Der „Stollen“ liegt im Wolfertstal unweit vom Doppelkreuz mitten im Haupttal „beim Bänkle“ kurz nach der Abzweigung des Kalksträßles, das in weitem Bogen rechter Hand ins Kirschentäle und zum Langert hinauf führt. Bald nach diesem Abzweig kommt eine weitere Weggabelung. Dort steht links das Doppelkreuz an dem geteerten Vizinalweg, der später am Eichertbrünnele vorbei durch die „Hohl Gass“ zum Essinger Feld führt. Schräg gegenüber des Doppelkreuzes liegt rechts des Sträßchens der „Stollen“ in einer weiten fast ebenen Wiese. — Wählt man an der beschriebenen zweiten Weggabelung beim Doppelkreuz das rechte ebenfalls geteerte Sträßchen, so passiert man dort den dann links liegenden „Stollen“ . Das Sträßchen führt weiter hintere ins Gunderstal zum „Wasserhäusle“ der Landeswasserversorgung. (Foto 1). Von dort kommt man durch eine kleine steil werdende Schlucht oder durchs Finstertal hinauf auf den Langert und weiter zum Theussenberg.

Blick vom Lothringer Kreuz zum »Stollen«
Nicht alle Oberkochener wissen, weshalb dieser künstliche Berg, der trotz seines Bewuchses im weitesten Sinn an einen Schuttberg erinnert, mitten im Tal liegt, wie er dorthin gekommen ist, und noch viel weniger, dass er bei den Alt-Oberkochenern nicht von ungefähr der „Stollen“ genannt wird. Der „Stollen“ ist ca. 100 Meter lang, bis zu 30 Meter breit, oben fast eben und talabwärts an der höchsten Stelle stattliche 7 Meter hoch. Er „gehört“ der Stadt, ist aber verpachtet. Auf dem Stollenplateau, am Fuß des Stollens, auf der Langertseite des Sträßles zum Wasserhäusle, also rechts des Sträßles vom Stollen zum Wasserhäusle (man nennt die Stelle „bei den Holzbeigen“ – dahinter gibt es kleine Hungerbrunnen), stapeln sich seit eh und je zahlreiche Holzbeigen verschiedener Besitzer. An zwei Stellen, einer steilen und einer etwas sanfter ansteigenden, kann man mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen auf den Stollen hinauffahren. An einigen Stellen sieht man auch noch stückweise eine weniger steile eingewachsene Auffahrt, die Reste der alten fast spiraligen Zufahrt darstellen, über die der „Stollen“ einst aufgeschüttet wurde. – Bewohnt ist der „Stollen“ heute von Hasen, Gastfüchsen und Maulwürfen.
Wie entstand der „Stollen“?
Der Stollen besteht aus dem vor fast 100 Jahren beim Bau des Osterbuchstollens durch die Landeswasserversorgung im Berg zwischen dem Wasserhäusle im Gunderstal und Dauerwang (bei Essingen) abgebauten Materials, soweit es nicht auf die Dauerwangseite verbracht wurde. Während des Ersten Weltkriegs wurden zum Bau des gut 1,8 km langen Doppelbehälters, von dem das vom Donauried kommende Wasser durchs Remstal nach Stuttgart fließt und unterwegs viele Städte und Gemeinden mit Wasser versorgt, italienische, russische und französische Kriegsgefangene, aber auch Einheimische eingesetzt. (Foto 2) Am 18.03.1988 habe ich in einem ausführlichen Bericht im Amtsblatt „Bürger und Gemeinde“ darüber berichtet. (Archiv HVO – Büro Schillerhaus). Weitere Berichte speziell zum Doppelkreuz (auch Wetterkreuz genannt) , das mit den französischen Kriegsgefangenen zu tun hat, (Lothringer Kreuz — Todesfall?) habe ich am 17.11.2000 und am 12.10.2001 im Amtsblatt veröffentlicht. (Archiv).

Arbeiter im Stollen mit Geleise der Lorenbahn
Da man vor 100 Jahren das Stichwort „Landschaftsschutz“ noch nicht kannte, verbrachte man das abgebaute Material vermittelst einer Lorenbahn, die von einer kleinen Dampflokomotive gezogen wurde, (Foto 3) ins Haupttal. – Auf Foto 2 erkennt man, dass die Schienen der Lorenbahn auch im Stollen verlaufen. Mit dieser Bahn wurde der Abraum aus dem hinteren Talwinkel, wo es offenbar zu eng war, ins weite Haupttal gefahren, wo man ihn ungeniert zu dem bis heute sichtbaren Berg, den man eben den „Stollen“ taufte, aufschüttete. Damals hat der Dreckhaufen wohl kaum jemanden gestört. (?) Vor 40 Jahren kam kurzzeitig der Gedanke auf, dass man den Berg abtragen beziehungsweise entfernen könne oder solle. Auch der Gedanke, dort „etwas für Pferde“ einzurichten, oder gar einen Motocross-Ring, war kurzzeitig „unterwegs“, wurde aber glücklicherweise vom Gemeinderat mit der Begründung, dass man dann außer Pferden permanent Autos und andere Fahrzeuge im Tal hätte, abgelehnt.

Kleine Lok der Lorenbahn
Was den „Stollen“ betrifft: Im Zeichen der Schaffung von Denkmalen wird er, statt abgefahren zu werden, eines Tages vielleicht, weil er im Zusammenhang mit dem historischen Stollenbau steht, noch zum „sekundären Industriedenkmal“ (haha) ernannt….
Die Landeswasserversorgung macht sich in diesem Jahr an die Vorbereitung des 100. Geburtstags der „LW“. Die Gründungsurkunde (Foto 4) wurde von Wilhelm II, von Gottes Gnaden König von Württemberg, am 8. Juli 1912 unterschrieben. – (Die Unterschrift ist in die Urkunde eingefügt) — Insofern rückt auch die Geschichte des „Stollens“ endlich einmal wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit.
Was ist im Jahr 2012 mit dem „Stollen“ los?
Wie bereits im Bericht von 1988 erwähnt, waren sowohl was den Bau des Osterbuchstollens als auch was die Verlegung der Leitung betrifft, auch Oberkochener an den Bauarbeiten beteiligt. — Hiermit bitte ich im Auftrag der Landeswasserversorgung, die fürs Jubiläumsjahr 2012 eine umfassende Dokumentation plant, uns mitzuteilen (tel. 7377), wenn einer unserer Leser irgendjemanden kennt — es müssen dies wohl inzwischen Enkel oder gar Urenkel der damals Beteiligten sein — der irgendetwas über den Bau der ersten Leitung (1912−1917) weiß, oder womöglich über unbekannte Fotos verfügt.

Urkunde König Wilhelm II

Bauer mit Rohr beladenem Pferdewagen

Bäuerin mit Rohr beladenem Ochsenwagen
Aus der Zeit der Rohrverlegung haben wir aus unserem Archiv Fotos, die je ein Pferdegespann (Foto 5) — eine Oberkochener Familie glaubt in dem Landwirt auf Foto 5 den Oberkochener Landwirt Michael Grupp (1864−1929) zu erkennen — und ein Ochsengespann mit einer Bäurin (Foto 6) zeigen, die mir riesigen Rohren beladene Karren zeigen. Ein weiteres Foto (Foto 7) zeigt eine Verladerampe und eine Katzenkranbrücke mit einem mit Rohren beladenen Eisenbahngüterwagen und einem ebenfalls mit einem Rohr beladenen Pritschenwagen. Uns würde interessieren, ob jemand bestätigen kann, dass es sich hierbei um eine Verladevorrichtung des Oberkochener Güterbahnhofs handelt. Sowohl dieses Foto als auch die beiden mit den Gespannen können bislang nicht Oberkochen zugeordnet werden. — Es ist davon auszugehen, dass ein Teil des Aufsichtspersonals deutsch, möglicherweise sogar einheimisch, war. Am Bau der LW waren zeitweise über 1000 Arbeiter beschäftigt.

Verladen von Rohren von einem Güterwagen auf einen Pritschenwagen

Spur der LW bei Schneeschmelze
Interessant wären auch Fotos und Berichte über besondere Ereignisse im Zusammenhang mit der Verlegung des zweiten Leistungsstrangs, der in den Dreißigerjahren parallel zum ersten gelegt wurde, und der des dritten Leitungsstrangs anfangs der Sechzigerjahre.
Bitte teilen Sie uns mit, wenn Sie uns etwas zu unseren Fotos sagen können, vor allem zu den darauf zu erkennenden Personen. — In Oberkochen bekannt sind noch die alten Wassermeister Stadelmaier und Wagner, die im Wassermeisterhaus der LW auf dem Burren in der Aalener Straße gewohnt haben, das heute der Stadt gehört. Es fällt durch sein außergewöhnliches Walmdach auf.
Die Leitung wird meist im Frühjahr – so auch heuer (unser Foto 8) zwischen dem Aussiedlerhof Fisch/Pflugwirt und dem Segelfliegerhäusle sichtbar, da das Wasser in der Leitung plusminus 9° warm ist und den Schnee zum Schmelzen bringt, wodurch eine dunkle Spur in der Wiese entsteht.
Über den Stollen selbst berichten wir in einem getrennten Bericht.
Dietrich Bantel