen. Wir hatten nicht die Zeit, um wieder aufzu­ste­hen, denn ein zweites Flugzeug flog mit diesem Höllen­lärm auf uns zu.“ Bernard Villet­te hatte Glück, da eine Kugel nur seine Hose streif­te. Ein drittes Flugzeug drehte ab; der Pilot hatte wohl verstan­den, dass es sich um einen Häftlings­zug handel­te. „Die Lokomo­ti­ve verlor ihren ganzen Dampf“, da sie völlig durch­lö­chert war. „Von überall hörten wir um uns markerschüt­tern­de Schreie. Ein Pole mit blutüber­ström­tem Gesicht schrie [nach einem Sanitä­ter] und ging mit nach vorne gestreck­ten Armen nach vorne“.

Sylvain Souca­ze heulte um seinen tödlich getrof­fe­nen Bruder Firmin Souca­ze. Die franzö­si­schen Häftlin­ge waren erschüt­tert und „erstarrt“. Die beiden bekann­ten und belieb­ten, stämmi­gen, fast vierzig Jahre alten Männer stamm­ten aus der Region Gers oder Landes und „erinner­ten an die Muske­tie­re“. „Sie besaßen ein kleines Unter­neh­men zur Herstel­lung von Holzpfos­ten für Telefon- oder Elektri­zi­täts­lei­tun­gen.“ – „Wie alle, die sie kannten, war ich sehr beküm­mert, und umso mehr, da sie viele Kinder hatten. Alle mochten sie sehr. Diese mutigen Kerle erwie­sen sich als perfek­te Freun­de und verhiel­ten sich untade­lig. Es gibt keinen gerech­ten Gott, murmel­te man um mich herum.“

Deutsche Solda­ten kamen hinzu und stießen herum­ste­hen­de Häftlin­ge brutal zur Seite. „Der Boden war übersät mit Kugeln, sie waren […] vielleicht zwölf oder dreizehn Milli­me­ter Durch­mes­ser [groß].“ Deutsche Solda­ten kamen hinzu, sie hielten ihr Gewehr, schrien herum, bilde­ten eine Posten­ket­te um die Überle­ben­den und dräng­ten einzeln herum­ste­hen­de oder gehen­de brutal zur Seite. Sie schoben die Masse der Häftlin­ge die Höhe einer Wiese. Irgend­wann tauch­ten Zivilis­ten, Männer und Frauen mit Armbin­den vom Roten Kreuz auf und brach­ten Tragen zum vorde­ren Teil des Zuges. „Wir blieben lange an diesem Ort, stumm, mit Hunger im Bauch. Eine große Mattig­keit überkam uns. Es gab nichts zu tun. Man durfte sich nur nicht bewegen. Maximal mit seinen Kräften zu haushal­ten war unsere einzi­ge Verteidigung.“

Ernest Gillen hat nach dem Krieg die Ereig­nis­se bei Oberko­chen erforscht (Rappel 2−3÷1986) und konnte sich dabei insbe­son­de­re auf Aussa­gen von dem der Fahrdienst­lei­ter am Bahnhof Oberko­chen Anton Feil stützen, der in der Nacht vom 31. März auf den 1. April Nacht­dienst hatte. „Die Züge, die nicht der Perso­nen­be­för­de­rung dienten, wurden wegen der weithin sicht­ba­ren Rauch­ent­wick­lung der Dampf­loks bei Nacht abgefer­tigt. So kam ich am 1. April morgens gegen 7 Uhr nach Hause. Ich wohnte damals noch in der Ortsmit­te. Es war gegen 11 Uhr, als ich Flugzeu­ge hörte und sah auch, wie sie eine Schlei­fe um den Ort flogen, weil sie vermut­lich den Zug entdeckt hatten. Der Angriff kam dann von Westen her, und es war mir sofort klar, dass der Beschuss einem Zug galt. Zu dieser Zeit hatten wir ja fast täglich Flugzeug­be­such durch Jabo […]. Man nannte sie Rotschwänz­chen.” Der Beschuss des Zuges ging dieses Mal jedoch „von drei etwas stärke­ren Flugzeu­gen” aus.

Bei dem Angriff wurden allein die Lokomo­ti­ve und die ersten Waggons beschossen.

Entge­gen des Befehls von Wicker, die Waggons auf jeden Fall geschlos­sen zu halten, hatte der SS-Mann Arthur Stahl bei diesem Jaboan­griff erlaubt, dass die Häftlin­ge sich außer­halb des Zuges in Schutz bringen konnten. Wahrschein­lich gelang dabei auch wenigen Häftlin­gen die Flucht. Angesichts seines Verhal­tens wurde Stahl bei den Rastat­ter Prozes­sen nach dem Krieg entlastet.

Nach Abflug der Flugzeu­ge eilte Anton Feil sofort zum Bahnhof und übernahm den Dienst, da sein Vorste­her „völlig fertig und ratlos war […]. Alles war ein völli­ges Durch­ein­an­der […]. Die Lok, die mit dem Zug zwischen Bahnhofs­ge­bäu­de und Güter­schup­pen zu stehen kam, war durch­siebt und dampf­te aus den Einschüs­sen. Der Zug war erst zur Hälfte in den Bahnhof einge­fah­ren und stand mit seiner größe­ren Hälfte noch hinter der Einfahr­wei­che. Warum dieser Zug am hellen Tag auf die Strecke geschickt wurde, kann ich mir nicht erklä­ren.” Damit weist Anton Feil auch auf die „Veramt­wor­tung hin, die der deutschen Seite, wahrschein­lich dem verant­wort­li­chen Trans­port­lei­ter, einem SS-Offizier, an diesen trauri­gen Ereig­nis­sen zufällt”, indem „dieser Zug überhaupt am hellen Tag auf die Strecke geschickt wurde.” Anton Feil weiter: „Der Bahnhof Aalen hatte zuvor schon einige Bomben­an­grif­fe erlit­ten und wollte natür­lich den Zug loswer­den, um ihn mindes­tens bis zum Tunnel zwischen Oberko­chen und Heiden­heim zu bringen.”

Oberkochen

US-Luftauf­klä­rungs­fo­to vom 08.04.1945 — aufge­nom­men aus 20.000 Fuß = ca. 6.500 m Höhe. Das Foto wurde am »Weißen Sonntag«. zwischen den beiden Luftan­grif­fen vom 01.04.1945 und vom 11.04.1945 aufge­nom­men. Abdruck mit Erlaub­nis des Landes­ver­mes­sungs­amts Baden-Württem­berg AZ: 2858.8‑LB1-4286 vom 14.11.2003. Ausführ­li­cher Bericht zu dem US-Foto in BuG 394 vom 08.06.2001
Anton Feil berich­tet weiter: „Auf dem Bahnsteig war nun alles voller Sträf­lin­ge, die teilwei­se verletzt waren. Andere bargen Schwer­ver­letz­te aus den G‑Waggons (es waren lauter gedeck­te Wagen-Viehwa­gen) und legten sie auf Gepäck­hand­kar­ren oder auf den Bahnsteig. Zum Glück war auch ein junger Militär­arzt bald zur Stelle, der zum Lazarett Heiden­heim gehör­te und vermut­lich zufäl­lig in Oberko­chen war. Er nahm sich gleich der Verletz­ten an und führte auch Amputa­tio­nen durch. Da er ja nicht viel bei sich hatte, halfen wir mit unserem Rettungs­kas­ten, Wasser und Tüchern aus.” Ein Kommen­ta­tor sah es als erstaun­lich an, dass sich ein Militär­arzt ausnahms­wei­se um die Häftlin­ge kümmer­te, und speku­lier­te, da der Militär­arzt einem Lazarett von Heiden­heim angehör­te, dass dieser vielleicht in Heiden­heim Gelegen­heit gehabt haben könnte, dort KZ-Häftlin­ge aus dem aus Obernai bzw. Obereh­n­heim im Elsass ausge­wi­che­nes Außen­kom­man­do des KZ Natzwei­ler näher kennen­ge­lernt zu haben, so dass er sich hier in Oberko­chen “auf die Seite der Häftlin­ge schlug”.

Jozef Paluc geht von sechs Toten und drei Schwer­ver­letz­ten aus. Docteur Tisse­au: „Gegen Mittag wurde bei Oberko­chen nicht nur die Lokomo­ti­ve unseres Trans­ports beschos­sen und getrof­fen, sondern auch der folgen­de Waggon bekam Kugeln ab. Sieben Kamera­den wurden getötet, etwa zehn schwer verletzt und andere weniger schwer. […] Zwei deutsche Militär­ärz­te, die sich zufäl­li­ger­wei­se vor Ort befan­den, und eine Diako­nis­se halfen mir und sparten nicht Mühe. Für sie waren wir keines­wegs Bandi­ten, sondern nur Menschen und verletz­te Menschen. Sie ließen die am schlimms­ten Verletz­ten auf der Stelle in das nächs­te Kranken­haus bringen.“ Auch Zacheusz Pawlak bestä­tigt, dass man Verwun­de­te auch ins Kranken­haus brachte.

Anton Feil: „Es waren aus diesem Zug 8 Tote, die auf dem Gepäck­hand­kar­ren mit Unter­stüt­zung der Gemein­de­ver­wal­tung zum evange­li­schen Fried­hof gebracht und dort bestat­tet wurden. Natio­na­li­tät oder Herkunft der Toten konnte nicht festge­stellt werden und ist auch hier auf dem Rathaus nicht bekannt. – Vermut­lich trugen sie auch keine Erken­nungs­mar­ken.” Sieben der Toten waren KZ-Häftlin­ge, der Status des Achten, ein „unbekann­ter Deutscher“, bleibt unklar. Nach dem Krieg konnten zwei der Toten identi­fi­ziert werden, und zwar die Franzo­sen Firmin Souca­ze des Souca­zes und Jean-Jacques Perault. Nach hartem Wider­stand der Evange­li­schen Kirchen­ge­mein­de konnten diese beiden Toten schließ­lich auf Drängen der franzö­si­schen Besat­zungs­au­tori­tä­ten am 10. und 11. Juni 1953 exhumiert und nach Frank­reich überführt werden. Bei dieser Gelegen­heit wurde auch der „unbekann­te Deutsche“ abgetrennt in einem Einzel­grab neu beerdigt. Die restli­chen fünf, deren Identi­tät wohl für immer unbekannt bleiben wird, wurden in einem Sammel­grab auf dem Fried­hof bestat­tet. Ein Gedenk­stein erinnert an sie: „Hier ruhen fünf unbekann­te Opfer eines Flieger­an­grif­fes † 1. April 1945“.

Anton Feil: „Von den Sträf­lin­gen türmten viele in den Wald oberhalb des Bahnhofs oder in den Ort. An der Außen­wand des Bahnhofs war damals noch ein Brunnen mit der Aufschrift Trink­was­ser. Ich weiß noch genau, wie einige der Gefan­ge­nen mit ihren Essnäp­fen Wasser entneh­men wollten, was aber von dem den Zug beglei­ten­den SS-Offizier sehr scharf verwei­gert wurde. Dieser Mann, ca. 1,85 Meter groß, hagere Gestalt mit recht ruppi­gem Gesicht, schwang dauernd seine Reitpeit­sche und hatte einen großen Hund (Ulmer Dogge) bei sich. Er patrouil­lier­te dauernd hin und her, so dass auch wir keine Möglich­keit hatten, den Leuten Wasser zukom­men zu lassen. Dieses Gesicht habe ich bis heute nicht verges­sen!” Angesichts der Beschrei­bung des SS-Offiziers handel­te es sich sehr wahrschein­lich um den Trans­port­füh­rer Heinrich Wicker, der damit mindes­tens den Konvoi bis Oberko­chen, wahrschein­lich auch bis Dachau begleitete.

Anton Feil: „Es sind Bilder, die sich eben doch sehr stark einge­prägt haben. So fanden wir im Gleis einen Essnapf aus diesem Zug, der als Leimtopf (zum Bekle­ben der Gepäck- und Express­gü­ter) lange Jahre diente. Auch den Blick ins Innere der Waggons verges­se ich nicht. Einige Gefan­ge­ne kauer­ten noch in der Ecke, Essnäp­fe lagen herum, und da und dort lagen Stücke von Kohlrü­ben. Es waren aller­lei Menschen und Rassen. Auch Neger sah ich bei diesem Trans­port.” Ernest Gillen geht davon aus, dass es sich eher um sogenann­te „Musel­män­ner”, erschöpf­te KZ-Häftlin­ge kurz vor dem Tod, handelte.

Laut Michel Daval verstreu­ten sich die Häftlin­ge in den umlie­gen­den Feldern und Gärten: „Wir waren in der Nähe von Gärten in der Natur, und die Russen und Polen aßen Blumen­zwie­beln und Rhabar­ber­wur­zeln. Es gab sonst nichts zu fressen.“ Auch Jozef Paluc berich­tet: „Es gab den ganzen Tag nichts zu essen.“

Anton Feil: „In der Zwischen­zeit hatte ich sofort eine Ersatz­lok angefor­dert, was natür­lich eine gerau­me Zeit dauer­te. Gegen 14.30 Uhr war es dann soweit. Die Ersatz­lok war am Zug und nahezu abfahr­be­reit. Zum gleichen Zeitpunkt war ein Flugzeug zu hören, und alles stürm­te wieder aus den Waggons in alle Richtun­gen. Es war aber ein deutscher Jäger – ja wirklich ein deutscher! – was man ja nicht wissen konnte, aber alles war ja schon durch­ein­an­der. Dann gegen 16.00 Uhr hatten die 2 oder 3 Solda­ten, die als Zugbe­glei­ter dabei waren, die Leute – ob es alle waren, wissen wir nicht – wieder im Zug, und wir konnten den Zug weiterleiten.”

Pierre Chiffre: „Nach einem Moment des Abwar­tens – Appell. Die Taugli­chen sammel­ten die Verletz­ten ein und brach­ten sie in einen anderen Waggon. Am Abend erreich­ten wir Dachau.“

Die beim Beschuss des Zuges in Oberko­chen Verstor­be­nen wurden von KZ-Häftlin­gen selbst beerdigt. Der Luxem­bur­ger Emil Schock berich­tet, dass er „mit einem Wachmann und einem Jugosla­wen in Oberko­chen hängen blieb. Wir hatten dort fünf Leute zu begra­ben. Dann sind wir zu Fuß bis zu einem kleinen Bahnhof gelau­fen und irgend­wie wieder in den Zug nach Dachau gekommen”.

Louis Lefran­çois: „Die Lokomo­ti­ve ist nicht mehr zu gebrau­chen. Wir müssen warten, bis eine andere Lokomo­ti­ve eintrifft, die uns dann abschleppt. Nach zwei Stunden Warte­zeit fahren wir wieder los. Manche haben diesen Halt nützen können, um abzuhau­en. Angesichts meiner Müdig­keit und meines Hungers denke ich schon gar nicht mehr an Flucht.“ Bernard Villet­te: „Am Ende des Nachmit­tags kam eine andere Lokomo­ti­ve, um die wie ein Sieb durch­lö­cher­te zu erset­zen. Wir stiegen wieder in unsere Waggons und setzten allmäh­lich unsere Reise fort.“ Joseph Journet: „Einige Stunden später kam eine andere Lokomo­ti­ve und ersetz­te die erste, die nun außer Gebrauch war. Angesichts dieses Einflugs erfuh­ren wir, dass die Franzo­sen nicht mehr weit waren, denn die Flugzeu­ge waren ‘Rotschwänz­chen’ – so nannten wir sie unter uns.“

Docteur Pierre Tisse­au: „Eine andere Zugma­schi­ne ermög­lich­te es, bald aufzu­bre­chen – mit der Angst vor einer neuen Katastro­phe. Jedoch bekamen wir nur noch ruhige Vorbei­kom­men­de und in den Lüften ein paar Flugzeu­ge zu sehen, die keiner­lei Aufmerk­sam­keit auf uns richte­ten. Ulm erschien – nur noch seine unver­sehr­te Kathe­dra­le beherrsch­te die Ruinen. Die Nacht ging zu Ende ohne weite­re Unfäl­le, und am frühen Morgen fuhren wir in den Bahnhof von Dachau ein.“

Louis Lefran­çois: „Im Laufe der Nacht brechen im Inneren des Waggons Keile­rei­en aus. Die Wachsol­da­ten lassen es gesche­hen. Um vier Uhr am Morgen [des 2. April] Ankunft in Dachau.”

Bernard Villet­te: „Die Nacht wurde unermüd­lich von Halten und Wieder­an­fah­ren unter­bro­chen. Wir schlie­fen, aber der Hunger wurde zwang­haft. Wir hatten schon lange Zeit gehal­ten, als wir plötz­lich mit Los, los! aus dem Schlaf geris­sen wurden. Wir mussten ausstei­gen. […] Ja wir sind nach Dachau zurück­ge­kehrt. Wir setzten uns wie letzten Juli vor der Kranken­sta­ti­on hin. Wir hatten Oster­mon­tag, den 2. April 1945“.

Oberkochen

US-Offizie­re nach der Beset­zung Oberko­chens durch die Allier­ten im April 1945. Jetzt sitzen sie in der Villa Albert Leitz »fried­lich« an einem Tisch, Deutsche und Ameri­ka­ner, nachdem noch wenige Tage zuvor Bomben auf Oberko­chen gewor­fen worden waren. Siehe Bericht 263 in BuG vom 15.03.1996

Evaku­ie­rungs­marsch oder Todes­marsch?
– Ankunft im KZ Dachau

Von den 1.878 Häftlin­gen des Neckarel­zer Evaku­ie­rungs­mar­sches, die am 2. April 1945 im KZ Dachau ankamen, wurden 1.655 unter den neu verge­be­nen Häftlings­num­mern 147.281 bis 148.935 regis­triert, die anderen 223 wurden unter den alten Häftlings­num­mern eines vorhe­ri­gen Aufent­halts in Dachau verbucht. Mit dem selben Konvoi trafen die 129 Häftlin­ge der Natzwei­ler Außen­la­ger Auerbach, Heppen­heim und Mannheim-Sandho­fen ein.

Unklar bleibt, warum an den beiden folgen­den Tagen nochmals 45 eintref­fen­de Häftlin­ge immatri­ku­liert wurden. Es waren am 3. April mindes­tens 13 Häftlin­ge unter den Nummern 148.947 bis 148.959 sowie am 4. April mindes­tens 32 Häftlin­ge, wobei nur fünf neue Nummern verge­ben wurden, nämlich von 148.978 bis 148.982. Trafen sie schon am 2. April ein und wurden aus irgend­wel­chen Gründen erst später einge­tra­gen? Waren sie Nachzüg­ler auf dem Evaku­ie­rungs­marsch, die irgend­wo wieder aufge­le­sen oder aufge­grif­fen wurden? Oder waren sie in Oberko­chen nach dem Luftan­griff geflüch­tet und wieder aufge­grif­fen oder nach einer Verlet­zung behan­delt und nachträg­lich mittels Lastwa­gen nach Dachau gebracht worden?

Oberkochen

Der Grabstein auf dem Evange­li­schen Friedhof

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