Zu unserem Bericht 568 in BuG vom 30. Juli d. J. zum Thema „Höhlen­sys­tem hinterm Kocher­ur­sprung?“ — erreich­ten uns zahlrei­che Rückkop­pe­lun­gen, die es uns angera­ten erschei­nen lassen, das sommer­li­che und winter­li­che Verhal­ten der durch die Außen­tem­pe­ra­tur entste­hen­den Höhlen­win­de („Bewet­te­rung“) nochmal und um einiges gründ­li­cher darzu­le­gen. Ein Höhlen-InGO-aktiver Oberko­che­ner der ersten Stunden (1979÷1980), inzwi­schen als einer der beiden Initia­to­ren des Besucher­berg­werks „Tiefer Stollen“ dort bis heute aktiv, Gerhard Schus­ter, schreibt am 25.08.2010 an den HVO:

Zu dem Sachver­halt „Klüfte beim Kocher­ur­sprung, einzie­hen­de Luft im Sommer, auszie­hen­de Luft im Winter, und/oder umgekehrt“, folgen­de Anmer­kun­gen: So wie in Bericht 568 kurz beschrie­ben, funktio­niert die natür­li­che „Bewet­te­rung“ (d.h. die Belüf­tung) von unter­ir­di­schen Hohlräu­men (Höhlen, Bergwer­ken, Stollen-/Tunnel­an­la­gen etc.). Dieser hier etwas ausführ­li­cher beschrie­be­ne Vorgang basiert auf der physi­ka­li­schen Eigen­schaft von Luft : Warme Luft steigt nach oben und kalte Luft zieht nach unten.

Voraus­set­zun­gen für die natür­li­che Bewet­te­rung sind:

a) 2 unter­schied­li­che Ebenen, d.h. ein „oberer Stollen“ und ein „unterer Stollen“, die im Bergin­ne­ren mitein­an­der verbun­den sind und die jeweils an die Tages­ober­flä­che führen, bzw. dazu Verbin­dung haben.
b) Eine konstan­te Tempe­ra­tur im Bergin­ne­ren, d.h. bei unseren Breiten­gra­den im Winter zwischen ca. +7° bis +8° C, und im Sommer ca. +8° bis 9° C

Und so funktioniert’s:

Im Sommer zieht warme Luft zum „oberen Stollen“ in den Berg ein, kühlt sich dort ab, sinkt nach unten und zieht zum „unteren Stollen“ wieder hinaus. Im Winter geht es dann anders herum, d.h. Wenn die Außen­tem­pe­ra­tur niedri­ger ist als im Bergin­ne­ren zieht die kalte Luft zum „unteren Stollen“ ein, erwärmt sich im Berg, steigt dort nach oben und zieht zum „oberen Stollen“ wieder aus.

Dies ist u.a. sehr schön im und beim Besucher­ber­ger­werk Tiefer Stollen in Aalen-Wasser­al­fin­gen zu sehen; vor allem im Winter bei tiefen Minus­gra­den „raucht“ es zum oberen Stollen (= Tages­stre­cke Nr. 1 beim ehema­li­gen Unter­kunfts­haus der Bergleu­te oberhalb des Stollen­mund­lochs des Tiefen Stollens) heraus, wie früher bei Muttern in der Wasch­kü­che (wer das noch kennt).

Proble­ma­tisch ist es, aus Sicht des Bergman­nes, dann, wenn die Außen- und Innen­tem­pe­ra­tu­ren ungefähr gleich groß sind. Dies ist im Frühjahr und im Herbst der Fall. Dann kommt der Wetter­strom z.B. im Bergwerk fast zum Erlie­gen. Ganz hört der Wetter­strom aller­dings nie auf, aber er ist zumin­dest nicht mehr zu spüren. Für diese Fälle wurde daher im Bergwerk ein zusätz­li­cher Wetter­schacht abgetäuft mit einem aufge­mau­er­ten sog. Kamin, in den ein sog. Wetter­flü­gel­rad einge­baut wurde, mit dessen Hilfe der Wetter­strom dann künst­lich wieder verstärkt in Gang gesetzt wurde, um z.B. die Spreng­ga­se und Staub aus den Abbau­be­rei­chen abzuleiten.

Aufgrund der oben darge­leg­ten Wirkungs­wei­se ist es auch verständ­lich, warum gerade bei heißer Witte­rung im Sommer und entspre­chend tiefen Tempe­ra­tu­ren im Winter die besten Bewet­te­rungs-Messergeb­nis­se erreicht werden.

Mit Kennt­nis des obigen Wirkungs­prin­zips ergibt sich aber auch eine andere inter­es­san­te Erkennt­nis, denn hier wird es spannend – und da wird das „Rätsel“ gelöst! Da, wie wohl am 11.07.2010 nachge­wie­sen, die Wetter beim Kocher­ur­sprung im Sommer aus und im Winter einzie­hen, müsste es sich bei diesen Klüften wahrschein­lich um den „unteren Stollen“ handeln, d.h. der Wetter­strom kommt in dieser Jahres­zeit von der Höhe und es muss einen entspre­chend höher liegen­den „Eingang (Ausgang)“ geben.

Mit eine Rolle spielt aber auch der Querschnitt der Klüfte. Hier wirkt der sogenann­te „Düsen­ef­fekt“. D.h.: Wenn die Kluft eng ist (kleiner Querschnitt), wird die Luft vom Wetter­strom wie in einer Düse beschleu­nigt — sowohl beim „Einzug“, als auch wenn er nach außen „gedrückt“ wird. Auf jeden Fall muss im Bergin­ne­ren ein entspre­chend guter Wetter­zug herrschen, und das geht bezüg­lich der Messergeb­nis­se nur, wenn im Bergin­ne­ren ein entspre­chend großer Querschnitt und damit guter Wetter­zug vorhan­den ist.

Aufgrund der im Sommer auszie­hen­den Wetter müsste demzu­fol­ge das hinter dem Koche­rusprung vermu­te­te Höhlen­sys­tem nicht primär in die Tiefe führen, sondern im Berghang liegen und nach oben führen, bzw. ein entspre­chend großer/hoher Hohlraum vorhan­den sein.

Mit eine Rolle kann hier aber, als eine Art Wetter­schacht (wie oben darge­stellt), vermut­lich auch das Wollen­loch spielen, das ja mit einem sehr großen Durch­mes­ser senkrecht wie ein Schacht in die Tiefe führt und auf jeden Fall erheb­lich höher als der Kocher­ur­sprung liegt. Das Wollen­loch könnte eventu­ell der Eingang oder einer der Eingän­ge der „oberen Stollen“ sein; auf jeden Fall ist hier vom Querschnitt her ein entspre­chend starker Wetter­zug möglich.

Wenn man von den Dimen­sio­nen des Wollen­lochs ausgeht, müsste von den Größen­re­la­tio­nen her erfah­rungs­ge­mäß tatsäch­lich in diesem Bereich, auch von den Einsturz­do­li­nen oberhalb des Kocher­ur­sprungs im Wald her, ein relativ großes Höhlen­sys­tem vorhan­den sein. Es bleibt spannend hinterm Kocherursprung.

Welche Ausma­ße eine Höhle haben kann, konnte ich erst dieses Jahr Anfang Juli in meinen Urlaub in Spani­en beim Besuch der Höhle von Nerja in Andalu­si­en (ca. 50 km östlich von Malaga) wieder erfah­ren, mit einem Höhlen­dom von rd. 60m Höhe mit einer in der Mitte stehen­den Tropf­stein­säu­le von 18m Durch­mes­ser,- unglaub­lich beeindruckend.

Ich hoffe, ich konnte mit meinen beschei­de­nen inter­dis­zi­pli­nä­ren Kennt­nis­sen einige Unklar­hei­ten beseitigen.

Gerhard Schus­ter

Zu unseren Fotos:

Alle 3 Fotos haben wir dem Inter­net (Google) „Gesell­schaft für Natur­kun­de. Vereins­zweig Ostwürt­tem­berg „Königs­bronn und das Brenz­tal“ entnom­men. (Einga­be: „Prinzip­schnitt durch den Karst der Ostalb“)

Oberkochen

Doline beim Möhnhof (b. Bartho­lo­mä) vom 13.03.2009. Leider wurde diese durch Einsturz eines unter­ir­di­schen Hohlraums plötz­lich entstan­de­ne Doline (Erdfall) wieder zugeschüt­tet. – Dieses Foto hat faszi­nie­ren­den Seltenheitswert.

Oberkochen

Block­bild „Dolinen“. Entste­hung von senkrech­ten und waagrech­ten Höhlen entlang von Schicht­li­ni­en oder senkrech­ten Sedimentbrüchen.

Oberkochen

Prinzip­schnitt durch den Karst der Ostalb

Durch diese 3 Abbil­dun­gen wird klar, dass man sich den Ostalb-Karst entlang der Sediment­schich­ten und entlang der durch Schub- und Druck-Verwer­fun­gen entstan­de­nen Bruch­stel­len senkrecht zu diesen, als vom Wasser immer stärker zerlö­cher­tes Erdin­ne­res vorstel­len muss. In diesen Hohlräu­men spielt sich der unter­ir­di­sche Kampf um oberir­di­sche Wasser­läu­fe ab. Da die Sediment­schich­ten nicht waage­recht verlau­fen, und da die Erosi­ons­kräf­te verschie­den sind (das relati­ve Gefäl­le und damit die Ersosi­ons­kraft der Brenz (ca. 3000 km Luftli­nie zum Schwar­zen Meer) ist gerin­ger als es die Kocher­kräf­te sind (ca. 1000 km zur Nordsee) spielt sich der unter­ir­di­sche Kampf um die Quellen anders ab, als von der Erdober­flä­che her erkenn­bar. Der Kocher frisst sich nicht in gerader Linie in Richtung auf die derzei­ti­ge Wasser­schei­de bei der Ziegel­hüt­te und auf den Brenz­topf zu; vielmehr ziehen die unter­ir­di­schen Kräfte Richtung Bartho­lo­mä. Aus dieser Ecke kommen auch die Wasser, die den Brenz­topf speisen.

Klartext: Die Wasser­schei­de wird sich im Verlauf von deutlich mehr als 10000 Jahren nicht Richtung Königs­bronn, sondern Richtung Bartho­lo­mä verschieben.

Dietrich Bantel

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