Stammtisch
Über Stammtische ist schon viel geschrieben und gelästert worden. Der Stammtisch ist nicht der Ort, um hochgestochene Reden zu führen; hier gilt das emotional unterlegte, möglichst im Dialekt gesprochene Wort – meistens laut und vernehmlich. Es ist auch nicht der Ort, um sich vorher zu überlegen, was Mann von sich gibt. Hier regieren Emotionen, Direktheit, Witz und Schlagfertigkeit. Früher saßen an solchen Stammtischen die Dorfhonoratioren wie Lehrer, Bürgermeister, Unternehmer, Ärzte, Apotheker, Förster, wohlhabende Bauern – kurzum die Haute-Vollé der Gemeinde. Das hat sich heute geändert, heute ist der Sozialstatus nicht mehr die Eintrittskarte, In unserem Fall ist es eine Unterschrift, 2 Flaschen Wein und das Singen des ‚Württemberger Liedes’, um sich einen Platz am GRAF EBERHARD-Stammtisch in der GRUBE in Oberkochen zu sichern. Wird sich die Form des Stammtisches eines Tages überleben? Wir wissen es nicht, sind aber hoffnungsvoll und gehen davon aus, dass der Stammtisch als Ort ungeschminkter Willensäußerung und temporärer Zusammengehörigkeit seinen Platz behalten wird, weil er auch mit Heimatverbundenheit, Verwurzelung, Integration, Bodenständigkeit und Authentizität zu tun hat.
Graf Eberhard
Graf Eberhard im Bart wurde 1445 in Urach geboren und reifte zu einem der wichtigsten Männer Württembergs heran. Alles was er anpackte, gelang ihm unter seinem Wahlspruch ATTEMPTO – ich wag’s. Er befreite sich von der Vormundschaft, er pilgerte nach Jerusalem, er heiratete und die Hochzeit war prachtvoll mit 14.000 Gästen, er gründete die Universität Tübingen, er begab sich auf Romreise und hob die Trennung von Württemberg-Stuttgart und Württemberg-Urach auf, er wurde in den Orden des Goldenen Vlies aufgenommen und wurde 1495 auf dem Reichstag zu Worms zum ersten württembergischen Herzog ernannt. Er starb 1496 nach einem erfüllten Leben und ruht seither in der Stiftskirche zu Tübingen. Auch die schwäbische Brezel-Sage geht auf Graf Eberhard zurück. Die Geschichte vom Uracher Bäcker Frieder, dem Grafen und der Laugenbrezel, dem einzigen Gebäck, durch das die Sonne dreimal durchscheint, ist jedem aufrechten Schwaben wohlbekannt. Und natürlich geht auch die Hymne der Württemberger auf den Grafen zurück. Der Text entstand 1818 und geht auf eine Begebenheit im Reichstag zu Worms zurück.
Stammtisch „Graf Eberhard“
Dieser Stamm wurde am 15. März 1985 in der GRUBE zu Oberkochen gegründet. Gründungsmitglieder waren Georg Brunnhuber (Schorsch vom Kies), Hermann Weller, Gerhard Gold, Reinhold Bahmann, Alfred Metzger, Linus Holz, Franz Sanwald (Zelle), Erhard Mrasek, Karl Gold, Viktor Oppold (Sir Kies) und Willi Wendelberger.

Jeden Samstag, jahraus jahrein, ertönt Punkt 12 Uhr das Württemberger Lied ‚Preisend mit viel schönen Reden’, das mit einem kräftigen ‚Hie gut Württemberg – alleweg’ abgeschlossen wird. Das schwäbische Liedgut wird auch sonst in hohen Ehren gehalten und mitunter, besonders an Geburtstagen der Mitglieder, hört man auch anderes schwäbisches Liedgut lauthals erschallen. Bis zur 25jährigen Jubiläumsfeier am 20. März 2010 werden es dann 1237 Treffen gewesen sein, zu denen sich der Stammtisch getroffen hat. Der Stammtisch ist gut durchwachsen, wie es für ein langlebiges Gewächs sein muss: Politiker und Lehrer, Arbeiter und Angestellte, Alte und Junge, G’rade und Krumme. Oifache und Hagebüachige, Rentner und Schaffende, Rote und Schwarze, Ärzte und Unternehmer, Rechte und Linke, Einheimische und Auswärtige, Deutsche und Italiener – nur Bürgermeister und Pfarrer fehlen in der illustren Runde. Geselligkeit und Heimatverbundenheit sind ebenfalls Triebfedern aus denen der Stammtisch seine Energie schöpft. Vorträge, Musik und Ausflüge, ob nach Bonn, Berlin, Urach oder Tübingen – man ist ab und zu auch im Namen des Königs unterwegs, wie dem schwarzen T‑Shirt zu entnehmen ist. Der Huga-Paule, altes Urgestein, zeichnet für handgemachte Musik. Einmal hat sich der Stammtisch mit dem Kampf, um die Versetzung des Lindenbrunnens, auf die Strasse begeben. Zwar erfolglos, aber er hat Flagge und sich streitbar gezeigt. Welche Lösung die bessere ist (die jetzige oder den Brunnen als Verkehrsinsel), das mögen die BürgerInnen selbst entscheiden. Wichtig war und ist, dass auch vom Stammtisch aus ‚APO-Politik’ betrieben werden kann. Der Stammtisch isch zwar no ned g’scheit, des wird d’r Schwoab erscht mit 40. Dazu fehlen ihm noch 15 Jahre, aber er ist auf einem guten Weg.
Familie von Speth-Schülzburg
Diese Familie bekleidete über viele Jahrhunderte hinweg hohe geistliche, militärische und weltliche Ämter, sodass sie eines der ältesten und einflussreichsten Geschlechter im Schwabenland wurde. Das Interessante daran aber ist, dass Albrecht Spehr zum Vormund für die Grafensöhne Ludwig und Eberhard nach Stuttgart gerufen wurde. Er erwarb sich später großes Ansehen als Landhofmeister unter Graf Eberhard im Barte. Diese Familie breitete ihre Spuren dann bis in unsere Gegend aus.
Der Kreis schließt sich
Jetzt fragen wir uns natürlich, was hat das alles mit Oberkochen zu tun? Wie das Leben so spielt. Ich ging vor 2 Jahren durch unsere Hauptstrasse und kam mit einem alten Freund, bezeichnenderweise am LINDENBRUNNEN, auf den Grub’-Stammtisch, zu sprechen. Darauf sagte er mir, dass er, mit Namen Müller, adligen Ursprungs sei und es eine Verbindung zu Graf Eberhard gäbe. Ich dachte mir nur : „Klar — und mein Bruder ist der Kaiser von China J“ und ging meines Wegs. Bei einem späteren Besuch in seinem Haus staunte ich immer mehr, über das, was ich da sah und hörte. Der wahrhaft umfangreiche Stammbaum führt also doch bis Oberkochen und einer der vielen Nachfahren des Vormunds des Grafen Eberhard heißt HARTMUT MÜLLER und ist uns allen als ehemaliger Stadtrat wohlbekannt. Seine Mutter. Reichsfrau Ruth Speth von Schülzburg geb 1915 gest 1998 (letzte Ruhestatt auf dem städtischen Friedhof Oberkochen) wurde in Waterberg (Südwestafrika) geboren. Ihr Vater war der Freiherr Otto Speth von Schülzburg, geb zu Schöntal (Kreis Schwäbisch Hall) und dessen Vater war Königlicher Förster im Ellwängischen (Forsthaus Hohenberg). Otto ließ sich auszahlen und ging nach Südwestafrika und seine Frau gebar ihm drei Kinder. Eines davon war die spätere Mutter von Hartmut. Nach dem 1. Weltkrieg änderte sich das Leben dramatisch: Enteignung der Farm, Rückkehr nach Hohenberg und Verkauf von Hohenberg griffen hart in das Leben von Hartmut’s Mutter ein. Sie heiratete dann später den Kieler Kaufmann Herbert F. Müller und gebar zwei Söhne. Hartmut war einer von ihnen. Nach der Scheidung der Eltern nahm die Mutter ihren adligen Namen wieder an und auch die Kinder hätten Anspruch darauf gehabt. Hartmut und sein Bruder entschieden sich jedoch dagegen: „Wir sind Müllers und bleiben Müllers“. Die Mutter verlebte die letzten Jahre im Hause von Hartmut und Inge Müller (geb Schrader). Somit ist eines ganz klar. Ein Stammtisch mit Namen GRAF EBERHARD konnte nur in Oberkochen gegründet werden. Und wenn der Stammtisch mal einen Vormund braucht – Hartmut wäre sicher allzeit bereit unter dem Motto: ATTEMPTO – ich wag’s

Hartmut Müller und seine Mutter, Reichsfrau Ruth Speth von Schülzburg
So, das war die Geschichte vom Grafen Eberhard, dem Stammtisch und dem Müller Hartmut. Alles Müller – oder was?
Wilfried Müller