Auch heute noch, 44 Jahre danach, kann man aus dem Munde von Altober­ko­che­nern die Bezeich­nung »HJ-Heim« verneh­men, wenn vom »Bergheim« die Rede ist. Tatsäch­lich kennen die nach dem Kriege Zugezo­ge­nen die Geschich­te dieses über »1000 Jahre alten« Gebäu­des nicht. Es war in der Tat als HJ-Heim gebaut, vor nunmehr genau 51 Jahren. Bei denen, die die Zeit hier miter­lebt haben, oder zumin­dest bei einigen von ihnen, blieb die Bezeich­nung HJ-Heim haften, so, wie die echten alten »Schtur­grtr« heute noch das Gebäu­de der Bundes­bahn­di­rek­ti­on in Stutt­gart nicht als solches, sondern als »Reichs­bahn­di­rek­ti­on« bezeich­nen. Keiner denkt sich was dabei, — obwohl es so Vieles hierbei zu denken gibt.

Oberkochen

Die Bauak­ten des »Bergheims« sind beim Stadt­bau­amt vollstän­dig erhal­ten.
Dort befin­det sich ein Plan mit folgen­den Bezeichnungen:

1. Ferti­gung
Gemein­de Oberko­chen — Kreis Aalen
Bauge­such der Gemein­de Oberko­chen für die Erstel­lung eines Hitler­ju­gend­hei­mes auf eigenem Grund­stück (Parzel­le Nr. 2226/1)
Archi­tek­ten Otto Köbele und Adolf Reich­le, Stuttgart‑N, Seestra­ße 90

Der Plan ist mit Datum vom 16.12.1937 erstellt und einge­reicht und bereits mit Datum vom 20.1.1938 geneh­migt. Das Bauge­such ist unter­zeich­net vom damali­gen Bürger­meis­ter der Gemein­de Oberko­chen, Otto Heiden­reich, (Bürger­meis­ter in Oberko­chen von 1934 bis 1945).

Im Baube­schrieb wird das Gebäu­de folgen­der­ma­ßen erfaßt:
Keller­ge­schoß, Erd- und Oberge­schoß beider­seits verputz­te Meter­stei­ne.
Dachge­schoß ausge­rie­gel­te Holzfach­werk­wän­de, teils verputz­te Leicht­bau­plat­ten.
Biber­schwanz­dach mit Doppeldeckung

Die Baukos­ten werden mit RM 40.000,- veran­schlagt, für einen umbau­ten Raum von insge­samt 2747 cbm.

Seitens der beiden Archi­tek­ten ist der Plan unter­zeich­net von Archi­tekt Reich­le. Beide Archi­tek­ten werden als Mitglied der Reichs­kam­mer der Bilden­den Künste geführt.

Die Bauvor­schrif­ten weichen nicht von den damals üblichen ab, bis auf einige beson­ders aufge­führ­te Vorschrif­ten, von denen hier auszugs­wei­se 3 aufge­führt werden sollen:

  • Abwas­ser ist in den nahen Stein­bruch zu leiten.
  • Für Aborte ist eine genügend große, wasser­dich­te Grube anzule­gen und solid abzudecken.
  • Ein genügend großer und vorschrifts­mä­ßi­ger Luftschutz­raum mit Gasschleu­se ist anzulegen.

Ende Oktober 1943 hat ein Schrift­ver­kehr zwischen der NSDAP-Hitler­ju­gend Stutt­gart und Bürger­meis­ter Heiden­reich statt­ge­fun­den. Das Gebäu­de sollte als Domizil für die sogenann­ten »Kinder­land­ver­schi­ckung« dienen, — hier als »KLV-Lager« bezeich­net. Bürger­meis­ter Heiden­reich führte gegen­über der Stutt­gar­ter NSDAP-Hitler­ju­gend Zentra­le aus, daß die erfor­der­li­chen Kohlen von der Gemein­de nicht zur Verfü­gung gestellt werden können und forder­te die NSDAP auf, sie wolle sich darum bemühen, beim Wirtschafts­amt Aalen Briketts zu bekom­men, da die Ofen in dem Gebäu­de nur mit Briketts beheizt werden könnten.

Bis zum Kriegs­en­de waren dann, außer der HJ, die »Mädle vom KHD« (Kriegs­hilfs­dienst) in den oberen Räumen des HJ-Heims — unten war immer die HJ.

Nach Kriegs­en­de, so berich­te­te ein Zeuge, sei das HJ-Heim zuerst einmal »ausge­räumt« worden. Die »Leute« hätten alles geholt. Viel wird wohl nicht da gewesen sein. Bald sind in dem Gebäu­de, das von nun an »Bergheim« hieß, bauli­che Verän­de­run­gen vorge­nom­men worden, und zwar wurden Wohnun­gen für Flücht­lin­ge einge­baut. In den frühen 50er-Jahren inter­es­sier­te sich die Firma Carl Zeiss für das Bergheim: Beim Stadt­bau­amt liegt ein Bauge­neh­mi­gungs­an­trag der Firma ZEISSOPTON — Optische Werke Oberko­chen GmbH betr. »Umbau im Inneren des bestehen­den Gebäu­des »Bergheim — (Kinder­gar­ten). Zu einem Bauplan vom 12.5.1952 (DM 25.000,-) folgt ein Schrei­ben vom 21.7.52, in welchem der Kreis­bau­meis­ter auf länge­re Sicht grund­sätz­li­che Änderun­gen, vor allem im sanitä­ren Bereich empfiehlt. Vom 23.1.53 liegt eine wider­ruf­li­che Geneh­mi­gung vor, »insolan­ge sich keine Mißstän­de ergeben«. Mit Datum vom 19.5.54 sind die Anstän­de behoben. Nach dem Krieg wurde das Bergheim außer­dem von der ev. und der kath. Jugend genutzt. Der kath. Kinder­gar­ten war bis zur Einwei­hung des Rupert-Mayer-Hauses im Jahr 1967 im Bergheim untergebracht.

Mit Beginn des Schul­jahrs 1958/59 (April) zog das Progym­na­si­um Oberko­chen als Außen­stel­le des Schub­art-Gymna­si­ums Aalen mit 3 Klassen in das Bergheim ein. Herr StA Diebel beschreibt die Situa­ti­on in einem in BuG vom 18.4.1958 abgedruck­ten Artikel.

Zunächst war vorge­se­hen gewesen, das Bergheim für das wachsen­de Progym­na­si­um auszu­bau­en. Von diesem Gedan­ken kam man durch das unwahr­schein­lich schnel­le Zuneh­men der Schüler­zah­len ab, — das heißt, man plante für das Progym­na­si­um einen Neubau, der am Samstag, 1.12.1962 einge­weiht wurde. In BuG vom 30.11.1962 ist das Ergeb­nis ausführ­lich beschrie­ben. Im Programm heißt es: 8.45 Uhr: Abmarsch der Schule vom Bergheim.

Nun diente das Bergheim zur Aufnah­me der ebenfalls gewach­se­nen Dreißen­tal-Haupt­schu­le, die sich die Räume in der zweiten Hälfte der Sechzi­ger-Jahre mit dem bereits schon wieder raumbe­dürf­ti­gen Progym­na­si­um teilte; — bis Ende Schul­jahr 1969/70 waren erneut 3 Räume vom Progym­na­si­um belegt. Ab diesem Schul­jahr 1969/70 waren dann wieder die gesam­ten Klassen­räu­me des Bergheims mit 6 Klassen vom Progym­na­si­um belegt, — mit Pendel­leh­rern und Pendel­schü­lern, wie man damals sagte.

Mit der Einwei­hung des Fachklas­sen­baus des Gymna­si­ums am Samstag, 24.7.1971 wurde das Bergheim dann endgül­tig frei für die zwischen­zeit­lich, am 9.9.1970 mit einem Anfangs­got­tes­dienst aus der Taufe gehobe­nen Sonder­schu­le (BuG vom 4.9.1970), die sich seither im Bergheim befindet.

Oberkochen

Fotos:
1.) Foto vom »Bergheim« v. Ostern 1962 (D.B.)
2.) Planzeich­nung vom »Bergheim« v. 16.12.1937 (Reich­le)

Dietrich Bantel

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