„Ich wollte den Krieg verhindern“

Der Heimat­ver­ein hatte in Joachim Ziller, Haupt­amts­lei­ter auf dem Rathaus in Königs­bronn, einen äußerst kompe­ten­ten Referen­ten zum Thema „Elser-Atten­tat vor 70 Jahren gefun­den, da Ziller in Königs­bronn nicht nur auf breiter Ebene Kultu­rel­les steuert, sondern auch verant­wort­lich für den ständi­gen Auf- und Ausbau des dorti­gen Elser­mu­se­ums ist.

Der Einla­dung des Heimat­ver­eins waren 40 inter­es­sier­te Gäste gefolgt. Der Vorsit­zen­de Karl Elmer konnte auch Freun­de aus Unter­ko­chen begrüßen.

Beson­ders markant im Vortrag zum Atten­tat v. 8.11.1939 über Bekann­tes hinaus waren die folgen­den Ausfüh­run­gen des Referenten:

  1. Ebenso spannend wie durch­weg sachlich wurde die Tatsa­che darge­stellt, dass Georg Elser (1903 – 1945) Einzel­tä­ter war. Das NS-Régime vermu­te­te bis zuletzt, dass es bei dem Atten­tag „Hinter­män­ner“ gegeben habe. – Laut NS-Régime sei das Atten­tat von England aus angezet­telt worden. –
  2. Elser wurde in Einzel­haft genom­men und blieb bis zum Kriegs­en­de und seiner Ermor­dung ohne jegli­chen Kontakt mit der Außen­welt. Hitler plante nach dem „Endsieg“ am Beispiel Elser einen „Schau­pro­zess“ zu führen.
  3. Hitler und maßgeb­li­che Dritte-Reichs-Größen bezeich­ne­ten es als „göttli­che Fügung“, dass das Atten­tat auf Hitler misslang, da Hitler den Münch­ner Bürger­bräu­kel­ler vorzei­tig verließ, um, wetter­be­dingt, früher als geplant von München mit der Bahn (und nicht mit dem Flugzeug) zu einer in Berlin statt­fin­den­den weite­ren Veran­stal­tung zu gelangen.
  4. Vor allem die Ausle­gung „göttli­che Fügung“ brach­te Hitler auch über die Kirchen in diesem Jahr 1939 „auf dem Höhepunkt seiner Macht“ zusätz­lich Sympa­thien und Macht ein. – Auf dieser Tatsa­che beruhen auch uns heute unver­ständ­lich erschei­nen­de sogenann­te „Hitler-Fürbit­ten“ der Kirche in Gebeten.
  5. Bruta­le Verhör­me­tho­den bei Angehö­ri­gen und Bekann­ten Elsers. Das ganze Dorf Königs­bronn hatte den ganzen Krieg über unter den Verhör­me­tho­den der Gesta­po zu leiden. Diese hatte übrigens auch ein Verhör­lo­kal im „Hirsch“ in Oberkochen.
  6. Die Bruta­li­tät der NS-Aufklä­rungs­maß­nah­men trug maßgeb­lich mit dazu bei, dass in Königs­bronn eine Antihal­tung entstand gegen alles, was mit dem Atten­tat vom 8.11.1939 und mit Elser zusam­men­hängt. – Hinzu kam, dass Elser den Kommu­nis­ten zugetan war.
  7. Nur so konnte es gesche­hen, dass Elser jahrzehn­te­lang – fast ein halbes Jahrhun­dert, in Deutsch­land als sehr früher Hitler­at­ten­tä­ter hinweg­ge­wusst werden konnte. Erst nach dem Bürger­meis­ter­wech­sel sei Bewegung in den Sache Elser gekommen.
  8. Des Weite­ren war eine Nachkriegs-Aussa­ge von Pastor Niemöl­ler, der 1946 Elser aus seiner eigenen Erinne­rung an KZ-Mithäft­lings­aus­sa­gen als SS-Mann bezeich­net hatte, verhäng­nis­voll. Diese Aussa­ge Niemöl­lers war nicht nur nicht beleg­bar, sondern schlicht­weg falsch.
  9. Zillers Fazit: So gut Elser das Atten­tat vorbe­rei­tet hatte, so wenig durch­dacht war der weite­re Ablauf seines Verhal­tens nach demsel­ben. — Elser hatte beispiels­wei­se, da an und für sich politisch nicht inter­es­siert, keine Kennt­nis davon, dass unbemerk­te Grenz­über­gän­ge ab 1939 praktisch nicht mehr möglich waren. Ferner sei es unbedacht gewesen, dass er bei seiner Festnah­me an der Grenze zur Schweiz eine Ansichts­kar­te vom Bürger­bräu­kel­ler sowie weite­res belas­ten­des Materi­al mit sich geführt habe.
  10. Letzt­lich seien „drei Winzig­kei­ten“ für das Schick­sal Elsers entschei­dend gewesen: Erstens: Die wenigen Minuten, die Hitler früher aus dem Bürger­bräu­kel­ler verschwand, ehe seine Bombe explo­dier­te. Zweitens: Die wenigen Meter, die ihn bei seiner Aufgrei­fung bei der Flucht in die Schweiz im trennen­den Grenz­strei­fen von der Freiheit getrennt haben. Drittens: Die wenigen Tage, die zwischen seiner Ermor­dung und der Befrei­ung des Dachau­er KZs durch die Ameri­ka­ner lagen, wohin er als „Sonder­häft­ling“ verbracht worden war.

Joachim Ziller hatte viel Infor­ma­ti­ons­ma­te­ri­al zum Vortrag mitgebracht.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine lebhaf­te Diskus­si­on statt. Ziller äußer­te als Antwort auf eine Frage, dass die Darstel­lung der Geschich­te des Dritten Reichs unter Nennung von Namen in kleine­ren Orten wie Oberko­chen auch heute noch eine „Gratwan­de­rung“ sei.

Der Vortrag stand optisch im Zeichen der stark vergrö­ßer­ten Abbil­dung der Elser-Gedenk-Brief­mar­ke aus dem Jahr 2003.

Im Gebäu­de der Bundes­bank in der Marstall­stra­ße beim Haupt­bahn­hof in Stutt­gart ist derzeit, zusam­men­ge­stellt von der Landes­zen­tra­le für politi­sche Bildung, bis 4. Dezem­ber eine Bild-Text-Ausstel­lung zum Thema „Georg Elser – Ich wollte den Krieg verhin­dern“ zu sehen. Geöff­net Diens­tag bis Freitag, 10.00 – 18.00 Uhr.

Dietrich Bantel

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